[Vierzehn] - Geschäftspläne
Jolene schnaubt einmal kräftig, als wir wieder alleine im Besprechungsraum sind und sieht uns an. Erst jetzt bröckelt ihre Fassade - wobei diese eigentlich viel mehr wütend erscheint. Sie hat sich also beherrscht, ihren Zorn nicht ganz rauszulassen, sondern die Contenance bewahrt.
»Du hast CaddySign verkauft??«, kommt es nun aber von Naddy, die Jolene böse anfunkelt.
Jetzt entgleiten auch mir sämtliche Gesichtszüge. »Wieso tust du das über unsere Köpfe hinweg?«, will ich entsetzt wissen.
Auch wenn CaddySign ihr gehört, so sind wir aber Geschäftsführer und haben ebenfalls ein Bestimmungsrecht.
Jolene aber schmunzelt nur unbekümmert. »Dieser Vertrag hier bringt euch nur Vorteile.«
»Wo bringt es uns denn Vorteile, wenn dieses arrogante Arschloch Anteile an CaddySign und somit Mitspracherecht hat??«, fragt Naddy aufgebracht.
Jolene aber bleibt davon weiterhin unbeeindruckt und hält ihr Schmunzeln aufrecht. »Eben drum. Er hat keine Anteile.«
»Nicht?« Ungläubig zieht Naddy den Vertrag heran und deutet auf das was Jolene dazu geschrieben hat.
»Ah«, grinst diese, als sie versteht, was Naddy meint. »Diese zehn Prozent sind weder sein Anteil noch seine Gewinnbeteiligung. Das ist lediglich ein Rabatt auf eure Dienstleistung inklusive Wartungsvertrag«, klärt sie uns auf. »Dafür aber zahlen Bilson & Co. monatlich eine fixe Summe. Ganz gleich, wieviel Zeit deren Projekte beanspruchen. Diese regelmäßige Zahlung sichert euch ein festes Einkommen. Was ihr damit macht, ist euch überlassen.«
Verwundert sehen wir sie an. »Das haben seine Anwälte aber verstanden, oder?«, hinterfrage ich das.
»Haben sie«, nickt Jolene.
»Ich weiß nicht, ob ich ihm Support zusichern will«, zischt nun Naddy. »Seine Leute sind so nervig, dass wir mehr damit beschäftigt sind, mit ihnen irgendwelche Probleme zu lösen, als am eigentlichen Auftrag zu arbeiten.«
»Dann setzen wir ein Limit in den Vertrag.« Unbekümmert zuckt Jolene mit den Schultern und zwinkert uns zu. »Fünf Tickets pro Woche, jedes Weitere ist kostenpflichtig«, schlägt sie als Beispiel vor.
»Oooh ja!«, grinst nun auch Naddy. »Damit bin ich einverstanden.«
»Ihr müsst verstehen«, beginnt Jolene dann und bedient sich am Kaffee, »CaddySign hat einen hohen Marktwert erreicht.« Abermals zwinkert sie uns zu. »Bilson hat das erkannt und wollte deshalb ein großes Stück vom Kuchen und hat auf eure Unwissenheit spekuliert.«
»Ich hätte diesen Vertrag nie unterschrieben«, versichert Naddy. »Nicht ohne ihn dir vorher zur Prüfung gegeben zu haben.«
Anerkennend lächelt Jolene ihr zu.
»Dennoch bin ich überrascht, wie schnell du gesehen hast, was seine eigentliche Absicht gewesen ist. Ich habe mir den Vertrag auch angesehen, das Vorhaben aber nicht erkannt. Die Summe, die er uns zahlen wollte, war viel zu wenig, aber mich haben schon allein all die Anforderungen gestört, die er uns auferlegen wollte. Lizenzrechte, Rund-um-die-Uhr-Support, ein eigenes Team, das für seine Projekte Arbeitet ...«
»Hier«, sagt Jolene und zeigt auf die Stelle, die sie Korrigiert hat. »Er wollte 25% von CaddySign haben. Die Summe dazu hat er aber in monatlichen Zahlungen ausgewiesen, und nicht als Einmalige. Das erweckt den Anschein, als würde es sich um einen Wartungsvertrag mit vergünstigten Konditionen und festen Zahlungen jeden Monat handeln«, erklärt sie und zeigt dann auf eine andere Stelle. »Aber hier steht, dass dieser Vertrag nach drei Jahren automatisch erst zu einem Wartungsvertrag wird, also ist er es bis dahin nicht. Und hier ...« Nun deutet sie auf eine weitere Stelle, »will er sich weitere 25 % sichern, die ihr nicht ohne seine Genehmigung verkaufen dürft. Es handelt sich also nicht um 25% Rabatt auf eure Dienstleistung, sondern um zweimal 25% Anteil an CaddySign. Deshalb auch diese Anforderungen an Lizenzrechten, 24/7-Support und eigenes Team.«
»Das Schwein wollte uns echt fressen«, stellt Naddy geschockt fest.
