manche Tritte sind unfair
Leseempfehlung: Tritte bekommt auch Katara in hope_fuls Geschichte Katara - Bound To Dream ab. Von Freunden, die sie aus ihrer Unsichtbarkeit herausholen wollen. Von Mitschülern, die sie wieder hineinstoßen wollen. Von Lehrern, denen - gut gemeint - genau das einfällt, was sie hasst. Vom Schicksal, das immer wieder dazwischentritt, wenn sich etwas gut zu entwickeln scheint. Und zu guter Letzt aus einer Richtung, aus der sie es nie erwartet hätte.
Die Geschichte ist Kitsch hoch drei - manchmal so übertrieben, dass es sich um eine Persiflage zu handeln scheint. Es werden etliche Klischees bedient - oft aber in einem unüblichen Kontext. Es wird lang und breit ausgeführt, wie sich Katara gerade fühlt, bis es auch die kleinen Deppen in der letzten Bank verstanden haben. Und das Ganze ist mit so viel Schwung, soviel Liebe zum Detail, so nachvollziehbar, mit so echten Protagonisten und so lebendig geschrieben, dass man Kitsch hassen und trotzdem diese Geschichte lieben kann. Zumindest ist es mir so ergangen. Euch vielleicht auch?
Ordran hatte die nützliche Fähigkeit, Unangenehmes vergessen oder zumindest verdrängen zu können. Und so schlief sie trotz des bevorstehenden Kampfes bestens und war bereits wach und angezogen, als Gorbrandt ihr Gemach betrat.
Er begrüßte sie und erkundigte sich, ob man ihr Frühstück serviert und wie es ihr gemundet habe. Doch er wartete ihre Antworten gar nicht ab, sondern sagte unvermittelt: „Er ist bereit. Bist du's auch?"
Sie nickte und griff nach ihrem Schwert. „Welche Regeln gelten beim Kampf?"
„Nur eine. Du darfst 'n nicht töten oder verunstalten."
Darauf hatte sie gehofft. Sie nickte wieder. „Einverstanden."
„Noch eins. Er wird ohne Rüstung kämpfen. Du kannst es damit halten wie's dir beliebt."
„Warum? Das verschafft mir doch 'nen Vorteil?"
„Ist egal. Bei ihm ist es egal, ob mit oder ohne Rüstung. Und wie soll ich 'nen Kampf genießen, wenn ich weder seine Augen seh' noch das Spiel seiner Muskeln?"
Richtig, er hatte den Drachenprinzen ja entführt, um sich an dessen Schönheit zu weiden, erinnerte sie sich.
„Er wird also sehr leicht bekleidet sein?" erkundigte sie sich.
„Richtig!"
„Gut, dann weiß ich, was ich zu tun hab'. Ich werde in einigen Minuten soweit sein", beschied sie ihn. Und er marschierte etwas stelzbeinig aus dem Zimmer.
Als Ordran wenige Minuten später in den Schlosshof kam, trug sie nur Lendenschurz und Brustband, dazu kurze Stiefel. Ihre Rüstung bestand nur aus den fingerlosen Lederhandschuhen.
Die Wachen rissen die Augen auf. Gorbrandt schnalzte anzüglich mit der Zunge. Und der junge Mann, der sie auf dem Kampfplatz erwartete, starrte sie entgeistert an.
Sie hatten ihn sorgfältig zurechtgemacht. Er trug Handschuhe, Lendenschurz und Stiefel wie sie, aber seine bekrallten Finger waren unter dem Leder verborgen. Um den Kopf hatten sie ihm ein Lederband gebunden, das seine spitzen Ohren versteckte und seine seltsamen Augen beschattete. Und die Prinzessin war sicher, dass ihm bei Strafe (die natürlich die Maiden treffen würde) verboten war, den Mund zu öffnen und die Reißzähne sehen zu lassen oder gar Feuer zu speien. Er sah aus wie ein Mensch.
Sie betrachtete ihn scheinbar unbeeindruckt. „Sehr schön!" stellte sie fest. „Achtet Ihr bei Euren Kriegern immer mehr auf angenehmes Äußeres als auf Kampfkraft?"
„Oh, er hat beides", versicherte ihr Gorbrandt lachend. „Wirst es ja sehn!" Er ging zur Tribüne und setzte sich vorsichtig.
"Schlecht geschlafen?", erkundigte sich Ordran mitfühlend.
"Wie kommst du drauf?"
"Ihr geht so, als wärt ihr etwas verspannt."
