Kapitel 23

Marguerites Galoppsprünge waren schwungvoll und raumgreifend. So war das Hindernis bereits nach kurzer Zeit vor ihnen. Die erfahrene Stute spitzte die Ohren, machte den letzten Sprung und segelte in wundervoller Manier über den niedrigen Oxer. Dem Selle Français bereitete es nicht wirklich Anstrengung über den A Parcours zu fliegen und schon hatten sie den letzten Steil überwunden, ohne, dass Liv einmal wirklich etwas zu tun gehabt hatte.

Am Morgen hatte Claude beschlossen, dass Liv heute einmal Marguerite springen sollte, sodass sie mal wieder in die Höhe gehen konnten und nicht an einem L Parcours hängen bleiben würden. Aber Liv verstand den Sinn des Trainings nicht. Schließlich musste sie ja mit Sternentänzer und Tantot einen S Parcours springen und nicht mit Marguerite.

"Gut, jetzt mal die Kombi" Claude hatte sich neben der zweifachen Kombination, die er vor wenigen Minuten um einige Löcher hochgezogen hatte, aufgebaut und ließ seinen Blick auf Liv und der Stute ruhen.

Liv galoppierte das Pferd an und ritt in einem gleichmäßigen Tempo auf den Einsprung zu. Kaum war die Stute in der Luft, hatte ihre Reiterin ihren Blick bereits auf den Aussprung, einen Oxer, gerichtet. Auch dieser klappte ohne Probleme und Claude lobte sie für das saubere Reiten.

Es klappte wundervoll mit der erfahrenen Stute und langsam begriff Liv, wieso Vincent sie so gern hatte. Der federleichte Galopp war einfach zu sitzen, die Feinheit im Maul und das unglaubliche Sprungvermögen machten sie zu einem einzigartigen Pferd, das wohl auch noch eine sagenhafte Abstammung besaß.

Nach der Stunde war sowohl Claude, als auch Liv vollkommen zufrieden. "Das war sehr, sehr gut", meinte er und tätschelte seiner Stute den Hals. "Du warst auch sehr gut" Sie konnten sogar einen recht schweren M Parcours springen, sodass Claude gemeint hat, dass Liv Marguerite morgen noch einmal reiten dürfte.

Aber die Stimmung trübte, als Liv neben der Stute in der Box stand und sich an gestern zurückerinnerte. Wie konnte sie das nur so verbocken? Gleich nachdem sie die Stimme ihres Vaters gehört hatte, hatte sie aufgelegt. Sie war so dumm. Sie hätte endlich eine Chance gehabt mit ihm zu reden, ihm alle Fragen zu stellen, die in ihrem Kopf herumschwirrten. Aber was hatte sie getan. Feige hatte sie einfach aufgelegt, weil sie zu große Angst bekommen hatte. Liv hätte wirklich gedacht, dass sie bereit für diesen Schritt wäre, aber das war sie nicht und das wird sie wahrscheinlich auch nie sein.

Sie wird immer unter der Fuchtel ihrer Mutter, die ihr Leben bereits durchgeplant hat, stehen, sie wird nie frei sein können. Sie wird für immer gefangen sein.
Liv presste ihren Kopf in Marguerites Mähne. Einige Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie war nichts mehr, als ein Häufchen Elend. In den letzten Monaten war alles den Bach runter gegangen. Früher hatten ihr die Turniere und die Siege Spaß gemacht. Nun verabscheute sie das reiten gegen die Uhr. Sie musste einen Ausweg finden und dieser eine Ausweg war ihr Vater gewesen, der ihre Mutter vielleicht hätte umstimme können. Aber Liv hatte ihre Chance zerstört.

"Liv?" Eine Stimme erklang an der Boxentür. Liv erkannte sie sofort. Es war François. Sie wollte nicht, dass er sah, wie sie weinte! Deshalb vergrub sie ihr Gesicht einfach noch mehr in der kurzen Mähne der Stute.
"Liv", wiederholte er und Liv hörte, wie die Boxentür geöffnet wurde. Dann spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. "Alles in Ordnung?" Langsam schüttelte sie den Kopf. Gar nichts war in Ordnung. Aber wollte sie das jetzt wirklich sagen? Sie löste sich von Marguerites Hals und sah François in die Augen.

"Sag mal hast du geweint?", fragte er nun und sah sie mitfühlend an. Liv nickte vorsichtig und sofort merkte sie, wie François sie in eine Umarmung schloss. "Hey, ist doch alles gut. Du musst nichts tun, was du nicht willst!" Langsam strich er über ihren Rücken, um sie zu beruhigen.
Ich wollte das aber!

Einige Minuten standen sie einfach da und schwiegen sich an, bis Liv sich aus der Umarmung löste, um Marguerite abzusatteln. Die Braune war ein echter Engel. Der Engel, den sie jetzt brauchte, um wieder ihre alte Form zu erreichen.

"Vincent kommt übers Wochenende", meinte François nach einer Weile. Livs Herz machte für einen Moment einen Aussetzer.
"Warum?", fragte sie so nebensächlich, wie möglich. Dabei interessierte sie es brennend.
"Naja meine Eltern kommen auch und am Sonntag Abend nehmen sie mich dann wieder mit heim", erklärte er ihr und Liv war beinahe richtig traurig, dass François am Sonntag gehen würde. Dann hatte sie morgens niemanden mehr - abgesehen von Margot, die aber genügend zu tun hatte - mit dem sie etwas unternehmen könnte.

"Jetzt mach nicht so ein Gesicht. Ich dachte du magst ihn!" François nahm das vordere Paar Gamaschen und legte es in Marguerites Spind. Ich mag in ja auch!
"Das ist es doch gar nicht. Ich find's nur schade, dass du gehst!", meinte Liv ehrlich und lächelte ihn an. "Ich auch. Dann geht meine Ausbildung weiter", antwortete er grinsend und verließ den Stall. Liv folgte ihm.

"Wir können heute noch ausreiten, wenn Ines von der Schule zurück ist", schlug Liv vor, während sie durch die Allee schlenderten. "Ich glaub das wird zu spät. Heute hat sie bis um fünf", warf François ein. "Aber wir können heute Nachmittag ja auch alleine ins Gelände gehen"
"Stimmt. Dann kannst du Sternentänzer haben. Ich muss ihn sowieso noch bewegen", erwiderte Liv grinsend, als sie François' Gesichtsausdruck bemerkte.

So kam es wie geplant und die beiden sattelten nach dem Mittagessen. Sternentänzer und Tantot. François kam super mit dem Wallach zurecht und insgesamt wurde es ein wunderschöner Ausritt. Die Sonne stand hoch am Himmel und erhellte die Erde, die Vögel zwitscherten und Liv war für drei Stunden rundum glücklich.

--------------------

Zum zweiten Mal heute Hallo ;)
Ja, ich hab schon erwähnt, dass ich heute Zeit habe und deshalb hab ich gleich das nächste Kapitel hinterher geschoben. Vor allem auch, weil so viele gespannt waren, wies weitergeht. Ja was soll ich noch groß sagen. Wir befinden uns im Endspurt meiner kleinen Geschichte. Der zweite Teil wird dann direkt im Anschluss kommen. Ich hab schon einen Teil des ersten Kapitels geschrieben ;)
Liebe Grüße zum zweiten Mal heute
Marie <3

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top