Happy Birthday Oma

Samstag, 06. Januar 2001

Meine Oma wäre heute 57 geworden, also erzähl ich Mal was über sie. Ich hab mittlerweile schon erzählt, dass sie Grandpa an der High School kennenlernte, sie mit 17/18 heirateten und Morioh nie verließen. Es waren die wilden 60er, die Wirtschaft boomte, meine Mom kam zur Welt, das Leben war schön.

Und 20 Jahre später mache ich nen Strich durch die Rechnung.

Meine Mutter, damals noch Refendarin, hatte zwischen Uni und Arbeit wenig Zeit zum Mutter sein und Opa arbeitete im Schichtdienst. Da blieb nur noch eine die sich meiner Erziehung annehmen konnte.

Meine Oma war passiv aggressiv, auch in meiner Erziehung. Sie schimpfte nie direkt, wenn ich etwas angestellt hatte, sondern machte danach Dinge mit mir, die ich nicht mochte oder langweilig fand, damit mein Gehirn die Connection erstellt und ich meine Missetat nicht wiederhole. In der Theorie hatte sie damit gar nicht so unrecht, denn das menschliche Gehirn ist durchaus dazu in der Lage solche Ereignisse miteinander zu verknüpfen.

Mal die Tapete lieber nicht noch Mal an - Sonst wird Oma sich wieder zu diesen irren langen Spaziergang zwingen.

It worked. I hate to say it, but it worked! She manipulated my little head!

Und dann dieser ewige Nucki Krieg! Ich wollte mich partou nicht vom Schnuller entwöhnen und sah auch nicht ein wieso ich das tun sollte. Es fühlte sich gut an, es beruhigte, niemand musste mein Gemecker ertragen. Hell, Opa und Mama benutzen meine Schnuller als Lautstärken Regulierer.
Nur Oma hatte was zu meckern und eines Tages, da raffte sie alle meine Schnuller zusammen und warf sie in den Müll.

Ich war unglücklich, logischerweise. Was macht Opa, wenn ich unglücklich bin? Riskiert die Scheidung, geht los und kauft nen neuen Nucki.
,,Er macht sich die Milchzähne kaputt, Ryohei! Verstehst du das denn nicht?"
,,Na und? Die fallen doch eh aus!"
,,'Na und?!' Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass die dentale Gesundheit irgendwann leiden wird, wenn ein Kind zulange am Schnulli nuckelt! Wenn er sich als Teenager über eine Zahnspange beschwert, schicke ich ihn zu dir!"

Me now, verflucht mit loser Zahnspange: Hört auf eure Oma, Kinders. Sie hat immer recht!

Und nun zu etwas was ich noch nie jemanden erzählt habe, aber umbedingt Mal los werden wollte. Der Tag an dem Oma mir von Reimi Sugimoto erzählte. Sie hat ihren Namen nicht erwähnt, deswegen ist es mir lange nicht aufgefallen, doch von der Story her die Grandma mir erzählte, kann sie nur Reimi gemeint haben.

Es war n ziemlich mieser Tag für mich. Kindergarten ist wie ein sozialer Friedhof. Ich hing mit Yukako im Sandkasten ab, obwohl ich sie damals kaum kannte.
,,Stimmt es, dass dein Opa nicht befördert wird, weil dein Dad ein Ami ist?", fragte sie beiläufig. Kinder sind schrecklich direkt.
,,Hä wie kommst du darauf?!"
,,Das hat mein Onkel erzählt. Er meinte Officer Higashikata wird nicht befördert, weil sein Enkel einen amerikanischen Vater hat. Find' ich komisch. Weißt du wieso das so ist?"
,,Nö. Macht doch auch keinen Sinn. Er muss Verbrecher fangen und hinter Gitter bringen. Da ist mein Vater doch egal!"
Yukako hob etwas Sand mit ihrer Schaufel auf und starrte in ihr gebuddeltes Loch. Ihr Ziel war es den Mittelpunkt der Welt zu erreichen. Stellt euch vor wie verwirrt sie war, als sie nur den Boden des Sandkasten erreichte.
,,Okay ja stimmt. Keine Ahnung wieso mein Onkel das gesagt hat. Ich dachte nur, du wüsstest es vielleicht."
,,Hm, ich kann Opa ja heute fragen. Dann sag' ich es dir morgen."