"Das geht dich nichts an!", raunzte Gorbrandt. Einige der Wachen, die den Kampfplatz umringten, versuchten vergeblich, ein Grinsen zu unterdrücken und Ivohile hinter ihr kicherte unverhohlen.
Ordran zog ihr Schwert und ging auf ihn zu. Er ging sofort in Verteidigungsstellung. Wie sie war er mit Schwert und Schild bewaffnet, doch trug er keinen Dolch. Ordran vermutete allerdings, dass er seinen Dolch im Stiefel stecken hatte, wie es in Mal üblich war.
Sie griff an und er parierte gewandt. Wie sie bewegte er sich zunächst vorsichtig, lotete zuerst ihre Geschicklichkeit aus, bevor er riskante Angriffe wagte. Doch als er sie dann ernsthafter attackierte, musste sie sich ganz auf ihre Verteidigung konzentrieren und konnte keine Angriffe mehr planen. Er hatte die Führung übernommen.
Es fiel ihm allerdings auch nicht so leicht, wie er wohl geglaubt hatte. Mehrmals änderte er abrupt die Taktik, als sie seine raffinierten Angriffe abgewehrt hatte. Ordran war eine sehr gute Schwertkämpferin und es fiel dem Leibwächter der Prinzessinnen keineswegs leicht, sie zu besiegen.
Er hatte ein gewaltiges Handikap, stellte sie fest. Obgleich auch ihm gesagt worden war, dass in diesem Kampf keine Regeln gälten, kämpfte er nach den Maximen im Ritterhandbuch. Er kannte offensichtlich keinen der hinterhältigen Tricks, die man der Schwertmaid beigebracht hatte. Wie die meisten Ritter war er befangen in seinem Denken und unfähig, etwas anderes zu tun als das, was ihm die Ehre gebot.
Ein weiteres Handikap für den Drachen war das Geschlecht seines Gegners. Er hatte keine Hemmungen, auf sie einzuschlagen, doch es irritierte ihn offenbar, dass soviel von ihrer Haut zu sehen war. Mehrmals schlug ihm ein Angriff fehl, weil er seine Augen statt auf ihr Schwert auf ihre kaum verhüllten Brüste gerichtet hatte. Ordran dagegen war es gewöhnt, gegen halbnackte Männer anzutreten und wenn sie den Prinzen auch ausnehmend hübsch fand, achtete sie doch während des Kampfes nicht darauf.
Der Drachenprinz drang erneut auf sie ein und Ordran stürzte, als sie den Angriff abfangen wollte. Gegen die weitaus größere Kraft ihres Gegners kam sie beim besten Willen nicht an. Doch sie hatte nicht vor, sich auf ihre Körperkräfte zu verlassen.
Ihre Finger krallten sich in den weichen Boden. Bevor er ihr nachsetzen konnte, hatte sie sich aus seiner Reichweite gerollt und warf ihm die Erde ins Gesicht. Überrascht hustete und spuckte er. Er hob die Schwerthand, um sich den Sand aus den Augen zu wischen, während er sich mit dem Schild schützte.
Sie hatte es aber gar nicht auf seinen Leib abgesehen, den er mit dem Schild barg. Ordran warf ihren eigenen Schild und traf seinen Arm mit solcher Gewalt, dass er die Waffe mit einem Schmerzensschrei fallen ließ.
Er konnte wieder sehen und sah sie überrascht an, als sie gegen ihn anstürmte. Er war waffenlos und konnte sich nur mit dem Schild verteidigen, als sie ihn angriff. Doch als er den Schild hob, riss sie das Bein hoch und traf ihn mit voller Wucht an seiner empfindlichsten Stelle.
Er schrie auf, krümmte sich vor Schmerz und brach haltlos zusammen. Die Schwertmaid sah auf und grinste Gorbrandt an. „Nun?"
„Das war 'n fieser Trick!" rief der Ritter empört. „Kein ehrenhafter Mann hätt' sowas getan! Es gibt 'ne stillschweigende Übereinkunft unter allen Kriegern, dass manche Tritte verboten sind!"
„Du selbst sagtest, keine Regeln", erinnerte sie ihn und er lachte plötzlich.
„Du hast gewonnen", gab er zu. „Aber sieh' dich vor! Der Drache ist da nicht so empfindlich und ich werd' nur in voller Rüstung antreten!"
Ordran grinste nur. „Da wird mir noch was einfallen müssen."
Sie trat zu ihrem stöhnenden Gegner und half ihm auf. Diese ritterliche Geste fiel keinem auf und was sie sprachen, hörte niemand.
„Nun?" flüsterte sie. „Was denkst du jetzt über Frauen?"
