Siebenundsechzig
Als Dylan gerade gesagt hat, dass er nie mit mir geschlafen hat und mir versichert hat, dass es Avery war, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen.
Das bedeutet Avery ist zu hundert Prozent der Vater des Kindes, das ich in mir trage. Erleichtert atme ich wieder teilweise normal und lege eine Hand auf meinen Bauch, sodass die beiden es nicht sehen können.
Dann drehe mich ganz zu den beiden, die angespannt auf der Couch sitzen, und schaue sie mir an.
Dylan ist der gesund aussehende und Avery ist der Kranke, der von Zeit zu Zeit hustet. Sein Anblick ist schon sehr Mitleid erregend, wie er da sitzt, das blasse Gesicht in den Händen vergraben und kaum hörbar schluchzt. Da geht mein Mitgefühl mit mir mit. Oder liegt es an den Hormonen?
Ich wische mir die Tränen weg und schaue zu Dylan, der mich schon anstarrt.
"Ich glaube dir", sage ich leise und sofort schaut Avery hoch und seine geröteten Augen treffen meine.
Mit diesem Mann habe ich also geschlafen. Dieser Mann hat mir gesagt, dass er mich liebt. Dieser Mann hat mich mit Freude und Leidenschaft geküsst. Und in diesen Mann habe ich mich verliebt.
Bei dem Gedanken, dass ich ihn immer Dylan genannt habe, obwohl er Avery heißt, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Aber es war nicht mein Fehler, er hat es mir nicht gesagt und somit ist er selber Schuld, wenn ich beim Sex seinen Namen gestöhnt habe. Das muss bestimmt sehr an ihm genagt haben.
"Was ist mit dir?", unterbreche ich die unangenehme Stille im Raum und schaue zu Avery rüber. Er steht auf und macht einen Schritt auf mich zu.
"Joy Baby", fängt er an und ich schüttle nur leicht den Kopf, damit er weiß, dass er mich nicht Baby nennen soll.
"Joy", korrigiert er sich und macht wieder einen Schritt in meine Richtung.
"Ich bin krank." Ach was, dass sehe ich auch. Ich belege ihn mit einem Wirklich?-Blick und er kommt ganz auf mich zu und stellt sich vor den Hocker, auf dem ich sitze.
Er lehnt sich vor und nimmt mein Gesicht in seine Hände.
Ich würde seine Hände gerne wegnehmen, doch etwas in mir sträubt sich dagegen. Es ist die Liebe zu diesem Mann, die mich ihn nicht wegdrücken lässt.
Er schaut mir mit seinen glasigen geröteten silbernen Augen tief in meine und ihm rollen ein paar Tränen auf die Wangen.
Ich beiße mir bei seinem traurigen Anblick auf die Unterlippe und kann es nicht verhindern, die Tränen mit beiden Daumen wegzuwischen. Auch mir kommen wieder die Tränen.
"Bitte...", haucht er leise und wischt sie weg "wein nicht, Baby." Diese Worte machen mich nur noch trauriger, weil sie mich an unsere schöne Zeit erinnern und vor allem, weil er mich wieder Baby gennant hat.
"Als du mir von dir erzählt hast", fängt er an und ich sehe ihm in seine Augen. "Weißt du noch? Da habe ich innerlich geflucht, Karma sei eine Bitch." Ich erinnere mich, wie ich ihm von meiner Vergangenheit erzählt habe, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass Karma irgendetwas damit zu tun haben könnte.
Ich schaue ihn mit gerunzelter Stirn an, die bedeuten soll, dass ich nicht genau weiß, wovon er spricht.
"Da hast du mir gerade gesagt, dass deine Mutter als du sieben Jahre alt warst, gestorben ist", erklärt er, doch ich weiß nicht worauf er hinaus will.
"Was hat meine Mutter damit zu tun?" Er lächelt mich gequält und traurig an.
"Du hast mir erzählt, dass sie an Brustkrebs gestorben ist", sagt er leise und mir dämmert, was er damit sagen will.
"In dem Moment habe ich gedacht, dass Karma eine Bitch ist", vollendet er seinen Satz.
Mir kommen noch mehr Tränen, die meine Sicht nun vollkommen verschleiern.
"Oh Baby, es tut mir so leid", höre ich ihn sagen und öffne meine voller Tränen gefüllter Augen. Ich lege meine Hand auf seine Brust und spreche leise aus, was er angedeutet hat.
"Du hast Brustkrebs." Er schließt die Augen und öffnet sie wieder langsam, während er seinen Kopf leicht schüttelt.
"Lungenkrebs", berichtigt er mich und ich lasse meinen Tränen mit einem lauten Schluchzer freien Lauf. Er drückt meinen Kopf an seine Brust und streichelt meinen Hinterkopf sanft. Ich kralle meine Finger in sein Shirt und heule laut hinein. Meine Wut von vorhin ist verpufft. Einfach weggeblasen, als ich ihn da so auf der Couch gesehen habe, wie er sein Gesicht in den Händen vergraben hatte.
Und jetzt, ist da nichts mehr außer die tiefe Traurigkeit, die mich und den Mann, den ich liebe, umhüllt.
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