Kapitel 29

Gemeinsam schritten wir Hand in Hand in die festlich geschmückte Königshalle. Eomér hatte seine Ausrüstung an, wie zuvor auch. Doch mir reichte man ein prunkvolles, weißes Kleid, was fast perfekt saß. Einzig mein größerer Busen musste etwas eingequetscht werden. Seit der Schwangerschaft hatte das Volumen meiner Brüste deutlich zugenommen.

Noch in unseren Gemächern küsste Eomér meinen Busen und kommentierte trocken: „Ich beneide Edmund ein wenig – dass er in den Genuss deiner Brüste kommt und ich nicht."

Ganz kurz kam der unbeschwerte Krieger, mit seinem losen Mundwerk hervor. Das gefiel mir sehr, auch wenn das nur ein sehr kurzer Augenblick war. Das Lachen danach machte den Moment perfekt. Glücklich umarmte ich ihn und küsste ihn übermütig.

„Du willst mich wohl vor dem Altar in Verlegenheit bringen." Flüsterte er in mein Ohr.

„Das hast du schon längst selbst getan, als du dich mit den beiden hier beschäftigt hast." Wies ich die Schuld von mir.

Laut lachend ging er den Weg, Hand in Hand gemeinsam mit mir.

Nun standen wir vor dem Zauberer und lauschten ihm andächtig, eben an derselben Stelle, an der ich vor einigen Jahren Boromir das 'Ja' Wort gab. Gandalf der Weiße fand schöne Worte und ernannte uns zu Mann und Frau. Mit einem Kuss, so schön und schmerzhaft zu gleich besiegelten wir den Bund und verabschiedeten uns gleichzeitig voneinander.

„Ich liebe dich Lynea!" waren seine letzten Worte, ehe er sein Pferd bestieg.

Wie die meisten Frauen, standen wir an den Mauern mit dem Blick zu Pelennors Feld, welches das Heer überquerte. Faramir mit Erania an der Hand stand neben mir und legte seinen gesunden Arm um meine Schulter. Worte waren nicht nötig. Nichts konnte diese Situation beschönigen.

„Lynea, wo ist Eomér?" fragte mich eine weinerliche Frauenstimme, die sich als Eowyns herausstellte. Mit einer Kopfbewegung deute ich auf das immer kleiner werdende Heer.

Erschrocken hielt sie die Hand vor dem Mund und Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie stellte sich zwischen Rioa und mir und legte ihren Kopf auf meine Schulter.

Schweigen – Allgemeine Stille herrschte, bis sich die verbliebenen verteilten und ihre Aufgaben angingen. Faramir übernahm die Führung. Meine Hilfe lehnte er ab und empfahl mir, mich um meine Schwägerin und Kinder zu kümmern. Wir besprachen uns kurz über Erania's Schicksal.

„Du bist ihre Mutter, sie gehört zu dir! Ich bitte dich, erzähle ihr von ihrem heldenhaften Vater und kommt mich ab und zu besuchen. Gondor soll nach wie vor ihre Heimat sein, auch wenn sie bei dir in Rohan leben wird." Natürlich gab ich ihm dieses Versprechen.

„Mama, wer ist das?" fragte mich Boromir's Tochter.

„Das ist Eowyn – Schildmaid von Edoras, die Schwester von König Eomér – meinen Mann ... und somit deine Tante."

Das kleine Mädchen freundete sich schnell mit meiner Schwägerin an und flocht ihre Haare, während wir uns austauschten.

„Wie ist es Eomér ergangen?" fragte ich vorsichtig, wissend, dass diese Frau immer schonungslos ehrlich war.

„Er hat immer an der Liebe zu dir festgehalten! Lothiril war äußerst anhänglich und gewieft. Sie versuchte ihn mit einem Trank fügig zu machen – doch selbst das verleitete ihn nicht zur Untreue. Du hast ihn sehr verändert! Er ist viele Risiken für dich eingegangen ... ich hoffe du weißt das zu schätzen, Lynea!"

Ganz die alte Eowyn, sie hatte sich kein bisschen verändert. Nur als sie mich über Faramir ausfragte, wurde sie handzahm. Es kam sogar so weit, dass wir zusammen lachten. Rioa gesellte sich mit ihren Kindern zu uns und leistete der kleinen Runde Gesellschaft. Die beiden Frauen machten es sich zur Lebensaufgabe, mich von Kummer und Zukunftsängsten abzulenken. Dennoch gelang das nur bedingt, mit dem Blick nach Mordor gerichtet, wo die Armee bald ankommen müsste.

