[Elf] - Wochenende voller Frust

Es ist bereits spät am Abend, als ich nach Hause komme.
Naddy und ich haben uns dazu entschieden, dass sie mir nach dem Wochenende berichtet, auf welchen Nenner sie mit Morgan gekommen ist. Denn auch sie haben die Diskussionen durchaus geschlaucht, weshalb sie nicht mehr den Nerv hatte gegebenenfalls mit mir nochmal zu diskutieren.
Für mich aber war das okay, denn auch ich hätte nicht mehr den Kopf für solche belange gehabt.

Chester hat spontan den Wunsch geäußert, das Wochenende bei seinem Vater zu verbringen und Johnny hatte nichts dagegen, weshalb ich den Jungen noch bei ihm abgeliefert habe.
Auch mir kam das ganz gelegen, denn ich weiß, dass mich zu Hause noch etwas erwartet.
Jolene und ich sind heute nicht sehr friedlich auseinander gegangen und irgendwie habe ich das Gefühl, die Sache ist noch nicht beendet. Da muss Chester unsere Debatte nicht wirklich mitbekommen - vor allem nicht, wenn es um ein Geschwisterchen für ihn geht.

Jolene sitzt am Esstisch und tippt in ihrem Laptop herum. Ihrem konzentrierten Ausdruck nach ist sie gerade am Programmieren.
Schweigend setze ich mich zu ihr und sehe sie an.
Erst jetzt hebt sie ihren Blick, sieht demonstrativ zur Uhr und schaut dann wieder auf das Display ihres Laptops. »Und?«
»Was und?«, frage ich verwundert.
»Stimmt er zu?«
»Wer? Zu was?«
Mit einem Schnaufen hört sie auf zu tippen, klappt den Laptop zu und sieht mich an. »Johnny. Wird er der Daddy von deinem Baby?«
Solch einen bissigen Ton bin ich von Jolene nicht gewohnt, und ehrlich gesagt, macht sie mich damit sogar wütend.
»Ich habe mit ihm nicht darüber geredet«, wehre ich ab und sehe ihr hinterher, weil sie aufsteht und ihre leere Tasse in die Spüle stellt.
»Wieso nicht?«
»Warum hätte ich das tun sollen?«, stelle ich die Gegenfrage und erhalte nur ein durchaus zynisches Schulterzucken von ihr. »Ich werde ihn darauf nicht ansprechen, ohne es mit dir vorher besprochen zu haben.«
»Wir werden dazu aber nichts besprechen.«
»Wieso nicht?«, frage nun ich im selben Ton, wie sie zuvor.
»Weil ich nicht will, dass Johnny der Spender ist.«
Ich nehme einen tiefen Atemzug und stehe auch auf. »Kannst du das bitte begründen? Was spricht denn gegen ihn als Spender? Er ist Chesters leiblicher Vater, unser Kind hätte dann also dieselben Gene wie er. Sie wären richtige Geschwister.«
»Sie wären auch dann richtige Geschwister, wenn der Spender ein Fremder ist. Denn sie wachsen zusammen und mit denselben Eltern auf.«
»Aber nicht genetisch«, wehre ich ab. »Sie würden sich nicht mal ähnlich sehen.«
»Die Garantie gibt auch kein Johnny«, knurrt sie und geht an mir vorbei, um ihren Laptop wegzupacken.
»Aber sie ist höher, als bei jedem anderen«, argumentiere ich weiter, werde von ihr aber ignoriert. »Ich wäre bereit es nochmal zu versuchen. Aber nur, wenn Johnny der Spender ist.« Demonstrativ verschränke ich die Arme vor der Brust.
Erst jetzt sieht sie mich an und ihr Blick ist beinahe verachtend, denn ein Ultimatum ist etwas, das sie nicht gerne gestellt bekommt. »Okay«, knurrt sie erneut. »Dann geht es hierbei wohl nur um dein Kind, denn offensichtlich habe ich dabei kein Mitspracherecht mehr.«
»Wir müssen uns einig sein, sonst wird das nichts«, versuche ich sie mit einem sanfteren Ton etwas zu beruhigen.

