[15] Challenges?!
Ihre Worte treffen mich wie ein gerader Faustschlag mitten ins Gesicht.
Sie kommt auch von meiner Welt.
Sie hat das Buch gelesen.
Sie weiß bescheid.
Meine Gedanken überschlagen sich. Nicht mal in meinem Kopf kann ich noch einen klaren Satz fassen, es ist, als würden die Worte wild durcheinander fliegen und aufs geratewohl zusammengewürfelt werden, ohne jeglichen Sinn, ohne Hintergedanken. Die Weltkugel scheint für einen Moment in ihrer Rotation zu verharren und zu warten, bis mein Geist sich wieder gesammelt hat.
Doch dann dreht sie sich wieder weiter, es kommt wieder Bewegung in die Mädchen. Einige springen aufgeregt auf, andere starren mich entsetzt an, wieder andere haben vor Staunen die Klappe offen.
"Was hat das zu bedeuten?"
"Was reden sie da?"
"Kennen sich die zwei?"
Alle reden durcheinander. Mir brummt schon der Schädel von der ganzen Quatscherei, da steht Marie plötzlich auf, zerrt mich am Handgelenk hoch und schleift mich wortlos hinter sich her, weg von den anderen. Ich bin so überrumpelt von der Aktion, dass ich mich nicht wehre und einfach nur nachstolpere.
Hinter einem Felsen lässt sie mich dann los und mustert mich prüfend.
"Du hast das Buch gelesen?"
fragt sie knapp und ich nicke wie hypnotisiert.
"Schreibt sich deine Geschichte auch selbst weiter?"
sage ich leise, und würde mir für diese dämlich formulierte Frage am liebsten einen Facepalm geben. Auf die Fresse. Mit einem Stein oder so.
Zu meiner Überraschung schüttelt Marie den Kopf.
"Nein, hä?"
Kurz und bündig erkläre ich ihr das System des Buches und alles, was ich als Antwort bekomme, ist ein stummes Nicken.
"Was steht auf deinem Rücken?"
versuche ich nach einer langen Schweigepause das Gespräch wieder aufzunehmen. Wortlos dreht sie sich um, ich sehe dies als eine Aufforderung ziehe ihren Hemdkragen nach unten.
Mitglied von ANGST
Gruppe C, Proband C-2
Die Komplizin
Die Komplizin? Was soll das heißen? Zumindest ist sie auch Mitglied, und Gruppe C. Anscheinend hat sie schon damit gerechnet, dass es eine zweite C gibt, da sie ja C-2 ist.
Auch ich wende ihr meinen Rücken zu und sie liest in aller Ruhe meine Inschrift. Während dessen überlege ich fieberhaft, welcher Nutzen sich nun daraus schließen lässt. Ich könnte mit Marie zusammen das Geheimnis der ganzen Sache vielleicht lösen, wenn nicht gar einen Weg zurück finden! Diese Vorstellung scheint den Hoffnungskeim in mir wieder neu aufblühen zu lassen und mit einem leisen Seufzter rufe ich mir das Bild meiner Familie, meiner Haustiere und allgemein meiner Wept vor Augen. Grüne Wälder, Seen, Flüsse und Teiche, Natur, Leben und Freiheit. Keine Wüsten, Cranks oder dergleichen.
"Hallo? Noch da?"
fragt Marie genervt und schnippt mir vors Gesicht. Ich zucke schuldbewusst zusammen und kratze mir verlegen den Hinterkopf, nuschel dabei ein leises "Jaja".
"Träumen kannst du später. Viel wichtiger ist: Was tun wir jetzt?"
Darauf kann ich nur mit den Schultern zucken. Was sollen wir auch schon groß tun? Es bleibt uns nichts anderes übrig, als dem Buch zu folgen und so viele Leben wie möglich zu erhalten. Als hätte Marie meine Gedanken gelesen, knurrt sie leise und verschränkt die Arme vor der Brust.
"Ich habe es satt, nur zu überleben. Ich will dem Buch auch mal was heimzahlen. Lass es uns umschreiben."
Nun bin ich es, die genervt dreinblickt.
"Umschreiben? Wie stellst du dir das vor?"
frage ich gereizt und die Dunkelhaarige murrt leise.
"Na, keine Ahnung. Die Story verändern."
"Schon mit unserer Existenz ist die Geschichte komplett anders."
"Ja... was weiß ich."
Da bin ich ja wohl an einen total kreativen Kopf gelangt. Schlägt was vor, ohne zu wissen, was sie redet. Als hätte ich nicht schon versucht, den Verlauf der Story zu ändern! Also hätte ich nicht...
Halt.
Stop.
Brainstorming.
Meine flache Handfläche knallt gegen meine Stirn und klatscht dabei so laut, dass Marie zusammenzuckt.
"MARIE DU BIST EIN GENIE!"
schreie ich los, packe sie an den Schultern und rüttel sie heftig durch. Verwirrt blinzelt sie mich an, total überrumpelt von meinem Tun.
"Bin ich das?"
fragt sie irritiert und ich nicke heftig.
"Aber ja! Wir müssen die Story umschreiben!"
