Neunundsechzig

"Du mieser Bastard!", flüstere ich wütend zu Dylan, als ich im Wohnzimmer angelangt bin. Nachdem Avery eingeschlafen ist, habe ich langsam und vorsichtig meinen Kopf von seiner Brust genommen und bin leise aus seinem Zimmer rausgegangen, damit er in Ruhe schlafen kann.

Er steht in der Küche und hat sich gerade ein Glas Wasser eingeschenkt. "Was?", flüstert er genauso leise und schaut verwirrt zu Avery's geschlossene Zimmertür. Mit schnellen Schritten gehe ich auf in zu und bleibe genau vor ihm stehen.

"Ich hasse dich!", zische ich unter Tränen und fange an, mit meinen Fäusten auf seine Brust zu hämmern. Immer schneller und härter schlage ich zu, doch er wehrt sich nicht, im Gegenteil er lässt es zu. Die Tränen rollen mir ununterbrochen runter.

"Ich", ein Schlag.

"Hasse", wieder ein Schlag.

"Dich!", ein letzter Schlag, bevor er mich in seine Arme nimmt und mich festhält. Auch ich lasse es zu und wehre mich nicht dagegen. Ich kralle meine Fäuste in sein graues Shirt und weine hinein.

"Ich weiß", haucht er nach einer Weile nah an meinem Ohr. Ich trenne mich wieder von ihm und schaue in seine ebenfalls müden silbernen Augen.

"Ich weiß" wiederholt er leise. "Ich verdiene deinen Hass und jeden einzelnen Schlag." Unentschlossen starre ich ihn an. Nein tust du nicht. Nicht du!

"Ich hätte es dir sagen müssen", spricht er weiter. Nein, nicht du. Er! Avery hätte es mir sagen müssen. Avery ist der, der mir seine Liebe gestanden hat. Mit Avery habe ich geschlafen. Avery's Kind trage ich in mir. Er hätte es mir sagen müssen!

Ich fange an meinen Kopf zu schütteln. "Nein. Es tut mir leid."

Auch Dylan schüttelt seinen Kopf und nimmt mein Gesicht in seine Hände. "Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen. Es war unser Fehler, meiner und Avery's, dass wir es dir nicht von Anfang an gesagt haben", er sieht mich reumütig an. "Wir hätten dieses bescheuerte Spiel gar nicht anfangen dürfen!"

"Was war das Ziel dieses Spiels?", frage ich und wische mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich ahne, was die Antwort sein wird, doch ich hoffe... nein ich bete inständig, dass ich mit meiner Vermutung falsch liege.

"Wir waren- sind dumm, so eine tolle, wunderbare Nachbarin hätten ausnutzen zu wollen", sagt er und versucht meinen Blick zu meiden.

"Ihr wolltet beide mit mir schlafen?" Es sollte eine Frage sein, aber ich habe es eher als Aussage ausgesprochen. Er sieht mir mich schuldbewusst an und nickt kaum merklich. Die Wut schäumt wieder in mir hoch, doch er versucht mich zu beruhigen.

"Aber als Avery mir gesagt hat, dass er mit dir geschlafen hat, bin ich so sauer geworden, dass ich ihm ein blaues Auge verpasst habe. Verdammt, Joy! Ich habe schon damals Gefühle für dich gehabt! Ich habe versucht nicht mit dir zu reden und dich zu ignorieren, damit keine Versuchung in mir hochkommt. Wie oft, habe ich mir ausgemalt, wie du zu mir kommst und deine wunderschönen Lippen auf meine legst. Wie oft, habe ich gedacht, dass ich dich am liebsten-"

Ich unterbreche ihn, indem ich "Ich bin schwanger!", sage.

Dylan starrt mich mit aufgerissenen Augen und leicht offenem Mund an. Ich kann seinem intensivem Blick nicht mehr standhalten und schaue runter auf meine in sich verschränkten Hände.

"W-Was?", wispert er undeutlich. Mit eingezogener Lippe, auf der ich rumkaue, schaue ich wieder zu ihm hoch.

"Ich bin schwanger", wiederhole ich leise aber deutlich. Ich glaube ihn 'Oh mein Gott' gesagt zu haben, aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich mir das nur eingebildet habe. Er fährt sich durch die Haare.

"I-Ich-" Weiter kommt er nicht, da ich ihn wieder unterbreche.

"Es ist Avery's!" Er schaut mich verwirrt an.

"Natürlich ist es Avery's. Ich war nie mit dir im Bett!", sagt er verzweifelt. Ich atme tief ein und wieder aus, bevor ich mich umdrehe und die Küche verlasse.

"Joy!" Dylan hat mich am Handgelenk zurückgehalten und mich somit am Weitergehen gehindert. Ohne mich umzudrehen, höre ich ihm zu.

"Ich werde dir mit diesem Kind helfen, wenn Ave stirbt", meint er leise. Ruckartig drehe ich mich zu ihm und schaue ihn wütend an.

"Falls! Falls Avery sterben sollte!", korrigiere ich ihn und reiße mein Handgelenk aus seinem Griff, um wieder in Avery's Schlafzimmer zu gehen.

Bevor ich dir Tür schließe, höre ich ihn leise und traurig sagen: "Er wird sterben..."

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