[Siebenundvierzig] - Kackbratze
Ich finde Morgan an dem Sideboard, das in unserer Arbeitsecke steht und auf dem wir unsere kleine Whiskey-Sammlung stehen haben.
Zwar lächelt sie mich an, als sie mich sieht, aber ihr Ausdruck ist gequält.
»Ich bin selten mit einer Situation überfordert«, gesteht sie. »Jetzt bin ich sogar damit überfordert, mit der Situation überfordert zu sein.«
Obwohl eben jene Situation eigentlich nicht lustig ist, muss ich trotzdem ein wenig lachen.
»Was genau überfordert dich? Dass Cormack der Vater sein könnte? Dass die Trulla, im Gegensatz zu uns, eine Ähnlichkeit festgestellt hat? Dass Kyle das mitbekommen hat?«
»Ja«, sagt sie schlicht und leert ihr Glas, um es direkt wieder zu füllen. »Ich weiß nicht, ob ich es gut finden soll, dass Cormack der Vater sein könnte, anstatt einer dieser Broker, deren Namen ich nicht mal weiß. Ich weiß nicht mal, ob ich es überhaupt gut finden soll, zu wissen, wer Kyles Vater ist.« Sie nimmt einen tiefen Atemzug und stößt ihn hörbar wieder aus. »Ich mein' ... Für Kyle wäre es sicherlich gut, auch einen Vater zu haben, und ich bin mir auch sicher, Cormack würde sich Mühe geben, aber ...« Sie hält kurz inne und schnaubt. »Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht.«
»Aber ist es nicht gerade das, was dich reizt?«, frage ich sie schmunzelnd. »Die Herausforderung, nicht zu wissen, welche Konsequenzen deine Handlungen nach sich ziehen?«, füge ich hinzu. Immerhin sind das ihre eigenen Worte, die sie mir einst sagte, als sie mir die Unterschiede zwischen sich und Jolene aufwies.
Morgan schweigt lediglich, aber ihr erneutes, gequältes Lächeln ist Antwort genug.
Ich gehe den fehlenden Schritt auf sie zu und ziehe sie in meine Arme. Sie war oft genug für mich da, jetzt kann ich ihr ein wenig zurückgeben.
Vor allem, weil sie sich mir sogar öffnet und mir quasi zeigt, dass nicht alles einfach so an ihr vorbei geht, wie es oft scheint.
Es ist das erste Mal, Morgan so zu sehen. Denn sonst behält sie wirklich die Contenance und scheint jede Situation sehr gelassen zu nehmen und mit Köpfchen zu meistern. Aber anscheinend ist auch für sie ihr Sohn die Achillesferse, bei der sie einfach nicht gelassen bleiben kann.
Plötzlich stößt sie ein unzufriedenes Raunen aus und löst sich wieder von mir. »Wenn sich Cormack wirklich als leiblicher Vater herausstellt, gehen mir langsam echt die Argumente aus, nicht nach Miami ziehen zu müssen.« Diesmal ist ihr Schmunzeln weniger gequält.
Kurz muss ich deswegen lachen. »Seit du mir diesen Deal angeboten hast und ich ihn eingehalten habe, ist ohnehin jedes Argument haltlos.« Siegreich tätschle ich ihre Wange, strecke mich dann zu ihr, um diese zu küssen.
»Wie viele potentielle Väter gibt es eigentlich?«
Kurz schweigt Morgan und kratzt sich etwas verlegen am Kinn. »Sieben.«
»Sieben??« Geschockt sehe ich sie an.
»Hey! Ich habe nunmal gerne und viel Sex, und sie waren alle nicht unattraktiv«, rechtfertigt sie sich.
Fassungslos schüttle ich den Kopf. Es ist ja nichts Neues, dass Morgan gerne und viel Sex hat, aber sieben Männer im relativ gleichen Zeitraum ist dann doch schon eine Hausnummer, die mich schockiert und die ich selbst ihr nicht zugetraut hätte.
»Außerdem musste ich nicht damit rechnen, schwanger zu werden«, verteidigt sie sich weiter und verschränkt fast schon bockig ihre Arme vor der Brust. »Ich habe genug Vorkehrungen getroffen. Schließlich habe ich Spaß am Sex und wollte mir das nicht vermiesen, weil ich mir was einfange.«
»Und doch hast du dir was eingefangen«, antworte ich mit einem leichten Lachen. »Eine kleine Kaulquappe hat alle möglichen Hindernisse überwunden.«
Morgan raunt unzufrieden. »Sollte sich Cormack wirklich als Vater bewahrheiten, werde ich nie wieder mit einem Mann seines Kalibers schlafen«, gibt sie entschieden von sich. »Denn wenn ich mich hier im Freundeskreis so umsehe, scheinen große, gut gebaute und tätowierte Männer eine außerordentlich gute Durchschlagskraft zu haben ... Johnny, Dennis, Cormack ...«
Ich kann es nicht verhindern, deswegen loszulachen. Wenn ich so darüber nachdenke, hat sie recht. Johnny hat gleich drei Kinder gezeugt, und das obwohl Jolene und Jessica verhütet haben. Doppelt.