Ich machte einen auf cool, because damn me bevor ich vor Yukako anfange zu heulen. Die Alte war schon immer verrückt und empathielos. Hätte ich damals angefangen zu heulen, hätte sie vermutlich versucht meine Augen mit Sand zu trocken.
Ich hielt es bis zuhause aus, ohne Omas Hand einmal los zu lassen. Kaum zur Tür herein brachen die Dämme und ich verschwand in meinem Zimmer. In dem Moment habe ich Mr. Joestar den Tod gewünscht ohne ihn überhaupt zu kennen. Mein Opa war der beste Polizist weit und breit! Wie konnte mein Good-for-nothing Vater es wagen Opas Beförderung im Weg zu stehen?

Oma kam nicht direkt nach. Sie ließ mich eine halbe Stunde ausbocken und kam dann mit Keksen in mein Zimmer. Vor dem Abendessen. Unser Gehemnis. Nur nicht Mama sagen.
Ich biss in den Keks und erzählte Oma ruhig was Yukako gesagt hatte. Angesäuert verzog sie das Gesicht. ,,Morioh ist zu klein, als das die Leute sich Mal um ihren eigenen Kram kümmern", murrte sie leise.
,,Also stimmt es? Opa wird meinetwegen nicht befördert?"
Oma versüßte nie bittere Pillen, also wusste ich, dass ich nichts als die Wahrheit zu hören bekäme und machte mich mental darauf gefasst. Oma legte einen Arm um meine Schulter.
,,Jein."
,,Was?"
,,Ich sagte Jein."
,,Das versteh' ich nicht..."
Sie lachte kurz und strich mir über die Haare, vorsichtig ofc, um meine Frisur nicht zu ruinieren.
,,Es stimmt, dass eine Beförderung im Raum stand, bevor du zur Welt kamst. Und als du dann da warst, hat man das Angebot seitens der S-City Stadtverwaltung urplötzlich zurückgezogen. Offiziell, weil sie deinen Opa in einer höheren Stelle nicht gebrauchen konnte. Inoffiziell, weil dieses Land zerfressen ist von Vorurteilen und genetisch hasserfüllt wegen einem Krieg, der viele Jahre in der Vergangenheit liegt."
,,Also war es meine Schuld!", schrie ich empört und sprang auf meinem Bett. Oma verzog keine Miene und zog mich wieder neben sich. ,,Du machst das Lattenrost kaputt, Josuke. Setz' dich und hör mir bis zum Schluss zu. Weder dass dein Vater ein Arsc- Amerikaner ist, noch dass die hohen Tiere da oben veraltet denken ist deine Schuld und dein Opa ließ sich schon Mal gar nicht davon abhalten. Er war bereit alles zugeben und ihnen zu beweisen, dass er einer Beförderung würdig sei, bis..."

