18. No panic!
Alina P.O.V.
Wenn Minho gelächelt hätte, hätte ich ihm den Kopf abgerissen. Die Situation ist nämlich ganz und garnicht lustig.
Aber er hat nicht gelächelt. Und damit war die Angst verraucht und ich breche stumm in mich zusammen. Seine Wärme lullt mich ein und trägt mich zurück in meine Kindheit, als meine Mum und ich noch gekuschelt haben. Seit mindestens 3 Jahren habe ich niemanden mehr richtig umarmt, nur zur Begrüßung beziehungsweise zum Abschied. Ich spühre zarte Berührungen wie durch Watte hindurch an meiner Schulter, meinem Rücken, meinem Kopf. Ohne es zu merken habe ich mein Gesicht in das Hemd des Asiaten gedrückt und heule mir die Seele aus dem Leib. Tränenlos natürlich. Wer weint heutzutage schon noch? Niemand. Besonders wenn er in einem Labyrinth festsitzt, zusammen mit Griewern und totgeweihten fiktionalen Charakteren. Weil das ja jeder tut...
Alles passiert wie durch eine dicke Nebelwand. Ich spühre kaum, wie Minho mich beruhigend streichelt. Ich merke fast nicht, wie er mich hochnimmt, wie eine Braut durch den Wald trägt. Ich höre nur dumpf Newts Stimme, sehe verschwommen sein entsetztes Gesicht. Ich verstehe die Worte nicht, die sie tauschen, merke nur, wie Minhos Griff sich um mich verstärkt. Als er mich daraufhin in eine düstere Hütte trägt und auf etwas Weichem ablegt, schalte ich komplet ab und ergebe mich der unsichtbaren Macht, die mich zu Boden ringt, und lasse komplett los.
Ein lauter Schrei reisst mich aus meinen Träumen. Gleich darauf wird die Türe aufgerissen und ich schlage erschrocken die Augen auf. Ein keuchender Alby steht vor mir, seine Augen sind weit aufgerissen und voller Angst.
"Der Himmel. Was ist mit dem Himmel passiert?"
Achja. Der Himmel. Der schaltet sich ja heute ab. Ich habe sie vorgewarnt, also Newt zumindest.
Ich kann nichts anderes tun als Alby stumm anzustarren. Angst vor ihm habe ich keine; er hat viel zu viel Priorität, um mich auf irgendeine Weise sexuell anzufassen.
"Alina? Was ist passiert??"
Der Dunkelhäutige kommt auf mich zu und schüttelt mich leicht panisch. Ich kneife stöhnend die Augen zusammen.
"Hör... auf..."
Aber er hört nicht auf. Der Griewer scheint seine Ruhe aus ihm hinausgesaugt zu haben, denn nun scheint er jegliche Kontrolle über sein Gemüt zu verlieren. Er rüttelt mich immer weiter durch, dass mein Nacken schon zu schmerzen beginnt, als eine Hand ihn an der Schulter packt und nach hinten zerrt. Als ich einigermaßen wieder klar denken kann, erkenne ich Newt, der nun Alby schüttelt.
"Keine Panik, ja? Alby. Keine Panik."
Seine Stimme klingt ruhig und fordernd, wie die eines echten Anführers. Bei dem Anblick des Blonden wird mit leicht mulmig. Natürlich ist mir klar dass Newt mich nicht anfassen wird, aber mein Hirn ist halt ein wenig... angeknackst, traumatisiert. Nach gestern Abend, mit diesem Typen... Ich schaudere.
"Alina? Alles ok?"
Langsam kommt er auf mich zugehumpelt. Fast schon reflexartig halte ich die Hände ausgestreckt von mir, um ihn auf Abstand zu halten, und er hält sofort inne.
"Ich tu dir nichts."
"Ich weiß."
"Was ist dann..."
"Bleib einfach auf Abstand."
Wortlos springe ich vom Bett und stapfe hinaus auf die Lichtung. Körperlich habe ich keine Schäden zu beklagen, aber allein der Anblick der mit Jungs überfüllten Lichtung löst einen Schwindelanfall bei mir aus. Ich höre klappernde Schritte und blicke über meine Schulter hinweg zu Newt, der unentschlossen dasteht und von einem Bein aufs andere tritt. Anscheinend weiß er nicht, wie er sich verhalten soll.
"David ist im Bau. Er wird verbannt."
Irgendwie überrascht mich diese Nachricht kein bisschen. Ich schlucke schwer, versuche aber dies zu verbergen und wende mich wieder det Lichtung zu.
Wo soll ich jetzt hin? Teresa wird erst heute Abend aufwachen. Davor werden Minho und Thomas ganz chillig das Griewerloch entdecken und jaa... keinen blassen Schimmer, was ich jetzt noch so zu tun habe. Planen, schätze ich. Planen planen planen. Aber was soll ich noch groß ausarbeiten? Im Endeffekt geht es eh nur um Vertrauen und eine große Portion Glück. Mehr als reden kann ich nicht.
