☙Kapitel 14 -Schuld der Vergangenheit❧
Der Dunst, der vom Meer heraufstieg, verhüllte Nordja unter einer dicken Nebeldecke. Nur das Schloss stach klar mit seinen vielen Türmen aus dem undurchdringlichen Dunstschleier und thronte majestätisch über der Stadt.
Ionas stand alleine auf dem Balkon neben den Wohnräumen und wartete darauf, dass die Sonnenstrahlen seine triste Laune vertrieben. Gedankenverloren starrte er über das diesige Land und ertappte sich dabei, wie er Ausschau nach seinem Purpurdrachen hielt.
Er hatte ihn gleich nach Endris offizieller Abdankung losgeschickt, mit wachsendem Unmut und Zweifel im Herzen. Er hätte Shyra niemals gehen lassen dürfen. Endris wusste es immer noch nicht, aber Ionas war sich sicher, dass sein Vater etwas ahnte. Er hätte ihn nicht derartig an sich gebunden, an dieses Schloss, diese Stadt und dieses Land gefesselt, wenn er sich nicht zumindest sorgte, dass ihn auch sein Sohn bald verlassen würde. Ionas biss die Kiefer zusammen und versuchte trotz seiner trotzigen Gefühle keinen Hass zuzulassen. Es war Endris Schuld, aber das spielte keine Rolle mehr. Schuldzuweisungen würden das Geschehene nicht ungeschehen machen und ganz sicher keine Lösung bringen. Natürlich war er unzufrieden und heillos überfordert mit seiner baldigen Krönungszeremonie, in den wenigen einsamen Stunden, die er verbringen konnte, wurde er gepackt von erschlagender Panik und der Kronprinz hatte niemals gedacht, dass er sich auf seinem Schloss voll Personal, das beinahe zu jeder Stunde durch die Gänge eilte, einsam fühlen würde.
Seit Shyras Aufbruch waren nur wenige Tage vergangen aber sie reichten, dass Ionas durch seine Unwissenheit über ihr Befinden immer hektischer wurde und seine Abneigung gegenüber Samiro schürte. Shyra hätte diesen Jungen niemals trauen dürfen, er hätte ihm niemals trauen dürfen, den Brief einfach verbrennen und vergessen sollen.
Aber auch das wird nicht ungeschehen, nur weil du es dir wünschst, schalt er sich in Gedanken und schloss die Augen. Heute morgen war ein weiterer Brief angekommen, in welchem offiziell an den König adressiert, der Tod der Königin übermittelt wurde. Von der Bitte oder der Pflicht, von der diese Juna gesprochen hatte, war selbstverständlich kein Wort zu lesen gewesen, nur, dass die Umstände Aredhels Dahinscheiden noch unter Ermittlung standen und daher keine weiteren Auskünfte möglich waren. Allerdings hielt der Brief Endris dazu an, diese Tatsache weiterhin so gut es ging geheim zu halten und auch wenn Ionas wusste, dass Endris nichts lieber getan hätte, als dem Verfasser dieser Teufelsbotschaft an den Kragen zu gehen und die gesamte Stadtwache in Bewegung zu setzen, hatte er dennoch eingesehen, dass er Ruhe bewahren musste. Dem Volk nahe zu bringen, dass ihre eigene Königin eine Verbrecherin gewesen war und der König dies zudem noch gewusst hatte, konnte Endris weder sich slebst, noch Aredhels Vermächtnis, noch dem Volk antun.
Er musste arbeiten mit dem was er hatte und obwohl es ihn wütend machte, wie verzweifelt Endris an seine Anwesenheit klammerte, nach allem, was vorgefallen war, konnte er es schlichtweg nicht ändern. Hilflos war das letzte, wie sich Ionas gedacht hatte zu fühlen, wenn er einmal König dieses Landes werden würde. Aber dem war so.