»Was, wenn er nein sagt?«, will sie dann wissen. Ihre Kiefermuskeln pulsieren, während sie mich durchdringend ansieht.
»Dann hat sich das sowieso erledigt.«
»Ach!«, schnaubt sie verächtlich. »Aber wenn ich 'nein' sage, wird das nicht akzeptiert?«
Sie zu beruhigen gelingt mir offensichtlich nicht.
»Würdest du mir einen Grund nennen, wieso du dagegen bist, würde ich das vielleicht tun!«, schieße ich im selben Ton zurück. »Ich kann dir jedenfalls nur Vorteile nennen. Ganz offensichtlich ist er sehr treffsicher und seine Schwimmer wissen genau, wo sie hinmüssen. Immerhin hat er drei Söhne beim jeweils ersten Schuss hinbekommen!
Durch ihn wären Chester und unser Kind genetisch richtige Geschwister.
Und wir wissen beide, dass Johnny wirklich gesunde und auch hübsche Kinder zeugt«, zähle ich all jene auf. »Er ist ...«
»Cait! Nein!«, unterbricht sie mich wütend, dreht sich um und verlässt strammen Schrittes das Haus. Erneut schlägt sie die Tür laut hinter sich zu und lässt mich in dem stillen und leeren Haus alleine zurück.
Es ist sogar so still, dass ich hören kann, wie sie die Garagentür zuschlägt.

Erschöpft und niedergeschlagen von diesem Gespräch, lasse ich mich auf den Stuhl zurück sinken und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Ihre Vehemenz und Ablehnung schmerzen und treiben mir die Tränen in die Augen.
Ich bin wirklich davon ausgegangen, sie würde bei der Idee zustimmen. Zumal das alles einfacher machen würde.
Dass sie dabei aber so extrem ablehnend reagiert, hat mich vollkommen überrascht, weshalb ich nun gänzlich verunsichert bin und nicht so recht weiß, ob ich dieses Thema überhaupt nochmal zum Thema werden lassen möchte.
Wenn wir uns da nicht einig werden und es immer wieder im Streit endet, weil wir unterschiedliche Ansichten haben, ist es ohnehin fraglich, ob das so gesund für unsere Beziehung ist. Warum also all das riskieren? Wir haben Chester und er macht uns glücklich. Durch ihn sind wir doch bereits eine Familie. Man muss das Schicksal nicht immer auf Biegen und Brechen herausfordern.

Das gesamte Wochenende bekomme ich Jolene kaum zu Gesicht. Von Morgens bis Abends verbringt sie ihre Zeit in der Garage bei ihrem Pontiac. Nur zwischendurch kommt sie ins Haus, um etwas zu essen oder am Laptop zu recherchieren und Ersatzteile zu bestellen.
Wenn wir etwas reden, dann nur das Nötigste. Ansonsten ist sie mir gegenüber sehr distanziert. Ich kann nicht einschätzen, ob sie sauer ist, oder selbst über die Situation nachdenkt. Jedenfalls bin ich deshalb sehr verunsichert und weiß nicht, wie ich mit ihr umgehen soll oder kann, weshalb ich mich dann zurückhalte und auf ihre Schritte warte.
Nur abends im Bett sind wir uns nahe. Immerhin darf ich mich noch an sie schmiegen und genieße es, wenn sie ihren Arm um mich legt. Aber die Küsse auf meine Stirn bleiben aus.

Da mir die Lust an sämtlichen Dingen verloren gegangen ist und ich mich zu nichts aufraffen kann, liege ich zumeist mit dem Tablet auf der Couch und betrachte mir die drei Immobilien, die wir für CaddySign im Auge haben. Naddy hat extra die Exposés bei den Maklern angefordert, denn insbesondere die Grundrisse interessieren uns.
Mir schwirrt der Kopf, wenn ich daran denke, wieviel Geld wir für unsere Vergrößerung in die Hand nehmen müssen. Denn einfach nur eine größere Bürofläche alleine reicht nicht. Neben dem Kaufpreis müssen wir auch in Renovierung, Möbel und Hardware investieren. Keine geringen Ausgaben, wenn ich das grob überfliege.
Aktuell haben Naddy und ich sechs Angestellte und zwei Studenten. Für all die Projekte, die auf uns zukommen, müssen wir weitere fünf Leute einstellen. Und die wollen ja auch entsprechend ihrer Qualifikation bezahlt werden.
Ich kenne die Zahlen von CaddySign nicht so gut wie Naddy, weshalb ich auch nicht einschätzen kann, wie sie und Morgan sich einig geworden sind. Aber ich weiß auch, würde das nicht funktionieren, hätten sie mich das schon wissen lassen.
Da Naddy aber befürchtet, auch mit mir diskutieren zu müssen, gibt es wohl mehrere Lösungen, oder eine, die mir nicht gefallen könnte.
Aber darüber möchte ich mir jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Morgen wird sie mich schon einweihen. Deshalb bleibe ich dabei, mir die Grundrisse und Fotos anzusehen, und überlege, wo wir was wie am besten gestalten und stellen können; bei welcher Immobilie wir uns am besten präsentieren beziehungsweise für alle Mitarbeiter eine schöne Atmosphäre schaffen können.