Bei Dennis und Winnie bin ich mir nicht sicher, da ich darüber nie mit ihnen geredet habe, aber da Winnie gewiss noch nicht vorhatte, Mutter zu werden, gehe ich davon aus, dass auch sie Vorkehrungen getroffen hat.
Es ist also durchaus sehr skurril, aber auch amüsant zugleich.
»Vermutlich wirst du ohnehin nie wieder mit Männern schlafen«, sage ich und tätschle ihr neckisch die Schulter.
Mit hochgezogener Augenbraue sieht sie mich an, dann stößt sie ein Seufzen aus, als sie begreift, was ich meine.
Plötzlich hören wir von draußen, vor dem Haus, den heftigen Streit zwischen Cormack und seiner Freundin. Wobei wir eigentlich nur ihre helle und hysterische Stimme hören, wie sie ihm vorwirft, ihr etwas Wesentliches verschwiegen und sie somit belogen zu haben. Sie stellt die Behauptung in den Raum, er würde jetzt mit Morgan und dem Kind einen auf Familie machen und sie das nicht akzeptieren würde.
»Wer kam eigentlich auf die Idee, den Scheiterhaufen abzuschaffen?«, brummt Morgan, leert ihr Glas mit einem Schluck und geht wieder nach draußen in den Garten zu den anderen zurück.
Ich hingegen nehme einen tiefen Atemzug und verlasse das Haus durch die Eingangstür.
»Das ist Jahre her! Ich wusste nichts von einem Kind. Außerdem ist sie seit Jahren in einer Beziehung, wieso also sollte ich mit ihr einen auf Familie machen??«, faucht Cormack zurück, als er endlich zu Wort kommt.
Auf diese Frage bekommt er postwendend eine Antwort von ihr. Laut, schrill und aufgebracht. Sie wirft ihm Sachen an den Kopf, die ich schon als unverschämt und herabwürdigend bezeichnen würde.
Mir kommen Erinnerungen an Martin hoch. Unsere Streits verliefen genauso. Er hatte mit irgendwas ein Problem, schrie deshalb mich an, beleidigte mich und machte mir Vorwürfe; glaubte stets, missverstanden und ungerecht behandelt zu werden. Jede Situation verpackte er so, dass er letzten Endes als das arme geschundene Seelchen dastand.
Abfällig verzieht Cormack das Gesicht und gibt ein angewidertes Geräusch von sich. »Ich weiß ehrlich gesagt wirklich nicht, wieso ich mich auf dich eingelassen habe«, unterbricht er einfach ihren Schwall an Worten und verschränkt wütend die Arme vor der Brust. »Du bist nicht mal mein Typ. Du bist hysterisch, laut, selbstverliebt und einfach nur künstlich. Eine Tussi! Ich kann Tussis nicht leiden.«
Diese Aussage überrascht mich und lässt mich verwundert blinzeln.
Allerdings bin ich auch froh, dass er sich nicht von diesen narzisstischen Anwandlungen mitschleifen lässt, so wie ich es einst getan habe.
»Du hast Recht!«, nutzt er ihr geschocktes Schweigen. »Morgan ist eher mein Typ und ich sehe lieber Frauen, wie sie an, als so dämliche Weiber, wie dich!«
Es überrascht mich, dass nun er so auf Angriff geht und selbst ordentlich austeilen kann.
»Abgesehen davon, ist sie um Welten besser im Bett«, setzt er noch nach und lässt damit wirklich nichts aus, womit man einem geliebten Menschen weh tun kann. »Sie schreit wenigstens nicht übertrieben gekünstelt und macht klare Ansagen!«
Bevor Sandy darauf antworten kann und mir deshalb das Trommelfell platzt, mache ich mit einem lauten Räuspern auf mich aufmerksam, während ich auf sie zugehe.
»Macht das bitte woanders aus.« Mit einer Handbewegung bedeute ich, dass deren Gebrüll nicht nur bis in den Garten hinter hallt, sondern vermutlich auch die gesamte Nachbarschaft unterhält. "Ich dachte, Jolene wäre deutlich gewesen?"
»Was mischst du dich denn hier ein?«, keift mich Sandy direkt an. »Du hast hier gar nichts zu sagen!«
»Du bist so dumm«, brummt Cormack seine Begleitung an.
»Nun«, beginne ich der Dame mit ruhiger Stimme und einem zynischen Schmunzeln zu antworten, »das hier ist mein Grund und Boden, mein Haus, meine Familie und meine Freunde«, zähle ich auf und deute dabei herum. »Ich habe hier also jede Menge zu sagen. Und da du gerade meinen Freund hier beleidigst und ohne jeglichen Respekt behandelst, geht es mich sogar etwas an.«
Sandy nimmt einen tiefen Atemzug, um auf meine Aussage zu kontern, aber Cormack packt sie recht ruppig am Oberarm und zwingt sie dazu, ihn anzusehen.
»Überleg' dir gut, was du jetzt sagst. Denn greifst du sie an, greifst du uns alle an«, warnt er sie. »Und das Echo verträgst du ganz sicher nicht.«
»Warum? Ist sie eure Königin hier?«, fragt sie schnippisch, entreißt sich seinem Griff und verschränkt die Arme vor der Brust, während sie mich von oben bis unten ansieht.