Kopfschüttelnd lehne ich mich an einen Baum und massiere mir die Schläfe. Das alles wird mir hier eindeutig zu viel. Die Nacht im Labyrinth. Die Beinahe-Vergewaltigung. Die wachsende Panik der Lichter. Ich halte das nicht länger aus. Ich drehe hier echt noch durch! Ich...
"Alina?"
Erschrocken drehe ich mein Gesicht der Stimme zu. Newt steht immer noch dort, wo er zuvor gestanden hatte, sein Blick ist bedrückt und besorgt gleichzeitig und ruht wie ein Magnet auf mir.
"Kann ich mit dir in Ruhe reden? Ohne dass du Panik bekommst?"
"Wenn du auf diesem Abstand bleibst, vielleicht."
Der Blonde seuftzt resigniert und vergräbt die Stirn in den Handflächeln. Ich will ihnen ja keine Umstände machen, aber nun bin halt ich es, die momentan kein Vertrauen hat...
"Komm mit."
Mit diesen Worten dreht er sich um und stolpert davon, Richtung Wald. Ich gebe mich geschlagen und laufe ihn - mit einiger Entfernung - hinterher. Irgendwie komme ich mir dabei selbst lächerlich und überempfindlich vor, aber sobald ich auf Berührungsnähe komme tauchen wieder die Bilder auf, und... bah. Nein, aus!
Mit gut 2 Meter Abstand lasse ich mich neben Newt ins weiche Gras fallen. Seuftzend ziehe ich die Beine an, schlinge meine Arme darum und lege mein Kinn auf die Knie. Gedankenverloren lasse ich den Blick über die Lichtung schweifen, betrachte die Lichter und die Tiere, die Gärten und das Gehöf. Nach einiger Zeit des Schweigens beginnt er letztendlich zu sprechen.
"Du weißt, dass ich dir niemals was tun würde."
Es klingt eher wie eine Feststellung als eine Frage. Ich lasse mir den Satz ein paar Mal durch den Kopf gehen und nicke schließlich.
"Ja."
"Und du weißt, dass du zu mir ehrlich sein kannst."
"Ja."
"Und du weißt auch, dass ich dir glaube, wegen dem Buch und so."
"Ja."
"Vertraust du mir?"
Diesmal antworte ich nicht. Ja. Nein. Ich weiß nicht.
"Ich vertraue niemanden momentan. Außer Chuck vielleicht."
"Chuck? Warum Chuck?"
"Weil er noch keine Hormonschübe hat."
Newt atmet tief durch, als würde ihn dieses Gespräch überanstrengen. Endlich reisse ich meinen Blick los und sehe zu meinem Gegenüber, der mich ebenfalls leicht verzweifelt ansieht.
"Alina, hör mir mal zu. Toby und David sind Ausnahmen, aber sonst hat sich hier jeder im Griff. Es geht nur um..."
"Im Griff? Na dann kann ja gar nichts mehr schiefgehen, wenn sich alle im Griff haben! Pah! Du wirst schon noch sehen wer sich hier im Griff hat und wer nicht!"
Die Worte klingen aggressiver als beabsichtig. Kaum sind sie raus, senke ich auch schon wieder den Kopf und betrachte demütig meine Schuhspitzen.
"Sorry..."
nuschel ich gegen meine Knie, bin mir aber nicht sicher ob Newt das gehört hat. Der räuspert sich nun vernehmlich.
"Sagst du mir, was du damit gemeint hast?"
Hm, gute Frage. Soll ich es ihm sagen? Oder wird dann alles anders? Andererseits, wenn sie jetzt schon beginnen, das Gehöf zu verbarrikadieren und sich auf die Flucht vorbereiten, kann eigentlich nichts schiefgehen.
"Die Griewer..."
setze ich an, breche dann aber ab. Ist das wirklich so eine gute Idee, ihm davon zu erzählen? Ja oder nein?
Auffordernd lehnt sich Newt mir entgegen, rückt aber nicht von der Stelle.
Ich schlucke unsicher und senke die Stimme, obwohl so und so keiner in Hörweite ist.
"Versprich mir, dass du nicht in Panik gerätst, ja?"
Er nickt mit ernster Miene. Ich atme tief durch.
"Nun spucks schon aus. So schlimm kanns ja nicht sein, was wie bisher alles durchgemacht haben."
Wenn er wüsste...
Nervös sehe ich ihm in die Augen.
"Die Griewer werden auf die Lichtung kommen."
Ich merke, wie Newt sich anspannt, doch sein Blick bleibt gleich.
"Wie jetzt? Am hellichten Tag?"
Er wirft einen Blick zum Himmel.
"Wenn man das noch Tag nennen kann..."
Als ich den Kopf schüttel verstummt er. Verwirrt blickt er mich an.
"Heute Nacht."
"Heute Nacht? Aber was ist mit den..."
"Sie werden sich nicht schließen."
Er gibt keine Reaktion.
Die Anspannung in meinem Brustkorb wird immer größer, ich spühre die Angst in mir aufkochen. Die Angst vor dem kommenden Abend, dem Kampf, den Griewern.
