Herausforderung angenommen
Leseempfehlung: Des Wassermanns Weib - entführt von Irres_Irrlicht. Hier nimmt Senga die Herausforderung des Lebens als Erwachsene an - und sieht sich mit Dingen konfrontiert, mit denen sie nicht gerechnet hat. Lockende Irrlichter, rivalisierende Wandergesellen und ein Wassermann ...
„Und tut sie's nun?" erkundigte sich Kaiser Dwark bei seiner Gattin, als sie wieder zu Hause war.
Erido nickte. "Sie hat's geschworen, dass sie's versuchen will. Ich verstehe allerdings noch immer nicht, dass du dich weigerst, ein Heer auszusenden, um Antalaha zu befreien. Mein Vater hätte, wenn man ihm Urila, Anira und mich entführt hätte, sofort ein Heer aufgestellt und Gorbrandts Burg belagert."
„Und euch damit getötet", seufzte der Kaiser. „Gorbrandt wird die Mädchen töten, wenn wir offen angreifen. All meine Spione hat er bisher abgefangen. Eine Herausforderung ist die letzte Chance für die Mädchen und Ivo."
„Oder Ivohile selbst", überlegte die Kaiserin. „Weißt du, zuerst machte ich mir keine Sorgen. Ich dachte, Ivohile wird schon einen Weg finden, um Antalaha und Soalaha zu befreien. Aber jetzt sind schon mehrere Monate vergangen. Meinst du, Ivohile lebt noch? Mit seinen Fähigkeiten müsste es ihm doch längst gelungen sein ..."
„Du vergisst, dass Gorbrandt genau über seine Fähigkeiten und auch seine Schwächen Bescheid weiß", unterbrach sie Dwark. „Er wird Ivo besonders gut bewachen. Ich bin mir sicher, dass der Junge noch lebt, Erido. Sonst hätte Gorbrandt uns die Mädchen bereits zurückgegeben."
Erido sah ihn verwundert an. „Du sprichst, als habe Gorbrandt Ivohile entführt und nicht Antalaha."
„Ich meinte", verbesserte sich der Kaiser hastig, „dass Gorbrandt alle drei entführte, um eine Geisel zu haben. Wen von den dreien er eigentlich wollte, die Anwesenheit der anderen beiden garantiert, dass Gorbrandt seinen Willen bekommt. Sie halten zusammen wie die Kletten."
Erido erschrak. „Du meinst, Gorbrandt würde Ivohile quälen, damit Antalaha oder auch Soalaha sich seinem Willen ergibt?"
Dwark nickte. Zwar hatte er seine eigenen Ansichten, wen von den dreien der Ritter eigentlich hatte entführen wollen, doch das würde er seiner Frau nicht begreiflich machen können.
„So schlecht kann doch kein Mensch sein!" rief die Kaiserin aus.
„Liebes", seufzte der Kaiser. „Menschen können sehr schlecht sein und Gorbrandt zählt mit Sicherheit nicht zu den besten Menschen in Mal. Ich kann mir eine ganze Menge Dinge vorstellen, die er Ivo antun kann und ich bin nur froh, dass du Ordran von Rade überreden konntest. Ehrlich gesagt, hoffte ich auf ihr Angebot. Es entspräche Gorbrandts Geschmack, sich auf einen Zweikampf mit einer Frau einzulassen. Und ist sie erstmal in der Burg, dürfen wir hoffen. Sie muss ja nicht alleine kämpfen, sie muss nur Ivo befreien. Sobald er frei ist, sind die Mädchen nicht mehr in Gefahr."
Erido stimmte ihrem Gatten zu; ihr Vertrauen in ihren Adoptivsohn war beinahe grenzenlos.
„Prinzessin Ordran wird ihn befreien und dann wird alles gut", sagte sie überzeugt. „Sie ist ein eigenartiges Mädchen, aber weißt du, was das Beste daran ist? Wir haben endlich eine Gemahlin für Ivohile gefunden! Sie muss ihn nehmen, wenn sie es schafft, ihn zu befreien, es bleibt ihr nichts anderes übrig. So ist es immer, niemand würde es verstehen."
Der Kaiser lächelte verhalten. Er hatte sich längst an die überspannten Ideen seiner Gattin gewöhnt und begegnete ihnen mit Nachsicht. "Du redest, als sei es höchste Zeit, für Ivohile eine Frau zu finden. Er ist doch noch jung, Liebes."
Die Kaiserin zuckte die Achseln. "In meiner Heimat wäre er schon längst verlobt. Dass er so jung nun wieder auch nicht ist, beweist uns ja sein Lebenswandel. Und außerdem wird es sehr schwer sein, Ivohile zu vermählen. Du weißt es."