»Ja, und zwar meine Königin«, höre ich plötzlich Jolenes Stimme hinter mir. »Und wenn ich euren Leben nicht die Hölle auf Erden bereiten soll, verlasst ihr innerhalb der nächsten dreißig Sekunden mein Grundstück.«
»Jolene«, brummt Cormack und sieht sie fassungslos an.
»Fünfundzwanzig.«
»Ist das eine Erpressung?«, fragt Sandy aufgebracht. »Wenn ja, dann werde ich das der Polizei melden!«
Jolene bleibt unbeeindruckt. »Tu' das. Du hast trotzdem nur noch fünfzehn Sekunden.«
»Jolene«, versucht es Cormack nochmal.
»Verschwinde«, bleibt sie standhaft und sieht ihm durchbohrend in die Augen. »Und vergiss diese Kackbratze hier nicht.« Jetzt nimmt sie Sandy in ihren Fokus und sieht ihr direkt in die Augen, während sie sich dicht vor sie stellt. Auf diese Weise verhindert sie, dass Sandy etwas erwidert und sich gegen Jolenes Beleidigung wehrt.
»Es tut mir leid«, entschuldigt sich Cormack. »Ich wusste nicht, dass sie ...«
»Fünf«, unterbricht Jolene und verdeutlicht, den Rauswurf ernst zu meinen, und jetzt nicht kleinbei zu geben. Egal, ob er was dafür konnte oder nicht, sie nimmt in diesem Moment seine Entschuldigung schlicht nicht an. »Bis Montag.«
»Bitte erlaube mir, die Sache mit Ky...«
»Nein«, unterbricht sie ihn harsch. »Solange es nicht bewiesen ist, hast du keinerlei Rechte, was diesen Jungen angeht.« Mit einer Geste gibt sie ihm erneut zu verstehen, unser Grundstück jetzt zu verlassen.
Cormack zögert, während Sandy ohne ein weiteres Wort geht.
»Jolene ...«
»Bis. Montag.«
Seufzend ergibt er sich ihrer Entscheidung, weil er genau weiß, dass Jolene nicht nur heiße Luft von sich gibt. Mit einem entschuldigenden Blick, dreht er sich schließlich um und geht.
Sandy hat vor unserem Tor auf ihn gewartet, aber Cormack marschiert strammen Schrittes an ihr vorbei und ignoriert sie einfach.
Ziemlich schnell hört man den Sound seines Wagens und ebenso schnell huscht dieser an unserem Haus vorbei - ohne Sandy auf dem Beifahrersitz.
Er hat sie eiskalt da stehen lassen ... verübeln kann ich ihm das aber nicht.
»Babe«, werde ich aus meiner Beobachtung gerissen und sehe in Jolenes liebliche Augen. Sanft legt sie ihre Hand auf meine Wange und mustert meinen Ausdruck.
Ich lege meine Hand auf ihre und lächle sie an. »Ich bin mir nicht sicher ob ich wegen deiner Ritterlichkeit geschmeichelt sein soll, oder nicht.«
»Sie waren ein Stressfaktor.«
»Sie haben mich nicht gestresst. Vor allem nicht Cormack.«
»Das ist mir egal«, wehrt sie ab. »Ich erlaube niemandem, mit dir so zu reden.«
»Du bist süß«, antworte ich schmunzelnd und ziehe sie zu mir, um ihre Anspannung mit einem Kuss zu lösen. »Sei Cormack nicht all zu böse. Der arme Kerl hat heute erfahren vielleicht seit sechs Jahren Vater zu sein.«
Jolene raunt unzufrieden. »Hoffen wir, dass er der Vater ist. Vielleicht wird er dann endlich mal erwachsen, damit ich ihm weniger in den Arsch treten muss.« Sie verdreht die Augen und zieht mich hinter sich her, zurück in unseren Garten, in dem immer noch all unsere Gäste sitzen.
Zum Glück hat das Szenario der guten Stimmung keinen Abbruch getan.
Das ausgiebige Footballspiel mit den Kindern ist beendet. Johnny, Brandon, Dennis und mein Bruder sitzen am Tisch und kühlen sich mit einem erfrischenden Bier ab.
Die Kinder selbst sitzen ausgepowert auf sämtlichen Schößen verteilt und geben keinen Ton mehr von sich.
Morgan und Amber haben sich ein wenig abgesondert und scheinen ein ernsthaftes Gespräch zu führen. Amber hält den müden Kyle im Arm, der seinen Kopf schlapp auf ihrer Schulter liegen hat, während Morgan ihrem Sohn über den Rücken krault und dabei nachdenklich wirkt. Vermutlich geht es um das Ereignis heute und ich finde es nur gut, wenn sich Morgan dahingehend auch ihrer Freundin öffnet - noch dazu kann ihr Amber, als Anwältin, sicherlich besser zur Seite stehen, vor allem, was die rechtlichen Dinge angeht, die eventuell auf sie zukommen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top