Kapitel 30
„Bringt mir unseren Sohn." Bat ich freundlich eine Gehilfin.
Wenig später kam sie mit ihm zu mir. Edmund schlief, als man ihn mir überreichte und ich ihn auf die Brust seines Vaters legte. Dieses Bild brannte sich mir in den Kopf und ließ mich bitterlich weinen. Mein Schluchzen weckte das Kind und er begann leise zu quengeln. Meine Milch schoss sofort ein, was sehr schmerzhaft war, nachdem ich seit Tagen nicht gestillt hatte.
„Er hat Hunger." Sagte eine schwache Stimme, die nur von Eomér kommen konnte. Ich wischte meine Tränen aus den Augen, um klar sehen zu können. Tatsächlich blickte mich mein Mann an.
„Eomér!" rief ich laut, womit alle Heiler aufgescheucht wurden und herbeieilten. Glücklich schluchzend überhäufte ich ihn mit Küssen.
Eine Amme nahm Edmund von seinem Körper und wollte ihm gerade die Brust geben.
„Nein, das mache ich gleich." Hielt ich sie freundlich auf, denn sie handelte in guter Absicht.
An meinen Mann gewandt: „Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?"
Lächelnd schüttelte er den Kopf. Sein Mund war zum Reden zu trocken. Sogleich versorgte man den Kranken mit Tee, Wasser und Suppe.
Vorsichtig richtete man ihn im Bett auf und wollte ihm das Essen anreichen.
„Das übernehme ich!" bestand ich darauf. Der Amme gab ich zu verstehen, mir Edmund zu geben und nachdem ich ihn an meine Brust anlegte, nahm ich mit meiner freien Hand den Löffel voll mit Suppe und führt den vorsichtig zu Eomérs Mund. Ich konnte mich ohne weiteres um den König und Prinzen gleichzeitig kümmern.
Mein Mann beobachtete mich still, doch seine Augen strahlten sanftmut aus.
Erschöpft von den Strapazen, sank er noch im Sitzen wieder in den Schlaf. Beruhigt machte ich es mir in seinem Bett bequem und schlief mit Edmund im Arm neben ihm ein.
Ich hatte Hoffnung, dass wir das Schlimmste überstanden hatten, nun wo Morder dem Erdboden gleich gemacht wurde und der eine Ring vernichtet wurde.
Nur mein geliebter Eomér musste noch wieder zu Kräften kommen.
Sogar Edmund schien zu spüren, dass er in Sicherheit war und bei seinem Vater. Der Junge war noch nie so friedlich und vor allem nicht so gnädig mit mir. Mit lediglich nur einer Unterbrechung zum Wickeln und Stillen, konnte ich durchschlafen. Der junge Krieger war so tief in der Traumwelt versunken, dass er das Gequengel nicht bemerkte.
Die Sonne ging auf und strahlte heller denn je. Die Tage des Lichts waren gekommen. Sie waren auch nötig, um zu heilen. Nicht nur sichtbare Wunden – auch die seelischen, mit denen jeder zu tun hatte – ganz gleich ob Mann oder Frau. Auch Kinder mussten schwere Verluste beklagen. Der Familienzusammenhalt der Menschen war beispiellos, so blieben nur wenige Waisen obdachlos. Diejenigen, die niemanden mehr hatten, wurden wie selbstverständlich von anderen Familien aufgenommen und wie die eigenen Kinder behandelt.
Während ich noch die ersten Sonnenstrahlen genoss, schlich sich Erania in das Zimmer und krabbelte zu mir in das Bett.
Sehr sanft legte sie auf Eomérs Wange ihre kleine Hand. „Wird er wieder gesund?"
„Das hoffe ich mein Schatz." Antwortete ich wahrheitsgemäß.
„Werden wir bei ihm leben?" fragte sie vorsichtig weiter.
Ich setzte mich aufrechter hin und wählte meine Worte für dieses Gespräch sehr sorgfältig.
„Mein Mädchen, wir werden nach Edoras gehen, denn er wird von dort aus als König über Rohan herrschen und ich an seiner Seite sein."
„Dann bist du die Königin?" fragte sie neugierig.
„Ja, dass bin ich und Edmund wird später einmal der König von Rohan sein."
„Was ist mit mir?" fragte sie weiter.
Eine andere Person übernahm das Antworten: „Du wirst immer unsere Prinzessin sein." Eomérs Augen funkelten mit zurückgewonnener Lebenskraft das kleine Mädchen freundlich an. Ihre Hand lag noch an seiner Wange. Mit langsamen Bewegungen ergriff der neue König ihr kleines Händchen und hauchten einen Kuss darauf.
„Dein Vater war ein großer Mann und liebte dich sehr! Ich werde dir ebenfalls ein guter Vater sein! Dir soll es an nichts mangeln."