Total begeistert über diese Erkenntnis, stürme ich sofort zu meinen Sachen zurück. Kurz krame ich in meiner Tasche herum, bis ich das Buch endlich in den Händen halte. Das Buch. Gosh, wie konnte ich nur so dumm sein, die ganze Zeit über? Es ist der Schlüssel zu allem, das Tor zwischen zwei Welten. Behutsam blättere ich durch die Seiten, bis zu jener Stelle, an dem die Seiten weiß werden. Hastig lese ich mir die letzten Sätze durch, um einen Überblick über den Text zu bekommen. Es endet, als Thomas eingeschlafen ist, unschuldig und nichtsahnend, welchen durchbruch ich nun schaffen werde.
"Ich brauche einen STIFT!"
schreie ich in die Runde, und zu meiner Überraschung wird mir sogar ein Kugelschreiber gereicht, ohne viel Fragen zu stellen. Auch ich verschwende keinerlei Gedanken daran, warum sie Kulis mit sich herumtragen, wo diese doch keinerlei Zweck in einer Wüste erfüllen, und widme mich dagegen den Seiten. Kurz überlege ich, dann setze ich die Spitze des Schreibers an dem rauen Papier an; und beginne, zu schreiben.
Niemand konnte ahnen, dass in genau jener Zeit, in der die Probanden sich die letzten Meilen zum Ziel erkämpften, in den Laboren von ANGST der Durchbruch geschafft wurde. Ein Heilmittel; ein echtes Heilmittel für Den Brand!
Zufrieden betrachte ich mein Werk, als ich bemerke, dass fast alle Mädchen sich hinter mir versammelt hatten und nun neugierig über meine Schulter linsen.
"Nette Worte, wäre toll wenn sie wahr wären"
schnauzt irgendein Mädchen mit vor Sarkasmus triefender Stimme. Ich schüttel nur den Kopf und senke meinen Blick auf die Seite. Bitte, es muss funktionieren...
Und die Schrift... verblasst. Verblasst einfach, als wurde Wasser auftrocknen. Mit offenem Mund sehe ich auf die verschwindende Tinte, die sich langsam auflöst. Stattdessen wird eine andere Linienführung kräftiger, bis sie schließlich mit einem grellen Rotton auf dem Blatt prangt, als habe man sie mit Leichtfarben aufgedruckt.
Error
Error? Was Error? Was soll das bedeuten? Sollte das nun einen Sinn ergeben? Vielleicht funktioniert es ja nicht, weil es nicht aus Thomas' Sicht geschrieben ist. Oder...
"Es ist zu unrealistisch",
sagt da plötzlich Marie. Als wäre es das normalste der Welt, kniet sie sich dicht neben mich auf den Boden und betrachtet das Buch.
"Du musst es greifbarer machen. Etwas, was logisch erscheint."
Mit zusammengezogenen Augenbrauen betrachte ich das Mädchen. Sie ist komisch, ja, aber dieses Geschwätz ergibt ausnahmsweise einmal Sinn. Nur was soll ich sonst schreiben? Wie kann ich ein Heilmittel erfinden, wenn ich kein Forscher bin? Denn wenn man eine einfache Lösung für Den Brand hätte, so würden die Experimente und das Leid der Welt endlich ein Ende nehmen. Also... mal nachdenken. Der Brand. Das ist eigentlich ein Feuer, ein großes Feuer. Dies soll der Name auch symbolisieren; einen wahrsten Inferno, welcher in den Köpfen der Menschen tobt und sie verrückt macht. Das wäre auch der nächste Anhaltspunkt: Der Kopf. Alles spielt sich bei dieser Krankheit nur im Hirn ab und sorgt langsam aber sicher für den Verfall des restlichen Körpers.
Dann müsste es noch etwas sein, was die Leute hier zu 100% noch nicht ausprobiert haben. Irgendetwas einfaches, was trotzdem durch die Bedingungen für normales Volk unmöglich ist.
Feuer und Hirn.
Hm. Feuer löscht man mit... Wasser. Und das Hirn... wie bringt man Wasser ins Hirn? Hinein vielleicht gar nicht, aber drumherum. Außerdem ist Wasser in Wüsten rarr, das würde passen. Das heißt, das Heilmittel zum Brand ist...
"Die IceBuckedChallenge!"
quitsche ich laut auf, sodass alle um mich herum zusammenzucken. Marie zeigt mir den Vogel.
"What?"
macht sie, doch ich lasse mich davon nicht irritieren. Stattdessen beginne ich zu schreiben.
Ich schreibe, bis mir die Finger brennen, der Schreiber glüht und mein Hirn kocht. All meine Energie, alle aufgesparten Reserven meiner Hoffnung stecke ich in diese Zeilen, wo ich so detailliert und logisch wie möglich aufschreibe, was mir gerade durch den Kopf gegangen sind. Die Rettung der Menschheit. Die Rettung von so einigen Leuten hier, die noch aufgrund der Experimente sterben werden. Die Rettung von Newt...
Mein Atem geht stoßweise, als ich den Füller absetze. Ganze drei Seiten habe ich vollgeschrieben, und nun betrachte ich stolz mein Werk, welches nun langsam verblasst, vom Buch quasi aufgesaugt wird. Keiner gibt einen Ton von sich, selbst Marie ist mucksmäuschenstill.
Dann wird eine neue Schrift sichtbar; exakt mein Text, nur in Druckschrift.
Es wurde akzeptiert.
Es hat geklappt.
ES HAT GEKLAPPT!
Wie ihr vielleicht merkt geht es mit der Story ziemlich bergab. Das liegt daran, dass ich langsam echt keinen Bock mehr habe, weil auch immer weniger Leute die Geschichte lesen. Also wundert euch nicht, wen das Ende attrupt kommt.
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