Kapitel 14

Da Livs Mutter ihren Erfolg so schnell wie möglich wieder pushen wollte, ging es am Wochenende zum Lehrgang nach Warendorf. Nachdem der Bundestrainer und weitere wichtige Leute begeistert von Jumpi waren, ging es weiter aufs Tunier nach München. Als sie dort die Prüfung prompt gewannen, folgten weitere Siege in M Springen, auch auf internationaler Ebene.

Er war ein wirklich tolles Pferd, dennoch vermisste Liv Dino immer noch schrecklich. Sie hatte nichts mehr von ihm gehört, vermutete aber, dass es ihm gut ging. Zumindest hoffte Liv das. Er hatte es mehr als verdient. Dino war ein außergewöhnliches Pferd. Er hatte dieses gewisse Etwas. Er sprang nicht, weil er von den Menschen dazu ausgebildet wurde, er sprang, weil er es mehr als alles andere liebte. Ihm machte es einfach Spaß, das war sein Leben. Wenn die großen Menschenmengen nach einem Ritt applaudierten, spitzte er gespannt die Ohren, wenn sich vor ihm ein Hindernis, so groß wie ein Haus, erstreckte, zog er an und sprang mit Ehrgeiz darüber. Deshalb gab er immer alles im Parcours, alles für seinem Reiter.

Als der LKW heute morgen auf den Tunierplatz rollte, blickte Liv etwas deprimiert aus dem Fenster. In zwei Wochen ging es zum Preis der Besten nach Warendorf. Vorher würde sie hier nochmal mit Ponys und Großpferden ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen. Heute hatten sie alle Pferde mitgenommen. Somit startete Liv mit Tantot und Sternentänzer bei den Junioren und mit Jumpi bei den Ponyreitern. Mit Blacky ging sie ebenfalls noch eine Springponyprüfung für sechs jährige Ponys mit, diese wäre aber erst morgen.

Golden Jumperboy sah sie mit seinen dunklen Augen an, als sie ihn ausgeladen und in seine Box ins Stallzelt gestellt hatte. Seine Augen strahlten eine gewisse Freundlichkeit aus, auch verrieten sie, dass Liv sich vollkommen auf ihn verlassen konnte. Vorsichtig strich sie ihm über die weiche Nase, bevor Liv aus der Box trat und sich auf den Weg zur Meldestelle machte. Es war kein besonders großes Tunier, dennoch kannte sie einige Gesichter, die sie bereits auf anderen Tunieren gesehen hatte. Es war eigentlich nur als 'Übung' gedacht, wie James ihr vorher erzählt hatte. Sie solle solide Nullrunden reiten, um ihre Pferde sozusagen auf den 'Preis der Besten', den sie wie im Vorjahr natürlich gewinnen soll, vorzubereiten. In Livs Augen war das vollkommen unnötig. Denn obwohl das Tunier international ausgeschrieben war, waren sowieso fast nur deutsche Reiter hier.

Nachdem sie für das M Springen mit Tantot und Sternentänzer gemeldet hatte, wollte sie sich ein bisschen umschauen gehen. Gerade lief eine Prüfung für fünf jährige Springpferde. Besonders interessant war sie nicht, abgesehen davon, dass die meisten Pferde, vollkommen gestört waren, wie Liv fand. Etwas gelangweilt lehnte sie sich gegen die Absperrung und beobachtete das Geschehen. Nach einer Weile ging sie zurück zum LKW und zog ihre weiße Reithose an. Sie saß perfekt, genau wie die schwarzen Lederstiefel und trotzdem hatte sie nichts davon. Ihr war ihr Äußeres eigentlich vollkommen egal, klar, sie wollte hübsch aussehen, doch es war ihr egal, ob sie dies in teuren Designerklamotten und billigen Stücken tat.

Seufzend begab sie sich erneut in das Stallzelt, im nach den Pferden zu schauen, was eigentlich unnötig gewesen war, da sie gerade mal knapp übef einer Stunde auf dem Gelände waren und die Pferde somit noch genügend Heu und Wasser hatten. Sie sah zu Tantot, den sie als erstes der beiden Pferde reiten würde, dann zu Sternentänzer und danach zu den Ponys.

