Kapitel 7

Liv ließ ihren Blick über die Stallgasse des Stallzeltes schweifen. Neben Belle stand ein hübscher Roan und neben Dino ein Fuchs. Gestern waren sie nach zehn Stunde, inklusive Pause, endlich in Frankreich angekommen. Den Ponys, die das gewöhnt waren, hatte das nichts ausgemacht, schließlich fuhren sie oft länger zu großen Tunieren. Die erste Prüfung heute Vormittag, würde Liv mit Belle mitgehen, die mit Dino wäre dann heute Nachmittag. Liv war gemeinsam mit James Barrymore den Parcours bereits abgegangen. Er setzte fest auf Liv, die als letzte starten würde. Die letzte Woche hatte er sie gedrillt, bis ins letzte. Liv bezweiflete aber, dass das Training etwas genützt hatte. Von Dino hielt der Brite immer noch nicht viel, aber Liv würde ihm in den nächsten drei Tagen schon noch zeigen, was Dino drauf hatte, da war sie sich sicher.

Nun verließ sie das Stallzelt wieder und ließ ihren Blick über den Abreiteplatz schweifen. Dort waren bereits ein paar Reiter, die ihre Pferde für die Prüfung aufwärmten. Es waren nicht sehr viele Starter, vielleicht dreißig. Aber den ersten wollte Liv von der Tribüne aus zusehen, um zu schauen, wo sie ihre Probleme hatten im Parcours. Als sie ihn abgegangen war, hatte sie keine unüberwindbaren Stellen entdeckt, aber es könnte immer etwas dazwischen kommen. Außerdem wusste sie nicht, wie Ma Belle auf die ganzen Leute reagieren würde, schließlich waren die letzten Tuniere mit ihr nicht vor so großem Publikum.

Erste Starterin war eine zierliche Dänin, die auf dem braunen Endmaßpony ziemlich klein wirkte. Auch sie schien etwas verunsichert zu sein. Sie ließ dem Pony alles durchgehen und somit hatte sie nach ihrem Ritt sechzehn Strafpunkte auf ihrem Konto. Jedoch waren es einfach die Nerven die versagt hatte bei ihr. Der Parcours an sich war einfach, im Gegensatz zu anderen, die Liv bereits geritten war. Doch das schienen die anderen Reiter nicht so zu sehen, denn die nächsten hatten alle über acht Strafpunkte. 'Wenn es so weiter ging, würde es einfach werden, zu gewinnen', dachte sich Liv, die sich an die Absperrung lehnte und die Konkurrenz begutachtete.

Als nächstes ritt ein Junge in den Parcours, den sie kannte. Vincent Chirac. Er saß auf einem stämmigen Fuchs mit Ramsnase und Stoppelmähne. Liv überraschte es, ihn auf so einem Pferd zu sehen. Es war ziemlich fett und hässlich! Doch es schien springen zu können, denn bisher hatte er noch keinen Abwurf.

"Er ist gut, nicht war?", ertönte plötzlich eine Stimme neben Liv.

Sie sah zur Seite. Dort lehnte ein Mädchen ihres Alters ebenfalls gegen die Absperrung. Sie hatte dunkelbraune Haare, die zu einem Dutt zusammen gebunden waren und trug eine Sonnenbrille. Genau wie Liv, hatte sie ebenfalls Tunierkleidung an. Liv nickte, obwohl sie nicht ganz von dem Fuchs überzeugt war. "Relativ" - "Er ist mein Cousin", das Mädchen grinste. "Echt jetzt?", Liv sah sie etwas ungläubig an, doch sie nickte bestätigend. "Seine Mutter ist Deutsche" Das erklärt einiges, wahrscheinlich sprach er deshalb auch Deutsch. "Ines Rouvière", stellte sich die Brünette vor und lächelte. "Liv Langhoff" - "Ich weiß", Ines lachte nun. Liv runzelte die Stirn. "Woher?" Ines schien etwas verblüfft über die Frage zu sein. "Naja, dich kennt einfach jeder, so wie du reitest!", antwortete sie nun grinsend und sah dann wieder in den Parcours. Mittlerweile hatte Vincent Chirac den Parcours beendet und war Null geblieben und das auch noch mit einer ziemlich guten Zeit. Jetzt würde es etwas schwieriger werden zu gewinnen und wieder mal, wegen diesem Jungen.