Der Kaiser seufzte. "Ivohile ist so seltsam - die meisten Frauen lieben ihn, weil er hübsch und charmant ist, doch wer wollte mit ihm verheiratet sein? Keine Frau möchte von ihm ein Kind, das dann ... nun ja ..."
"Ja, sowas wäre entsetzlich", die Kaiserin schauderte. "Ich glaube, meine Schwester hätte es nicht fertiggebracht, ihn überhaupt auszutragen, hätte sie gewusst, was sie gebären würde. Und du weißt ja, dass sich seine Pflegemutter weigerte, ihn zu stillen und ihn schließlich in den Hundezwinger gab. Sie hatten alle Angst vor ihm. Nur eine Wolfshündin nahm ihn an."
"Das kann ich gut verstehen", nickte der Kaiser. "Solche Wesen flößen mir immer Respekt ein - selbst, wenn sie so freundlich und gutmütig sind wie Ivo."
Zwei Wochen später kam die Prinzessin Ordran vor der Festung des Ritters Gorbrandt an, der Antalaha, Soalaha und Ivohile gefangen hielt. (Die Prinzessin hatte die Namen auf der Reise immer wieder geübt, um sie ohne Stottern und Kichern aussprechen zu können.) Die Festung sah so aus, wie man es erwarten konnte, eine große, schwarze Trutzburg, nur statt des obligatorischen Wassergrabens war sie von einem tiefen Abgrund umgeben. Ordran befand sich auf dem Felsen, welcher der Burg noch am nächsten war und deshalb wohl auch die Zugbrücke trug, wenn sie heruntergelassen war. Momentan war sie hochgezogen. Jetzt war Ordran auch klar, warum die Kaiserin einen Ritter gesucht hatte. Mit keinem Heer der Welt war diese Burg zu stürmen, die einzige Hoffnung der Entführten lag bei einem Ritter, dessen Herausforderung der Burgherr annahm.
Gorbrandts Burg war riesig und nahm fast den gesamten Raum des hohen, fast quadratischen Felsens ein, auf dem sie erbaut war. Sie wirkte verwahrlost und auf den Zinnen waren keine Wachen zu sehen. Das war auch nicht nötig, denn die Burg war völlig sicher. Der Burgfelsen war die einzige Erhebung in einer Tiefebene, die auf Ordran wie ein Meer ohne Wasser wirkte. Das „Ufer", an dem Ordran stand, fiel steil gute 400 Meter ab und war ebenso schlecht zu bezwingen wie der Fels. Eine Armee müsste - völlig ungeschützt vor Pfeilen - den Abgrund hinunterklettern und dann den Felsen heraufklettern und dadurch konnte die Burg von einer Handvoll Männer mühelos gehalten werden.
Ordran trug Rüstung, Schwert und mehrere Speere, da die letzteren laut Ritterhandbuch sehr zum Verschleiß neigten. Sie ritt auf einem kräftigen Turnierpferd, das allerdings nicht ritterlich weiß, sondern rotbraun gescheckt war. Auch das Packpferd gehörte nicht zur Standardausrüstung eines Helden, doch Ordran, die in allen sonstigen ritterlichen Tugenden sehr gut war, hasste es, zu töten und war darum keine gute Jägerin. Und in der Pflanzenkunde hatte sie sich mehr auf Heilkräuter als auf Essbares konzentriert. So war sie auf gute Vorratshaltung angewiesen.
Die Schwertmaid betrachtete die Burg unwillig. Sie ließ sich von ihrem Blick jedoch nicht einschüchtern, wurde weder kleiner noch verlor sie etwas von ihrer Düsterkeit. Diese Veste konnte man nicht unbemerkt betreten, wie Ordran gehofft hatte. Sie musste den Ritter herausfordern und hoffen, dass er ihre Herausforderung annahm.
„Ritter Gorbrandt!" rief sie daher laut. „Ritter Gorbrandt! Ich fordere Euch zum Kampf! Stellt Euch, wenn Ihr nicht wollt, dass Euch alle Welt für einen Feigling hält! Stellt Euch, damit ich Euch den Bauch aufschlitzen kann!"
Die Worte klangen reichlich albern, fand sie selbst. Doch sie standen als einzig richtig im Ritterhandbuch und das düstere Schloss hatte der sonst so munteren Prinzessin tatsächlich die Sprache verschlagen; ihr fiel einfach nichts Besseres ein.
„Was ist 'n los?" nuschelte ein verschlafener Wächter, der erstaunt über die Zinnen lugte.
