3. Kapitel

„Ich muss mit dir reden, Stijn!"

Lasse hatte sich sehr viel Zeit gelassen, aber nun wollte er es endlich angehen. Er wollte einfach einen Zeitpunkt abwarten, an dem sein Bruder gute Laune hatte und vielleicht auch etwas zu betrunken war, um ihn gleich nieder zu schlagen.

Und der Zeitpunkt war nun da.

Sie hatten eine Siedlung überfallen, die reich war. Die Bewohner waren geflohen und die Männer, die sich ihnen entgegengestellt hatten, waren schnell niedergestreckt gewesen. Ein paar Sklaven hatten sie behalten, aber ihre Boote waren zum Bersten gefüllt.

Bevor es wieder nach Hause ging, hatten sie noch ein Gelage veranstaltet und das war gerade im Gange.

Stijn sah zu ihm.

„Was gibt es, kleiner Bruder?"

Seine Zunge ging etwas schwer, doch Lasse wusste, dass Stijns Verstand klar arbeitete. Ein Gunnarsson brauchte mehr um richtig betrunken zu sein.

„Setz dich, Mann! Du siehst so förmlich aus!"

Lasse seufzte leise.

„Ich muss mit dir auch förmlich reden. Nicht von Bruder zu Bruder!"

Tjark kicherte, als ob er schon wissen würde, was Lasse wollte.

Auf einmal wirkte Stijn ganz klar.

Er stand auf und winkte Lasse mit sich.

„Komm. Wir sollten hinaus und einige Schritte gehen."

Sie gingen gemeinsam aus dem Langhaus und schlenderten über den Hof.

Lasse verzog das Gesicht, als sie an einer Güllegrube vorbeiliefen, die mitten in der Siedlung war.

„Wie kann man nur so im Dreck leben?"

Stijn lachte leise.

„Das dachte ich schon oft. Aber trotzdem schaffen sie es immer wieder Reichtum zu scheffeln. Aber ich denke nicht, dass du mit mir über die Sachsen reden willst!"

Lasse schüttelte den Kopf und atmete tief ein.

„Ich will Jule zu meinem Weib nehmen!"

Er zog das Genick ein, doch Stijn schwieg, also versuchte Lasse es weiter.

„Sie ist nicht mit mir blutsverwandt. Niemand würde Anstoß daran nehmen. Wir sind uns schon lange zugetan."

Stijn schnaubte.

„Bei allen Göttern, denkst du, das weiß ich nicht?"

Wieder zog Lasse das Genick ein. Stijn klang wütend.

„Ich habe euch schon ein paar Mal erwischt. Du hast sie geküsst. Denkst du, ich bin blind? Oder dumm? Sie ist meine Tochter, verdammt nochmal. Was denkst du, warum ich einen Freier nachdem anderen abgelehnt habe. Doch du hast dir verflucht viel Zeit gelassen."

Lasse wandte sein Gesicht vorsichtig zu seinem Bruder.

„Du wusstest davon? Aber warum bist du nun wütend?"

Stijn schnaubte.

„Bist du schon bei ihr gelegen?"

Oh ha!

Er senkte den Kopf und schwieg.

„Ich habe dir eine Frage gestellt und erwarte eine Antwort! Hast du sie schon genommen?"

Lasse nickte und im selben Moment traf ihn Stijns Faust mitten ins Gesicht. Er fiel wie ein Baum auf den Boden. Stijn stand über ihm, die Faust erhoben.

„Du verdammter Dreckskerl hast sie bestiegen? Meine Tochter?"

Lasse hob seine Arme schützend über das Gesicht.

„Es überkam uns. Verdammt, Stijn, ich liebe sie!"

Stijn schnaubte.

„Es überkam euch? Verflucht, ich hätte sie für schlauer gehalten. Das du mit deinem Gemächt denkst, ist mir bewusst, aber Jule?"

Er wischte sich über die Stirn.

„Ist sie schwanger? Willst du sie deswegen auf einmal heiraten"

Bei allen Göttern. Das wurde immer schlimmer.

„Ich weiß es nicht! Ich habe immer aufgepasst, aber das letzte Mal..."

Wieder krachte Stijns Faust in sein Gesicht. Die Nase krachte verdächtig.

„Du hattest sie mehr als einmal? Bist du wahnsinnig? Und es könnte sein, dass sie ein Kind in sich trägt? Obwohl du angeblich aufgepasst hast?"