Nach einer weiteren Stunde war die Prüfung beendet, der Parcours umgebaut und zum Abgehen freigegeben. Liv blickte über den Sandplatz. Elf Hindernisse standen dort, bestehend aus zwölf Sprüngen. "Bist du ihn schon abgegangen?", ertönte eine Stimme mit einem vertrauten französischen Akzent hinter ihr. Als Liv sich umdrehte, sah sie direkt in Vincent Chiracs grüne Augen. Seine rotblonden Haare waren kürzer als bei ihrer letzten Begegnung und perfekt zur Seite gegelt. Etwas belustigt sah er Liv an, die nun den Kopf schüttelte. "Das hatte ich gerade vor" Vincent nickte. "Ich auch" Liv fragte sich, was er hier machte, schließlich war es kein sehr großes Tunier und Reiter als anderen Nationen, als aus Österreich oder der Schweiz hatte sie hier noch nie gesehen, auch wenn es international ausgeschrieben war.

Vincent setzte sich in Bewegung und sah noch einmal zu Liv. "Ich weiß, wir sind Konkurrenten, aber wenn du willst können wir ihn ja zusammen abgehen" Liv grinste und zog eine Augenbraue hoch. "Dass ich dir meine Tricks verrate oder was?" Der Franzose lächelte nun. Dabei bildeten leichte Grübchen neben seinen Mundwinkeln. "Vielleicht" Schließlich folgte ihm Liv und sie gingen schweigend den Parcours ab.

Auch wenn es hier alles ziemliche gute Reiter waren, unterschieden sie sich von den anderen. "Hast du den Schimmel dabei?", fragte Vincent schließlich, als sie vor Hindernis Nummer neun standen. Liv wusste, dass er damit Dino meinte, deshalb schüttelte sie den Kopf. Er sah sie fragend an. "Er wurde verkauft", antwortete Liv, als sie Vincents Blick sah. "Oh. Naja tut mir leid. Gehst du dann überhaupt das Pony M mit?" Liv nickte. "Meine Mutter hat schon für Ersatz gesorgt" in ihrer Stimme lag ein Hauch von Bedauern und Vincent verstand, dass es ihr deshalb nicht gut ging, weshalb er nicht weiter fragte, sondern schweigend die Meter von neun zu zehn maß.

*

Vincent saß auf einem hochbeinigen Schimmel, der ziemlich gut zu springen schien. Liv kannte seine Großpferde nicht, doch so wie es aussah, war er auch mit ihnen erfolgreich. Tantot war brav, wie eh und je und ließ sich perfekt über den Probesprung lenken. Auch im Parcours ritten sie eine solide, fehlerfreie Runde, sodass sie die Führung übernahmen. Vincent, dessen Schimmel um einiges schneller war, als Tantot, erkämpfte sich diese aber wenig später.

Sternentänzer spitzte die Ohren, als Liv in Parcours einritt. Nachdem sie die Richter gegrüßt hatte, galoppierte sie ihn an und ritt konzentriert auf den ersten Sprung an. Dieser klappte perfekt und auch die nächsten bereiteten keine Probleme. Bei der Triplebarre nahm sie den Wallach noch einmal auf, sodass er nicht zu schnell heran kam. Bei der Kombination musste sie Sternentänzer zum Aussprung wegdrücken, weil es sonst zu eng geworden wäre. Mit einem riesigen Satz überwand der Braune den Oxer. Die gefährlich wackelnden Stangen blieben jedoch liegen. Schließlich kamen sie fehlerfrei ins Ziel, jedoch drei Zehntel langsamer, als Vincent.

Somit gewann Vincent mit Juke Box des Bourdé die Prüfung, vor Liv mit Sternentänzer und Tantot auf den Plätzen zwei und drei. Vierte wurde ein zierliches Mädchen auch einem Fuchshengst. Den fünften Platz hatte Vincent mit seinem Pferd, mit dem er als letztes in den Parcours geritten war, belegt. So konnte man behaupten, dass die anderen Reiter gegen die beiden Europermeister keine Chance hatten. Liv war zufrieden mit ihren beiden Pferden, auch wenn ihre Mutter und James Barrymore bei solch einem Tunier lieber eine goldene Schleife gesehen hätten.


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