Er spuckte noch immer Erde. „Hinterhältiges Biest!" Doch er grinste, wenn auch mühsam, als er das sagte.
„Es hieß doch, keine Regeln", erinnerte sie auch ihn. „Warum hast du das nicht ausgenutzt?"
„Weil ich nicht so erzogen wurde", gab er zurück. „Aber es ist gut, dass man dir nicht beibrachte, immer ehrenhaft zu handeln."
Die Prinzessin dachte einen Moment lang nach. „Ich glaube, dass es sich eine Frau gar nicht leisten kann, immer ehrenhaft zu handeln."
Später saß Ordran auf ihrem Bett und dachte nach. Wie überwand man einen Drachen, ohne ihn zu töten?
Ivohiles Angst vor Wasser fiel ihr ein. Doch sie glaubte nicht, dass ihn das Wasser verletzen konnte. In der Arena, in der sie ihn gefangen hielten, hatten auch menschliche Nahrung und Wasser für ihn bereit gestanden. Er trank also Wasser wie jeder Mensch, so wie die Menschen auch das Feuer nutzten, obwohl sie es fürchteten. Der Drachenmann war dem Feuer näher als dem Wasser, doch es verletzte ihn nicht. Er konnte es wohl nur nicht überqueren.
Die Schwertmaid versuchte, sich an alles zu erinnern, was sie je über Drachen gehört hatte. Doch ihr fiel nur ein, dass jeder Drache angeblich eine Schwachstelle hatte, irgendeine Stelle an seinem Körper, an der die undurchdringlichen Schuppen fehlten. Traf man ihn dort, so konnte man ihn töten, da stimmten alle Sagen überein. Doch das half ihr nichts. Erstens wollte sie ihn ja gar nicht töten und zweitens hatte ihr Ivohile auf eine entsprechende Frage bereits versichert, dass sein Schuppenkleid vollständig sei - er achte immer sehr darauf, hatte er gesagt, denn es gäbe nichts Unappetitlicheres als nackte Drachenhaut - und dass seine Schuppen ohnehin nicht undurchdringlich seien. Drachen waren gar nicht so unverwundbar, wie die Menschen glaubten, hatte er gemeint.
Ordran biss sich auf die Lippen. Wusste sie denn sonst nichts über Drachen, außer dass sie schön und stark waren, als Mann ausnehmend attraktiv, dass sie verwundbarer waren als man allgemein glaubte und nicht alle die Schwachstelle aufwiesen, zu der sie die Sagen verurteilten? Ach ja, und ein wenig eitel waren Drachen offenbar auch noch.
Gold sollten sie horten und Jungfern fressen. Nun, das traf mindestens auf diesen einen Drachen wohl nicht zu, Ivohile hatte für Jungfrauen eine bessere Verwendung. Und die Goldgier, die man den Drachen nachsagte? Ordran überlegte, ob sie den Drachen mit einem goldenen Schmuckstück in die Falle locken konnte. Die Idee war gut, scheiterte jedoch an zwei Dingen: Sie hatte weder das Gold noch die Möglichkeit, eine Falle zu stellen. Und überdies war noch immer die Frage, ob dieser spezielle Drache überhaupt an Gold interessiert war.
Ordran seufzte. Sie wusste einfach zu wenig über Drachen. Dazu waren sie zu selten geworden, seit man sie jagte. Nicht nur wegen der Maiden, die sie angeblich fraßen - warum eigentlich nur Jungfern?, überlegte sie - sondern auch wegen ihrer Ohren. Drachen hörten sehr weit und angeblich konnte ein Mensch, der ein Drachenohr besaß, seine Feinde beim Pläneschmieden belauschen und seine Frau beim Ehebruch. Ordran hatte sich schon oft gefragt, wie das wohl funktionieren solle. Das einzige Drachenohr, das sie jemals gesehen hatte, hatte ihr Großvater als Jüngling errungen und es sah auch genauso aus. Drachenfleisch zerfiel bei aller Sorgfalt, die man aufwenden mochte, ebenso wie Menschenfleisch und von diesem speziellen Ohr war nicht mehr viel übrig gewesen, als Ordrans Mutter es mit angewiderter Miene in den Kehricht geworfen hatte.
Plötzlich fuhr Ordran hoch. Drachen hörten sehr gut? Sie erinnerte sich gut an Ivohiles Ohren, die er ganz offensichtlich von seinem Vater geerbt hatte. Wenn es stimmte, dass er damit weiter und infolgedessen auch lauter hörte als sie ...
Die Prinzessin lächelte, als sie endlich ins Bett stieg. Sie wusste nun, wie sie den Drachen besiegen konnte.
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