Neunundfünfzig

"Fuck. Fuck. Fuck. Fuck!", höre ich ihn leise fluchen. Dann das Rauschen von Wasser aus dem Wasserhahn. Und dann das Klick der sich öffnenden Tür.

"Alles in Ordnung?", frage ich voller Besorgnis als er aus dem Bad hervortritt und lege meine Hand auf seine Brust. Er legt seine darauf und schaut mir tief in die Augen.

"Ich liebe dich, Joy Collister. Komme was wolle", haucht er mir zu und legt für eine gefühlte Ewigkeit, eine Ewigkeit, die nicht ewig zu sein scheint, seine Lippen auf meine.

"Ich muss gehen, es tut mir echt sehr leid, Joy. Aber ich liebe dich!", versichert er nochmal, zieht sich nur seine Boxershorts über und verschwindet. Was war das denn?

Ich lege meine Finger auf die Lippen. Warum schmecke ich Metall? Ist das Blut? Ich lecke mir erst über die obere Lippe, dann über die untere. Ja, eindeutig Blut.

Warum blutet meine Lippe? Ich gehe ins Bad und stelle mich vor den Spiegel. Kein Riss, keine Wunde. Ich schaue runter auf das Waschbecken.

Das Waschbecken ist komplett weiß, bis auf zwei kleine rote Tropfen.

Blut.

Also war es Dylan's Blut, das ich auf meine Lippen geschmeckt habe. Aber warum blutet seine Lippe?

Ich rufe mir seine Lippen von vor ein paar Minuten hervor. Nein, er hatte auch keine Risse oder Wunden an der Lippe, sodass es bluten würde.

Aber vielleicht ist das Blut auch nicht von seinen Lippen, sondern von was Anderem. Ich verstehe null. Ich hab keinen Schimmer, was hier abgelaufen ist.

Gerade noch hatten wir einfühlsamen, zärtlichen Sex und jetzt stehe ich allein in meinem Apartment und frage mich was mit Dylan los ist.

Ich stürme aus dem Bad ins Schlafzimmer. Dort schnappe ich mir mein Shirt, das ich vorhin anhatte und ziehe es ohne BH über. Noch die Hose.

Hose. Hose. Hose. Wo ist die verdammte Hose?

Dann sehe ich das blau meiner Jeans unter dem Bett und hole die hervor. Sie muss unter's Bett gerutscht sein, als ich von Dylan zu ihm gezogen worden bin.

Schnell ziehe ich sie an und laufe aus meinem Schlafzimmer und reiße die Tür des Apartments auf. Mit wenigen Schritten stehe ich vor Dylan's Tür und klingle. Kein Geräusch.

"Dylan!" Ich klopfe mit der Faust an der Tür, doch es scheint niemand da zu sein.

Wie lange stand ich perplex im Bad, dass er aus meinem Apartment ins seins gegangen ist, sich dort angezogen und es dann verlassen hat?

Erfolglos drehe ich mich um und gehe in mein Apartment und suche mein Smartphone.

Wo ist etwas wenn man es haben will? Immer wenn man etwas sucht, scheint es zu verschwinden.

Ich suche und suche, doch ich finde es nicht.

Schnell laufe ich auf die Couch, weil ich es dort vermute. Da ich dort gesessen habe und mit dem Smartphone in der Hand auf der Couch saß, bevor Mike, mein Exfreund, der Junkie mit den Drogen, geklingelt hat.

"BINGO!", schreie ich als ich es tatsächlich dort finde.

Ich suche in meinen Kontakten nach Dylan's Nummer... Doch sie ist nicht da. Warum ist Dylan's verdammte scheiß Nummer nicht da?

Ich gehe die Liste von Buchstabe zu Buchstabe durch und bleibe bei H hängen. Hot Neighbour.

"Vollidiot", grinse ich auf das Display und drücke auf Anrufen.

Dud duud duuud.

"Geh doch ran!", schreie ich das Smartphone an.

'Hey hier ist Dylan. Ihr wisst ich hab viel zu erledigen, also quatscht nicht zu viel.' Ich kann sein selbstgefälliges Grinsen bei der Aussage, er habe viel zu erledigen, genau vor mir sehen.

Bevor das Piep kommt, lege ich auf und rufe nochmal an.

Dud duud duuud.

'Hey hier ist Dylan. Ihr wisst ich hab viel zu erledigen, also quatscht nicht zu viel.'

"Verdammt warum gehst du nicht ran?!"

Wieder lege ich vor dem Piep auf und rufe nochmal an.

Dud duud-

"Baby, m-", höre ich seine Stimme und atme erleichtert aus.

"Dylan, wo bist du?", frage ich noch bevor er seinen Satz beenden kann.

