21. Propaganda

Seuftzend lege ich mich ebenfalls hin und schließe die Augen, doch ich höre weiterhin die entsetzlichen Schreie der Lichter, die in Todesangst mit den Griewern kämpfen, während ich hier liege und nur den nicht einkehrenden Schlaf zu kritisieren habe.

◇◆◇◆◇◆◇◆

Ich drücke kein Auge zu.
Immer wieder nicke ich für einige Minuten ein, werde dann aber unsanft aus dem Schlaf gerissen, als irgendwer schreit oder die Griewer brüllen. Die ganze Zeit über quält mich der Gedanke, dass ANGST vielleicht ihre Schoßmonster umprogrammiert hätten und nun mehr als einer gefressen wird; aber letztendlich kann ich nichts mehr dagegen unternehmen. Ich kann nur hoffen, dass es niemanden trifft, den ich kenne und mag, das würde ich nicht verkraften. Ich bin eben kein abgehärtete fiktionale Hauptfigur, sondern ein verängstigtes Teenagermädel, dass gerne liest und mit ihren Schmußepapageien kuschelt.

Letzteres lenkt mich für eine große Weile von der aktuellen Situation ab.
Ich vermisse mein altes Leben, sehr sogar. Die Sicherheit, die Stille, den warmen, knisternden Kamin und mein federweiches Bett. Dann natürlich meine Familie; auch wenn ich dieser, zu meiner Überraschung, am wenigsten nachtrauere. Ich habe zwar kein schlechtes Verhältnis zu meiner Mum, meinem Dad oder meinen kleinen Geschwistern - im Gegenteil, ich liebe sie - aber so richtig krass, wie Tris oder Clary zu ihren Müttern... ne.
Dann vermisse ich auch meine Katzen; vier Stück, eine liebesbedürftiger als die andere. Wie oft bin ich schon mit Fell im Gesicht eingeschlafen, wie oft hat sich einer der Flohbeutel auf mein aufgeklapptes Buch gelegt und mir dabei ganz unschuldig zugezwinkert und Liebe mich! geschnurrt? Sehr, sehr oft.
Und dann wären da natürlich meine Papageien, sie vermisse ich am meisten. Vögel verkörpern für mich Freiheit und Ruhe, denn wo Hektik herrscht, bekommt keiner einen Vogel zahm. Jeder kann eine Katze oder einen Hund kraulen, aber einen Papageien? Wer krault schon Papageien? Ich zum Beispiel, und das liebend gerne!

Als die schrecklichen Geräusche endlich verstummt waren, traue ich mich die Tür aufzusperren. Teresa rappelt sich gerade gähnend auf, als ihr Blick auf mich fällt. Ihre Augen weiten sich, als sie die offene Türe sieht. Ich muss leicht grinsen.
"Komm schon raus. Du stehst unter meinem Schutz."
Dann schleiche ich mich hinaus auf die Lichtung.

Das Gehöf ist total im Eimer. Bretter liegen zerschmettert herum, überall sind Bauteile des ohnehin schon klapprigen Holzgerüsts verstreut. Die meisten Lichter rennen panisch umher und schreien sich gegenseitig an, total aufgelöst und planlos.
Eine kleine pummelige Kugel kommt auf mich zugerollt und umarmt mich stürmisch, ehe ich genau erkennen kann, um wen es sich handelt. Blöde Frage, natürlich ist es Chuck.
Ich drücke ihn ebenfalls kurz an mich, erleichtert ihn noch in einem Stück zu sehen, doch dann kommt wieder die Angst. Schnell mache ich einige Schritte zurück und muster ihn prüfend.
"Bist du okay? Ist Thomas okay? Minho, Newt, Alby, Clint? Bratpfanne?"
Überfordert reisst der Rothaarige die Hände hoch und macht beruhigende Gesten; zumindest glaube ich das, denn eigentlich sieht es aus als würde er nach einer Fliege schlagen.
"Ganz langsam mal. Es wurde nur Gally mitgenommen, wie du gesagt hast. Newt hat gemeint wir müssen heute Abend schon aufbrechen, aber fast alle sind dagegen."
Stumm blicke ich ihn an.
"Was heißt fast alle?"
Der Junge zieht eine traurige Miene.
"Alle außer Newt, Thomas und mir."
Dass Alby dagegen sein wird war klar, doch Minho... enttäuscht mich ein wenig.

