[Sechs] - Immer diese Gedanken
Für das Gespräch mit Morgan, um über unseren Finanzplan zu reden, bereiten Naddy und ich das Besprechungszimmer vor.
»Kommt Jolene eigentlich auch dazu?«, fragt sie, während sie ihre vorbereiteten Dokumente auf die Plätze verteilt, um zu wissen, ob sie alle vier verteilen soll.
»Gott sei Dank nicht«, murmle ich und verbinde meinen Laptop mit dem großen TV, um mein Bild später auf diesen übertragen zu können. Dort wollen wir Morgan die Immobilien zeigen, die wir im Auge haben.
»Gott sei Dank nicht?«, kommt es verwundert. »Habt ihr euch gestritten?«
»Nein«, gebe ich hastig von mir und räuspere mich. »Gegenteilig.«
»Gegenteilig?« Verwirrt schießt ihre Augenbraue in die Höhe. »Wie darf ich mir gegenteilig vorstellen?«
»Na ja, wir ... uhm ...« Erneut räuspere ich mich und versuche die aufkommende Röte zu unterdrücken, aber es gelingt mir nicht. Selbst wenn, hätte Naddy es auch ohne verstanden, wenn ich ihr Grinsen richtig deute.
»Du bist also froh, dass Jolene heute nicht kommt, weil du sonst kommst, wenn du sie siehst?«, kichert sie.
»Nein, das ... ist nicht der Grund.«
»Was ist dann der Grund?« Nun heben sich beide Augenbrauen verwundert.
»Ich will nicht mit Jolene und Morgan in einem Raum sein«, gestehe ich.
Einen langwirkenden Moment sieht mich Naddy musternd an und versucht herauszufinden, was genau mein Problem ist. »Was ist vorgefallen zwischen euch dreien?«, fragt sie nun misstrauisch. »Oh, mein Gott!«, stößt sie geschockt aus, als sie zu verstehen glaubt. »Habt ihr drei etwa...?«
»Nein!«, unterbreche ich sie. »Wir waren nicht im Bett!«
»Nicht im Bett? Wo denn dann? Küche?«
»Nein ... Oah! Doch, Küche, aber wir hatten keinen Sex!«
»Keinen Sex? Nein, stopp. Ich glaube, ich will das gar nicht wissen«, wehrt sie ab und legt sich ihre Hand vors Gesicht.
»Naddy!«, zische ich.
»Marias Garn in Herrgotts Arsch! Dann sprich doch mal ganze Sätze mit mir und nicht so halbe, gestotterte Worte, dann kommen auch keine Missverständnisse auf!«, regt sie sich auf.
Ich nehme einen tiefen Atemzug, den ich deutlich hörbar ausstoße, damit Naddy erkennt, wie genervt ich gerade bin. Erst dann berichte ich ihr von der Situation, die zwischen Morgan, Jolene und mir gewesen ist. Und auch, dass es mir nachwievor im Kopf umherschwirrt, weil ich einfach nicht herausfinden kann, ob sie beide das ernst gemeint haben, oder es wirklich nur war, um mich aufzuziehen.
Einen Moment lang schweigt sie, aber auch nur, weil sie ihre Lippen nach innen rollt, um zu verhindern, laut loszulachen.
»Das ist nicht witzig!«, zische ich wütend. »Hast du eine Ahnung, wie es ist, gleich von zwei Reids in die Mangel genommen zu werden??«
Sie räuspert ihr Lachen unter, grinst dann aber nur mit zuckenden Augenbrauen.
»Nicht so!«, fauche ich sie an. »Und selbst wenn mir der Gedanke gefallen würde, ich würde das niemals überleben! Nicht mit diesen beiden!«
»Der Gedanke gefällt dir bereits.« Unverändert grinst sie weiter.
»Bitte?!«
»Sonst wäre es kein Problem für dich, wenn Morgan und Jolene diesen Raum hier betreten. Aber du machst dir Gedanken darüber, was passiert, wenn sie es tun. Also hast du doch längst schon Fantasien in deinem Kopf.« Provozierend tippt sie mir gegen die Stirn, ohne ihren frechen Ausdruck abzulegen.
