12. Sie hat... was?
Minho P.O.V
(Gosh eine andere Sicht! Babababaaaam!)
Thomas liegt keuchend neben mir am Bauch, ich selbst auf der Seite. Immer noch mit Puls auf 180 starre ich zur Klippe, dort, wo gerade gut ein halbes Dutzend Griewer veschwunden waren. Sie sind einfach... weg. Fort. Nicht mehr da. Als hätten sie niemals exestiert.
Ich atme tief durch, dann rappel ich mich hoch und schlage Thomas leicht auf die Schulter.
"Diese Technik muss ich mir merken..."
murmel ich leise und sehe noch einmal zur dunkeln Öffnung. Zuerst wollte ich den Strunk schon für verrückt erklären als er behauptet hat, wir müssen uns vor die Griewer stellen und dann zur Seite springen, aber als es dann wirklich geklappt hat... schöner Klonk aber auch.
Thomas steht ebenfalls auf und wankt auf den Klippenrand zu. Vorsichtig späht er hinunter.
"Glaubst du die sind tot?"
frage ich ihn, aber er gibt keine Antwort. Stattdessen sagt er:
"Es war nicht meine Idee."
Irritiert blinzel ich ihn an.
"Was?"
"Das mit dem Wegspringen. Das war Alinas Idee."
Mein Hirn braucht eine kurze Weile, um seine Worte zu fassen.
"Aha."
Tik tak tik tak...
"He, wo ist die eigentlich???"
Warum fällt mir das erst jetzt auf? Ich Neppdepp! Nagut, die Griewer haben mich abgelenkt. Ob das als Ausrede passt?
Thomas' Kopf fährt herum, er wirkt fast ein wenig schuldbewusst.
"Warte... du hast sie doch nicht ernsthaft im Labyrinth gelassen, oder?"
frage ich ungläubig und starre ihn entsetzt an. Das würde der Tommy doch niemals tun, oder? Oder??
Sein Gesicht ändert sich wieder, jetzt wirkt er wütend. Sehr wütend.
"Sagt gerade der, der beim ersten Anzeichen von Gefahr abgehauen ist."
Das hat gesessen. Ich ziehe den Kopf ein und schaue auf den Boden. Er hat recht. So verdammt recht...
Thomas hebt beschwichtigend die Hände.
"He, sorry..."
stammelt er etwas unbeholfen, aber ich schüttel nur den Kopf und winke ab.
"Hast ja recht."
Er seuftzt.
"Ist ja jetzt auch egal. Lass sie uns lieber suchen, vielleicht hat sie's ja geschafft..."
Während wir durchs Labyrinth joggen erzählt Thomas mir, was vorgefallen ist. Und auch wenn ich mich ein klein wenig über Alinas schlechte Kondition amüsiere - der Gedanke, wie das Großmaul mal außer Atem kommt, ist einfach zu witzig - fällt mir bei der Story doch die Kinnlade herunter. Ich weiß nicht ob ich den Mut dazu gehabt hätte, mich einfach aufs Geratewohl einem Griewer entgegenzuwerfen.
Aber vielleicht... hat sie ja auch gewusst, dass es funktioniert.
Klonk.
Alby hat den ganzen Weg hin zum angeblich toten Griewer so lautstark über das blauhaarige Mädchen gelästert, dass ich ihm irgendwann einfach nur mehr recht gegeben habe, anstatt mitzudiskutieren. Klar hat sie meine Gedanken einfach so mal laut ausgesprochen, und das Wort für Wort, aber dass sie diese Geschichte gelesen hat, klingt doch wirklich bescheuert. Mega bescheuert. Aber wie konnte sie dann meine Worte so genau vorrausahnen? Wie konnte sie ahnen, dass ich den Kopf verlieren werde? Dass man den Griewern so leicht ausweichen kann, dass wir sie die Klippe hinunterlocken müssen? Das ergibt doch alles Null Sinn!
Im Grübeln achte ich kaum auf das Rundherum, nur auf den direkten Weg, die Route halt. Mich jetzt zu verrennen wäre das Letzte, was ich gebrauchen könnte.
Umso schockierender ist es für mich, als ich um die Ecke biege und nur wenige Meter entfernt ein riesiger Griewer hockt. Ruckartig mache ich einen Sprung nach hinten und knalle gegen Thomas, der nichtsahnend hinter mir hergejoggt kommt.
"V...verdammt...!"
stottere ich panisch, will schon abzischen, aber Thomas packt mich an der Schulter. Hektisch reisse ich mich los.
"Was soll der Klonk? Da ist ein Griewer und du..."
"Minho, halt die Klappe und sieh mal genauer hin."
Trotz meiner Panik drehe ich mich noch einmal um. Der Strunk klingt einfach zu ruhig, zu beherrscht, als das ich es nicht hätte tun können.
Der Griewer scheint tot zu sein. Und mit tot meine ich: Wirklich tot.
