Hochzeitsrede

Dienstag, 09. April 2001

Vielleicht war es die Mischung aus Käsespätzle und Rotwein die aus mir sprach, doch ich bahnte mir meinem Weg durch die Hochzeitsgesellschaft zur Bühne, wo ich mir das Mikro schnappte und drei Mal drauf klopfte, um mir die Aufmerksamkeit aller zu holen.

,,Hallo und ein schwäbisches Grüß Gott an alle. Ich bin Josuke und, für alle die den Familien Chat noch nicht geöffnet haben, das fake Date des Bruders der Braut. Eben dieser Bruder, der jetzt hier oben stehen und eine Rede für seine Schwester halten sollte, doch stattdessen hat er sich auf der Toilette eingeschlossen. Was hat einen Mann so weit getrieben ein fake Date zu der Hochzeit seiner Schwester zu schleppen und sich im Bad einzusperren? Nun, das erkläre ich am besten so, wie meine Großnichte es schon immer am Liebsten hatte - in Form einer Geschichte."

Ich hatte die Aufmerksamkeit der Leute für mich gewonnen. Vermutlich dachten sie das gehört zur Show. Mia wollte zur Bühne gehen, doch ihr Frisch Angetrauter hielt sie zurück und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
Ich verließ mit dem Mikro die Bühne und lief auf Steves Mutter zu, die mich erbittert ansah. ,,Brigitte, als dein Mann, Mia und Steves Vater, von uns ging, da warst du doch erst Mal single, nicht wahr?" Sie starrte mich entgeistert an. Ich ging diese Woche entschieden zu oft auf tote, geliebte Menschen. ,,J-Ja, aber-"
,,Da hören Sie es, meine Damen und Herren, die gute Biggy war Single wie ein Pringle. Und nun stellen wir uns ein weihnachtliches Setting vor. Jeder liebt Weihnachten, das ist ja das schöne daran. Stellen wir uns vor, Biggy sitzt, umringt von ihren Liebsten, am geschmückten Tannenbaum und stopft sich mit Gans voll. Draußen singen Kinder, die Heintje Weihnachtsplatte läuft, Ingo kippt Glühwein nach, alles ist harmonisch und schön. Biggy fühlt sich wohl, denn bei der Familie ist man geborgen."
Ich hätte nicht gedacht, dass meine Stimme auf Deutsch Mal so sanft klingen könnte. Ich schaute in selige Gesichter, als wären alle im Kopf bei ihrem letzten Weihnachtsfest.
Doch dann senkte ich meine Stimme. ,,Und in all der Harmonie... da sagt auf einmal jemand 'Brigitte, der Wolfgang ist doch schon seit 6 Monaten unter der Erde. Wann triffst du denn Mal wieder jemanden? Du weißt ja, single bist du ein Versager und nichts wert'."
Und weg waren die seligen Gesichter. Brigitte zitterte leicht. Ich hob das Mikro an.
,,Tut weh, ge? Kein Wunder, dass Steve euch angelogen hat. Ich schätze er wollte sich einfach wieder in seiner Familie wohl fühlen, aber... was weiß ich schon?
Nun aber prost auf das Brautpaar! Ich kann es kaum erwarten, dass wir uns alle auf eurer Scheidung wiedersehen, denn so toxisch wie Mia ist, hält diese Ehe sowieso nicht lange!"

Und ehe die Gäste meine Rede verarbeiten und sich zu einem wütenden Mob formen konnten, rannte ich zum Ausgang, wo Steve bereits auf mich wartete. Er lächelte.
,,Hast du gehört was ich..."
,,Jedes Wort. Danke."
,,Bitte... aber was jetzt?"
,,Ich habe uns ein Taxi gerufen. Das Hotel hat eine Bar und auschecken müssen wir erst übermorgen. Heute was trinken, morgen Stadtbummel?"
,,Klingt toll!"

Also fuhren wir zurück ins Hotel und stießen an. Auf uns, auf Mias toxische Ehe, auf Stuttgart (Die wenige Tage später den BVB an die Wand spielten) einfach auf alles. Okuyasu schrieb nicht mehr, doch ich war so sauer, dass mir das recht egal war.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top