Ionas öffnete die Augen und ließ seinen Blick ein letztes Mal über den verhangenen Horizont schweifen, nur um sicher zu gehen, dass sein Drache nicht zurückkam und machte sich dann wieder auf den Weg ins Schloss. Die Krönung war zwar bereits angesetzt, doch Ionas hatte das Gefühl, dass er bei Endris vor der offiziellen Zeremonie noch beichten musste. Innerlich hoffte der Prinz, dass ihn dieses Wissen dazu bringen würde, seinem Sohn den Thron wieder zu entreißen, doch das war ebenso lächerlich wie unwahrscheinlich.
Man hatte die Abdankung des Königs bestürzt aufgenommen, doch zur selben Zeit nach den Fürsten des Landes geschickt, um eine Konferenz einzuberufen. Den neuen König kannte man unter dem Volk nicht, er war viel zu jung und unpräsent gewesen, all das zu überstürzt passiert, dass die Berater des Königs, allem voran Fürst Bahron, Endris dazu geraten hatten, Ionas erst einmal den anderen Fürsten direkt vorzustellen. Und so war es dann auch geschehen. Ionas dachte daran zurück, wie ihn jeder misstrauisch und abschätzig gemustert hatte und das erste, mit dem man ihn als neuen König konfrontiert hatte, war Kritik gewesen. Eigentlich was zu erwarten war, dachte Ionas resigniert. Und das zweite war, dass man mir ein Zimmer mit Schreibtisch verschafft hat, welches von oben bis unten vollgefüllt mit politischen Konsequenzen ist. Abrupte Machtwechsel waren gefährlich, das wusste Ionas und gerade wenn man ihn ohnehin schon als zu ungeeignet und grün hinter den Ohren befand, war das erste, das er tun musste, für Ruhe sorgen und das Volk und die Fürsten besänftigen. Und Endris beichten ...
Ionas hatte die Wohngemächer seines Vaters erreicht und hoffte, dass der alte König nicht noch schlafen würde. Er hatte sich mit Absicht die Zeit vor dem Frühstück ausgesucht, in der kindliche Hoffnung, so seinen Vater schlaftrunken konfrontieren zu können, ohne seine geballte Wut abzubekommen.
Bei der Tür zu Endris' Gemach holte Ionas noch einmal tief Luft, ehe er anklopfte und auf das leise „Herein" das Zimmer betrat.
Obwohl es noch sehr früh war, saß Endris bereits an seinem Schreibtisch und war über einige Briefe gebeugt, die er mit müder Hand aufzusetzen versuchte. Als er Ionas erblickte, hoben sich seine buschigen Brauen ein Stück und Endris richtete sich auf. „Ionas. Was führt dich zu mir?"
Der Junge schluckte und wandte den Blick ab, ließ ihn erneut durch das Zimmerfenster hinaus zum Horizont gleiten. „Vater, ich wollte mit dir sprechen, wegen einiger Dinge, die du nicht weißt, die aber unbedingt gesagt werden müssen, ehe ich dieses Amt antrete."
Das brachte Ionas einen irritierten und aber auch leicht tadelnden Blick von Seiten Endris ein. „Sprich."
„Es geht um Shyra", meinte Ionas leise und verkrampfte seine Hände ineinander.
Es war für kürzere Zeit still, dann seufzte der ehemalige König und richtete sein Wort wieder an seinen Sohn. „Du musst mit mehr Selbstvertrauen auftreten, Ionas. Gebieterisch ist es, wie du erscheinen sollst, verkrampfe deine Hände nicht und sieh deinem Gegenüber in die Augen, wenn du mit ihm sprichst. So bekommst du eher, was du erwartest."
Ionas hob augenblicklich seinen Kopf und versuchte im Gesicht seines Vaters irgendeine Regung zu erkennen, aber wie er damals auch schon Shyra erklärt hatte, war seine Mine unheimlich verschlossen. „Verzeihung", murmelte er daher und setzte sich, nachdem Endris ihm einen Platz angeboten hatte.