Schnell schüttel ich diesen Gedanken ab und wende mich Teresa zu, die alles mit entsetztem Blick mustert und leise "Ojeoje" vor sich hinmurmelt.
Ich tippe sie vorsichtig an, worauf sie zusammenzuckt.
"Teresa, wir müssen die Lichter irgendwie dazu überreden, abzuhauen. Sonst werden noch mehr sterben."
Mit großen Augen sieht sie mich an, erneut starre ich ihr fasziniert in die Augen. Wie kann man nur so eine schöne Iris haben...?
"Und wie willst du das anstellen?"
Gute Frage.
Ratlos ziehe ich die Schultern hoch.
"Keine Ahn..."

"Wer hat die da rausgelassen?!"
Ein ziehmlich gehetzt aussehender Minho kommt über das Chaos hinweg auf uns zugestürmt und fixiert dabei Teresa mit einem giftigen Blick. Ich seuftze ermüdet und sehe dem Asiaten entgegen.
"Minho, ich hab sie..."
"Und warum?"
blafft er mich gleich an, nimmt seine Augen dabei aber nicht von dem schwarzhaarigen Mädchen. Das reizt mich... etwas.
Wütend stelle ich mich in die Bahn zwischen Teresa und Minho und versperre dem Läufer somit das Sichtfeld. Leise knurrend stemme ich die Hände in die Hüfte.
"Jetzt hör mal zu. Ich kenne dieses Mädel besser als du, ich kenne dieses verdammte Labyrinth besser als du. Sie darf tun und lassen was sie will, wenn ich das sage. Sie kann uns nämlich bei einigem helfen."
Minhos dunkle Augen funkeln gefährlich, als er die Arme vor der Brust verschränkt und sich vor mir aufbaut. Eine kleine Wunde ziehrt sein Kinn, als habe ihn dort ein herunterfallendes Brett getroffen.
"Sagt genau die, die sich über Nacht im sicheren Bau verkriecht."

Das ging zu weit.
Meine Hand ist schneller oben, als Minho reagieren kann, bei dem lauten Knall drehen sich sogar einige Lichter verwundert nach uns um. Der Hüter reibt sich einen Moment lang perplex die rote Wange und sieht zu Boden. Fast meine ich schon so etwas wie Reuhe in seinen Augen aufblitzen sehen, doch dann werden sie wieder hart und kalt und mustern mich abschätzig.
Er ist nur gereitzt wegen dem Angriff.
rede ich mir ein, aber genauso könnte ich mir vorlabern, dass Minhos Worte mich nicht auf irgendeine seltsame Art... verletzen.
Mit einem tiefen Knurrer wende ich mich ab und stolziere extra tussenhaft auf Teresa zu, die mich nur mit offenem Mund anstarrt.
"Komm, wir suchen Newt. Der hat hoffentlich noch alle Tassen im Schrank."
Wortlos lässt sich das Mädchen von mir davonzerren, Chuck watschelt mit undefinierbarer Miene neben mir her.
Als wir außer Minhos Hörweite sind, packt er mich an Arm und bringt mich so zum stehen.
"Das war nicht nett von Minho."
"Achja?"
fauche ich sarkastischer, als ich es Chuck antun will.
Der Junge blinzelt mehrere Male.
"Ich glaube, er bereut es."
Das ist mir momentan egal. Soll er doch hingehen wo der Pfeffer wächst, ich muss hier Leben retten!