Lasse drückte auf seine Nase, die ein hässliches Geräusch von sich gab. Aber sie war wieder gerichtet.

„Sie hat mich..."

Stijn hob drohend einen Finger.

„Erzähl mir nicht, dass du gegen Jule nicht ankamst. Ich kann mir schon denken, was sie damit bezwecken wollte. Sie wollte dich zum Handeln zwingen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich sie dafür verprügeln soll oder ob ich stolz auf sie bin!"

Lasse schnaubte.

„Du kannst stolz auf sie sein. Ich bin es!"

Stijn lachte.

„Oh ja. Und du wirst sie heiraten! Ich habe lange genug zugesehen! Sobald wir zu Hause sind, wird sie dein Weib!"

Er drehte sich um und ging wieder zur Halle.

„Und dafür musst du mir die Nase brechen? Ein einfaches Ja hätte genügt!"

Stijn hob den mittleren Finger. Eine Geste, die er von seiner Frau gelernt hatte.

„Das war dafür, dass du meine Kleine bestiegen hast, du brünstiger Eber!"

Lasse lachte und stand auf.

Endlich!





Die Kinder schliefen und Jule erlaubte sich einen Moment durch zu atmen.

Schlafen konnte sie noch nicht. Dazu war sie zu aufgewühlt.

Erst der Besuch des Dänen, der sie nicht losließ. Und dann schienen ihre Mutter und ihre Tante wirklich der Meinung zu sein, dass Lasse nun wirklich um Jules Hand anhielt. Es wurde schon jetzt ein großes Fest vorbereitet und Jule wurde ein Kleid nach dem anderen angepasst. Außerdem war es wohl ihre Aufgabe, Lasses Hütte für die Ehe vorzubereiten.

Es war für Jule schlimmer als wenn sie einen Tag die Wäsche waschen müsste.

Alles in der Hütte erinnerte sie an Lasse und sie sehnte sich nach ihm. Einmal hatte sie Anika, ihre jüngere Schwester, sogar dabei erwischt, wie Jule mitten in der Hütte stand und sich eine Tunika von Lasse an die Nase hielt. Sie hatte schallend gelacht und war natürlich sofort zu Mutter gerannt, um ihr alles zu berichten.

Alle hatten gelacht, nur ihre Mutter nicht. Sie hatte Jule in den Arm genommen und ihr ins Ohr geflüstert, dass es ihr genauso ging.

Doch jetzt war Ruhe.

Sie ging aus dem Langhaus ihrer Eltern und ging langsam über den Hof in Richtung Wald. Die Hütten und Langhäuser reihten sich mittlerweile dicht an dicht. Einige waren alt, manche hatten die Männer erst vor einigen Monaten aufgebaut, so dass man noch das frische Holz riechen konnte. Auf der anderen Seite hatte Tjark schon einen Palisadenzaun errichten lassen, der sie vor Überfälle schützen sollte. Er erzählte oft, dass am Anfang hier nur er, Lasse und ihr Vater gelebt hätten. Sie waren arm gewesen und niemand hatte sich um sie gekümmert. Wenn man die Siedlung nun betrachtete, dann konnte man es fast nicht glauben. Tjark galt neben Thorvald als reicher Mann. Die Felder waren groß und der Weizen leuchtete goldgelb im Mondschein. Das Vieh war fett und manch ein Bauer war neidisch deswegen. Aber Jule erinnerte sich dunkel daran, wie es war, als sie hier ankam.

Sie war vier Jahre alt und es gab noch nicht so viele Hütten wie jetzt. Einige meinten sogar, ihr Onkel Tjark könnte mittlerweile seinem Freund und Jarl Thorvald Konkurrenz machen. Dennoch war ihr Vater damals schon erstaunt gewesen und hatte seinen Bruder als sehr reich bezeichnet. Jule wollte sich nciht vorstellen, wie die drei Gunnarssons vorher gelebt hatten.

Sie seufzte und ging weiter. Vor Lasses Hütte blieb sie stehen. Bald würde das ihr Heim sein. Irgendwie konnte sie es sich nicht vorstellen, wie es war eine Ehefrau zu sein. Würde sie eine gute Frau sein?

Sie lachte leise, wenn sie sich vorstellte, wie es war, dass sie Abend für Abend auf Lasse wartete und ihn bekochte, seine Tuniken nähte und das Blut aus seinen Kleidern wusch. Konnte sie dann überhaupt noch eine Schildmaid werden? Würde Lasse von ihr verlangen, dass sie damit aufhört?