Der, den ich gefunden habe, hat einfach nur dagestanden und sich nicht gerührt, weshalb ich ihn gleich als tot abgestempelt habe. Aber dieser hier wirkt seltsam eingesunken, als wäre er im Gehen umgekippt, die Spinnenbeine lehnen ruhig am wabbeligen Körper, teilweise sind sie unter den Gewicht sogar abgebrochen. Das Maul steht weit offen, eine Lache aus gelbgrünem Speichel hat sich drumherum gebildet, die Zähne baumeln wie lose angeheftet an der schwammigen Lippe. Außerdem ist die schleimige Oberfläche gräulich verfärbt, als würde sie langsam verrotten, hängt schlaff herunter und bildet kleine Falten.
Bei diesem Anblick wird mit kotzübel.
Dann fällt mir noch etwas ins Auge. Ein Schopf. Ein blauer Schopf. Das kann doch unmöglich...
"Thomas?"
Der Junge reisst sich vom widerwertigen Anblick des Kadavers los und sieht mich an.
"Guck mal."
Ich deute auf die Stelle. Seine Augen weiten sich sofort.
"Ach du..."
flüstert er, dann rennt er einfach auf die Griewerleiche zu. Wie erstarrt bleibe ich stehen. Ist der dumm? Er kann doch nicht einfach... nicht wie Alby...
Thomas hockt sich hin und späht vorsichtig unter die leblosen Eisenbeine. Alina liegt genau unter einen von ihnen, allerdings verdecken Griewer und Efeu sie so sehr, das ich von meinem Standpunkt aus wirklich nur ihr Haar sehe. Wer weiß, ob es mir aufgefallen wäre, wenn sie eine Naturhaarfarbe hätte? Vermutlich nicht.
"Minho, komm und hilf mir!"
Nein. Das kann ich nicht. Wenn der Griewer auch nur so tut...
"Minho?"
Thomas sieht verwundert auf, als habe er damit gerechnet, dass ich keine Sekunde zögern werde.
Okay.
Ich habe mich schon als Weichei geoutet, jetzt muss ich mal etwas mehr Rückgrad zeigen. Komm schon Minho!
Ich atme tief durch, dann gehe ich langsam zu Thomas. Der Griewer bewegt sich keinen Millimeter.
Auch ich spähe unter den Spinnenbeinen hindurch. Sie liegt auf dem Rücken, das Gesicht abgewandt. Ein Arm ist zwischen zwei Eisenteilen geklemmt, als habe sie versucht sie wegzudrücken, mit dem anderen umfasst sie eine merkwürdige kleine Kapsel. Verwirrt sehe ich genauer hin. Das Ding kenne ich doch...
"Thomas?"
"Was?"
"Ich glaube, die hat den Griewer gestochen."
"Sie hat... was?"
"Den Griewer gestochen. Schau."
Ich deute auf die Dose.
"Das ist der Stachel. Der steckt normalerweise im Schwanz von den Mistviechern."
Thomas starrt einen Moment lang den Giftstachel an, sein Gesicht ist ein einziges Fragezeichen.
Dann steht er ohne ein Wort auf und beginnt, über die Beine drüberzuklettern. Mir rutscht das Herz in die Hose. Sein Ernst?
"Frischling!"
fauche ich heiser nach, aber er dreht sich nichtmal um. Stattdessen drückt er vorsichtig die Metallbeine auseinander und versucht, sie von dem Mädchen runterzuhieven.
Verdammt, irgendwie muss ich ihm helfen! Aber ich habe Angst. Und wie ich Angst habe. Hier neben einem dieser Ungeheuer zu stehen ist wohl der schlimmste Augenblick, den ich in Erinnerung habe. Also von den letzten zwei Jahren meines Lebens, versteht sich.
"Hilfst du mir mal?"
Jetzt nur keinen Rückzieher machen.
Ich nicke knapp, dann steige ich vorsichtig auf das erste Bein.
Nichts rührt sich. Tief durchatmen Minho...
Das zweite.
Wieder nichts.
"Mach weiter!"
Okay okay. So weit so gut.
Das dritte.
Endlich stehe ich neben Thomas. Ich versuche erst garnicht darüber nachzudenken, was ich da anfasse, sondern packe einfach mit an und hieve das Ding zur Seite. Nun kann ich auch Alinas Gesicht sehen.
Ihre Augen sind geschlossen, ihre Züge entspannt. Als würde sie schlafen...
Lass sie nicht tot sein. Bitte.
Irgendwie will ich nicht, dass sie tot ist. Sie mischt die Truppe etwas auf, und meiner Meinung hatten die Lichter das echt nötig. Diese ständige Routine hing mir schon beim Hals hinaus, auch wenn ich davon tagsüber nie viel mitbekam.
Als auch das zweite Bein zur Seite gehoben ist, können wir sie endlich hervorziehen. Ich will ihr schon unter die Arme greifen, aber Thomas schüttelt den Kopf.