Nach einigem Suchen finde ich Newt schließlich zusammen mit Thomas beim Bau. Er diskutiert gerade aufgeregt mit dem Läufer - wahrscheinlich wundern sie sich, wohin wir verschwunden sind - da treffen sich unsere Blicke und fast sofort entspannt er sich.
Mit einem erleichterten Lächeln kommt er auf mich zu, bleibt kurz vor mir stehen und hebt leicht die Arme an, als wolle er mich umarmen, doch dann zögert er und weicht wieder ein paar Schritte zurück.
Das wiederum bringt mich zum schmunzeln.
"Du kannst mich ruhig umarmen, ich beisse nicht"
lache ich und Newt sieht ertappt zu Boden. Doch dann schlingt er seine dünnen, aber trotzdem unglaublich starken Arme um mich; diese Kraft spühre ich nur allzu deutlich, als ich an seiner Brust fast zerquetscht werde.
Hustend löse ich mich wieder von ihm und er wird sogar ein wenig rot.
"Sorry"
murmelt er verlegen und fährt sich durch das zerzauste blonde Haar.
Thomas räuspert sich vernehmlich.
"Wenn ihr dann mal fertig seid, würde ich gerne mal wissen was jetzt... passieren wird."
sagt er fachmännisch und sieht mich dabei direkt an.
"Theoretisch rennst du und Minho gemeinsam ins Labyrinth, trefft dort einen Griewer den ihr bis zur Klippe verfolgt und sichert somit eure Theorie um das Griewerloch, dass ich euch ja schon bestätigt habe."
Der Braunhaarige nickt knapp und betrachtet Teresa mit nachdenklicher Miene, die seinen Blick ebenfalls geistesabwesend erwidert. Ich komme nicht drum herum, darüber zu schmunzeln.
Hashtag Theresa.
Dann schüttelt er leicht den Kopf, als müsse er einen Gedanken loswerden, und sieht hinüber zu Newt.
"Also?"
Der zweite Anführer zuckt ratlos mit den Schultern.
"Keiner will mitkommen. Ich kann die Strünke schlecht dazu zwingen ins Griewerloch zu springen."

Ich betrachte einen Moment lang die kleine Truppe, dann kommt mir eine Idee. Propaganda!
"Kommt mit"
sage ich knapp und laufe ohne eine Antwort abzuwarten wieder zur Lichtung zurück. Hinter mir ertönen einige Schritte, worauf ich schließe dass sie mir folgen.
Auf der offenen Wiese kommt langsam Ordnung ein, auch wenn noch immer wild durcheinandergeschrien wird.
Minho und Alby - eigentlich nur Minho, der Anführer steht ziehmlich verloren daneben - beruhigen die Lichter so gut es geht und teilen sie in mehrere Gruppen ein, um das Chaos zu beseitigen. Ich forme meine Hände zu einem Trichter und schreie laut
"Hey!"
und augenblicklich verstummen alle Stimmen. Etwas überrascht sehe ich in die Runde - dass ich sofort gehört werde hätte ich nicht erwartet -, fange mich dann aber sofort wieder.

