Kapitel 4

Liv ließ ihren Blick zum Bundestrainer schweifen. Beim Kaderlehrgang am Wochenende war er ziemlich überzeugt von ihr und Sternentänzer Leistungen gewesen. Und auch gestern hatte sie sich bewährt und nach dem Stechen Dritte und somit beste Deutsche. Heute im Nationenpreis in Wien würde sie nun nochmal mit dem Deutschen Team unter Beweis stellen. Jedoch war sie auf die anderen Reiter nicht wirklich gut zu sprechen. Die meiste Zeit hatten sie sie ignoriert. Liv wusste nicht, an was das lag, vielleicht waren sie eifersüchtig, dass Liv so gut ritt, vielleicht dachten sie aber auch, sie wäre arrogant.

Sternentänzer tänzelete nervös auf der Stelle. Er schien ebenfalls aufgeregt zu sein. Mit dem Wallach hatte Liv bei den Junioren bereits die größten Erfolge gefeiert. Jedoch war das ihr erster Nationenpreis auf einem Großpferd. Bei den Ponys kannte sie ihre Konkurrenz. Sie wusste, wie sie ticken und wo sie wahrscheinlich Fehler machten, doch das war eine noch recht neue Welt für Sie, da sie erst seit diesem Jahr Großpferd ritt.

Der erste Umlauf hatte ziemlich gut geklappt und die beiden waren null geblieben. Im Moment lag das Deutsche Team auf Platz zwei hinter Großbritannien. Es war eindeutig. Die Briten beherrschten den Reitsport regelrecht, auch bei den Großpferden gehörten sie zu den besten Reitern. Genau wie die Franzosen, die auf Platz drei folgten. Man könnte also sagen, die Deutschen, Briten und Franzosenhatten die besten Nachwuchsreiter. Hierbei durfte man aber nicht die Iren vergessen, die auch nicht gerade schlecht ritten und an vierter Stelle lagen.

Sie würde als Letzte reiten, so wie auch im ersten Umlauf. Der Bundestrainer Harald Schmidt schien wohl sehr viel von ihr zu halten, wenn er ihr so vertraute. Jedenfalls wusste sie eins, sie durfte keine Fehler machen! Deutschlands erste Reiterin Magdalena Fischer hatte bereits acht Strafpunkte auf ihrem Konto und wenn es kein schlechteres Ergebnis gab, könnten sie das streichen, wobei die dann wieder bei Null Strafpunkten wären, so wie im erste Umlauf, wo bereits Magdalenas Ergebnis gestrichen wurde. Die beiden Jungen waren Fehlerfrei geblieben. Jetzt lag alles an Liv.

Mit ihren fünfzehn Jahren war sie die jüngste unter ihnen, aber auch die talentierteste, wie der Bundestrainer immer betonte. Peter war ebenfalls mitgekommen und hatte ihr bereits ein paar hilfreiche Tipps, zwecks des Parcours gegeben.

Jetzt war es soweit. Wie so oft in den letzten Wochen, sollte Liv nun ihr Können unter Beweis stellen. Sie atmete einmal tief ein und ritt dann in den Parcours. Die Tribüne war gefüllt mit Menschen, die ihre Augen nun alle auf Liv gerichtet haben. Sie galoppierte Sternentänzer an und richtete ihren Blick auf den ersten Sprung. Der Dunkelbraune war ein ziemliches Verlasspferd. Er sprang so gut wie immer. Außerdem schoss er vor den Sprüngen nicht so los, wie vergleichsweise Dino. Er machte genau das, was der Reiter von ihm verlangte. Nicht mehr und nicht weniger.

Vor dem Sprung saß Liv nocheinmal im Sattel ein, dann merkte sie, wie sich der Pferdekörper unter ihr in die Luft hob. Sternentänzer verwendete keinen Zentimeter und kam sicher auf der anderen Seite an. Mit fünf Galoppsprüngen zu Hindernis Nummer zwei, danach auf gerader Linie auf den Oxer zu. Alles klappte problemlos. Bei Sprung Nummer vier musste Liv die Beine zu machen, da sie merkte, dass der Wallach langsamer wurde. Der Braune grunzte und machte dann einen mächtigen Satz über den Steilsprung. Jedoch konnte er nicht vermeiden, dass die Stangen fielen.