Ordran wiederholte ihre Worte und fügte hinzu: „Holt Euren Herrn, dass ich's ihm selbst sagen kann!"
„Das geht nicht!" rief der Mann zurück. „Der ist gerade zum Abtritt gegangen. Und so, wie's ihm den ganzen Tag schon geht, wird er nicht so schnell wieder da sein! Kannst 'n nicht noch 'n bisschen warten?"
Ordran unterdrückte ein Kichern und rief zurück: „In Ordnung, ich warte!"
Dann stieg sie ab. Sie hatte keine Lust, stundenlang wie eine Statue auf ihrem Pferd zu sitzen, während der Herr des Schlosses mit seinen Eingeweiden kämpfte.
Als der Ritter Gorbrandt endlich auf den Zinnen erschien, hatte es sich die Prinzessin gemütlich gemacht. Sie trug keine Rüstung mehr, sondern nur ihre nicht mehr ganz saubere Reitkleidung, knabberte an einem Marzipanbrot und schmökerte in einem etwas schlüpfrigen Liebesroman.
„Was treibst du denn da?" schrie Gorbrandt von den Zinnen. „Zelten ist verboten, nur dass du's weißt!"
Die Prinzessin merkte sich die Seite und klappte ihr Buch zusammen. Ohne aufzustehen (diese Ehre gönnte sie keinem Entführer von schönen, tapferen Prinzen) rief sie hinüber: „Ich fordere dich auf, den Prinzen Ivohile herauszugeben, andernfalls fordere ich dich zum Kampf!"
Ordran hatte inzwischen ihre Sprache und ihren Humor wiedergefunden. Und die Situation, als Prinzessin einen Ritter zu retten, entsprach ganz ihrem Humor. Zudem hatte Kaiserin Erido ja gesagt, dass Gorbrandt eine ernst gemeinte Forderung verlangte und um eine der kaiserlichen Prinzessinnen zu freien hatte sie keine Lust.
Die Reisigen lachten sie aus. „Noch niemand stellte eine Forderung zum Kampf, die unser Herr annahm! Du verschwendest deine Zeit!"
Doch Gorbrandt wies sie zum Schweigen an und beugte sich über die Zinnen. „Hab' ich recht gehört? Du forderst den Prinzen Ivohile von mir? Nicht die kaiserliche Prinzessin oder ihre Cousine?"
„Die sind mir weniger wichtig!" gab Ordran zurück. „Mit Frauen kann ich wenig anfangen, doch Ivohiles Hand wurde mir von seiner Muhme und Ziehmutter versprochen, wenn ich ihn befreie. Und darum fordere ich dich nun zum Kampf oder zur Herausgabe meines Bräutigams!"
„Die Mädchen hättest du v'leicht haben können", rief der Ritter zurück. „Doch den schönen Prinzen geb' ich niemals her!"
Die Schwertmaid verschluckte sich beinahe vor Lachen. Der finstere Ritter war also gar nicht hinter den schönen Maiden her, sondern hinter dem gutaussehenden Leibwächter! „Und?" rief sie.
„Was und?" Begriffsstutzig war der Ritter Gorbrandt auch noch! Ordran seufzte.
„Du kämpfen oder geben mir Ivohile! Verstanden?"
„Bin ja nicht dumm", murrte der Ritter. „Nee, bevor ich dir Ivo gebe, kämpf' ich mit dir. Nur bin ich heute nicht so gut aufm Damm!"
„Hab's schon gehört!" rief die Schwertmaid und grinste.
„Pass mal auf", der Ritter wurde ganz aufgeregt. „Ich liebe Kampfspiele, nur seh' ich so selten wirklich gute Kämpfe! Ich lad' dich aufs Schloss ein und du bestehst drei Kämpfe - mit meinem besten Ritter, mit meinem Drachen und mit mir. Wenn du meinen Ritter oder meinen Drachen tötest, bist du allerdings selber tot, du sollst sie nur besiegen, ist das klar? Und wenn du dreimal siegst, hast du gewonnen und bekommst den Prinzen und seine Cousinen! Ist das ein Angebot?"
„Und wenn ich nur zweimal siege?"
„Dann hast du verloren! Einverstanden?"
Ordran zuckte die Schultern. "Na schön!"
„Fein! Dann komm rein! Ich geb' dir mein Ritterehrenwort, dass dir außerhalb der Schranke niemand zu nahe tritt!"
„Wie viel ist dein Wort wert?"
Gorbrandt kicherte. „Nichts! Aber ich brenne darauf, 'ne Jungfer kämpfen zu sehen, darauf kannst du scheißen!"
Ordran tat das lieber nicht, sondern folgte der Einladung des Ritters und kam ins Schloss.
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