Liv zuckte mit den Schultern. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, ohne arrogant zu wirken. Sie wagte nocheinmal einen Seitenblick. Ines hatte mittlerweile ihre Sonnenbrille abgenommen. Jetzt kam sie ihr ziemlich bekannt vor. Natürlich, warum war sie nicht gleich darauf gekommen? Ines Rouvière war die beste Reiterin der Schweiz. Sie war schon zig Nationenpreise geritten und wurde bei der EM Achte in der Einzeowertung.

"Naja du reitest aber auch ziemlich gut!", antwortete Liv nun. "Und ich dachte immer, du wärst ziemlich arrogant", antwortete Ines darauf, "Aber du bist total normal, gar nicht abgehoben" - "Da bist du nicht die einzige, die so denkt!", antwortete Liv seufzent. Die anderen deutschen Reiter hatten bisher kein Wort mit ihr gewechselt, außer Tim Schulz, der wenigstens 'Hallo' gesagt hatte. "Dachte!", korrigierte Ines grinsend. "Reitest du auch die Prüfung mit?", Liv wandte sich zum Gehen, da es langsam Zeit wurde, Belle zu satteln. "Nein, erst die heute Nachmittag, aber da reitest du auch oder?", aantwortete Ines darauf. "Ja. Ich muss jetzt mal satteln gehen" - "Mit dem coolen Schimmel? Ok, ich komm mit!" Somit hakte sich Ines bei Liv ein und die beiden Mädchen liefen zum Stallzelt.

"Ja genau mit dem", antwortete Liv grinsend, "Jedoch scheint James Barrymore, mein neuer Tranier, nicht viel von ihm zu halten." Liv seufzte. Sie fragte sich, was mit Peter war. Ob er nun ein anderes kleines Mädchen trainieren würde? "James. Barrymore. Ist. Dein. Tranier?", Ines schien das fast gar nicht zu glauben und sagte jedes Wort einzeln, doch Liv nickte. "Wow. Er ist einer der besten Tranier Europas!" - "Er ist ein Vollidiot!", antwortete Liv darauf trocken. "Wenn du meinst. Vince hat er auch mal trainiert." Liv musste erst etwas überlegen, bevor sie verstand, dass sie Vincent Chirac meinte.

Als sie im Stallzelt angekommen waren, ging sie zu Belles Box. Dann sattelte sie sie, wobei Ines ihr half. Sie hatte sie von Anfang an sympathisch gefunden und sie war der erste Mensch, der sie nicht gleich abgeschrieben hatte, weil sie dachte, dass sie arrogant und überheblich wäre oder neidisch war. "Fertig!", sagte sie schließlich grinsend und hielt Ma Belle fest, während Liv ihren Helm, die Handschuhe und die Springgerte holte. Dann führten sie die Stute aus dem Stallzelt. Von ihrer Mutter und ihrerm Tranier fehlte immer noch jede Spur.

Als sie schließlich am Abreiteplatz war und Ines sich gegen den Zaun lehnte und ihr zuschaute, kam Mr. Barrymore endlich, gefolgt von ihrer Mutter. Er gab Liv ein paar Anweisungen und ließ sie erstmal warmreiten. Als sie damit fertig war, ließ er sie ein paar Mal über den Probesprung springen und vorstellte ihn jedes Mal um ein paar Löcher. Schließlich sah sie noch den beiden Reitern zu, die vor ihr ritten.

Ines hatte sich neben sie gestellt. Gerade ritt eine Französin, ebenfalls in Livs Alter. "Justine Dupont", kommentierte es Ines. "Sie ist schon ziemlich lange in Vincent verknallt" Liv musste grinsen. Vincent Chirac war eindeutig der Typ Junge, in den sich alle Mädchen verliebten. Er sah gut aus, war erfolgreich. Dennoch fand Liv ihn ziemlich arrogant. Nicht, dass ihn persönlich kannte, abgesehen von den paar Worten, die man eben mal untereinander als Reiter wechselte. Aber es kam ihr so vor. Vielleicht war sie aber auch nur eifersüchtig, da er in letzter Zeit viel besser als Liv ritt.

