Kapitel 3

Im Spiegel war ein blondes Mädchen zu sehen. Ihre Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden, bei dem aber ein paar Strähnen herausstanden. Sie trug eine dunkelblaue Animo Reithose. Das ebenfalls dunkelblaue Poloshirt hing locker darüber. Die maßgeschneiderten Lederstiefel waren blank poliert. An ihrem Arm hing ein Armband. Das Armband hatte geradezu symbolische Bedeutung. Livs Mutter hatte es ihr geschenkt, als sie sechs Jahre alt gewesen war. Damals war ihr Leben noch ohne jegliche Springturniere gewesen. Sie seufzte, als sie an die Erinnerungen mit ihrem ersten Pony Snowflake dachte. Der kleine Schimmel hatte immer für irgendwelchen Ärger gesorgt. Einmal mussten sie ihn von dem Maisfeld des Nachbarn herunterholen, da er seine Boxentür selbst geöffnet hatte. Liv musste lächeln. Mit ihm war sie ihre ersten Tuniere in der Führzügelklasse bestritten. Bereits damals stand fest, dieses Mädchen wird mal ein Superstar!

Das Springen hatte ihr auf Anhieb Spaß gemacht, ohne Zweifel und mit Dino an ihrer Seite, hatte sie erste Siege in A Springen errungen. Danach in L Prüfungen und schließlich arbeiteten sie sich immer weiter hoch bis sie schließlich hier angelangt waren, wo sie nun waren. An der Spitze Europas. Anfangs machten die großen Tuniere Liv noch Spaß. Immer wieder hatte man neue Leute kennengelernt oder alte Bekanntschaften wieder getroffen. Doch mittlerweile hatte sie kaum noch Freunde. Die meisten anderen Reiter hielten sie für arrogant und überheblich und in der Schule? Durch die vielen Tuniere, die meist mehrere Tage dauerten, wurde sie oft von der Schule befreit, somit hatte sie auch dort niemanden, mit dem sie Zeit verbringen konnte. Sie setzte sich in Bewegung und lief nach draußen.

An der Box eines großen Braunen blieb sie stehen. Tantot D'Amour stand auf dem Schild an seiner Boxentür. Sie halfterte den Riesen, der knapp eins fünfundsiebzig groß war auf und führte ihn nach draußen auf den Putzplatz. Heute würde sie mal wieder draußen putzen. Man merkte, dass es Frühling wurde, denn der Kirschbaum neben dem Haus bekam schon ein paar Blüten, außerdem wurde das Wetter zunehmend wärmer. Tantot hob neugierig den Kopf und stieß ein schmetterndes Wiehern aus. Ein paar Sekunden später wurde es aus der Halle beantwortet.

Liv musste lächeln. Nachdem sie den Hengst gestattet und getrenst hatte, führte sie ihn in die Halle und stieg dort auf. Wenige Minuten später kam auch schon Peter. "Bist du schon warmgeritten?" Liv schüttelte den Kopf und trabte den großen Braunen an. Tantot war ein ziemlich braves Pferd und reagierte auf die feinsten Hilfen des Reiters. Liv kam sich auf ihm immer ziemlich klein vor. Mit ihren eins fünfundsechzig gehörte sie aber auch nicht zu den größten. Dennoch hatte sie lange Beine und kam bei Tantot über das Sattelblatt. Während sie ein paar Wendungen ritt und anfing ihr Pferd zu versammeln, baute Peter einen kleinen Parcours auf. Tantot war ihr erstes Pferd heute. Danach musste sie noch drei andere reiten. Dino hatte heute frei und durfte den Tag auf der Koppel verbringen.

Das Training mit Tantot verlief ziemlich gut. In nächster Zeit stand kein Turnier an, deshalb ging es heute nicht in die Höhe. Peter hatte durch die Diagonale eine Sprungreihe aufgebaut mit jeweils einem Galoppsprung dazwischen. Der Hengst arbeitete gut mit wölbte den Rücken über den Sprüngen auf. Sie wusste, dass ihre Mutter nicht sehr viel von dem Hengst hielt, aber sie hätten ihn trotzdem behalten, da Peter meinte, er hätte im Inneren ziemlich viel Talent. Zudem war er auch immer gelassen und gut zu reiten, was bei einem Turnierpferd natürlich auch sehr wichtig war. Peter war heute eigentlich gekommen, um mit Liv und Lady in Black, ihrer sechs jährigen Ponystute, zu trainieren.

Letztes Jahr war sie Bundeschampion der fünf jährigen Springponys geworden und auch dieses Jahr lief es dementsprechend gut. Blacky, wie sie nur genannt wurde, war eine sehr talentierte Stute, der das Springen beinahe genauso viel Spaß machte, wie Dino. Liv hatte die Rappstute sofort ins Herz geschlossen.

Sie brachte Tantot zurück in den Stall und holte danach Blacky aus ihrer Box. So ging es eigentlich jeden Tag, wenn sie mit dem einen Pferd fertig war, ritt sie das nächste. Und irgendwann danach, lernte sie mal für die Schule. Nächstes Jahr würde sie sowieso ihren Realschulabschluss machen und dann würde sie eine Lehre zum Berufsreiter antreten. So wie ihre Mutter es wollte, aber Liv wusste, dass sie das genauso wollte. Ihr Traum war es immer gewesen, später etwas mit den Pferden zu machen.

Lady in Black gehörte eher zur nervösen Sorte Pferd. Zumindest was Training anging und anderes, was in den Augen der Stute langweilig war. Auf Turnieren war sie das komplette Gegenteil. Dort war sie immer konzentriert bei der Sache und interessierte sich gar nicht für ihre Umwelt.

Blacky war heute ziemlich gewöhnungsbedürftig. Sie steckte den Kopf zwischen die Beine und machte einen Bocksprung nach dem anderen. "Treiber sie weiter konstant vorwärts und lass dich davon nicht ablenken. Wenn Sie sich einigermaßen beruhigt hat, dann komm hier über das Kreuz", sagte Peter zu ihr und beobachtete sie mit einem kritischen Blick.

Liv piekte sie mit dem Sporn und die Stute hörte augenblicklich auf. Nun schoss sie los, wie eine Rakete. Liv, die darauf vorbereitet war, ritt eine enge Volte und ließ sie dann erneut angaloppieren. Diesmal kam sie in einem rhythmischen Galopp an den Sprung heran. Sie wölbte über dem Sprung den Rücken auf und zog die Vorderbeine an den Bauch. Blacky war ein Pferd, da nahezu perfekt die Sprünge überwand. Oft hatte Liv Anfragen bekommen, sie zu verkaufen, doch jedes Mal hatte sie abgelehnt. Sie war einfach perfekt und nächstes Jahr würde sie anfangen die ersten internationalen Tuniere zu reiten, dann würde sich herausstellen, ob die schwarze Stute mehr konnte, als ein Bundeschampionat zu gewinnen.

Der Rest des Trainings klappte dann auch wieder gut und Peter war zufrieden mit den beiden. Jedoch hatte Liv das Gefühl, das er heute anders war, als sonst. Er benahm sich irgendwie merkwürdig. Hoffentlich war nichts passiert, dachte sich Liv. Aber es konnte ja auch sein, dass sie sich das auch nur einbildete.

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