[20] Wo bin ich?

Wenn man bedenkt, dass ich vor der Sache mit dem Buch noch nie ohnmächtig war, ist meine momentane Bewusstlosigkeitszeit beinahe auf 50:50 mit meiner Wachzeit. Vielleicht etwas übertrieben, doch gefühlsmäßig verpenne ich die halben Geschehnisse als Halbtote, während mein genialer Rettungsplan langsam aber sicher im Schlamm versinkt.
Als ich die Augen zum tausendsten Mal nach einer langen, aber unerholsamen Ruhepause öffne, ergießt sich ein enormer Schwall an Gedanken auf mich hernieder wie hunderte Stimmen, die gleichzeitig auf einem einreden.

Ich muss Newt retten.

Ich muss die Jungs vor dem Kontrollsystem von ANGST warnen.

Ich muss Theresa vor dem Fels schützen.

Ich muss Minho finden.

Ich muss ihnen erklären, dass ich unschuldig bin...

Das verschwommene Grell fügt sich vor meinen Augen langsam zu einem einheitlichen Bild zusammen und entpuppt sich als kahle, weiße Decke, auf der eine einzelne Glühbirne montiert wurde, die nur sehr schwaches, kaltes Licht spendet. Mein Rücken ist zu steif, um meinen Untergrund genau zu identifizieren, weshalb ich mich unter großem Ächzen aufkämpfe und dabei zweimal fast den Halt verliere. Scheinbar hat man mich in einen kleinen Abstellraum auf einer aufblasbaren Matraze eingekerkert, an der abgeschmierten Wand erkennt man noch die Bohrlöcher für unzählige Regale. Eine Hand voll Dübel liegen verstaubt in der Ecke, dreckige Schlieren zeigen die Umrisse eines ehemaligen Kastens an, der jetzt jedoch abmontiert worden war. So widerlich dieser Raum auch sein mag, er hat etwas alltägliches, heimeliges an sich, im Gegensatz zu den hygienisch sauberen, blütenweißen Räumen der Organisation. Dass ich mich nun wohl nicht mehr im bombenfesten Zentrum von ANGST befinde, beruhigt mich enorm, und langsam beginnt auch mein Hirn, die Gedanken zu ordnen. Die vielen lästigen Stimmen verstummen allmählich, zurück bleibt der hohle Wunsch, sich ein wenig Überblick über die Situation zu verschaffen. Doch wie sollte das gehen, in einem kaum 8 Quadratmeter großem Raum? Ratlos starre ich die hölzerne Tür an, mit den Schulterblättern an die gegenüberliegende Wand gelehnt. Ich besitze nicht die nötige körperliche Kraft, um überhaupt darüber nachdenken zu dürfen, die Tür einzutreten. Vor allem jetzt nicht, wenn ich am Ende meiner körperlichen und seelischen Energiereserven angekommen bin. Die Müdigkeit der vergangenen Tage, Wochen, Monate, hat sich wieder wie zäher Schleim über meinen Körper gelegt und lässt meine Bewegungen steif und schwer werden, zusätzlich habe ich das dringende Gefühl, mich schlafenzulegen, obwohl ich erst vor Kurzem aufgestanden bin. Wie ein Igel rolle ich mich in meiner sitzenden Position ein, ziehe die Knie bis an die Brust und schlinge beide Arme schwach um die Schenkel. Das Kinn auf die Knie gebettet, starre ich stumm ins Leere, in meinem Kopf herrscht im Gegensatz zu vorher eine gespenstische Stille. Die Minuten rinnen mir wie Sand zwischen den Fingern hindurch, ich verliere jegliches Zeitgefühl. Nicht, dass ich sonst ein super Einschätzungsvermögen gehabt hätte, dich in dieser monotomen Umgebung lässt es sich unmöglich sagen, ob man eine Minute oder gar schon eine Stunde vor sich hinvegetiert.