Ganz in Gedanken merkte sie nicht, wie sie immer weiter in den Wald hineinlief.

Auf einmal legte sich eine Hand auf ihren Mund. Eine andere hielt sie an der Hüfte fest.

„Ruhig, Mädchen. Du willst doch nicht, dass irgendjemand heute Nacht stirbt?"

Jule dachte nicht daran, sich nicht zu wehren. Sie konnte zwar nicht schreien, aber sie verteilte Tritte und riss den Kopf nach hinten, um ihren Angreifer einen Kopfstoß zu verpassen. Befriedigt hörte sie ein Knacken, als ihr Hinterkopf gegen irgendetwas krachte.

„Verdammte Wildkatze! Sie hat mir die Nase gebrochen!"

„Wirst du nicht einmal alleine mit einem Mädchen fertig?"

Jule stockte der Atem. Es war mehr als nur ein Mann. Doch sie hatten beide dunkle Umhänge an und ihr Gesicht verhüllt, so dass sie nicht sehen konnte, wer sie angriff.

Sie sah, wie einer der Männer ein Stück Stoff aus ihrem Kleid riss. Bei allen Göttern, wollten sie ihr Gewalt antun? Ihr Vater hatte sie immer davor gewarnt.

Doch er rieb das Stoffstück im Dreck und warf es dann unter einen Baum. Dann warf er ein anderes Stück Stoff, das blutverschmiert war, dazu.

Er kam nahe zu ihr.

„Bei Thors Hammer, ich kann ihn verstehen. Das ist ein Prachtweib!"

Jule biss dem anderen Mann in die Hand, der sofort aufjaulte.

„Lasst mich gehen! Ich werde euch nicht verraten! Aber ich bin Lasse Gunnarsson versprochen und er wird mich suchen!"

Der Kerl vor ihr lachte.

„Das wird er ganz sicher. Aber er wird dich nicht finden. Und wenn doch, dann wird es zu spät sein!"

Er hob sein Messer und schlug ihr mit dem Knauf gegen die Schläfe.

Einen Moment sah sie Sterne vor ihren Augen.

„Er wird nicht erfreut sein, wenn er die Wunde sieht!"

Der andere lachte.

„Er wird es verstehen! Ragnar weiß, worauf er sich einlässt!"

Ragnar?

Wieder traf sie der Knauf.

Es wurde nun endgültig dunkel um sie herum.



„Wach auf, Mädchen!"

Jule stöhnte leise. Ihr Kopf dröhnte vom Schlag, den man ihr verpasst hatte. Langsam öffnete sie ihre Augen und sah direkt in Ragnars Gesicht. Sie fuhr an ihren Hals, um Lasses Bernstein zu berühren, doch er war weg!

Sofort setzte sie sich auf.

„Was soll das? Wo bin ich? Was hast du mit mir vor?"

Er hob vorsichtig die Hand und sie sah, dass er ein nasses Tuch hielt und ihr Gesicht abwaschen wollte. Sie zuckte zurück und bereute es sofort. Ihr wurde schwindlig und der Kopf dröhnte erneut.

„Rühr mich nicht an!"

Sofort senkte er seine Hand wieder.

„Hör zu, Jule. Es mag jetzt für dich schlimm sein..."

Sie riss die Augen auf.

„Schlimm? SCHLIMM? Du hast mich entführt!"

Er nickte nur.

„Warum? Warum hast du das getan? Du weißt, dass ich für Lasse..."

Er schnaubte wild.

„Wenn er es bis jetzt nicht geschafft hat, dich zum Weib zu nehmen, dann ist es seine eigene Schuld. Ich bin nicht so dumm und lasse dich gehen!"

Sie holte tief Luft und zählte bis zehn. Das hatte ihre Mutter immer gemacht, wenn ihr Vater sie ärgerte. Sie musste feststellen, dass sie tatsächlich ruhiger wurde.

„Was willst du von mir?"

Er lächelte sie leicht an.

„Ich werde dich zu meinem Weib machen!"

Erneut riss sie die Augen auf.

„Was? Du kennst mich gar nicht!"

Er zuckte mit den Schultern.

„Was ich gesehen habe, genügt mir."

Er bemerkte, dass sie sich umschaute.

„Du kannst nicht fliehen. Wir sind schon lange auf See. Und bis jemand merkt, dass du verschwunden bist, wird es zu spät sein!"

Jule sah ihn flehentlich an.