Mir floss vor Rührung eine Träne die Wange hinunter. Zärtlich wurde sie von Eomér verwischt.
„Ich liebe dich so sehr Lynea!"
Vorsichtig beugte ich mich über die Kinder zu ihm rüber und küsste sanft seine trockenen Lippen. Er erwiderte den Kuss und genoss den Moment ebenso wie ich.
„Ich liebe dich auch – mein Mann!"
Sein Mund verzog sich zu einem Lachen, was ihm Schmerzen bereitete, was mich dazu veranlasste, mich zu erheben. „Ich hole die Heiler und deine Schwester- Eowyn sorgt sich sehr um dich! Du siehst auch so aus, als könntest du was du Essen verkraften."
Stöhnend wälzte er sich um.
„Lynea – warte!"
Verdutzt hielt ich inne, als ich gerade die Kinder einsammeln wollte und meinen eigenen Auftrag ausführen.
„Gib die beiden einer Amme und komm dann gleich zu mir – allein!"
Wie er es wünschte, folgte ich seinen Anweisungen und kehrte geschwind wieder zurück.
Mein Mann hatte die Decke zurückgeschlagen und wartete mit ernstem Gesichtsausdruck auf mich.
„Was hast du?" fragte ich besorgt.
„Etwas stimmt mit mir nicht." Er deutete auf seine untere Körperhälfte.
„Ich spüre meine Beine kaum ... und nicht nur die. Was ist mit mir. Bitte sieh es dir an, als Heilerin."
Seinen Wunsch folgend nahm ich mir viel Zeit und begutachtete seine Wunden. Alle waren sehr gut am Verheilen, doch eine Verletzung traf vermutlich seine Wirbelsäule. Furcht machte sich in mir breit.
Ich tastete ihn ab und fragte immer wieder, ob er das spürte. Unterhalb seines Bauchnabels konnte er nicht mehr viel empfinden. Ihm wurde das auch schnell bewusst. Laut stöhnend fluchte er.
„Was bin ich für ein König und Ehemann....? Ich kann nicht laufen und meine Frau nicht begatten?! Sprich ehrlich Lynea – werde ich das jemals wieder können?"
Seine Sorgen waren berechtigt.
Mit etwas härteren Maßnahmen überprüfte ich wie seine Chancen standen.
Während er noch vor sich hin fluchte, kniff ich beherzt in seinen Oberschenkel. Sofort hielt er inne, richtete sich auf und sah mich mit großen Augen an.
„Das tat weh." Stellte er erfreut fest.
Mir fiel ein ganzer Felsen vom Herzen. „Ich bekomme dich schon wieder hin mein Schöner!" meine Hände streichelten seine muskulöse Brust währen ich ihn innig küsste.
„Auch ... das andere ... du weißt schon....?"
Er deutete seine Männlichkeit an.
„Ich bin sehr zuversichtlich! Mit der Zeit wird sich alles regenerieren. Du hattest schwere Verletzungen von der Schlacht davongetragen, das braucht Zeit. Wir haben alle Zeit der Welt."
Fordernd zog er mich erneut zu sich und küsste mich, wie er es früher tat – leidenschaftlich und innig.
„Ich hoffe, mein Körper lässt sich nicht allzu viel Zeit! Jetzt wo du meine rechtmäßige Frau bist, will ich dich meine Liebe spüren lassen und unser Leben vergnüglich verbringen. Die Verletzungen sind lästig, doch das alles ist nichts im Vergleich, all die Jahre dich im Verborgenen zu lieben!"
Ihn tröstend streichelte ich ihn sanft.
„Lass uns gemeinsam nach vorne schauen und uns eine Zukunft aufbauen. Einiges hat sich geändert, seit damals, als wir uns verstohlen neckten und ich deine Verletzung nähte. Einige Jahre sind vergangen und wir hatten es wahrlich nicht leicht – wir werden alles gemeinsam schaffen! Wir bekommen dich schon wieder auf die Beine – und das andere ... ." mit einem zwinkern beendete ich den Satz, erhob mich um nun mein Vorhaben umzusetzen.
Eowyn war außer sich vor Freude, dass ihr Bruder ansprechbar und bei Sinnen war. Die Heiler waren mit seiner fortschreitenden Genesung sehr zufrieden. Sein ausgehungerter Körper wurde mit leicht bekömmlicher Nahrung versorgt. Eigenständig aß und trank er fleißig.
„Morgen will ich Fleisch auf den Teller!" forderte er von der Dienstmagd, die seinen leeren Teller wieder mitnahm. Der Heiler, der seine Arbeit gerade beendete, wollte ihn mahnen, doch mein Mann kam ihm zuvor.
„Du bist, was du isst! Meine Frau kennt mich in anderer körperlicher Verfassung, also schafft mir Fleisch heran, damit ich endlich wieder zusetzte und zu meiner alten Stärke finde."