„Lynea, du solltest schlafen, wir hüten abwechselnd die Kinder. Ich übernehme die erste Wache – geht beide Schlafen, Königin und Prinzessin."

Eowyn bettete sich zu mir in das große Ehebett, während Rioa es sich im Wohnraum vor dem Kamin und einem Buch in der Hand mit den Kindern gemütlich machte.

Es dauerte nicht lange, da schliefen alle vor Erschöpfung tief und fest und jeder hatte mit seinen ganz eigenen Albträumen zu tun.

Unruhig wälzte ich mich im Schlaf, gefangen in einem fürchterlichen Traum:

Die Finsternis gewann und keiner der Männer kehrte zurück. Stattdessen wurde die Stadt von Haradrim eingenommen, die wahllos Frauen auf der offenen Straße töteten oder vergewaltigten.

Eine Hand griff nach meiner und ich beruhigte mich augenblicklich. Mitten in der Nacht wurde ich von Edmunds Gequengel wach. Eowyns und meine Hände waren ineinander verschränkt. Wir hatten unsere Differenzen, doch ein Mann brachte uns dazu zusammenzuhalten. Leise schlich ich mich zu meinem Kind und wiegte ihn auf meinen Arm. Ein Blick aus dem Fenster beunruhigte mich sehr. Die nächtliche Dunkelheit war finsterer als gewöhnlich. „Er wird wieder kommen! Daran glaube ich fest! Ich kann es spüren, wir sind Zwillinge und immer miteinander verbunden." Versuchte seine Schwester mich zu beruhigen. Behutsam umarmte sie mich und ihren Neffen. „Lass uns wieder ins Bett gehen." Flüsterte ich weinerlich.

Eowyn legte sich auf die Seite, wo Boromir früher lag und Edmund legte ich in die Mitte zwischen uns. Der Säugling schlief ruhig und selig, ahnungslos von dem Kummer, den wir durchlebten.

„Mama?!" meine kleine Erania rief nach mir.

„Komm her Liebes." Bat ich sie zu mir. Sie kuschelte sich zu Edmund in die Mitte des Bettes. Das kleine Mädchen fühlte sich geborgen und schlief schnell ein.

Ein Beben erschütterte die Erde – der Vulkan in Mordor brach aus.

Sofort brach Panik aus in den Straßen von Minas Tirith. Meine Kinder schrien vor Angst aus Leibeskräften. Ich würde es denen am liebsten gleichtun, musste ihnen aber Kraft und Halt geben.

Eowyn kümmerte sich um Erania, meine Freundin war selbst mit ihren zwei Kindern beschäftigt und ich versuchte das Bündel auf meinen Arm zu beruhigen.

Faramir eilte herbei.

„Der Ring ist vernichtet!" verkündete er lautstark und umarmte überschwänglich Eowyn. Erleichterung und Freude machte sich in uns allen breit, dennoch blieb bei einigen die Restangst, wer lebend zurückkehren würde.

Die Wolkendecke brach auf und die Sonne kämpfte sich durch die Rauchschwaden des Schicksalbergs. Mein Sohn sah zum ersten Mal das Sonnenlicht, was ihn zu verunsichern schien. Angestrengt kniff er die Augen zusammen und grabschte in die Luft. Alle verbliebenen Bewohner versammelten sich auf der Plattform, um gemeinsam Ausschau nach den Rückkehrern zu halten. Freude und Hoffnung wimmelte Müdigkeit, Schmerz und Leid ab. Wir Menschen waren doch zu erstaunlichen in der Lage.

Ganze zwei Tage verweilten wir in dieser Gemeinschaft, bis ein lauter Aufschrei die Ankunft der Männer ankündigte. Zu unserer Freude war das Heer, das sich auf uns zubewegte nicht wesentlich viel kleiner, als es aufbrach. Eowyn's und meine Nerven lagen blank.

„Er kehrte stets Heim. Du wirst schon sehen Lynea, bald lächelt er uns an und macht seine Späße, die uns in den Wahnsinn treiben."

„Ich hoffe so sehr, wie noch nie zuvor, dass du recht behältst!"

Warten ....

Warten und hoffen.

Warten, hoffen und Ausschau halten.

In der Zwischenzeit haben sich alle auf den Weg zum Tor gemacht. Faramir und ich standen direkt unter dem Torbogen, um den zukünftigen König und sein Gefolge willkommen zu heißen.