»Das hätte ohnehin nur funktioniert, wenn ihr beide die alleinigen Eigentümer gewesen wärt«, schmunzelt Jolene. »Da aber BNS der Eigentümer ist und ihr nur Anteile besitzt, um ebenfalls von den Gewinnen zu profitieren, wäre dieser Vertrag ohnehin ungültig gewesen. Denn es hätte auch meine Unterschrift bedurft.«
»Und anstatt er die gewinnbringenden Anteile erhält, gibst du ihm nur einen günstigen Tarif. Was wenn er das ablehnt? Immerhin ist dein Gegenangebot das komplette Gegenteil von dem, was er wollte.«
Abermals zuckt Jolene gleichgültig mit den Schultern. »Wir machen keinen Verlust, wenn er nicht unterschreibt. Er aber schon. Denn er will vorzeitig aus dem alten Vertrag raus. Das geht nur, wenn ein neuer abgeschlossen wird. Unterschreibt er nicht, bleibt er im alten und muss für die teureren Konditionen bezahlen. Und anscheinend ist Junior im Zugzwang und muss seinem Daddy etwas vorlegen. Auf die Art denkt er, zumindest schonmal einen Fuß in der Tür von CaddySign zu haben.«
Ich liebe meine Frau. Etwas anderes fällt mir dazu gerade nicht ein. Auch wenn ich nie Zweifel an ihrem Geschäftssinn hatte, so bin ich jetzt trotzdem beeindruckt davon.
»Ich werde trotzdem ein Wörtchen mit Bilson Senior reden«, gluckst sie. »Er wird sich ganz sicher freuen, dass sein Unternehmen dank seines Sohnes nun im Fokus von BNS steht.«
Ihr Glucksen wird zu einem diabolischen Grinsen.
»Die geschäftliche Reid ist wirklich ein richtig großes Miststück«, schmunzle ich. »Aber ich bin froh, sie heute hier gehabt zu haben«, füge ich hinzu und strecke mich zu ihr, um sie zu küssen.
»Das ist einer der wenigen Momente, an dem ich für eine Reid schwach werden und sie abknutschen könnte«, gesteht Naddy und schlägt Jolene gegen die Schulter.
»Der Marktwert von CaddySign ist im übrigen der Grund, wieso ich ohnehin mit euch reden wollte«, sagt sie nun und lenkt wieder aufs Geschäftliche zurück. »Tatsächlich habe ich schon überlegt, Anteile zu verkaufen. Allerdings ist das ein Thema, bei dem ich dann Morgan gerne dabei hätte. Immerhin ist sie unsere Börsentante. Aber zunächst möchte ich eure Vergrößerung angehen und hab' noch eine weitere Idee mit euch vor.«
Neugierig sehen wir sie beide an, während wir uns auf ihren Fingerzeig hin wieder hinsetzen.
»Also, wie habt ihr euch entschieden?«, will sie zunächst wissen.
Entsprechend legen wir ihr direkt die drei potentiellen Immobilien vor und gehen auch mit ihr die Vor- und Nachteile durch.
Vor allem sind wir uns unsicher, was einen Standortwechsel angeht, aber Jolene nimmt uns die Sorge ziemlich schnell. Denn zwei der drei Objekte befinden sich in Downtown, das eine gute Infrastruktur bietet und somit eine sehr gute Erreichbarkeit hat. Für Bestandskunden hat es keinen negativen Einfluss, aber durchaus einen positiven für Neukunden.
Ein weiterer Punkt sind die Preise. Beide Immobilien in Downtown haben einen recht hohen Wert, die eine mehr, als die andere. Allerdings bietet die teurere nicht nur mehr Fläche, sondern auch mehr Gestaltungsmöglichkeiten.
Jolene rät uns, nicht zu knauserig zu sein. Ob Bilson den Vertrag eingeht oder nicht, spielt keine Rolle, denn BNS investiert definitiv. Erneut trichtert sie uns ein, dass BNS investieren muss, wenn es mehr Gewinne einfahren will. Und CaddySign muss sich vergrößern, damit dies geschieht.
Darauf bezogen, erklärt sie uns nun auch ihre Idee, die sie für CaddySign vorgesehen hat.
»Ich würde gerne die Marketingabteilung zu euch auslagern«, erklärt sie. »In euren Bereich passt sie besser und ich würde auch wieder mehr Platz in meinen Räumen bekommen«, zwinkert sie.
»Wie stellst du dir das vor?«, fragt Naddy. »Willst du nur unsere Räume dafür, oder willst du diese Abteilung bei uns integrieren?«
»Ich will sie bei euch integrieren und dort auch vergrößern. Aktuell betreibt sie nur Marketing für BNS. Ich möchte aber, dass sie dann all die Sub- und Tochterunternehmen mit versorgen. Und wenn noch Luft ist, sogar für Externe diese Dienstleistung anbieten.« Abwartend sieht sie uns an. Obwohl sie letztlich das Sagen hat, nimmt sie auf uns Rücksicht. Abgesehen davon, dass es für uns mehr Arbeit bedeuten würde und sie uns nicht überfordern will, wenn das mit den höheren Gewinnen funktionieren soll.