"Naja, aber sie hatte nie wirklich eine Chance", redete Ines weiter, ohne auf Livs Antwort zu warten. "Wie kommt es, dass er dein Cousin ist? Bist du Halb - Französin?", fragte Liv nun. Es konnte ja auch sein, dass sie zur Hälfte Deutsche war, da ja Vincents Mutter anscheinend Deutsche war. "Nein, halb Deutsche. Meine Mutter ist die Schwester von Vincents. Bei uns daheim wird aber Französisch gesprochen. Durch meine Mutter kann ich aber auch fließend Deutsch, wie du ja bereits mitbekommen hast", Ines grinste und sah in den Parcours. Justine Dupont hatte vier Strafpunkte. Ihr langbeiniger Apfelschimmel hatte beim letzten Sprung die Vorderbeinen hängen gelassen.

Nun tönte eine verzerrte Stimme aus den Lautsprechern. Der Ansager sprach französisch, doch dann wiederholte er es nocheinmal alles auf Englisch. "Number 24. Lilliana Langhoff and Ma Belle, a 13 years old German Riding Pony from Mentos and Till The Champ, Germany!" Liv griff die Zügel kürzer. "Viel Glück!", hörte sie noch. Das kam von Ines, die sich an die Absperrung lehnte, dort wo sie vorhin gestanden waren. Liv galoppierte Belle an. Diese spitzte gespannt die Ohren, als sie an den ersten Sprung heran ritten.

*

Dino riss den Kopf hoch und machte dann im Anschluss einen riesigen Bocksprung. Er war heiß, wie eh und je und genau das passte James nicht. Er würdigte sie keines Blickes, während sie ihren Hengst warm ritt. 'Und sowas nennt man Tranier!', dachte Liv sich. Vor lauter Wut, bemerkte sie Ines, die ihren Wallach neben sie lenkte, gar nicht. "Alles ok? Was war eigentlich mit Ma Belle los?", fragte diese nun sah die Blonde auf dem Schimmel besorgt an. "Ich weiß nicht, vielleicht war sie einfach nur nervös, wegen der vielen Menschen", antwortete Liv darauf schulterzuckend. "Meinst du? Schließlich haben sie ihr am Anfang auch nichts ausgemacht!" - "Vielleicht waren es auch die grellen Fragen der Stangen!", Livs Stimme klang nachdenklich, aber auch deprimiert.

An Sprung Nummer sechs hatte Ma Belle plötzlich die Bremse gezogen und war gestiegen. Doch auch, als sie es ein zweites Mal versuchte, rammte sie die Vorderbeine in das Gras. Jetzt war die Stute auch bei James Barrymore unten durch. Die Tatsache, dass sie den Parcours nicht beendet hatte, ließ ihn auch nicht anderes von ihr denken und somit war sie immer noch das Mädchen mit den schlimmen Pferden und dem furchtbaren Sitz. Jedoch hatte sie ihre Zweifel, dass sie das nun mit Dino besser machen würde. Zu viel Angst hatte sie, wieder zu versagen. "Du packst das schon!", sagte Ines nun, die ihre Zweifel gespürt hatte, "Mit Dino ist es doch was ganz anderes!" Liv grinste. "Mit dem coolen Schimmel?" - "Genau! Mit dem coolem Schimmel!", nun grinste Ines auch. Sie würde jetzt gleich reiten. Liv erst etwas später, aber sie bevorzugte es bei Dino länger abzureiten, sodass er nicht mehr so hitzköpfig war und sich besser kontrollieren ließ.

Ines machte ihre Sache gut und kam letztendlich mit vier Strafpunkten aus dem Parcours. Liv beobachtete die anderen Reiter. Von den Deutschen ritten noch fünf andere mit. Darunter Tim Schulz auf seinem Pony Firecracker. Tim war ein Jahr jünger wie Liv, also vierzehn. So viel wusste sie. Er würde auch den Nationenpreis morgen mitreiten. Die anderen Reiter, Mia Sander, Emily Maier und Hannes Kersting, schenkten ihr weiterhin keine Beachtung. Einzig neben Tim hatte sich vorhin Julius Schumacher, der beste unter ihnen, neben Liv, mit ihr über den Parcours unterhalten, das wars dann aber auch wieder.

Sie verstand selbst nicht, warum sie alle hassten. Oft fragte sie sich, was sie falsch gemacht hatte, schließlich hatte sie nie jemandem etwas getan!



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