"Im Auto. Hör zu, mir geht es gu-" Wieder unterbreche ich ihn.

"Was machst du im Auto? Du solltest nicht telefonieren, während du fährst."

"Ich fahre nicht", sagt er und ich runzle die Stirn.

"Wer fährt dann?", frage ich sichtlich erstaunt.

"Mein Bruder", antwortet er.

"Avery ist in der Stadt?" Er seufzt und antwortet nach einem kurzen Zögern.

"Ja." Ich sage nichts. Auch er sagt nichts.

"Baby?"

"Ja, ich bin noch dran..."

"Ok, hör zu. Es ist alles in bester Ordnung, also mach di-" Er unterbricht sich selbst, indem er hustet.

"Dir geht es nicht gut! Du hast geblutet... Warum hast du geblutet, Dylan?"

"Baby..."

"Nein, komm mir nicht mit Baby. Ich will, dass du mir antwortest!"

"Baby.. Ich hab nichts. Ich muss nur was erledigen." Ich glaube ihm kein Wort. Mit einem perplexen Kopfschütteln antworte ich.

"Was musst du erledigen?"

"Hey du warst auch eine Woche verschwunden und ich wusste nicht wo du warst. Warum darfst du jetzt wissen wohin ich gehe?"

"Weil du mir gesagt hast, dass du mich liebst du Idiot. Das gibt mir das Recht zu wissen, wohin du mit deinem mysteriösen Bruder hinfährst." Ich höre ihn auflachen und es hört sich einfach nur wunderschön an, bis das Lachen in einem Hustenanfall erstickt. Warum habe ich das Gefühl, dass das nicht nur eine spontane miese Erkältung ist.

"Warum hustet du die ganze Zeit?"

"Menschen husten nun mal hin und wieder, Joy Collister."

"Verkauf mich nicht für dumm, Dylan Wyler! Man hustet doch nicht einfach so plötzlich, nachdem man Sex hatte." Er lacht wieder auf.

"Du weißt aber schon, dass mein Bruder dich hören kann?" Er wechselt eindeutig das Thema, aber ich kann das auch.

"Hey, Avery. Wie geht's wie steht's? Sag mal warum hustet dein Bruder von Idiot?" Jetzt höre ich zwei Stimmen die Lachen, kann Avery's aber nicht von den beiden abheben.

"Er sagt, er mischt sich da nicht in unsere Beziehung ein."

"Das hat er nicht gesagt, denn ich hab nichts gehört. Sagtest du nicht, dass du auf Lautsprecher geschalten hast? Lern lügen, Dylan!" Er verstummt.

"Lügen sollte man nicht gut können, Joy", sagt er und hört sich traurig an.

"Außerdem", er wechselt wieder das Thema "hab ich nie gesagt, dass ich den Lautsprecher an ha-" Warte mal kurz...

"Hast du vorhin gesagt, wir hätten eine Beziehung???" Ich höre ihn wieder lachen.

"Ja, Joy Collister ist mein Mädchen und jeder soll das wissen", antwortet er zum ersten Mal auf meine Fragen. Sein Mädchen. Ein Lächeln liegt auf meinen Lippen und wie automatisch lege ich meine freie Hand auf meinen Bauch.

"Dein Mädchen würde gerne wissen, wohin du fährst und wann du zurück kommst", sage ich diesmal ruhig statt zickig wie davor.

"Ich fahre aus der Stadt und weiß nicht genau, wann ich zurück komme."

"Wie du weißt nicht, wann du-" Ich unterbreche mich selber, als ich wieder sein schwerfälliges Husten höre, das sich, nach dem Hören zu urteilen, immer schlimmer wird.

"Tut mir Leid, Joy. Er muss auflegen", sagt er. Aber warum redet er von sich in der dritten Person? Wieder das Husten.

"Er ruft dich an, wenn er kann", meint er und ich verstehe, dass es Avery sein muss, der da redet. Ihre Stimmen hören sich sehr ähnlich an. Immer noch das Husten.

"So schnell es geht, bitte."

"Ja, wird er." Husten im Hintergrund.

"Ach und Dylan-", bevor ich meinen Satz beenden kann, legt er, wahrscheinlich Avery, auf.

"-ich liebe dich", beende ich meinen Satz, obwohl die Leitung schon tot ist.

A/N:

Heeyyyy Leutzzz. Nochmal für alle: ich war nicht da und konnte deshalb nicht updaten. Aaaaber - mit einem großen A - morgen kommen zwei Kapitel zur Wiedergutmachung hahaha.
Außerdem kommt bald ein Dylan-Special.
Hab euch alle ganz doll lieb und ganz viele Küsschen von mir ^^

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