3. Das ist mein letztes Wort
„Ich kann den Ärger schon förmlich riechen" schmunzelte Osmo, während er den Tisch eindeckte.
„Vielleicht sollte ich die Tür gleich geöffnet lassen, dann kann er sie nicht eintreten" grinste Samu zurück, während er den Eintopf abschmeckte, den Mikko gekocht hat.
„Hat jemand die Oropax besorgt? Könnte lauter werden" schmunzelte nun auch Mikko.
„Ihr seid manchmal echt solche Idioten" tadelte ich die Jungs und setzte mich auf einen Stuhl. Ich wusste, dass sie Recht hatten. Dafür kannte ich ihn viel zu gut, aber es ist ja noch nichts entschieden. Solche Entscheidungen versuchte ich immer erst mit ihm zu besprechen, auch wenn es stets auf dasselbe hinauslief.
„Das liegt an deiner guten Erziehung" lachte Sami und füllte unsere Teller, nachdem alle ihren Platz eingenommen haben.
„Bei euch ist Hopfen und Malz verloren. War es schon, als ich euch kennengelernt habe" schmunzelte ich und wir ließen es uns schmecken, als ich gepolter auf der Veranda vernahm.
„3...2...1...und Action" murmelte Osmo leise, während Daryl in die Küche gestürmt kam. Seelenruhig legte ich den Löffel beiseite, verschränkte meine Arme vor der Brust und sah ihn abwartend an. Wohlwissend, dass ich so schnell nicht zur Wort kommen würde.
„Ist das dein verfluchter Ernst? Wie kannst du das machen? Du weißt, dass ich das nicht will. Du bleibst! Das ist mein letztes Wort!" knurrte mich Daryl sauer an, während seine dunkelbrauen Augen mich anfunkelten.
„Was ist mit dem, was ich möchte? Zählt das gar nicht?" fragte ich ihn in einem ruhigen Ton.
„Das ist zu gefährlich."
„Ich möchte aber gerne mitfahren. Mir fällt auf Dauer die Decke auf den Kopf, wenn ich nur in Alexandria bin. Ein bisschen Abwechslung tut da ganz gut und ich fahre doch nicht alleine, sollte ich mitfahren" erklärte ich ihm ruhig.
„Ich kann aber nicht mitfahren. Rick braucht mich bei einem anderen Projekt. Das hast du dir echt klasse ausgesucht" knurrte er weiter. Entsetzt sah ich ihn an.
„Du denkst, ich habe mir das mit Absicht so ausgesucht? Sonst siehst du noch klare Bilder, ja? Es wären doch nur 2-3 Wochen. Dann bin ich wieder hier. Du weißt, wir brauchen dringend Vorräte. Viele Vorräte. Der Winter naht und die Nahrungsmittel werden immer knapper. Ich habe noch nicht zugesagt und das werde ich ohne deine Zustimmung auch nicht. Das weißt du ganz genau. Deshalb bitte ich dich nun, lass mich mitfahren. Bitte. Carl, Mikko, Samu, Aaron und ich, wir werden auf uns aufpassen. Versprochen. Aber bitte. Schließe mich nicht in Alexandria ein. Ich MUSS zwischendurch raus. So wie du es auch musst. Ich lasse dich doch auch gehen. Ohne dir ständig reinzureden. Dann tue mir diesen Gefallen bitte auch" bat ich ihn leise und sah ihn flehentlich an. Seit über 3 Monaten war ich nicht mehr vor den Toren Alexandrias. Blieb ihm zuliebe hier, doch es zieht mich raus. Hinaus in die Welt der Beißer. Natürlich war es gefährlich, als ob ich das nicht wüsste. Aber ich war in sehr guter Gesellschaft.
Ein paar Sekunden lang starrte er mich mit seinem undurchdringlichen Blick an, dann drehte er sich schnaufend, doch wortlos, um und ging einfach. Wie ich das hasste, wenn er mich einfach stehen ließ. Ich wusste, dass er stur sein konnte, doch das konnte ich auch sein. Ich kann mich nicht immer nur nach ihm richten. Das würde mich auf Dauer nicht glücklich machen. Genervt räumte ich meinen halbvollen Teller weg, dass Essen war mir gründlich vergangen und ging rüber auf die Krankenstation.
Daryl's Perspektive
Sie hat Recht.
Sie hat Recht.
Sie hat Recht.
Immer und immer wieder hallten diese drei Wörter durch meinen Kopf, doch alles in mir sträubte sich dagegen, dass zu akzeptieren. Sie gehen zu lassen, dass kam überhaupt nicht in Frage. Nicht, wenn ich sie nicht begleiten kann. Nicht, wenn ich sie nicht beschützen kann. Nicht, wenn ich es verhindern kann. Und das würde ich. Mit allen Mitteln, wenn es sein muss. Sie fährt nicht mit auf Tour. Das ist mein letztes Wort.
Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ihr etwas zustoßen würde.
Und ich würde jedem, der daran Schuld wäre, zeigen, was es bedeutet, die Höhle auf Erden zu erleben.
Angepisst kickte ich einen Stein über die Straße, während ich aus den Augenwinkeln vernahm, wie Josie in die Krankenstation ging. Leise schlich ich hinüber und stellte mich ans Fenster. Beobachtete sie, wie sie Regale aus und wieder einräumte.
Diesmal zierte kein Lächeln ihre schmalen Lippen, wie ich es sonst von ihr kenne. Ihre tiefbraunen Augen glänzten nicht. Sie wirkte unglücklich und ich war daran schuld. Wie immer. Ich konnte niemanden glücklich machen. Dabei soll sie immer glücklich sein. Ich will, dass sie glücklich ist.
Wütend funkelte ich Mikko an, der sich unerwartet neben mich stellte.
„Du solltest mit ihr reden und sie nicht nur anstarren. Davon wird's nicht besser" meinte er leise zu mir.
„Was weißt du denn schon" knurrte ich.
„Ich bin verheiratet Daryl. Streit gehört zu jeder Beziehung. Doch sollte man niemals im Streit auseinander gehen. Man weiß nie, ob man die Chance zu einer Versöhnung bekommt..." flüsterte er leise und sah traurig zu Boden.
„Ich werde sie nicht mitfahren lassen" erwiderte ich stur und verschränkte meine Arme vor der Brust.
„Du kannst nicht immer nur fordern. Du musst auch ab und zu etwas zurückgeben. Sonst wirst du sie irgendwann verlieren, denn das macht keiner auf Dauer mit. Auch keine Josie. Stell dir vor, sie würde dir verbieten, rauszugehen. Du würdest dich eingesperrt fühlen und irgendwann durchdrehen. Ihr braucht beide eure Freiräume, du mehr als sie. Und das ist vollkommen okay. Aber schränke sie nicht ein. Du weißt, wir beschützen sie mit unserem Leben. Wobei sie auch sehr gut auf sich selber aufpassen kann. Versuche über deinen Schatten zu springen. So schwer ist das gar nicht." erklärte er leise, während er davon ging.
Was wusste er denn schon? Ich kann sie nicht gehen lassen. Ich will sie nicht gehen lassen. Sie gehört zu mir. Wenn ich sie verliere, weiß ich nicht, was ich machen würde.
Mein Blick glitt durchs Fenster zu ihr rein. Sie hockte am Boden und sammelte einige Verpackungen auf. Anscheinend sind sie ihr heruntergefallen. Mit ihrem Handrücken wischte sie sich mehrmals über ihre Wangen. Weinte sie etwa...?
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