„Bitte! Ich bin nicht das, was du willst! Ich bin stur und arrogant. Und du weißt, dass ich eine Schildmaid bin. Kein Mann will sich mit mir einlassen!""

Ragnar erhob sich.

„Das sehe ich anders. Ich will keine unterwürfige Frau. Ich will dich! Ich werde dich weiter das Kämpfen lehren, so dass du nie Angst haben musst. Ich werde dich sofort zur Frau nehmen, sobald wir zu Hause sind. Es ist schon alles geregelt. Du wirst die Mutter meiner Söhne sein!"

Unwillkürlich ging ihre Hand an ihren Bauch.

Ihre Augen wurden zu wütenden Schlitzen.

„Nie im Leben werde ich dich an meinen Körper lassen!"

Er zuckte mit den Schultern.

„Irgendwann wirst du. Und wenn nicht...auch egal. Ich habe schon zwei Söhne!"

Sie schrie auf.

„Ich soll deine Zweitfrau werden? Bist du wahnsinnig?"

Sie hörte einige Männer, die Ragnar zuriefen, dass er sie für diese Unverschämtheit schlagen sollte. Doch Ragnar tat es nicht.

Er hockte sich wieder vor sie.

„Du wirst keine Zweitfrau. Meine Frau ist gestorben und die Buben brauchen eine Mutter. Sie sind nette Jungs und werden dir kaum Ärger bereiten."

Sie wischte sich über das Gesicht.

„Ich bin nicht zur Mutter geeignet."

Er zuckte erneut mit der Schulter.

„Das wird sich geben. Ich weiß, dass du viele Geschwister hast."

Wieder stand er auf und Jule stürzte an die Reling. Doch sie hielt mitten in der Bewegung inne. Sie sah kein Land! Um sie herum war nur das Meer. Entsetzt sah sie sich um. Wie lange war sie schon auf diesem verdammten Boot?

„Du siehst, es hat keinen Zweck über Bord zu gehen. Es sei denn, du willst sterben!"

Sie schnaubte.

„Immer noch besser als die Frau von jemand zu werden, der mich nur aus purer Berechnung nimmt! Mein Vater wird mich suchen! Und auch Lasse!"

Wieder zuckte er mit den Schultern.

„Ich habe sie auf eine falsche Fährte geführt. Es wird zu spät sein, falls sie dich je finden sollten!"

Sie schloss die Augen und ballte ihre Hände zu Fäusten.

„Ich hasse dich!"

Er lächelte sie wieder an.

„Auch das wird sich geben. Ich bin ein geduldiger Mann. Ich kann warten!"

Ohne auf ihre Antwort zu warten, ging er zu seinen Männern.

Verzweifelt schaute sie wieder auf das Meer.

Wo wurde sie hingebracht?

Würde Lasse es rechtzeitig schaffen, sie zu finden?

Oder würde sie wirklich die Frau dieses Dänen werden?

Sie musste das verhindern!

Bitte, Ihr Götter! Lasst es nicht zu!



Tjark lief über den Markt. Wenn er nicht mit einem Sack voller Kaffeebohnen zu Hause auftauchte, würde Tilda ihm die Hölle heiß machen.

Seine Brüder waren im anderen Boot schon auf dem Weg in die Heimat. Doch er hatte bisher kein Glück gehabt.

Er grinste leicht, wenn er daran dachte, was ihn zu Hause erwartete. Endlich hatte Lasse um Jules Hand angehalten. Der Junge wurde endlich vernünftig. Es wurde auch so langsam Zeit. Er hatte die beiden schon ein paar Mal gesehen. Nicht nur, wenn sie gekämpft hatten, auch bei anderen Dingen. Er hatte Stijn aber nie etwas gesagt. Er musste wieder grinsen, als er daran dachte, wie Tilda ihn aufhalten wollte, als Jule zu Lasse in die Hütte gegangen war. Und auch vorher hatte sie immer aus unerfindlichen Gründen große Lust auf ihn gehabt. Auch seiner Frau hatte er nie etwas gesagt. Wenn sie ihn immer besprang, sobald die beiden zusammen waren, dann war es ihm Recht.

Wie zu erwarten war, reagierte Stijn nicht ganz so erfreut darauf. Besonders nicht, nachdem Lasse ihm gestanden hatte, dass er Jule schon in seinem Lager gehabt hatte und sie vielleicht schwanger war.

So ein Dummkopf!