Livs Gesichtsausdruck wirkte angespannt. Jetzt müsste sie sich konzentrieren, sonst hätten sie keine Chance mehr auf den Sieg. Sie musste die Nerven behalten! Das Mädchen griff die Zügel kürzer und trieb ihr Pferd entschlossen vorwärts. Doch es sollte wohl nicht sein, denn beim nächsten Sprung, einer überbauten Wasser, ließ Sternentänzer die Vorderbeine nur ein wenig hängen und schon konnte man das Poltern vernehmen. Liv verkrampfte immer mehr. Die anderen verließen sich auf sie, doch jetzt hatte sie es sich mit ihnen wohl endgültig verscherzt. Als nächstes kam die dreifache Kombination. Steil, Oxer, Steil. Jeweils ein Galoppsprung dazwischen. Entschlossen diese ohne Fehler zu überwinden, trieb Liv Sternentänzer vorwärts.

Nun tat der Wallach etwas, was er noch nie getan hatte. Er merkte die Angst, die sich in seiner Reiterin aufgetan hatte und rammte die Beine in den Boden. Liv, für die das vollkommen unerwartet kam, fand ich plötzlich in der Luft wieder. Für einen Moment schien es so, als würde sie zu schweben. Alles passierte in Zeitlupe und es war vollkommen still geworden. Doch im nächsten Moment war es vorbei mit der Freiheit und sie kam hart auf dem Boden auf. Die Menge schrie auf. Nun lag sie direkt im Sprung, während sich Sternentänzer zur Seite weggeduckt hatte und perplex neben dem Hindernis stand. Mit großen Augen sah er zu Liv.

Der Aufprall hatte ihr den Atem genommen und sie rang nun nach Luft, wie ein Fisch, der an Land gespült wurde. In ihrem Arm breitete sich plötzlich ein stechender Schmerz aus. Er war doch nicht gerochen oder? Angst überkam Liv, Angst das der Knochen wirklich gerochen war und sie in den nächsten Wochen nicht mehr reiten konnte.

Es waren bereits Sanitäter bei ihr, doch sie versicherte ihnen, dass sie selbst aufstehen konnte. Doch als sie versuchte auf die Beine zu kommen, merkte sie, wie sie unter ihr nachgaben und sie sich wieder im Sand wiederfand. Sie versuchte es nocheinmal, diesmal mit der Hilfe eines Sanitäters. Der Schwerz in ihrem Arm schien verschwunden zu sein. Doch im selben Moment durchfuhr ihren Arm höllische Schmerzen. "Aua" - "Zeig mal deinen Arm. Der ist gebrochen, du solltest mit ins Krankenhaus kommen", sagte einer der Sanitäter, während er ihren Arm begutachtet hatte.

Mittlerweile kam eine dunkelhaarige Frau auf den Platz gelaufen. "Das ist meine Tochter. Schätzchen wie geht es dir?", Dorothea Langhoff schien gerade zu hysterisch zu sein. Liv zwang sich dazu nicht gleich auszurasten. Wenn was mit ihrer Goldtochter war, dann schiebte sie auf einmal Panik aber sonst interessierte sie sich nicht für sie? Na Danke!

Peter hatte mittlerweile den ziemlich verstörten Sternentänzer eingefangen. Perplex ging er mit dem Mann, mittleren Alters, mit. Liv wurde währenddessen von den Sanitätern vom Platz geführt. Vom Bundestrainer erntete sie einen besorgten Blick. Die anderen Reiter zeigten aber kein Mitleid. Magdalena hingegen zischte: "Is das Wunderkind doch nicht so gut wie alle denken!" Liv ignorierte ihren Kommentar und folgte den Sanitätern von denen sie dann ins Krankenhaus gebracht wurde.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top