»Hab' ich nicht«, streite ich ab und verschränke meine Arme vor der Brust.
»Ich bin mir im übrigen ziemlich sicher, dass du das sogar ganz einfach überleben würdest«, ignoriert sie mich. »Denn du bist der einzige Mensch in diesem Universum, der gleich zwei Reids auf einmal händeln kann. Die beiden sind so vernarrt in dich, die machen alles was du willst. Im Bett ganz sicher auch.«
»Das stimmt nicht«, wehre ich ab. »Jolene spielt gerne mal mit, aber sie gibt ihre Macht nie ... wieso erzähle ich dir schon wieder von meinem Sexleben, während ich von deinem nix erfahre?«, unterbreche ich mich selbst und nehme eine Protesthaltung ein.
»Weil dein Sexleben einfach interessanter ist!«, lacht sie. »Also lenk' nicht vom Thema ab.«
»Ich lenke nicht vom Thema ab, ich beende es hiermit.«
»Cait«, schmunzelt sie nun und tätschelt meine Schulter.
»Dass du mich bei dem Thema nicht einmal ernst nehmen kannst«, beschwere ich mich.
»Ich nehme dich ernst, es ist nur immer wieder amüsant, wie sehr du dich da reinsteigerst.« Tatsächlich wird ihr Ausdruck jetzt ernst. »Sind wir doch mal ehrlich: Jolene würde das nie zulassen.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Sie schien tatsächlich nicht uninteressiert«, brumme ich. »Sie hat selbst einmal gesagt, dass sie mit Morgan ins Bett gehen würde.«
»Wenn es nicht ihre Cousine wäre«, ergänzt sie und hebt betonend ihren Zeigefinger. »Jolene ist viel zu dominant im Bett, als dass sie die Kontrolle abgeben würde. Morgan ebenso, weshalb ich denke, dass Jolene nicht unbedingt Sex mit 'sich selbst' haben möchte. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dich im Bett ganz für sich alleine haben will und deshalb Morgan nicht mal an dich lassen würde.« Sie zwinkert aufmunternd und legt einen Arm um mich. »Sie spielen nur mit dir, Cait. Es ist so unsagbar leicht, dich aus der Fassung zu bringen. Sie haben Spaß daran und finden dich süß, wenn du rot anläufst.«
Mit einem hörbaren Schnaufen nicke ich, dennoch lasse ich sie wissen, es trotzdem nicht lustig zu finden, wenn man meine Schwächen dazu ausnutzt.
Noch einmal klopft sie mir gegen die Schulter und geht an den Kühlschrank um ein paar Getränke auf den Tisch zu stellen.
Ich muss mich erst wieder ein wenig sammeln und von dem Gespräch erholen, ehe ich mich auf das konzentrieren kann, wegen dem wir heute hier sind.
Wir sind gerade mit den Vorbereitungen fertig, als Morgan den Raum betritt. Ich bin immer wieder erstaunt, wie konsequent sie ist, wenn sie für ihre Arbeit einen Anzug trägt, die Brille auf der Nase und ihre Haare nach hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden. Obwohl sie auch in diesem Outfit unglaublich sexy aussieht, ist ihre Erscheinung eine ganz andere. Selbst mir gegenüber ist sie distanzierter und macht keine anzüglichen Anspielungen oder Annäherungen; bleibt stets kühl und ist absolut auf das Geschäft fokussiert.
Sehr zu meiner Freude, denn es würde mich wirklich aus dem Konzept reißen, würde sie auch auf beruflicher Ebene so mit mir umgehen, wie sie es privat tut.
»Zeigt mir, was ihr habt«, sind ihre Worte, als sie sich auf einen der Stühle an den Tisch setzt und uns auffordernd ansieht.