„Und murmle nicht in deinen nicht vorhandenen Bart", schalt Endris seinen Sohn nun lächelnd und verschränkte die Finger in einander. „Bist du hier, um mir zu sagen, dass du wusstest, das Shyra gegangen war?"
Ertappt und besiegt nickte Ionas. „Das bin ich."
Endris schloss die Augen und nickte. „Ich mache dir keinen Vorwurf, ich kenne Shyra sehr gut ... ich kannte ihre Mutter sehr gut. Ich denke, ich hatte mir nur erhofft, dass deine Liebe zu Shyra stärker sein würde. Mich darauf verlassen, doch offensichtlich habe ich dich doch nicht so gut gekannt."
Ionas biss die Zähne zusammen. „Ich weiß, dass du mich nie wirklich als deinen Sohn akzeptiert hast, aber darum soll es jetzt auch gar nicht gehen", versuchte Ionas das Thema wieder auf den richtigen Weg zu lenken. „Ich habe nicht nur gewusst, sondern ihr auch dabei geholfen, dem Brief zu folgen", meinte Ionas standhaft und blickte Endris fest in die Augen.
Der König blickte ihn reglos zurück an, ehe er resigniert seufzte und sich in seinem Sessel zurücklehnte. „Ich weiß", war alles, das er dazu zu sagen hatte und Ionas blinzelte überrascht.
„Du bist nicht wütend?"
Endris winkte nur ab. „Das bin ich, das war ich ungemein doch ich sehe, dass du es ihr nur so gefahrlos wie möglich versucht hast zu machen. Ich wäre wütender, wenn du sie einfach hättest ziehen lassen."
Ionas schluckte und senkte den Blick. Er hätte wirklich energischer sein müssen. „Vater", fing er daher wieder an zu sprechen. „Ich bin noch aus einem anderen, sehr wichtigen Grund hergekommen. Und auch den kannst du dir vermutlich denken. Ich finde, dass es an der Zeit wird, mich in die geheimniskrämerische Geschichte Aredhels einzuweihen."
Endris verzog das Gesicht und wandte sich wieder seinen Briefen zu. „Ich bin mir nicht sicher, wie gut es ist, wenn du dir den Kopf mit solchem Humbug direkt vor deiner Krönung verstopfst, Ionas."
„Vater", insistierte der junge Mann und lehnte sich nach vorne. „Gerade weil ich heute König werde, muss ich es wissen. Ich muss alle Informationen bekommen, die ich bekommen kann, wenn ich Shyra helfen möchte ihr Schicksal von dem Aredhels zu trennen."
Das brachte den alten König dazu sich wieder seinem einzigen Sohn zuzuwenden. „Nun ... ich fürchte viel kann man nicht mehr tun, als hoffen."
Ionas biss die Kiefer zusammen und versuchte ruhig zu bleiben. Er versuchte den Zorn zu unterdrücken und die tatenlosen Aussagen seines Vaters nach zu vollziehen. Endris war alt und müde. Und stur.
„Muss ich erst die Krone tragen, damit du mir über die düstere Vergangenheit meiner Mutter erzählst?", hielt er also dagegen und obwohl Endris die Brauen verärgert verzog seufzte er schließlich.
„Also schön. Viel mehr, als du bereits weißt, gibt es nicht zu erzählen. Die Sturheit deiner Mutter dürfte dir nicht entgangen sein, deine Adoption war bloß der Anfang einer langen Serie an kopfwehbereitenden Handlungen, die sie im Laufe unserer Ehe vollzogen hat. Sie hatte dich gefunden und sie würde dich behalten. Hätten meine Eltern damals noch gelebt, hätten sie Aredhel auf mehr als nur eine Weise versucht wieder loszuwerden, zu mal sie ... da die Ärzte meinten, sie würde nie Kinder gebären können."
Ionas nickte ungeduldig, das alles war ihm bewusst, Aredhel hatte über diese Dinge bereits zur Genüge mit ihm gesprochen, er wusste, dass dies der Grund war, warum Endris ihn nie akzeptiert hatte, doch das spielte ohnehin keine Rolle mehr.
