61
Fabian lag regungslos auf dem Boden. Um ihn herum breitete sich eine große Blutlache aus. In seiner Brust klaffte ein tiefes Loch. Jax hatte eine Pistole in der Hand und atmete schwer.
Es dauerte mehrere Sekunden bis ich realisierte, was passiert war. Zitternd vor Schock legte ich meine Hände auf meinen Mund. Meine Augen starrten immer noch auf den leblosen Körper. Alles schien anzuhalten. Es gab nur noch mich. Wie in Trance guckte ich mich um. Alles schien grau und trüb zu sein. Außer die rote Farbe des Blutes stach heraus. Ich bewegte mich langsam auf den toten Körper zu.
Ich schüttelte mit dem Kopf und konnte es nicht einsehen. Er war nicht tot. Nein, Fabi war nicht tot. Er war nicht fucking tot. Gleich steht er wieder auf und nimmt mich in den Arm. Gleich wird es so weit sein.
Schnell guckte ich zu Jax. Ich will sein Gesicht sehen wenn Fabi sich wieder aufrichtet und mich in den Arm nimmt. Ich will seinen ungläubigen Gesichtsausdruck sehen.
Doch Jax war gar nicht mehr ansprechbar. Kai verprügelte ihn. Die beiden Schlugen aufeinander ein. Sie schienen sich auch anzuschreien, doch ich hörte kaum was. Eine trübe Stille hatte sich um mich gelegt. Ich hörte nur ein leises, durchgängiges Piepen. Ich schloss die Augen und nahm Fabians Hand. Sie war noch warm. Er lebte ganz sicher noch. Gleich wird er aufstehen und alles aufklären. Ich fing an zu lachen. Das wird ein Spaß, Jax dämliches Gesicht dabei zu sehen. Allein der Gedanke, bereitete mir eine unglaubliche Freude.
Die beiden Brüder hörten auf. Anscheinend störte sie mein Lachen beim Streiten. Doch ich konnte nicht aufhören. Ich guckte zu Jax und erwartete jeden Moment, dass Fabi aufspringt und ihm auch eine reinhaut.
"Warum lachst du Josie?" Kai schrie mich an. Die Stille hatte sich gelegt. Ich konnte einzelne Tränen bei dem kleinen Bruder erkennen. Kai weinte tatsächlich. Aber warum?
"Fabi steh endlich auf. Hau Jax eine rein und dann lachen wir ihn aus." Ich stubste Fabi belustigt an und wartete auf eine Reaktion. Gleich wird er aufstehen. Es dauert nicht mehr lange.
"Er ist tot Josette. Fabi ist fucking tot!"
"Er ist nicht tot. Sag sowas nicht!"
Ich kniete mich hin und stieß Fabian nun ein bisschen härter an. Mit meinen Knien saß ich im warmen Blut. Es hatte mich schon lange erreicht. Fabi regte sich kein bisschen. Seine Brust hob und sank sich kein bisschen. Seine Augen öffneten sich kein bisschen. Er war voll und ganz regungslos. Ich began wieder an zu zittern. Mein Kopf schaltete sich auf Stand by. Ich war nicht mehr aufnahmefähig. Meine Brust und Lungen zogen sich stark zusammen. Ein tiefer Schmerz ging von der Mitte meiner Brust aus. Ich konnte kaum noch einen normalen Atem erfassen. Schnell und unregelmäßig fing ich an zu atmen. Ich krallte mich an Fabis Shirt und riss so sehr daran, dass er fast lebend aussah.
Er war tot. Dies wurde mir jetzt so richtig bewusst. Jax hatte Fabi umgebracht. Er hatte ihn kaltblütig erschossen.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich schrie. So laut ich konnte, schrie ich mir die Seele aus dem Leib. Tränen fanden ihren Weg nach draußen und benässten meine Wange. "Du hast ihn umgebracht. Er ist tot. Oh mein Gott. Fabi ist tot." Ich hyperventilierte stark.
