[10] *hicks*
"Minho?!",
schreie ich halb erleichtert, halb entsetzt auf, doch der Asiate scheint mich gar nicht mehr wahrzunehmen, starr blickt er durch mich hindurch, als wäre ich nur heiße Luft. In meiner Panik wedel ich wild mit den Händen vor seinem Gesicht herum, aber weiterhin: keine Reaktion.
"Minho!",
ruft nun auch Clint, der Sanitäter packt den Läufer an den Schultern und versucht ihn gewaltsam hochzuzerren. Zwar kann der kleine Untrainierte dabei nicht viel ausrichten, dennoch schafft er es, wieder Leben in das Wrack zu bringen. Der Asiate zuckt zusammen, würgt, als stecke ihm etwas im Hals fest, und presst sich energisch eine Hand auf den Mund, während es sich mit der anderen am Boden abstützt. Clint lässt ihn sofort wieder los und wirft mir einen verzweifelten Blick zu. Als könnte ich diese Situation ändern, pah! Selbst wenn er den Alkohol - oder was auch immer ihm gerade so mordmäßige Übelkeit bereitet - nicht freiwillig getrunken hat, so wird er sich doch eine Strafpredigt von mir unterziehen müssen. Wir sind hier nicht auf einem Schulausflug, wo man feiern kann bis in die Nacht, wir haben eine verdammte Mission!
Mit vereinten Kräften gelingt es uns dann schließlich doch, den Trunkenbold hochzustemmen. Als Minhos halbes Gewicht auf meiner Schulter liegt, wird mir mal wieder schmerzhaft bewusst, die muskulös er eigentlich ist. Denn Speck hat er garantiert keinen am Leib, wo also sollen diese Kilo sonst herkommen? Ich dagegen bestehe nur aus Haut, Knochen und den wenigen Fettreserven, die ich mir durch heimliches Naschen in meiner alten Welt angefressen habe, und das ist nicht gerade viel. Muskeln habe ich schon garkeine, da gleiche ich eher Pinocchio.
Ähm, Alina? Wir haben gerade größere Probleme als deine Unsportlichkeit!
Jaja. Also...
Zusammen schieben wir den Hüter uber die Tanzfläche, die wegen der Rauferei nur mehr halb so voll ist wie davor.
Der Ausgang kommt in Sicht, zumindest hoffe ich, dass es die Tür ist. Was ich mich noch erinnern kann, war der Eingang mit dicken Seilen zugehängt, die kaum Licht ins Dunkel gelassen hatten, jedoch leuchtet er Spalt darunter wie eine Exitlampe. Vor Vorfreude auf Sonnenlicht beschleunige ich meine Schritte, was sich kurz danach allerdings als schwerer Fehler herausstellt: Minho kommt ins Wanken und stolpert gegen mich, entgleitet scheinbar Clints Griff und strützt nun ganz auf mich. So sehr ich mich auch anspanne, er ist einfach zu schwer für mich, weshalb ich wie eine Holzpuppe einknicke und abermals den Boden umarme, mit Minho als Decke. Sein Atem geht schnell und stoßweise und pustet mir den widerlichen Gestank der Partydrogen ins Gesicht, seine ganzer Körper zittert vor Anstrengung. Scheinbar hat er große Mühe damit, überhaupt bei Bewusstsein zu bleiben, geschweige denn, mich nicht unter sich zu zerquetschen.
Ich versuche mich aus seiner merkwürdigen Umarmung zu rollen, doch zu meiner Überraschung spannt er sich an und hält mich somit zwischen seinen Armen gefangen.
"Alina...",
nuschelt er mir undeutlich ins Ohr und ich bekomme eine Gänsehaut. Ey, mann, das ist nicht der richtige Zeitpunkt! Der Typ hier ist hackedicht, wer weiß was für Stuss er heute Abend noch von sich geben wird. Der gehört ins Bett, um seinen Rausch auszuschlafen.
"Weißt du eigentlich, wie furchtbar liiieb ich dich habeee?"
lallt er zwischen zwei Hicksern hervor, der beissende Gerucht von Alkohol brennt mir in der Nase. Sollte ich mich jetzt gut fühlen? Oder ihn einfach schlagen? Ich nehme beides kombiniert, bitte.
Schon setze ich dazu an, ihn grobe von mir herunter zu stoßen - immerhin müssen wir von hier verschwinden - und drehe mich somit auf den Rücken, da beugt er sich auf einmal zu mir herunter und küsst mich.
Einfach so.
Mama Mia...
Ruckartig drehe ich den Kopf zur Seite und versuche mir den bitteren Geschmack der billigen Partydroge von den Lippen zu wischen, werde jedoch davon abgelenkt, dass mein Hals abgeknutscht wird.