Sie konnte nicht einfach so eine Story beginnen und dann mitten im Satz abbrechen! ,,Bis was?!"
,,Bis...ich weiß nicht, ob du nicht vielleicht etwas zu jung dafür bist, Schatz."
,,Oma, bitte, ich muss es wissen! Was hat Opa daran gehindert sich das zu nehmen was ihm zusteht?"
Oma seufzte leise. ,,Es geschah als du etwa ein Jahr alt warst. Wir hatten Babyfone im ganzen Haus, weil du es das eine oder andere Mal geschafft hast aus deinem Laufstall zu entkommen. Wir wechselten uns ab, wer nach dir sehen ging, ich, deine Mutter, oder dein Opa. In dieser Nacht hatte Ryohei frei, weil er davor Nächtelang durchgearbeitet hat, also erklärte er sich bereit nach dir zu sehen. Du hielst ihn ziemlich auf Trap und warst ganz unruhig. Vielleicht hast du unterbewusst ja was gemerkt. Angeblich haben Babys ja einen siebten Sinn.
Am nächsten Morgen ging das Telefon und die Wache bat deinen Opa trotz beurlaubung zu kommen. Etwas schreckliches sei geschehen. Und dein Opa ging. Als er nachhause kam, war er kreidebleich."
,,Was ist passiert?", flüsterte ich aufgeregt. Oma schien wirklich unsicher zu sein, ob sie mir das erzählen sollte, tat es aber dennoch. ,,Eine Familie, hier aus Morioh. Mutter, Vater, Tochter, Hund. Weg."
,,Weg?"
,,Tot", flüsterte Oma. Ich bekam große Augen.
,,IM HIMMEL?!"
,,Na das will ich doch hoffen, Josuke. Jedenfalls gab dein Opa das Streben nach einer Beförderung auf. Er meinte, wenn er nicht Mal diese Familie beschützen könnte, wenn dann? Ein kleiner Junge hat die Nacht überlebt. Dein Opa befragte ihn, weil er der einzige Zeuge war, doch der Kleine war total verstört. Selbst nach einer Therapie erinnerte er sich an nichts und ohne Zeugen oder Hinweisen wurde der Fall zu den Akten gelegt."

Nun beugte ich mich vor und sah Oma verschwörerisch an. ,,Mord?"
,,Na, sie werden wohl nicht alle gleichzeitig einen Herzinfarkt gehabt haben."
,,Kraaaaass."
,,Josuke, es sind Leute gestorben. Da sagt man nicht krass. Du solltest beten gehen und dich für dein Verhalten entschuldigen."

Und so landete ich auf Knien vor unserem Familienschrein und betete eine halbe Stunde. Passiv aggressiv, ich sag's ja.

Zu erfahren, dass mein Opa meinetwegen (bzw. mit unter anderen meinetwegen) seine Begörderung nicht bekommen hat, war übrigens eine der seltenen Fällen an Rassismus die ich in meinem Leben erlebt habe. Japan kann toxisch und rassistisch sein, besonders Amerikanern gegenüber... weil ugh... muss ich das wirklich erklären? Hör auf in Geschichte zu pennen!
Morioh aber scheint davon völlig ausgenommen zu sein. Ich denke es liegt daran, dass diese Stadt so bizarr ist. Was juckt es die Bewohner da wessen Blut durch deine Adern fließt?
Opas Beförderung war von dem Hauptrevier in S-City abhängig, hohe Tiere die ihn persönlich nicht kannten, aber aus zweiter Hand erfuhren, dass seine Familie in "skandalöse" Umstände verwickelt war. In Morioh krähte kein Hahn nach meiner Herkunft. Ich war einfach der vaterlose Junge mit den europäischen Augen. Niemand hier hätte etwas gegen diese Beförderung gehabt. Deswegen und aus vielen anderen Gründen liebe ich Morioh.

Ich kann sogar verstehen, wieso Oma ihr kurzes Leben lang nicht auch nur einen Kilometer aus Morioh weg ziehen wollte. Hier kam sie zur Welt, hier lebte sie, hier wurde sie sesshaft und hier ruht ihr Geist.

Ich habe heute ein Taschentuch bestickt, war humpelnd etwas spazierend und hab eine halbe Stunde vorm Schrein gebetet. Wenn das keine Ehrenerweisung ist, dann weiß ich auch nicht. Alles gute, Oma. Keine Sorge, ich passe auf deine und Opas Stadt auf.

Oh und neben meiner Oma wünsche ich natürlich auch Sherlock Holmes einen wunderschönen Geburtstag.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top