Jeder hatte es gewusst, nur Stijn nicht! Manchmal war sein Bruder wirklich blind und sah in Jule immer noch das kleine Mädchen, das sich immer vertrauensvoll an ihn geschmiegt hatte, wenn es weinte. Doch das war sie nicht mehr!

Er selbst hatte die beiden Kinder von Anfang an gemocht. Thorge, der sehr ruhig war, sich nun aber in einen stattlichen Krieger gewandelt hatte und Jule, die nie Angst vor ihm gehabt hatte. Die immer gebettelt hatte, dass er schneller reiten sollte und die glücklich war, wenn sie sein Schwert halten durfte, dass beinahe so groß war wie sie.

Er seufzte leise. Sie wurden alle erwachsen und er alt. Einen Moment schüttelte er sich. Nein, er war nicht alt. Er hatte noch all seine Zähne und kein graues Haar wagte sich auf seinen Kopf!

Endlich sah er einen Händler, der Kaffee anbot.

Der kannte Tjark auch schon und grinste erfreut.

Ja, du Hundsfott. Ich bin es wieder! Und du wirst mich ausnehmen, weil ich meine Frau liebe!

„Ich hatte gehofft euch zu treffen, Herr! Ich habe euch einen Sack mit den besten Kaffeebohnen aufgehoben."

Tjark lächelte, obwohl er dem Händler am liebsten den Hals umgedreht hätte.

„Wie viel?", verlangte er zu wissen.

Wie erwartet lobte der Händler erst einmal seine Ware und erklärte Tjark, wie schwer es für ihn gewesen war, diese Bohnen unbeschadet hierher zu bekommen.

Tjark verdrehte die Augen.

„Nenne mir den Preis, Mann!"

Der Händler nannte ihm eine Summe. Sie war doppelt so hoch wie das letzte Mal.

Gerade als Tjark losbrüllen wollte, hörte er eine Stimme hinter ihm.

„Das ist Wucher und das weißt du auch! Und ich bin mir am überlegen, ob ich dich für diese Unverschämtheit nicht melden soll!"

Tjark drehte sich um.

„Ragnar Bjarneson! Du auch hier?"

Der große Däne lächelte ihn an.

„Ja, aber nun lass mich dir helfen!", raunte er Tjark zu.

Ragnar feilschte mit dem Händler so lange, bis er einen angemessenen Preis ausgehandelt hatte. Es war weniger, als Tjark bisher dafür bezahlt hatte.

„Ich danke dir. Du hast mir wirklich den Arsch gerettet!"

Ragnar reichte ihm den Sack.

„Ich wusste nicht, dass dir dieses Gesöff mundet."

Tjark nahm den Sack entgegen und verdrehte erneut die Augen.

„Tu ich nicht. Aber mein Weib! Und Stijns Frau ist genauso besessen darauf."

Ragnar hob eine Augenbraue.

„Trinken alle Frauen deines Hofes dieses bittere Zeug?"

Tjark lachte leise.

„Nur Tilda, Liv und Jule haben daran Geschmack gefunden. Du solltest die drei sehen, wenn sie den ersten Becher trinken. Vor dem ersten Kaffee kann man sie mit Furien vergleichen, doch danach sind sie die ruhigsten und liebsten Frauen, die man sich vorstellen kann."

Ragnar schaute zweifelnd die Bohnen an.

„Wie machen sie denn das? Schmeißen sie die Bohnen ins Wasser?"

Tjark schüttelte den Kopf und erklärte ihm, wie sie es zubereiteten.

Nach einer Weile hob er die Augenbrauen.

„Aber was machst du hier? Ich dachte, dein Jarl wäre schon längst zu Hause?"

Ragnar nickte.

„Das ist richtig. Ich bin aber noch einmal alleine auf Handelsfahrt gegangen. Jarl Henrikson teilt mir immer Schmuck für Frauen von der Beute zu. Ich kann damit nichts anfangen. Deswegen habe ich es verkauft und werde nun Sachen holen, die ich gebrauchen kann."

Tjark nickte wissend.

„Ich habe gehört, dass deine Frau gestorben ist."

Ragnar nickte und senkte den Kopf.

„Ja. Es hat mich hart getroffen. Aber ich habe meine zwei Söhne, die mir Trost spenden!"

Tjark nickte.

„Das ist wahrlich ein Trost! Und nun willst du für sie einkaufen?"

Ragnar nickte.

„Ja. Ich war sogar auf deinem Hof und wollte mit dir handeln. Aber du warst nicht da. Und nun suche ich ein Schwert!"