Mein Körper war in einem totalen Ausnahmezustand. Ich konnte mich überhaupt nicht steuern.
Jax stand wortlos da. Seine Nase blutete stark. Sein Gesicht war demoliert. Kai sah nicht viel besser aus. Doch bei ihm liefen immer noch vereinzelte Tränen die Wangen herunter. "Er darf nicht tot sein. Er darf nicht tot sein. Das geht einfach nicht. Ruft einen Krankenwagen. Bringt ihn ins Krankhaus. Macht doch irgendwas." Bettelte ich hilflos. Doch die beiden Männer standen wortlos vor mir und konnten es selbst noch nicht so ganz begreifen.
Ich konnte immer noch keinen klaren Gedanken fassen. Einzelne Bruchstücke schwirrten in meinem Kopf herum. Ich war immer noch nicht bereit für die Wahrheit. Aber die Wahrheit war unumgänglich. Der Tod ist eine Sache, die so hoffnungslos endgültig ist, dass es mich innerlich zerreißt.
"Wir sind fertig miteinander." Kai guckte Jax emotionslos an. Seine Tränen waren getrocknet. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verließ er das Wohnzimmer. Ich konnte hören wie die Haustür ins Schloss fiel. Kai war weg. Ich guckte auf meine Hände. Überall war Blut. Ich kniete in dem Blut von Fabi. Wieder konnte ich nichts anderes als schreien. Mein Körper war einfach nicht zu mehr in der Lage. Auf einmal spürte ich eine Hand auf meinem Mund. Jax versuchte mich zu beruhigen. Er drückte mich fest an sich.
Mit Schlägen und Tritten versuchte ich mich zu wehren. Meine Wut war immens. Ich Schrie in Jax Hand rein und versuchte ihn irgendwie zu verwunden mit meinen Attacken. Das powerte mich schnell aus. Kopfschmerzen und dieser Schmerz in der Brust setzten mir sehr zu. Meine Nasennebenhöhlen saßen komplett zu. Die vielen Tränen hatten sich nun abgezeichnet. Meine Augen waren rot und meine Lider angeschwollen. Und all das machte Fabi trotzdem nicht mehr lebendig. Er lag immer noch tot vor mir. Überall klebte sein Blut. Es war eine hoffnungslose Situation. Nichts wird meinen Schmerz lindern.
"Wieso musste er sterben? Warum hast du ihn ermordet? Wie konntest du uns das antun?" Wimmerte ich leise. Es waren so viele Fragen die auf ewig unbeantwortet bleiben werden. Es gab noch so viel Zeit die ungenutzt bleiben wird. Diese ganzen Sachen hatte Jax genommen und einfach achtlos weggeworfen. Er hat Fabi eiskalt eine Kugel ins Herz gejagt. Jax hat den Jungen getötet, den ich mit zu meinen Freunden gezählt habe. Fabi war immer gut zu mir und hat mir nie ein Haar gekrümmt.
"Ich hasse dich so sehr!" Schrie ich verzweifelt und wollte mich losreißen. Doch Jax ließ mich nicht los. Vielleicht war es besser so. Ich wüsste sonst nicht, was ich mir oder meiner Umgebung sonst angetan hätte.
Da lag ich also in den erbarmungslosen Händen von Jax Parker und weinte mir stundenlang die Seele aus dem Leib. Ich weinte bis mir keine einzelne Träne mehr blieb. Ich schrie bis meine Stimme erlosch. Ich wehrte mich bis meine Kraft mich verließ.
Der Tod gehört zu jedem Leben dazu. Aber dass er mich so oft besuchen kommt hätte ich niemals zu denken gewagt.
Leblos lag ich in Jax Armen. Ich hatte nicht mal bemerkt, dass wir mittlerweile in der Badewanne saßen. Jax hatte mich zwischen seine Beine gesetzt und lehnte mich an seine Brust an. Bewegungsunfähig saß ich da und ließ alles mit mir machen. Jax wusch mir das viele Blut von meinem Körper. Ich konnte sehen wie hellrotes Wasser in den Abfluss floss.