"Wie ihr wisst, will Newt noch heute Abend aufbrechen und durch das Griewerloch flüchten."
Ein unbekannter Lichter unterbricht mich.
"Ja, das hast du ihm eingeredet!"
Ich verdrehe die Augen und seuftze.
"Aus einem gewissen Grund. Wer heißt hier Adam?"
Stille legt sich über die Menge. Dann drängelt sich ein kleiner, aber schlanker Junge mit langen blonden Haaren, die ihm bis auf die Schultern fallen, nach vorne und hebt wie ein Schüler die Hand.
"Ich bin Adam."
Ich setze mein bestes sarkastisches Lächeln auf und lasse meine Handflächen einmal laut ineinanderklatschen, als würde ich ihm applaudieren.
"Herzlichen Glückwunsch, du wirst als nächstes sterben."
Adam wird plötzlich ganz weiß um die sommersprossenbedeckte Nasenspitze.
Gemurmel bricht los.
Einige empören sich über meine Lügen, andere sind total entsetzt und spekulieren über eine tatsächliche Flucht. Ich lasse meine Worte eine Weile auf die Jungen wirken und setze dann fort.
"Zart, du kannst ihm gleich das Wasser reichen. Und noch zwei andere."
Nun ist es unheimlich ruhig auf der Lichtung. Jeder starrt mich mit großen, ängtlichen Augen an.
"Wollt ihr das wirklich?"
tönt da Newts Stimme durch die Stille und im nächsten Moment steht er auch schon neben mir. Herausfordernd blickt er in die Runde.
"Wollt ihr wirklich warten, bis euch der Tod holt?"
Gedämpft wird miteinander geflüstert. Einige wirken verzweifelt, andere einfach genervt. Zum Glück ist Gally nicht mehr da, um die Masse gegen uns aufzuhetzen und dagegen zu argumentieren. Das kann ich gerade echt nicht gebrauchen.
"Also ich gehe doch lieber"
murmelt Adam gerade so laut, dass ich es hören kann und trottet mit gesenktem Kopf auf mich zu. Ich klopfe ihm freundschaftlich auf die Schulter.
"Kluges Bürschchen."
Einige Lichter lösen sich von der einen Seite und stelle sich ebenfalls neben uns, erwidern allerdings keine Blicke und wirken fast ein wenig beschämt über ihre Entscheidung. Die Überzahl bleibt auf der Kontraseite; aber dass kann ich nicht zulassen. Nicht, wenn ich es verhindern kann.
"Was meinst du dazu, Alby?"
fragt jemand und alle Köpfe drehen sich zu dem Anführer. Ich schlucke. Jetzt kann ich meinen Plan vergessen...

"Ich bin dafür, dass wir abhauen."

Mir fällt die Kinnlade herunter.
Bitte?
Habe ich mich gerade verhört oder so?
Alby stimmt mir zu? Wow. Das muss ich irgendwo notieren. Den wievielten haben wir heute?
Wieder kommen ein paar Lichter herübergeschlurft, jetzt steht es ungefähr 50:50 auf jeder Seite.
Alby steht ebenfalls dabei, neben Newt, der genauso überrascht scheint wie ich.
Gerade will ich wieder das Wort erheben, als auf einmal Alby nach vor tritt und selbstbewusst in die Runde blickt.
"Alina, du hast gesagt, wir müssten durch das Griewerloch. Und was wenn dort alle von diesen Monstern auf uns warten?"
Misstrauisch verenge ich die Augen. Der will doch auf etwas hinaus...
"Dort unten gibt es einen Bildschirm, wo man Codewörter einsetzen kann. Damit schaltet man die Griewer aus."
Alby zieht überrascht die Augenbrauen hoch, doch es wirkt gefaked.
"Und wie findet man diese Codewörter heraus?"
Aha.
Das ist das einzige, was mir in den Sinn kommt gerade.
Aha.
About that.
"Mit den Karten."
flöte ich ihm fast schon ins Ohr, wohl wissend, was für ein Spiel er spielt.
"Man muss die Linien auf Wachspapier übertragen und wenn man die einzelnen Abschnitte eines Tages übereinander hält, bekommt man einen Buchstaben. So macht man es dann mit allen Karten."

Thomas schnappt hinter mir erschrocken nach Luft.
"Was? Aber... die Karten sind doch..."
japst er und sieht mich erstarrt an. Ich schenke ihm mein strahlendstes Lächeln.
"Verbrannt? Nein. Sie wurden in Sicherheit gebracht."
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Newt perplex nickt.
"Aber diese Arbeit können wir uns ersparen. Ich weiß die Codewörter auch so."
Alby starrt mich mit einer Mischung aus Entsetzen und Überraschung an, dann verzieht er das Gesicht, als hätte man ihn geschlagen. So nicht mein Lieber.
Vieles, aber so nicht!
Ich kann nicht anders als ihn fiese anzugrinsen.

Mit verbitterter Miene beobachtet der Anführer, wie immer mehr Lichter die Seite wechseln und sich unserem Vorhaben anschließen.
Sein naiver Plan ist eindeutig fehlgeschlagen.
Und meiner gelungen.

Dadadadammmm
Es wird ernst.
Und was ist wohl mit Minho los? :0
*dramatische Musik*
Wir werden seheeeeeen. Hehe.

Ja guut...

Tschuss.

EL GE Kukituuuu

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