[23] Crank Palast

Eigentlich hätte ich es mir denken können. Wäre ja auch zu viel verlangt, dass einmal ausnahmsweise alles nach Plan verläuft.

Stumm starre ich den Brief an, den Newt hinterlassen hat, wo er kurz und knapp sein Verschwinden erläutert. Der Brief sieht genauso aus wie im Buch, bis auf einen kleinen Satz, der am Ende des Blattes hastig dazugekritzelt worden war, als hätte er nicht mehr genug Zeit gehabt, ordentlich zu schreiben.
Und wenn ihr wieder Alina treffen solltet, sagt ihr, dass ich ihr den Brand wünsche. Von ganzem Herzen.
Hach, so was liest man gerne, nicht wahr? Desto öfter ich den Satz lese, desto größer wird der Knoten in meinem Magen, bis man mir den Zettel vor der Nase wegreisst. Als mein Blick empört hochschnellt, sehe ich gerade noch, wie Minho sich mit gesenktem Kopf und konzentrierten Blick abwendet, seine Augen zucken beim raschen Lesen hin und her und machen mich unruhig. Er entfernt sich einige Schritte, ehe er sich vom Brief losreisst und zu mir umwendet.
"Ich soll dir von Newt ausri..."
"Lass stecken Minho."
Meine Stimme klingt eher traurig als wütend, und nun bin ich es, die sich einfach wegdreht. Newt scheint wirklich zutiefst getroffen von meinem augenscheinlichen Verrat zu sein. Kann ich nachvollziehen.
Umso mehr muss ich dafür sorgen, dass er eines Besseren belehrt und geheilt wird; mit viel kaltem Wasser und einer fetten Portion Eiswürfel.

Keiner will wirklich über Newts Verschwinden reden. Ich habe kurz und knapp meinen Ratschlag abgegeben, sofort zum Crankpalast zu gehen, um Newt nicht vielleicht doch da raus zu holen, und keiner hatte etwas dagegen einzuwenden. Meine Gedanken kreisen um den Blonden und vor allem auch um die Nachricht, die er Thomas bei der Flucht zugesteckt hat. Soll ich Thomas davon erzählen? Oder lieber nicht? Was, wenn ich Newt nicht überreden kann, in Eiswasser zu baden? Wenn er doch stirbt? Diese Vorstellung lässt mich erschaudern, weshalb ich sie so gut wie möglich verdränge. Dennoch bahnt sie sich immer wieder ihren Weg in den Mittelpunkt, sodass ich die ganze Nacht kaum ein Auge zudrücken kann.
Also liege ich steif da wie ein Nagelbrett und starre an die Decke. Hautthemen in meinem rumorendem Kopf sind Newt, die bevorstehende Crank-Apokalypse und auch Minho.
Minho.
Dieser Strunk bringt mich zur Weißglut, und trotzdem hab ich ihn gern. Ich weiß nicht einmal genau, ob ich unser Verhältnis als "Liebe" bezeichnen kann; immerhin ist unsere Beziehung mehr als brüchig, und außerdem im Moment auch nicht gerade rosenfrisch. Viel mehr kam nach den kurzen verzweifelten Kuscheleien eine Eiszeit auf, die den ganzen Schnulzenkram, bevor er richtig losgehen konnte, einfach einfrohr. Scheißdreck.
Sollte ich dafür also kämpfen? Für ein paar Küsse? Irgendwie mag ich ihn ja doch, obwohl ich ihn oft genug aus dem nächsten Fenster hätte werfen können. Sofern diese vorhanden sind. Eine Klippe täte es auch.
Meine Gedanken wandern zu meiner Mutter, überraschender Weise. Bestimmt wäre das der Moment, wo mütterlicher Rat einbezogen wird, die ersten gut gemeinten, aber grottenschlechten Beziehungstipps abgegeben werden und man sich danach einfach nur alleine irgendwo verkriechen möchte. Obwohl ich nach der einmonatigen Einsamkeit Gesellschaft eigentlich sehr angenehm finde.
Thomas leises Schnarchen ein paar Meter neben mir lässt mein Trommelfell vibrieren und ich vergrabe das Gesicht in den Wollsack, der als provisorischer Polster dient. Brenda liegt hier auch noch irgendwo herum, und Jorge und Minho schlafen in einem anderen Raum. Die zwei sind überhaupt die Argwöhnischten der Truppe, weshalb sie sich wahrscheinlich auch von mir abgespaced haben. Aber das wird sich noch ändern. Spätestens wenn wir Newt begegnen, wird sich das ändern.

Oder auch nicht.
Denn als wir, ausgeschlafen und einigermaßen motiviert, früh morgens am nächsten Tag vor dem heruntergekommenen Palast stehen und den zwei mürrischen, ziemlich unausgeschlafenen Wächtern ins Gesicht blicken, sinkt mir das Herz in die Zehenspitzen. Bei der Vorstellung, Newt könnte bei meinem Anblick einen Wutausbruch bekommen und mit seinem Maschinengewehr - oder was auch immer er im Buch in den Händen gehabt hatte, wild um sich ballern. Mit jeder Minute, die verstreicht, nachem die zwei Typen eingewilligt haben, den Blonden zu suchen, wird meine Kehle trockener und trockener, unruhig verkrampfen sich meine Finger ineinander und hinterlassen rötliche Furchen, dort, wo sich meine wochenlang ungeschnittenen Nägel eingegraben haben. Mit aller Macht versuche ich, irgendwie meine Angst unter Kontrolle zu bringen, und fast hätte ich es geschafft, die aufkommende Schnappatmung niederzuringen, da biegen die Wachen wieder um die Ecke. Mein Herzschlag überschlägt sich promt und ich bekomme es wieder mit der Furcht zu tun.
Was, wenn Newt sich weigert, mich zu sehen?
Oder schlimmer: Wenn er mich zu sich ruft, und mich dann erschießt?
Beides nicht sonderlich toll.
"Er will euch nicht sehen, oder - wie er es ausgedrückt hat - ihr sollt euch verpissen. Ich denke das war unmissverständlich"
mault der eine Jorge an, welcher seufzend die Augen verdreht.
"Das ist mir herzlich egal was er will. Das war nicht Teil der Abmachung. Wir wollen zu ihm, sonst gibt's kein Geld!"
Der Kollege flüstert dem Sprecher etwas zu, worauf der mit den Schultern zuckt und sich umwendet.
"Meinetwegen. Kommt mit."
Mit schnellen Schritten eilt er davon, und ich muss sehen, dass ich bei der Eile den Anschluss nicht verlieren. Denn auch mich gibt keiner mehr Acht. Ich bin allen egal. Aber das wird sich ändern, sobald ich Newt geheilt habe; falls ich ihn heilen kann. Falls er mich nicht erschießt.

Die heruntergekommene Stadt blüht mir in seiner vollkommenen Hässlichkeit und mit dem süß-bitterem Gestank von verschimmeltem Essen entgegen, wogegen das laute Donnern der zufallenden Gittertür mir wie der bedrohliche Nachhall eines Donnergrollens vorkommt, der verkündet, dass mein Schicksal nun so gut wie besiegelt ist.

Schwaches Kapitel, ich weiß. Aber hab momentan eine Schreibblockade, sorry :( Bemühe mich!

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