Aragorn führte die Gefolgschaft an, wirkte müde und betroffen. Er kam direkt auf mich zu, gefolgt von Legolas auf seinem Schimmel, der Eomér vor sich auf dem Pferd in seinen Armen hielt. Mein Mann zeigte keine Regung und viel Blut klebte in seinem Haar.

Faramir hielt mich fest, als er das ebenfalls sah.

„Königin von Rohan. Euer Mann kämpfte tapfer und wurde schwer verwundet. Ich vermag nicht zu sagen, ob er überleben wird... es tut mir leid, Euch diese Nachricht überbringen zu müssen." Sagte der blonde, ebenfalls recht in Mitleidenschaft gezogene Elb.

„Eowyn, trommle die Heiler zusammen!" befahl Faramir an meiner statt.

„Herr Legolas, bitte bringt ihn schnell in die Hallen der Heilung." Bat ich ihn mit brüchiger Stimme.

Mitleid lag in dem Blick des Elben. Freundlich nickte er und gab seinem Pferd die Sporen.

Aragorn stieg von seinem Pferd und übergab es mir.

„Reitet schnell zu ihm! Nehmt seine Schwester mit!" Er half mir auf und ich ritt auf meine Schwägerin zu. Ich reichte ihr meine Hand und sie verstand ohne Worte. Schnell gab sie Rioa ihren Neffen, ergriff meine Hand und wir galoppierten die steilen Gassen Legolas hinterher.

Die besten Heiler empfingen ihn und nahmen den schwer verwundeten Krieger entgegen.

Auf einer Trage brachte man ihn behutsam in die Hallen, wo umgehend mit der Arbeit begonnen wurde.

Man entkleidete ihn schnell und begutachtete das Ausmaß der Verletzungen. Sein Kettenhemd war löchrig und so hatte er viele Verletzungen, die im Einzelnen nicht tödlich waren, aber in der Menge zu reichlich Blutverlust führten. Seine Haut war bleich wie die eines Leichentuchs.

„Er braucht Blut!" stand schnell fest, nachdem man die Wunden verschlossen hatte.

„Eowyn – durch deine Adern fließt das gleiche Blut, wie seins. Allein du kannst ihn retten."

Mehr Erklärung bedurfte es nicht, denn die Schildmaid stellte sich freiwillig zur Verfügung. Das Verfahren war kompliziert und gefährlich sowohl für Spender als auch Empfänger.

Ich blieb die ganze Zeit an seiner Seite. Verzweifelt flüsterte ich ihm meine Liebe ins Ohr und bettelte, dass er mich nicht verlassen sollte. Die Tränen versiegten irgendwann, da mein Körper einfach keine mehr übrig hatte, was mich nicht daran hinderte ein Häufchen Elend neben ihm abzubilden. Sein Atem war flach und sein Puls schwach. Zumindest verschlechterte sich sein Zustand nicht. Eowyn gab ihm so viel von ihrem Blut, dass sie ohnmächtig wurde und man sie als Spender entließ.

„Nehmt mein Blut!" befahl ich den Heilern in meiner Verzweiflung.

„Herrin, ihr wisst, dass wir das nicht tun können. Ihr seid keine Blutsverwandte und es wäre mehr Glück als Verstand, wenn das funktionieren würde! Ihr könntet beide sterben."

Natürlich hatte der Heiler recht und ich fühlte mich schlecht, dass ich überhaupt diesen Vorschlag machte.

Aragorn half mit seiner elbischen Heilkunst ein wenig aus.

„Deine Liebe erhöht seine Chancen auf Heilung mehr als jedes Kraut von Mittelerde. Bleib stark – Lynea." Sprach mir Gondor's König gut zu.

Tage vergingen, an dem ich keinen Schlaf fand, meine Kinder nicht sah, das Sonnenlicht nicht erblickte und ich an der Seite meines Mannes verbrachte.

Am fünften Tag versammelten sich die Heiler und beratschlagten sich.

„Wir können ihn nicht länger am Leben erhalten... Er muss wach werden, damit er essen und trinken kann, um wieder zu Kräften zu kommen." Hörte ich sie reden.

Immer wieder streichelte ich seinen Kopf, küsste seine Stirn und seine trockenen Lippen. Sanft berührte ich seinen Oberkörper oder hielt seine Hand, damit er spürte, dass ich bei ihm war.

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