„Ich weiß auch, dass sie sich sehr bald nach Shyras überraschender Geburt diesem Zirkel angeschlossen hatte", murmelte Ionas, um die Sache auf den Punkt zu bringen. „Ich habe gelernt gut zu kombinieren", fügte er rasch hinzu, als ihn sein Vater musterte.
„Nun ... eure Mutter", setzte Endris mit gerunzelter Stirn fort und richtete seinen Blick aus dem Fenster. „Eure Mutter ging eine Weile fort, noch bevor Shyra zur Welt kam."
Ionas verzog die Brauen überrascht. „Wie meinst du sie ging fort?"
„Ionas", seufzte Endris mit einer trägen Mimik, die den alten Mann noch müder wirken ließ. „Aredhel meinte, sie müsste eine Reise machen, nachdem, was sie von den Ärzten erfahren hatte, bräuchte sie diesen emotionalen Ausgleich. Du verstehst sicher, wie belastend die Erkenntnis für sie gewesen ist, dass sie möglicherweise untauglich als meine Ehegattin sein würde. Die Zukunft für uns alle war zu diesen Zeiten ungewiss, aber ich liebte sie über alles."
Er machte eine kurze Pause, sein Gesichtsausdruck steinern und abseits jeglicher Liebesgefühle, doch Ionas wusste, dass das bei Endris nicht viel zu bedeuten hatte. Seine Mine war verschlossen, vor allem, wenn es um Aredhel ging und der baldige König fragte sich wieso.
„Als Aredhel schließlich zurück kam ... war sie verändert. Sie war erfüllt von einer derartigen Lebensfreude, dass ich nicht länger hinterfragte, woher ihr Gesinnungswandel kam. Ich war nur froh, dass diese bedrückende Angst von ihr gefallen war und wiegte mich in falschem Glück, als sie sagte, dass nun alles anders werden würde. Und alles wurde anders", fügte er dann bitter hinzu und Endris schloss kurz die Augen.
„Sie adoptierte dich, aus einer Laune heraus, dann kam Shyra zur Welt und ja, nur kurz darauf schloss sie sich dem Zirkel an, der sie schlussendlich das Leben kostete." Er schüttelte kurz den Kopf und rieb sich über den Bart.
„Ich hatte immer versucht ihre dunklen Machenschaften vor euch zu verstecken ... Aredhel ging damit hausieren, dass einem schlecht werden konnte. Der Zirkel der Aposperitis ... eine Gruppierung fanatischer Glaubensanhänger, die mit dunkler Magie, mit Äther experimentierten, sich versuchten an die Gebräuche des Südens anzunähern", meinte Endris angewidert und schüttelte den Kopf.
„Doch wie hätte ich sie davon abbringen sollen? Sie hatte mich in diesen Entscheidungen außen vorgelassen, ich selbst erfuhr von ihrem Beitritt erst viel später, sodass es zu spät war es zu beenden. Das Volk durfte unter gar keinen Umständen davon erfahren, das Personal ebenso wenig und so oblag es mir diese Schande zu tragen. Auf meine bohrenden Fragen antwortete sie abweisend, meinte bloß, dass es wichtig sei ... für viele, für die Welt in ihrer Vollkommenheit, doch dass sie dabei anfing ihre Familie zu vernachlässigen, euch Kinder an den Rand zu stellen, ihre Regentschaft zu missachten ... Ich hatte zu viel zu tun, mir blieben – wie ich später erkannte – essenzielle Einblicke in den kranken Werdegang eurer Mutter verwehrt, bis es zu spät war und Aredhel nicht mehr die Frau war, die ich geheiratet hatte. All diese absurden Geschenke, die sie euch mitbrachte, Waffen, Kleidung, Bücher aus dem Süden, es war nicht zum Aushalten aber genauso wenig zum Aufhalten", seufzte Endris und rieb sich die Stirn.