„Du wirst zu deiner alten Stärke finden! Bitte, hab Geduld Bruder! Sie ist nun deine Frau und du musst sie nie wieder bei einem anderen Mann zurücklassen." Beruhigte ihn seine Schwester sanft.
Einen Augenblick sahen sich die Geschwister einfach nur an, dann atmete er erleichtert aus und legte seine Stirn an ihrer.
Er litt genauso sehr unter der Vermählung mit Boromir, wie ich. Das war mir schon immer bewusst, doch dass dieser Schmerz immer noch so tief saß, zeigte sich mir in diesem Moment. Die Vergangenheit holte ihn immer wieder ein und ließ sein Gemüt schwer werden. Es lag an mir und der Zeit, dass dieser Mann damit endgültig abschließen konnte. Für einen Moment sah ich ihn vor mir ... jugendlich, zwei Köpfe kleiner, ohne Bart, immer mit einem frechen Spruch auf den Lippen.
Boromir ... bei seinem Namen durchfuhr mich ein Schauer. Zu sein Gedenken soll eine Statue in Osgiliath aufgestellt werden. Der Tag, an dem es enthüllt wirde, rückte näher und als seine Frau obliegt die Ehre mir, das Denkmal zu enthüllen und eine Rede zu halten. Mit Faramir besprach ich mich bereits, dass auch er einige Worte sagen würde. Ob Eomér genug bei Kräften sein würde, um den beizuwohnen? Vielleicht half es ihm, mit der Vergangenheit abschließen zu können.
Unabhängig davon mussten Eomér und ich uns noch viel austauschen über die vergangenen Monate, um die Klufft, die immer spürbar zwischen uns war, zu schließen.
So in Gedanken folgte ich nicht dem Gespräch der Geschwister und schreckte regelrecht auf, als Eowyn ihre Hand auf meine Schulter legte.
„Lynea, würdest du uns einen Moment entschuldigen?" forsch schob mich meine Schwägerin zur Tür.
Gekränkt, dass man mich aus dem eigenen Gemach warf, ging ich erhobenen Hauptes hinaus, in der Absicht bei Rioa nach dem Rechten zu sehen. Unachtsam und unkonzentriert, wie ich war, lief ich dem zukünftigen König von Gondor in die Arme.
Peinlich berührt verneigte ich mich und entschuldigte mich ausgiebig.
Er lachte amüsierte und bat mich, mich zu erheben. „Mit dir wollte ich sprechen Lynea. Wenn du einen Moment hast, könnten wir gemeinsam Faramir aufsuchen und die Errichtung der Gedenktafel besprechen."
Seine Bitte konnte ich natürlich nicht abschlagen und so folgte ich ihm. Interessiert erkundigte er sich nach Boromir's befinden. Kurz zusammenfasst berichtete ich von seinen Fortschritten und meiner Zuversicht.
„Ich habe noch nie einen Krieger wie ihn getroffen. Rohan kann sich glücklich schätzen, ihn als König zu haben und dich als Königin. Ich möchte nicht über seinen Kopf hinweg diplomatische Gespräche führen aber zum Ausdruck bringen, wie sehr ich auf ein starkes Bündnis zwischen Gondor und Rohan hoffe."
Lächelnd sah ich ihn an und wählte meine Worte klug. „Dieses Interesse besteht auch von seiner Seite. Gestattet mir – Minas Tirith regelmäßig besuchen zu kommen. Erania soll ihrer Heimat nicht entrissen werden und will gewiss ihren Onkel oft besuchen."
„Ihr seid immer willkommen!" Aragorn war ein sehr ehrlicher, warmherziger Mensch. Mit ihm sich zu unterhalten war schön und eine Abwechslung. Bei Faramir angekommen, endete das Gespräch – mit einer Einladung, doch bei ihm mal auf eine Tasse Tee vorbeizukommen und die Unterhaltung fortzusetzen. Lächelnd nahm ich diese Einladung an.
Faramir gab uns eine Kostprobe seiner rührenden Rede für seinen Bruder, seinem Vorbild. Man wollte so vielen Kriegern aus Gondor wie nur möglich die Gelegenheit geben, ihren Hauptmann und Heeresführer zu ehren. Auch weil noch viele Arbeiten für den zukünftigen König anstanden und die Statue noch nicht ganz fertig war, einigte man sich auf einen Termin in einer Woche. Ein Schreiber wurde gerufen, der einen Informationszettel fertigte und diesen vermehrte, um den in der ganzen Stadt auszuhängen.
Die Krönungsfeier würde nur einige Tage danach stattfinden. Inständig hoffte ich, dass Eomér bis dahin wieder auf den Beinen war. Sein stolz würde es nicht verkraften, sitzend an dieser Feierlichkeit teilzunehmen.
Wir verabschiedeten Faramir und Aragorn begleitete mich zu der Amme, die Erania und Edmund hütete.
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