Fabi ist tot.
Das schwirrte die ganze Zeit in meinem Kopf. Es ging da nicht raus. Wahrscheinlich wird es niemals verschwinden. Diese drei Wörter die ich gedacht hatte, als ich es wirklich realisiert hatte. Kais Tränen kamen mir sofort realer vor. Das Blut kam mir realer vor. Alles kam mir realer vor außer die Tatsache, dass Fabian wirklich tot ist. Es war irgendwie wie eine Erkenntnis die sofort wieder aus meinem Kopf verbannt wird. Sie schwirrt die ganze Zeit in meinen Kopf herum und dann wenn ich zulasse, dass es wahr sein könnte, verwischt sie wieder sofort. Dieser Verleugnung nahm schnell ein Ausmaß an, was mein kleiner Körper kaum stemmen konnte.
Ich starrte nun mit einem leeren Blick an die Wand. Nichts war mehr von Bedeutung. Wenn selbst die guten kein Happy End bekommen, lebe ich in einer Welt, in der ich mich anpassen muss.
"Ich bin wieder schwanger Jax."
Jax drehte mich zu sich und guckte mir ungläubig in die Augen.
"Was? Was hast du gerade gesagt? Wiederhol das noch mal."
"Ich bin wieder Schwanger Jax. Ich erwarte ein weiteres Kind von dir." Monoton ließ ich den Kopf zurück fallen und legte ihn auf den Badewannenrand. Ich konnte erkennen, dass Jax voll bekleidet war. Er hatte sich nicht ausgezogen. Auch meine Unterwäsche hatte er an gelassen. Jax nasses Shirt war voller Flecken mit Blut. Und es war jedes Mal das gleiche. Wenn ich an Fabis Tod dachte, kam nur Error. Meine Kopfschmerzen stiegen ins unermessliche. Ich schloss die Augen um kurz eine Pause von meinem beschissenen Leben zu machen.
"Wie lange weißt du es schon?" Jax wirkte immer noch ein bisschen perplex.
"Keine Ahnung. Jax grad ist mir alles egal."
Es herrschte eine lange Stille zwischen der nächsten Antwort. Ich hatte meine Augen immer noch geschlossen.
"Ich wollte ihn nicht töten." Jax sprach das Thema an, was ich nicht mal ansatzweise verarbeitet hatte. Nicht mal ein klitzekleines bisschen. Ich öffnete meine Augen und merkte schon wie die ersten Tränen meine Augen benetzten. Ich versuchte nicht mal sie zurück zu halten.
"Warum liegt dann seine Leiche bei uns im Wohnzimmer?" Mir wurde schlecht bei dem Wort Leiche.
"Oh mein Gott." Flüsterte ich. "Er ist tot." Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und fing wieder an zu weinen.
"Er hat mich angemotzt und sich eingemischt bei der Sache mit Tom. Er hat mich provoziert. Da hab ich meine Waffe gezogen und gesagt, wenn er nicht endlich still ist würde ich ihn abknallen. Er hat dann einfach weiter geredet. Ich war für einen kurzen Moment zu unkontrolliert und hab einfach geschossen. Das hätte ich nicht tun sollen. Kai wird nie wieder ein Wort mit mir sprechen."
"Du hast überreagiert? Willst du mich verarschen? Fabi ist tot, weil du deine kack Gefühle nicht im Griff hattest?"
Ich ging auf ihn los. Mit fliegenden Fäusten schlug ich auf ihn ein. Ich zerkratzte ihm das Gesicht und versuchte so viel Schaden wie möglich bei ihm anzurichten. Irgendwann griff Jax meine Handgelenke und guckte mich besorgt an. Ich war ein Wrack. Mit mir konnte man nicht mehr viel anfangen. Ob nur für heute oder für den Rest meines Lebens wird sich noch herausstellen.
Hoffentlich wache ich morgen einfach nicht mehr auf.
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