Ionas dachte daran, wie sehr sich Shyra immer gefreut hatte, wenn Aredhel ihnen exotische Gegenstände mitgebracht hatte. Ihre Augen hatten stets so geglänzt und ihre Aufregung hatte ihn rückhaltslos angesteckt. Die gespielten Dolchkämpfe im Dachgarten, Shyra, die ungeschickter nicht hätte sein können, sich dann lieber hinter den hübschen Bildern aus dem Süden verkroch, bis Ionas sie wieder dazu überreden konnte die Waffen in die Hand zu nehmen und noch ein wenig mit ihm zu trainieren – und all das sollte nun für immer vorbei sein?
„Sie war mittlerweile das Oberhaupt dieses Zirkels, ich hatte es in ihrem privaten Arbeitszimmer aus ihren Notizen entnommen. Dieser Tag, Ionas, war einer der schlimmsten, die ich erleben musste. Die Dinge, die ich in ihrem Zimmer gefunden hatte, könnten schockierender nicht sein. Äthermagie! Runen- und Siegellehre! Heiltechniken, religiöse Abhandlungen, all dieses südländische Zeug! Als sie mich dabei ertappte, wie ich so in ihren Sachen stöberte, lernte ich sie von einer ganz neuen Seite kennen, Ionas. So verändert, so kalt und drohend kannte ich Aredhel nicht." Endris schüttelte den Kopf. „Und dann passierte der Vorfall am Strand."
Ionas blickte ruckartig auf. Er erinnerte sich bis ins kleinste Detail an diesen fürchterlichen Tag, an dem er dachte, Shyra würde sterben.
„Der Streit, den wir damals hatten, war schwer zu vertuschen", murmelte Endris und fuhr sich durch den Bart. „Wir versöhnten uns, zugegeben, doch aus ihrem Versprechen wenigstens mich in die Dinge einzuweihen wurde nichts. Aber ich hörte zu der Zeit nur das, was ich wollte. Dass sie es schaffen würde, dass es ihr Leid täte ... Ionas, traue niemals jemandem, der in so einer Geschichte steckt", riet im Endris düster doch mit einem schweren Seufzen.
„Wie dem auch sei, ihre Aufenthalte fernab des Schlosses wurden über die Jahre länger und unvorhersehbarer, ihre Abwesenheit wurde immer auffälliger und schwerer zu verschleihern, bis ich dem Volk erklären musste, dass Aredhel schwach und krank sei." Endris schloss die Augen.
„Nun und wie es geendet hat, ist uns vor wenigen Tagen nur allzu deutlich vor Augen geführt worden. So gerne ich dir auch mehr geben möchte, kann ich es nicht. Das einzige, was ich dir mitgeben kann, ist eine Warnung und die Erkenntnis, dass eure Mutter furchtbare Dinge getan hat. Euch im Stich gelassen, mich im Stich gelassen, ihr Königreich verraten, nur um zu kriminellen Handlungen zu driften, die ihr schlussendlich das Leben nahmen. Ohne ein Wort. Ich wusste, dass sie fort sein würde, ihr wusstet es und trotzdem hat keiner etwas unternommen-„
„Was hätten wir denn tun sollen?", unterbrach Ionas den alten Mann und war auf seinem Sessel vorgeschnellt. „Noch weniger als mit dir wollte sie mit mir oder Shyra darüber reden – und das weißt du!"
Endris schloss geduldig die Augen und nickte. „Ja", sagte er dann beharrlich. „Ja, dessen bin ich mir bewusst und doch ... wenn wir alle zusehends daran gedacht hätten ihr diese Hirngespinste auszureden, dann wäre sie vielleicht wirklich abgesprungen-" Ionas schnaubte. „- und das alles wäre nie so gekommen. Shyra wäre noch hier, eure Mutter noch am Leben ...", seine Stimme versagte und Endris fuhr sich über den Bart. „Zuerst nahmen sie mir meine Frau und nun meine Tochter. Wer weiß, Ionas, vielleicht holen sie dich auch noch", murmelte er dann mehr zu sich selbst und blickte seinen Ziehsohn dann direkt an.