Tjark runzelte die Stirn.

„Was ist an deinem falsch?"

Ragnar lachte dröhnend.

„Nicht für mich. Ich suche ein Schwert, dass leicht ist."

Tjark verstand.

„Ah, für deine Söhne! Ich kann dir Rollo empfehlen. Lasse hat dort ein Schwert für seine Braut erworben. Sie ist sehr zufrieden damit!"

Ragnar horchte auf.

„Lasse wird heiraten? Das freut mich. Wer ist die Glückliche?"

Tjark lachte.

„Die angenommene Tochter von Stijn. Sie sind sich schon sehr lange zugetan."

Ragnar nickte, sagte aber nichts mehr dazu.

„Ich werde dich nicht mehr aufhalten, Tjark Gunnarsson! Ich wünsche dir eine gute Heimreise."

Tjark nickte ihm zu und ging dann seines Weges.



Ragnar sah Tjark lange hinterher.

Er war beinahe erschrocken, als er ihn gesehen hatte, doch nun wusste er, dass es richtig war ihn an zu sprechen. So hatte er den Verdacht von sich abgelenkt.

Jule hatte er in einem Gasthaus untergebracht, also würde sie ihren Onkel nicht zu Gesicht bekommen.

Nachdenklich schaute er zu dem Händler, der immer noch jammerte, weil Ragnar ihn angeblich ruiniert hatte.

Jule mochte also auch Kaffee?

Er drehte sich um und kaufte dem Händler auch einen Sack ab. Vielleicht konnte er sie so etwas beruhigen, wenn es stimmte, was Tjark über dieses wunderliche Gebräu erzählte.

Fröhlich pfeifend ging er zu dem Waffenhändler, den ihm Tjark empfohlen hatte.

Nun musste er nur abwarten, bis Tjark verschwunden war und er konnte nach Hause reisen. Bis dahin musste er Jule beruhigen.

Obwohl er zugeben musste, dass sie wirklich sehr ruhig war.

Als sie hier ankamen, hatte er bemerkt, wie sie sich umgeschaut hatte. Eigentlich bewunderte er sie dafür. Sie hatte keine Angst vor ihm und wollte alles unternehmen um wieder bei ihrer Familie zu sein.

Er hatte ihr ins Ohr geraunt, dass es keinen Zweck hätte, wenn sie floh. Er würde sie finden.

Und seitdem schwieg sie.

Er hatte ihr ein Kleid gekauft und sie in ein Badehaus gebracht. Das alles hatte sie nicht besänftigen können.

Er verstand sie ja, aber er wollte sie für sich haben.

Es war genauso wie damals bei Bente.

Er hatte Jule gesehen und sofort gewusst, dass sie die Frau war, die er lieben würde. Er hatte Glück, denn es war schon das zweite Mal passiert.

Einen Moment dachte er an seine verstorbene Frau.

Er wusste, dass sie es nicht gutheißen würde, aber sie würde ihm auch das zweite Glück gönnen.

Beim Waffenhändler erstand er tatsächlich ein Schwert, das wie für Jule gemacht war. Er würde es ihr in der Hochzeitsnacht schenken, wenn sie es zuließ. 

Er hatte sie wirklich getestet, als er bei Tjark auf dem Hof war. Der Armreif war sehr kostbar gewesen, doch sie hatte ihn abgelehnt. Das zeigte ihm, dass sie treu war.Auch das war ihm wichtig. Den Bernstein, den sie getragen hatte, lag nun in seiner Tasche. Er wusste, wer ihr das geschenkt hatte. Am liebsten hätte er ihn ins Meer geworfen, aber irgendetwas hinderte ihn daran. Wenn sie schlief betrachtete er das Schmuckstück. Es war nichts besonderes, aber der Stein schien ihn zu verhöhnen. 

Sie wird dir nie gehören!

Natürlich wusste er, dass sie nicht mit ihm das Lager teilen würde. Das verlangte er auch nicht von ihr. Er würde sie trotzdem respektvoll behandeln und sie auch nicht schlagen. Auch wenn das die Männer schon von ihm gefordert hatten.

Nein!

Er musste nur Geduld haben. Und er war bekannt für seine Geduld.

Vielleicht liebte sie ihn nicht. Aber er wollte, dass sie ihn wenigstens respektierte.

Bis dahin war es eine Menge Arbeit für ihn, aber das würde er auf sich nehmen.

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