»Okay«, stimmt Naddy für uns beide zu, als wir uns mit nur einem Blickkontakt einig sind. »Dann hat sich auch die Frage nach der Immobilie erübrigt. Denn dann kommt allein vom Platzangebot nur diese hier in Frage.«
Die Teuerste. Jene, die uns beiden von Anfang an gefallen, uns aber wegen des Preises abgeschreckt hat. Immerhin geht es hier schon in die Millionen.
Weil Naddy und ich uns zermürbt das Gesicht reiben, weil uns diese Investition deutlich weh tun wird, erinnert uns Jolene erneut daran, dass BNS das übernehmen wird und wir uns so entspannter um Gestaltung und Einrichtung, sowie neues Personal kümmern können.
Letztlich stimmen wir beide zu, wenn auch etwas widerwillig.
Naddy steht auf und klaubt nun all die Unterlagen zusammen, die wir zwischenzeitlich auf dem halben Tisch ausgebreitet hatten.
In eine Mappe packt sie den Vertrag mit Bilson, sowie das Exposé der Immobilie, für die wir uns entschieden haben, und übergibt sie Jolene.
»Und mit Morgan willst du dich auch noch zusammensetzen, um über die Sache mit den Anteilen zu reden?«, hakt sie nach.
»Ja«, nickt Jolene, lehnt sich im Stuhl zurück und legt ihren Arm über meine Rückenlehne, um mir sanft den Nacken kraulen zu können.
»Dürfte ich dann dabei sein? Ich werde zwar vermutlich nicht mal im Ansatz verstehen, worüber ihr dann redet, aber ihr könnt es mir sicherlich plausibel erklären.«
»Kein Problem«, stimmt Jolene zu.
»Und wenn du mit dem Makler oder Eigentümer der Immobilie verhandelst, dürfte ich dann ebenfalls dabei sein? Ich liebe es, dich in Fahrt zu sehen, wenn es darum geht«, lacht sie.
Erneut nickt Jolene, diesmal grinsend.
»Sehr gut. Dann lasse ich euch beiden Turteltäubchen mal alleine.« Frech wackelt sie mit ihren Augenbrauen und verlässt den Besprechungsraum.
Kaum alleine, dreht sich Jolene zu mir, legt mir ihre Hand auf meine Wange und kommt mir näher.
»Wie geht es dir? Du machst einen erschöpften Eindruck.« Sie neigt ihren Kopf ein wenig und sieht mich liebevoll an, während sie mit ihrem Daumen demonstrativ unter meinem Auge entlang streicht.
»Ich fühle mich tatsächlich müde und habe ein wenig Unterleibsschmerzen«, gestehe ich. »Die Diskussion mit Bilson hat mich angestrengt und geschlaucht.«
»Hast du wieder Blutungen?«, fragt sie besorgt.
»Nein«, lächle ich. »Vermutlich war das heute einfach nur zu viel Stress für mich.«
»Komm her«, spricht sie leise und zieht mich zu sich. Ihre Arme legen sich um mich, während sie ihre Lippen in meinem Haar platziert.
»Und der Stress wird nicht weniger, nachdem eine Gewisse Mrs. Reid von BNS wieder das Event ausgerufen hat, bei dem sich Unternehmen vorstellen können«, gebe ich sarkastisch von mir.
Jolene lacht, entschuldigt sich aber dafür.
Muss sie aber eigentlich nicht, denn dieses Event bringt uns neue Kunden und viele Aufträge. Mitunter ein Grund, wieso CaddySign in nur vier Jahren so schnell gewachsen ist.
Es gab oft Situationen, in denen Naddy und ich vollkommen überfordert gewesen waren. Dank Jolene aber konnten wir alles meistern und ein Gefühl dafür entwickeln. Ich bin durchaus manchmal froh, wenn sie sich nicht an unsere Abmachung hält; sich gänzlich rauszuhalten, außer wir sind dabei, den Laden gegen die Wand zu fahren.
»Was hältst du davon, wenn wir am Wochenende und über die Feiertage mit der Yacht nach Bimini fahren?«, fragt sie dann. »Ich denke, so ein paar Tage Auszeit würde uns beiden gut tun.«
»Bin sowas von dafür«, stöhne ich müde.
»Gut«, grinst sie. »Und ich fänd' es schön, wenn du dich den Rest der Woche etwas ausruhst und dir Ruhe gönnst. Ich kümmere mich um alles andere.«
»Ich kann Naddy nicht alleine lassen«, lehne ich ab, hebe aber sofort meinen Finger, um sie an ihrem Protest zu hindern. »Aber ich werde etwas kürzer treten«, verspreche ich ihr.
Mit diesem Kompromiss scheint sie einverstanden, lächelt und beugt sich zu mir, um mir einen langen, liebevollen Kuss zu geben.
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