Naddy zeigt ihr direkt den Finanzplan, den sie bereits erstellt hat und erklärt ihr die einzelnen Positionen, während ich die Präsentation öffne, in der wir wichtige Fakten zu den interessanten Immobilien zusammengefasst haben.
Zum einen ist die Etage unter uns dabei. Wir könnten sie dazu mieten. Allerdings ist die Pacht sehr hoch angesetzt und wir dürften keine direkte Verbindung in Form einer Treppe zwischen den beiden Etagen einsetzen. Wir müssten also immer regulär durch das Treppenhaus, und das wäre natürlich kontraproduktiv.
Dann haben wir zwei Objekte, die man pachten könnte. Bei der einen wäre der Preis akzeptabel, allerdings die Ortslage eher ungünstig. Bei der anderen wäre die Ortslage gut, aber der Preis entsprechend hoch.
Wegen der hohen Mietpreise haben wir uns dann auch nach Immobilien umgesehen, die zum Verkauf stehen, um zu gucken, ob wir damit günstiger weg kämen. Aber wir sind uns unsicher, was das im Ganzen bedeutet, da gewiss noch andere Kosten hinten dran hängen, die wir auf Anhieb nicht sehen. Deshalb hätten wir gerne Morgan als Ratgeber, die sich nicht nur damit auskennt, sondern auch ein Gehirn wie einen Taschenrechner hat und blitzschnell sämtliche Rechnungen kalkulieren kann.
Bevor wir aber wirklich zum Wesentlichen kommen, klingelt mein Handy. Zunächst ignoriere ich den Anruf, aber als es nicht aufhört zu klingeln und dieser Jemand ganz hartnäckig ist, erlaube ich mir doch einen Blick.
Mit einem Seufzer entschuldige ich mich und nehme das Gespräch an. Denn es ist Chesters Schule, die mich da anruft.
»Reid«, melde ich mich. Selbst nach drei Jahren Ehe beschert es mir immer noch Gänsehaut, wenn ich mich selbst so nennen höre. Es ist nicht so, dass ich mich noch nicht daran gewöhnt habe; es ist eher, dass es mir unglaublich gut gefällt und ich immer noch emotional werde, wenn ich an den Tag unserer Hochzeit denke.
Eine weniger erfreute und strenge Stimme meldet sich und stellt sich als die Direktorin von Chesters Schule vor. Sie bittet mich, sofort zu kommen und meinen Sohn abzuholen, da es ein Vorkommnis gab.
Auf Nachfrage, was passiert ist, bittet sie mich vehementer zu kommen, weil sie das nur persönlich besprechen möchte.
Oh je. Das Kind ist erst fünf Jahre alt, was kann er schon angestellt haben, dass die Direktorin so ernst klingt?
»Es tut mir leid«, entschuldige ich mich bei Morgan und Naddy. »Ich muss Chester von der Schule abholen.«
»Was hat er angestellt?«, will Naddy verwundert wissen.
»Keine Ahnung, das erfahre ich erst, wenn ich dort bin.« Ich gehe um den Tisch herum, und verabschiede Naddy mit einem Kuss auf die Wange. »Ich vertraue dir. Egal welche Entscheidung ihr trefft, ich gehe konform«, versichere ich und wende mich dann Morgan zu, um auch ihr zum Abschied einen Kuss auf die Wange zu geben. Die aber dreht ihren Kopf schnell genug, damit meine Lippen auf ihren landen. Gefolgt von einem schelmischen Grinsen und der Begründung, dass wir uns nicht mehr sehen werden, bevor sie nach New York zurück fliegt.
Trotzdem schlage ich ihr leicht gegen die Schulter, muss aber dennoch lächeln. So viel dazu, dass sie mir gegenüber Anständiger ist, wenn sie ihren Business-Dress trägt.
Auf dem Weg zum Auto versuche ich, Jolene zu erreichen, aber sie geht nicht ans Telefon und auf Nachrichten reagiert sie auch nicht. Entweder sie steckt in einem Meeting fest oder in dunklen Sphären der Einser und Nullen.
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