9 • heimlicher Verehrer

Sie nahm die Karte, die auf ihrem Frühstückstablett lag in die Hand und las sie durch. Ihre Mundwinkel zuckten nach oben und schliesslich sah man ihr auch ein kleines Lächeln an, welches jedoch sofort wieder verschwand, als sie sah, dass ich sie die ganze Zeit genauestens beobachtete. Genervt schaute sie mich an.

,,Ist was?" fragte ich sie provozierend.

,,Nein ich habe nur Post bekommen, im Gegensatz zu dir!"

Das schmerzte. Sie hatte mich gerade indirekt auf ein Thema angesprochen, über das ich nie redete, über das ich nicht reden wollte. Natürlich hatte sie keine Ahnung, dass ich zu meinen Eltern gar keinen Kontakt mehr hatte. Und meine Freunde? Die kamen mich anfangs oft besuchen, dann ließ es aber immer mehr nach. Ab und zu kam noch Josh vorbei, an guter Freund von mir, den ich vom Skateboarden kannte und verbrachte ein bisschen Zeit mit mir im Krankenhaus. Wir setzten uns dann meist in das kleine Café, das auf dem zweiten Stock war.

Ich war wütend auf sie, dass sie so schnell meinen schwachen Punkt gefunden hatte. Ich konnte es ihr aber nicht übel nehmen, denn meine genaue Geschiche kannte sie nicht. Sie wusste gar nichts über mich. Sie versuchte auch nie mit mir zu reden. Ihr Interesse an mir lag bei einer Skala von eins bis hundert auf einer -100.

Ich starrte betroffen auf den Boden und presste meine Lippen auf einander. Offensichtlich fiel ihr auf, dass sie mich verletzt hatte und ihre Gesichtszüge wirkten das erste Mal etwas, ich betone etwas, freundlicher mir gegenüber.
,,Ach es ist nur jemand der mir Gute Besserung wünscht!" sagte sie um mich aufzumuntern, ich sah genau, dass sie log. Das war es dann auch schon mit unserer "Unterhaltung", aber immerhin hatte sie mal einen Satz mit mir gewechselt.

Der Gedanke an meine Familie hatte mir deutlich die Laune verschlechtert und ICH legte mich diesmal von ihr abgewandt in mein Bett. Ich holte meine Kopfhörer aus dem kleinen Nachtischen, der neben meinem Bett stand und schaltete die Musik an. Rapmusik dröhnte in mein Ohr und ließ mich in eine andere Welt eintauchen. Irgendwie hatte Rapmusik etwas an sich, das mich entspannen ließ. Am meisten entspannte ich mich zwar wenn ich mit meiner Gitarre spielte und einfach irgendetwas dazu summte, doch ich wollte jetzt wirklich nicht vor ihr ein kleines Konzert geben. Die Musik in meinen Ohren reichte aus um meinen Gedanken freien Lauf lassen...

Natürlich war der Brief nicht von irgendjemand aus dem Krankenhaus gewesen sondern von mir. Ich hatte reingeschrieben,

Hallo du Engel, ich würde dich gerne am Samstagabend vor deinem Zimmer abholen und ich zu einem Dinner in der Cafeteria entführen, weil du einfach bezaubernd bist.

Bah war das kitschig gewesen, hatte ich das wirklich geschrieben? Egal, es hatte ihr anscheinend gefallen und das war jetzt erstmal die hauptsache. Schritt 1 bestanden.

Selbstverständlich hatte ich keinen Namen drunter geschrieben, sondern einzig allein diesen Satz und er hatte seine Wirkung gehabt. Ich weiß, das mit der Cafeteria war nicht gerade sehr romantisch ... aber sie ist noch geschwächt und ich wollte definitiv nichts riskieren. Außerdem hatte ich noch keine Ahnung, wie sie reagieren würde, wenn ich dann vor ihr stehe und nicht irgendein heimlicher Verehrer bin sondern einfach nur ihr Zimmerpartner Ethan. Mit der Überlegung, wie sie wohl darauf reagieren würde, fiel ich schließlich in einen unruhigen Schlaf.

*****

Ich wachte auf, weil meine Playlist zu Ende war. Mir ging es deutlich besser nach diesem kleinen Nickerchen und ich beschloss zu Bertha zu gehen. Wo meine Zimmerpartnerin hin war wusste ich nicht. Zimmerpartnerin, wie sich das anhörte, ihren Namen hatte sie mir ja noch nicht verraten. ,,Wann denn auch? Sie redet ja nie mit dir." Lachte mich mein Gehirn aus. Eigentlich könnte ich einfach mal Dr.Thomson fragen. Jedenfalls war ihr Bett leer, was sie aber ordentlich hinterlassen hatte und im Badezimmer, das an unser Zimmer angeschlossen war, war sie diesmal definitiv nicht, denn die Tür stand offen.

Hatte ich Bertha überhaupt schon gesagt, das ich bald entlassen werde? Schoss es mir auf einmal durch den Kopf. Mist, das hatte ich komplett vergessen. Ich schnappte mir eine Jeans und ein T-Shirt aus meinem Schrank und zog mich schnell im Badezimmer um. Mein Sixpack hatte deutlich nachgelassen, von Muskeln war nicht mehr viel zu sprechen. Ich musste sobald ich hier raus war wieder trainieren gehen. Ans Skateboarden würde ich mich wahrscheinlich eher wieder langsamer antasten. Ich fuhr mir durch die Haare und warf einen letzten Blick in den Spiegel. Die Krücken ließ ich weg, denn von Schmerzen war nicht mehr die Rede.

Ich trat aus der Tür und befand mich mitten im Krankenhaus leben. Es liefen Ärzte umher. Eltern mit ihren Kindern, um Verwandte zu besuchen und natürlich die Patienten. Das Krankenhaus hatte insgesamt 6 Stockwerke, jedes Stockwerk deckte einen Bereich ab. Da gab es die Krebspatienten-station im 6. Stock, die für Unfallverletzte, wo ich lag, im 2. Stock und so weiter. Ich folgte den Exit schildern zur Treppe und lief runter in den ersten Stock. Hier gab es erstmal den Eingangsbereich mit einem "Infopoint" an dem eine nette junge Dame den Leuten weiterhalf die Fragen hatten, logisch oder? Ich musste schon sagen, dass sie einen guten Body hatte, aber sie war nicht so mein Typ und vor allem ungefähr 20 Jahre älter.

Ausserdem befand sich im ersten Stock die Intensivstation, das Café und der Kiosk, das war es auch eigentlich schon. Ich lief auf Berthas Kiosk zu und wollte gerade eintreten, als ich durch die Glasscheibe jemand sah, der ich gerade wirklich nicht begegnen wollte. Ich setzte mich gegenüber ins Café und wartete bis sie den Laden verließ.

++++

Tut mir leid, dass dieses Kapitel nicht soooo spannend ist, trotzdem ist das Kapitel wichtig für die Fortsetzung der Geschichte.

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