Nach womöglich Jahrtausenden der absoluten Lautlosigkeit, vernehme ich inmitten meines gedankenlosen Wachkomas plötzlich Geräusche. Ein dumpfes Pochen, unregelmäßig, wie ein hinkender Schritt. Plötzliche Hoffnung macht sich in meiner Brust breit, schnaufend stemme ich mich auf die Beine und torkel etwas ungeschickt auf die Tür zu. Meine Beine waren eingeschlafen, millionen Krabbeltiere bahnen sich ihren Weg durch die Adern und lassen mich bei jedem Meter einknicken, als wäre ich ein frisch geborenes, ungeschicktes Rehkitz. Meine Hände berühren das raue Holz; und im nächsten Moment liege ich in einem schmutzigen, halbdunklen Flur, dessen Fliesenboden mehr Scherben als ganze Platten aufweist. Verwundert sehe ich mich um, doch weit und breit ist niemand zu sehen.

Die Tür. Sie war die ganze Zeit über offen.

Aufnahmsweiße gilt mein giftiger Zorn diesmal nicht ANGST, sondern mir selbst. Ich Idiot sitze seit Stunden in einer Kammer, die nicht einmal abgesperrt war? Das ist doch zum Haareausreissen!
Knurrend wie ein aggressiver Hund ziehe ich mich an der äußeren Türklinke auf die Beine, rubble kurz über die nur noch schwach kribbelnden Schenkel, und tapse dann - nur mit Socken, wie mir auffällt - den Gang entlang.
Lange alleine bin ich nicht; bald schon wehen mir erste Gesprächsfetzen entgegen, knallende Türen und schwere Schritte vermischen sich zu einem einzigen Lautorchester. Mir bleibt gar keine Zeit, um überhaupt die Lage zu erfassen, da geht rechts vor mir eine schwere Schwingtür auf und zwei Männer treten heraus. Sie sind bis aufs Zahnfleisch bewaffnet, mit schweren Munitionsgürteln um die breitgebauten Oberkörper geschlungen und Gewehren an den Rücken gegurtet. Was mir auffällt sind die zerrissenen, alten Kleider, die mehr an Kriegssoldaten als an Wächter erinnern. Von da an, von diesem Anblick, kommt mir der erste Gedanke.
Meine Vermutung verstärkt sich noch ein wenig, als die mindestens 2 Meter großen Schränke an mir vorbeimarschieren, als wäre ich Luft, als würde ich sie nichts angehen.

Ganz sicher wurde ich aber erst, als ich den Raum betrat, aus dem die Soldaten gekommen waren. Er erinnerte mich stark an das Lager der obdachlosen Fraktionslosen aus Die Bestimmung, alte, abgewetzte Tische, Waffen überall, trübes Licht aus schmutzigen Glühbirnen. Ich stehe keine zwei Sekunden alleine da und mustere den Raum, da legt sich plötzlich eine große Hand auf meine Schulter, mit festem Griff und eine Bestimmtheit, die mir die Kehle zuschnürt. Als ich mich langsam umdrehe, blicke ich in zwei graue, aber merkwürdig warme Augen, die zu einem knatigem Gesicht mit kahlem Narbenschädel und bodybuildermäßigem Körper gehören.
"Du bist die Kleine, die sie aus der Zentrale geholt haben, was? Keine Sorge, hier in Denver bist du erstmal sicher. Da drüben gibts was zu futtern, und jetzt steh hier nicht weiter im Weg herum!"

Ich hätte es mir denken können.
Schon bei dem dreckigen Zimmer.
Natürlich war ich nicht bei ANGST gelandet; sondern beim Rechten Arm, genau in Denver. Dort, wo Minho, Brenda und Thomas irgendwo herumrennen. Blöder Zufall, oder Glück? Oder Schicksal?

Oder doch nur die Fügung einer Geschichte, vielleicht in einem Buch, vielleicht in der Fantasie einer einzelnen Person, die den ganzen Kram hier steuert? Wer schreibt denn die Story überhaupt, wer ist der Autor der neuen Maze-Runner-Reihe?
Vermutlich ich, der Auslöser der Veränderung. Ich ganz alleine.

Ich weiß das Kapitel ist lahm, aber ich muss Spannung aufbauen ._. Sorrü.
Xx

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