2. Rückblende
Mittlerweile waren ungefähr drei Monate seit meiner Geburtstagsfeier vergangen und der Herbst hielt langsam Einzug in Alexandria. Die Tage wurden kürzer und es wurde merklich kühler. Die grünen Blätter an den Bäumen wechselten ihre Farbe und strahlten nun in den schönsten Gelb-, Orange- und Rottönen. Dauernd regnete es und ließ unser angebautes Obst und Gemüse wachsen. Kürbis, Karotten, Kartoffeln, Äpfel, Birnen, Rettich, Zwetschgen, Walnüsse, Rüben, Rote Beete und noch einiges mehr wuchs dort und manches davon ließ uns das Wasser aus dem Mund laufen. Es war nun Mitte September und bald konnten wir mir der Ernte anfangen. Wir hofften sehr, dass es uns durch die Wintermonate bringen wird. Die Nahrungssuche in den kalten Monaten war recht schwierig und es gab viele Leute zu ernähren. Der Handel mit dem Königreich und Hilltop funktionierte recht gut, doch auch deren Möglichkeiten waren eingeschränkt.
Die letzten Monate waren relativ ruhig. Immer wieder mal wurden Touren unternommen, um dringend benötigtes zu beschaffen. Medikamente, Nahrung, Klamotten, Batterien, Hygieneartikel, Obst- und Gemüsesamen, Waffen, Munitionen, Baumaterialen, Lernmaterialien, Spielzeug. Die Liste könnte man noch unendlich fortsetzen. Es wurde immer schwieriger, besagtes zu finden und die Touren gingen immer weiter von Alexandria weg. Manchmal war ein Trupp über zwei Wochen weg. Doch bislang kamen alle wieder, was ein Geschenk Gottes war. Viele hatten wir schon verloren. Zu viele.
Michelle und Samu haben es auf die Reihe bekommen und sind nun offiziell ein Paar. Ich freute mich sehr für die beiden, ließ es doch beide um die Wette strahlen. Michelle ihre Eifersucht mir gegenüber nahm wohl ab, denn ihre giftigen Blicke in meine Richtung ließen allmählich nach. Für Eifersucht gab es auch keinen Grund, Samu war lediglich einer meiner besten Freunde und mehr würde es auch nie werden.
Maggie und Glenn sind vor wenigen Tagen Eltern geworden. Ein kleiner, gesunder und wunderschöner Junge mit dem Namen Herschel. Der Name hat für beide eine besondere Bedeutung. Maggie ihr Vater hieß Herschel und so wollen sie ihn auch für den kleinen Herschel in Erinnerung behalten. Ich dürfte bei der Geburt dabei sein und kann mich noch sehr gut an sein erstes, kraftvolles Schreien erinnern. Wie er sich augenblicklich beruhigte, als er bei seiner Mama in den Armen lag. Es war mir eine Ehre, dabei sein zu dürfen und ich werde diese intensiven und doch schönen Momente niemals vergessen. Vielleicht werde ich sie eines Tages auch anders erleben dürfen? Aber dieser Wunsch wurde mir ja schon damals verwehrt. War es vielleicht auch besser so. Es gibt sicher einen guten Grund, warum es nicht so kam, wie erhofft und erwünscht.
Carl gewann an Stärke dazu. Innerlich und äußerlich. Er verarbeitet das Geschehene langsam, aber sicher und konnte mit gewissen Situationen viel besser umgehen. Er konnte Berührungen von bestimmten Personen geschehen lassen, ohne dass es ihn zusammenzucken oder panisch werden ließ. Es liegt noch ein weiter Weg vor ihm, doch er wird ihn meistern. Dessen bin ich mir sicher, ist er doch nun auf dem rechten Weg angekommen. Seine Alpträume haben ebenfalls nachgelassen und wenige Nächte hat er allein bei sich im Zimmer geschlafen. Allerdings ließen wir die Tür offen und sie würde ihm nach wie vor immer offenstehen.
In den besagten Nächten blieb meine andere Betthälfte nicht leer, Daryl leistete mir Gesellschaft. Ich mochte es sehr, in seinen starken Armen einzuschlafen und in ihnen aufzuwachen. Fühlte mich bei ihm unglaublich geborgen und beschützt. Zuneigung und Nähe konnte er nach wie vor nur schwer zulassen, doch es gab so viele kleine Sachen und Gesten, die mir zeigten, was ich ihm bedeutete. Mal ein Kuss auf meine Stirn. Wenn er seinen Arm um meine Hüfte legt und mich demonstrativ und besitzergreifend an sich drückt, wenn Fremde oder bestimmte Männer mir zu Nahe kommen. Wenn er mir im Halbschlaf sanft verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht streicht. Wie er mich am liebsten vor allem beschützen würde. Wie er mich besorgt von Kopf bis Fuß mustert, wenn ich irgendwo ohne ihn war oder Gefahr im Verzug war. Und mich allein gehen zu lassen, fiel ihm unglaublich schwer. Bedarf es in jeder Situation dazu eine Menge Überredungskunst. Er brauchte seine Freiheiten und die gab ich ihm, doch ich brauchte meine ebenfalls. Das muss er noch lernen zu akzeptieren.
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