"Ich hicks liiiieebe diisch..."
murmelt der Läufer gegen meinen Nacken und mit aller geistigen Kraft, die ich aufbringen kann, zwinge ich mich dazu, die aufsteigenden positiven Gefühle zu unterdrücken.
"Halt die Kappe Minho, du bist betrunken",
fauche ich leicht fustriert und stemme mich gegen seine Brust, doch wie schon vorher, erreiche ich damit gleich Null. Wo ist eigentlich Clint abgeblieben? Hat der sich etwa verduftet?
Hecktisch sehe ich mich um, da bekomme ich auch schon wieder einen Kuss. Verdammt, wir liegen auf dem dreckigen Boden einer drogendurchtränkten Crank-Party, was soll das?! Doch Minho scheint das nicht zu stören, ganz im Gegenteil. Er presst mich mit seinem Körper gegen das Bankett, jedoch nicht mit seinem gesamten Gewicht, was mir wiederum zeigt, dass er noch nicht ganz weg ist. Höchstens seine wenigen Hemmungen und sein Verstand ist draufgegangen, aber die Koordination funktioniert scheinbar noch ein wenig.
Wenn es auf den vernünftigen Weg nicht geht, muss man eben Seitenstraßen suchen.
Ich vergrabe meine Hände in seinem dichten, schwarzen Haar und ziehen seinen Kopf zu mir herunter, bis mein Mund direkt neben seinem Ohr schwebt. Ich hoffe so sehr, dass es funktioniert; und dass niemand davon je erfahrend wird, nicht mal Minho selbst. Bei seinem Zustand sind die Chancen groß, dass er bis morgen alles vergessen hat.
"Minhooo..."
hauche ich ihm zu und versuche dabei möglichst verführerisch zu klingen. Gerade ich muss nun auf supersexy tun, yey.
"Komm, wir suchen uns ein schönes, weiches Bett, Süßer."
Oh Gott. Bitte, lass es ihn vergessen haben bis morgen. Bitte bitte bitte.
Als Antwort bekomme ich nur einen Kuss auf den Hals, wobei mir wieder ein heißes Kribbeln über den Rücken fährt. Einige Sekunden lang verweilen seine Lippen an der Stelle - ich überlege schon, einen neuen Anlauf zu wagen - da rollt er sich plötzlich von mir herunter und gibt mich somit frei. Puh, das war ganz schon heiß da unten.
Nein, nicht wie ihr denkt... ich meine doch... ach egal... ihr seid so und so alle versaut da draußen, denke ich mal. Da hilft keine Moral mehr.
Mein gefälschtes Versprechen scheint Minho so sehr zu motivieren, dass er sich sogar halbwegs auf den Beinen halten kann, auch wenn ich immernoch als Stütze herhalten muss. Dabei umarmt er mich von hinten und küsst mich immer wieder auf den Nacken, den Hals oder die Wange, und zeitgleich mit den angenehmen Gefühlen kommt auch die Fahne. Kurze Zeit überlege ich, ob er alles nur spielt, doch bei einem Ausweichmanöver um zwei tanzende Personen stolpert er dermaßen unkontrolliert, dass kann einfach nicht gefaked sein. So tief würde Minho sein Niveau freiwillig nicht sinken lassen, außerdem kann er beim besten Willen nicht so gut schauspielern. Schon gar keinen Betrunkenen, sie hatten auf der Lichtung ja kaum Alkohol, nur Gallys Brühe, die keiner trinken wollte.
In Schneckentempo arbeite ich mich zum Lichtspalt vor, und mit der Größe der Lücke wächst auch meine Hoffnung. Ich blende jegliches Negative aus, versuche mich ganz auf den Weg vor mir zu konzentrieren. Gleich, gleich hab ichs...
"Ihr wollt schon gehen?"
knurrt eine aggressive Stimme hinter mir und ich drehe mich so ruckartig um, dass Minho ins Schwanken gerät und mich fast umwirft, als er aich an mich klammert.
Ein blonder, großer Mann steht vor mir, neben ihn eine weitere Person. Clint.
Der Sanitäter hält die Lippen fest aufeinander gepresst, seine Welpenaugen bohren sich hilfesuchend in meine, Angst spiegelt sich ihn ihnen. Anfangs verwirrt mich seine scheinbar aufs höchste gesteigerte Panik, doch dann fällt mir das metallische Glänzen auf, dass im fahlen Licht der Partyleuchten nur sehr schwer zu erkenne ist.
Der Typ hält Clint eine Pistole an die Schläfe.
Das ist Blondie.
Verdammte Scheiße...
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