Ionas fiel in seinem Sessel zurück und fühlte sich mit einem Mal völlig ausgelaugt. Sein Vater hatte Angst, er würde ebenfalls verschwinden, er wollte ihn unter allen Umständen an sich binden und jeglicher Gedanke, den er sich gemacht hatte, wie er Endris davon überzeugen könnte, ihn nicht zu krönen, löste sich in Luft auf.
„In diesen Tagen habe ich bemerkt, wie sehr du dich um Shyra gekümmert hast, obwohl sie nicht einmal deine Schwester ist. Das schätzte ich sehr an dir, Ionas. Dir steht der Thron zwar nicht rechtmäßig zu, aber da keine Beweise gegen dein Adelsblut vorliegen, wird das auch niemand in Frage stellen. So habe ich beschlossen, abzudanken und die Dinge in deine Hand zu legen."
Ionas erwiderte zuerst nichts darauf und versuchte seine Gedanken zu ordnen, ehe er sich bei Endris bedankte. „Ich bin froh, dass du mir all das erzählt hast, Vater", meinte er dann und stand auf.
„Ionas", hielt Endris seinen Sohn noch einmal zurück. „Lass mich dir einen letzten Rat geben."
Der junge Mann wandte sich um. „Ja, Vater?"
„Lass Shyra los."
„Vater?"
„Es ist vorbei. Lass sie gehen oder es wird dein Ende sein."
Ionas schluckte und starrte Endris wortlos an, ehe er den Kopf neigte und das Gemach verließ.
Diese letzten Worte nagten an ihm und riefen in Ionas einen starken Widerwillen hervor. Wie konnte Endris nur so etwas sagen? Er konnte beim besten Willen nicht erklären, warum er seine leibliche Tochter innerhalb weniger Tage abgeschrieben hatte. Er würde das niemals tun können.
Vor den Kopf gestoßen kehrte er zu seinen eigenen königlichen Gemächern zurück, die man ihm mittlerweile zugeteilt hatte und wartete nun schon beinahe ungeduldig auf das Personal, das ihn einkleiden und für die Zeremonie vorbereiten würde.
Er hatte kaum etwas nützliches in Erfahrung bringen können und es ärgerte ihn, dass Aredhel so gut auf ihre Geheimnisse aufgepasst hatte. Erschlagen atmete Ionas tief ein und versuchte sich an dem zu orientieren, das er hatte. Dass Aredhel ein privates Arbeitszimmer hatte, war ihm nicht bekannt gewesen. Wenn ihm schon sein eigener Vater nicht helfen konnte, dann würde er sich eben selbst Hilfe holen.
Warum hatte er sie gehen lassen? Warum hatte er sie nicht auch begleitet? Weil er ein Königreich zu regieren hatte. So einfach, und trotzdem vermisste er sie unglaublich. Er würde ganz sicher nicht tatenlos daneben sitzen, während Shyra in den Fängen dieses Fremden blieb.
|| Das war jetzt ein ziemlich langes Kapitel - ich weiß D: Aber Endris Erzählung einfach mitten drin abzuwürgen kam mir noch unvorteilhafter vor, als einen aufmerksamkeitszehrenden neuen Teil hochzuladen - verzeiht!
Aredhels Geheimnisse sind ziemlich geheim ;) Was an Shyras fünften Geburtstag passiert ist und wohin Aredhel einst verschwunden ist - ich kann euch gleich sagen, dass sind Plotknüller, die ihr - hoffentlich - nicht erahnen werdet! :D
Wie gefällt es euch bisher? Würde mich über ein bisschen Feedback freuen! Bis dahin - passt auf euch auf und viel Spaß beim Lesen! <3
Cheers~ ||
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