Ich bin es, die den Abstand zwischen uns überbrückt. Leicht panisch packe ich Newt an den Schultern und rüttel ihn kräftig.
"Newt, die Tore werden sich nicht schließen. Die Griewer werden kommen, jede Nacht, und sich immer nur ein Opfer holen. So lange, bis wir verschwinden."
Der Blonde sieht mich wie in Trance mit weit aufgerissenen Augen an. Nun scheint er endlich geschnallt zu haben, was meine Worte beinhalten. Ruckartig springt er auf und ich tue es ihm gleich.
Als er jedoch losstürmen will, packe ich ihn am Arm.
"Keine Panik. Nur keine Panik."
Er erwidert meinen Blick kurz, dann schweifen seine Augen hektisch über die Lichtung. Ich kann seine verspannten Muskeln unter meinem Griff zucke spühren, wie er mit sich selbst ringt, gegen die Angst ankämpft. Er schließt die Augen und atmet tief durch, seine Schultern heben und senken sich mit jedem Atemzug. Dann sieht er mich wieder an.
"Ich muss mit Alby reden. Wir müssen sofort das Gehöf verbarrikatieren und..."
"Newt. Das hat keinen Sinn. Checkst du? Wir müssen hier weg, und das so schnell wie möglich!"
Eine Weile sagt er nichts. Er scheint nachzudenken, fast meine ich es in seinem Kopf rattern zu hören. Meine Hand liegt immer noch an seinem Oberarm, aber ich finde einfach nicht die richtige Gelegenheit, sie von dort wegzunehmen.
"Ich muss trotzdem mit Alby sprechen. Wenn das stimmt... und ich glaube das es stimmt... dann sind wir alle am Arsch."
"Fünf sind gestorben. Einer in jeder Nacht, sie holen nämlich nur einen. Danach seid ihr abgehauen."
"Wer?"
Ich zögere kurz.
"Ein Adam. Zart. Zwei andere, die nicht genannt werden. Gally..."
Newts Augenbrauen schnellen hoch.
"Gally?"
"Ja."
"Aber, der ist doch... ach... egal. Egal jetzt."
Der Junge schüttelt sich kurz wie ein Hund und hinkt dann auf das Gehöf zu. Doch kurz bleibt er noch stehen, um mir über die Schulter hinweg einen undefinierbaren Blick zuzuwerfen.
Schon erwarte ich irgendeinen tiefgründigen Satz, den er mir um die Ohren werfen will, doch er dreht sich wortlos um und stapft weiter. Seuftzend lehne ich mich an einen Baum und lasse ich am Stamm hinunter rutschen. Ich habe... keine... Nerven mehr....
"Hallo Alina!"
zwitschert mir im nächsten Moment eine gut gelaunte Stimme ins Ohr. Ich sehe auf und blicke direkt in das pausbackige Gesicht von Chuck. Sofort hebt sich meine Laune etwas.
"Was ist denn?"
Ehrlich besorgt kniet sich der rothaarige Junge vor mir nieder und betrachtet mich aus großen Dackelaugen.
"Hat Newt irgendeinen Klonk gesagt? Wenn, dann..."
"Nein Chuck. Es ist alles gut... noch."
Ich schlucke. Soll ich Chuck alles erzählen? Eventuell hat er dann nicht ganz so viel Angst wie wenn die Geschehnisse aus dem heiterem Himmel herabgestürtzt kommen, andererseits könnte es auch genau das Gegenteil bewirken. Ich entschließe mich es zu riskieren.
"Chuck, weißt du, heute Abend..."
In diesem Moment geht eine Sirene los. Verwirrt sehe ich zur Box. Ein Frischling?? Das kann nicht sein!
Aber irgendwie klingt diese Sirene anders, viel leiser und eintöniger.
Leicht panisch sehe ich zu dem kleinen Jungen, der jedoch ganz entspannt wirkt, ohne jegliche Überraschung. Als er meinen Gesichtsausdruck sieht, lacht er hell auf.
"Das ist nur die wöchentliche Proviantbox!"
Mein Hirn schaltet sich komplett aus. Proviant. Wöchentlich. Aber heute... heute sollte sie doch nicht mehr kommen! Heute sollte doch deswegen alle in Aufruhr geraten. Aber was wenn...
Ich schlucke.
Ich habe Newt von dem heutigen nächtlichen Angriff erzählt. Habe ihm alles genau gespoilert. Und jetzt tritt genau das ein, wovor ich mich so gefürchtet habe.
ANGST hat den Plan geändert.
Sou, das ist das letzte Kapitel für heute.
Es sind noch zwei OneShots übrig, die lade ich morgen hoch, sorreyyy :/ das betrifft glaub ich @zerbrochen und @lilylou96 :)
Morgen dann ♡
Guuute Naaaaacht
Achja, und schreibt bitte ob ich die OSs lassen soll oder ob ich sie löschen kann/soll mir ist es egal :)
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top