"Das ist ein Fliegengewicht, Minho. Wenn einer sie trägt, reicht das auch."
Wo er recht hat, hat er recht. Ich fackel nicht lange und fasse unter ihren Rücken, dann unter die Kniekehlen, und hebe sie so hoch. Sie ist wirklich verdammt leicht. Ob sie wohl magersüchtig ist?
Thomas stützt mich ein wenig, während ich mit 'nem Mädchen im Arm über die Metallbeine rutsche, aber irgendwie schaffen wir es doch hinüber. Thomas will mich schon auffordern sie erst einmal hinzulegen, aber ich schüttel den Kopf.
"Zuerst weg von diesem Ding."
Ich halte keine Sekunde mehr neben diesem Unheheuer aus. Echt nicht.
Thomas nickt nur, und wir eilen schnellen Schrittes um die Ecken. Ich halte auf die Lichtung zu, aber irgendwann stoppt mich Thomas.
"Lass uns erst mal schauen... ob sie noch lebt. Oke?"
Ja, das sollten wir. Lebendig wirkt sie nämlich nicht gerade.
Ich hocke mich hin und lege sie vorsichtig auf den Boden. Keine Reaktion. Sie ist wie tot.
Thomas legt ihr zögernd eine Hand auf die Brust, und obwohl ich weiß, dass es nur zur Überprüfung des Herzschlags ist, zucken meine Mundwinkel. Aber lachen wäre jetzt wohl das Dümmste, was ich machen könnte.
Zuerst bleibt seine Miene versteinert, dann entspannt er sich sichtlich.
"Also leben tut sie auf jeden Fall. Wurde sie gestochen?"
Ich zucke mit den Schultern. Man sieht Griewerstiche kaum, meist bluten sie nicht einmal. Nur nachher, während der Verwandlung, kann man die Einstiche sehen, wenn dicke, wulstige Adern an genau jenen Stellen zusammenlaufen und dort ein grauenvolles Muster bilden.
Aber eines fällt mir trotzdem auf: das Loch in der Hose am Oberschenkel.
Ich zögere nicht lange und ziehe den schmalen Riss weiter auf, dabei kommt ihre nackte Haut zum Vorschein. Unwillkührlich muss ich würgen.
Ungefähr in der Mitte des Oberschenkels ist ein kleiner Kratzer, nicht besonders tief, aber trotzdem so weit, dass er das Muskelgewebe anritzt. Die zuvor genannten Muster sind einfach wiederwärtig: Wie Würmer führen sie von der Wunde weg nach oben und unten, wie Zebrastreifen. Doch komischerweise - und das ist der große Unterschied zu allen Verwandlungen, die ich bisher betrachten durfte - verblassen diese Adern dann, werden immer dünner und verscheinden schließlich komplett unter der Haut. Bei Ben und allen anderen Verwandlungen hatten sich die vergifteten Blutbahnen den ganzen Körper durchzogen, in einer Linie durch. Ist das nun also gut oder schlecht, dass es bei Alina anders ist?
"Minho? Hallo?"
Ich schüttel verwirrt den Kopf und sehe zu Thomas.
"Ich hab gesagt, wir sollten sie schnell zurückbringen. Das sieht übel aus. Anstarren kannst du sie ja auch nachher."
"Jetzt stört es sie ja nicht."
Der Satz ist schneller heraus als ich denken kann. Verdammt, das wollte ich nicht. Aber irgendwie stimmt es ja auch...
Thomas schüttelt nur den Kopf und langt unter Alinas Rücken. Fast schon automatisch greife ich nach seinem Arm um ihn wegzudrücken, aber er schüttelt mich ab.
"Renn du lieber vor, du kennst dich hier besser aus. Ich schaff das schon."
Ist klar... ja, genau. Natürlich macht es mir nichts aus, wenn Thomas sie trägt. Natürlich....
Energisch schüttel ich den Kopf und stehe auf.
"Na dann los, Frischling. Gehen wir zurück."
Ich drehe mich um und laufe los, ohne mich nach Thomas umzusehen. Gemein, ich weiß, aber mein Hirn dreht sonst gleich komplett ab.
Ich meine, klar ist Alina heiß und irgendwie auch anziehend, aber ich habe gerade echt größere Probleme als ein attraktieves Mädchen, dass behauptet die Zukunft zu kennen. Außerdem bin ich vermutlich nicht der Einzige, der sich an sie ranmachen will; wies aussieht, haben es die gesammten Lichter auf sie abgesehen. Klar, die, die im Koma liegt, gibt ja kaum Anhaltspunkte, ein kämpferisches Großmaul, dass Alby eiskalt das Knie prellt, dagegen schon.
Ich seuftze.
Das wird noch ein Chaos geben, ich spühre es.
Noch ein Kapitel, nur für minhosbabe :D Bitteschöööön
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