Weil mir das auf dem Tablet irgendwann zu umständlich wird, drucke ich mir die Exposès aus und setze mich an den Esstisch, um auf jedem von ihnen die Pro- und Kontras notieren zu können. Ebenso nutze ich die Grundrisse, um schonmal Möbel einzuzeichnen.

Am Sonntag nachmittag fahren wir dann gemeinsam zu Johnny, um Chester abzuholen.
Die erste Handlung von Jessica ist, mir den quengeligen Isaac in den Arm zu drücken, der sich mal wieder auf magische Weise direkt beruhigt und sein süßes Lächeln zeigt.
Er erinnert mich dabei unglaublich an Chester, als ich diesen zum ersten Mal gesehen habe. Johnny kann sich dahingehend durchsetzen. Der einzige Unterschied zwischen Chester und seinen Brüdern ist lediglich die Farbe der Augen und Haare. Denn sowohl Johnny als auch Jesscia haben dunkelbraune bis schwarze Haare, und Jessica hat ihren Söhnen ihre braunen Augen vererbt.
Bei Chester hat sich definitiv Jolene durchgesetzt - was natürlich wenig verwunderlich ist. Er trägt ihre grünen Augen, ihre Lippen und Nase.
Deshalb habe ich bei der Suche nach einem Spender darauf Wert gelegt, dass dieser die genetischen Merkmale von Jolene hat, damit unser Kind Ähnlichkeit zu uns beiden hat.
Dabei kommt mir der Gedanke, dass das vielleicht der Grund ist, wieso Jolene gegen Johnny als Spender ist? Aber wenn dem so ist, wieso hat sie es dann nicht einfach gesagt? Denn das wäre für mich durchaus ein gutes Argument gewesen, und wir hätten uns die Debatte sparen können.

Chester zeigt uns direkt voller Euphorie, welche Tattoos ihm sein Vater auf die Haut gemalt hat, als er mitbekommt, dass wir da sind.
Auf seinem gesamten linken Arm ist ein Dinosaurier abgebildet und Chester erklärt direkt, welche Gattung es ist, wie sich dieser ernährt und in welchem Zeitalter er gelebt hat.
Unauffällig mustern Jolene und ich dann auch seine Blutergüsse, die zwischenzeitlich die Farbe gewechselt haben, aber wieder auf dem Weg der Besserung sind. Einige davon hat Johnny genutzt, um aus ihnen auch ein Tattoo zu 'zaubern'. Kurz muss ich darüber schmunzeln, weil es witzig aussieht.
Johnny berichtet, dass sie gestern noch dunkel Lila gewesen sind und heute erheblich besser aussehen.

»Cait erzählte, dass du der Mutter von dem anderen Kind einen Besuch abgestattet hast«, spricht Jessica Jolene darauf an, während sie uns Kaffee hinstellt.
»Lebt sie noch?«, fragt Johnny glucksend.
»Tut sie«, antwortet Jolene.
»Ich hoffe nur, ihre Kinder lassen Chester dann in Ruhe und rächen sich nicht«, gebe ich vorsichtig von mir.
»Sie werden ihn in Ruhe lassen«, versichert Jolene. »Ich habe sie auch dahingehend wissen lassen, was mit ihr passiert, wenn sie Chester nur ein einziges Mal belästigen.«
Ihre Stimme ist immer noch kühl und hart. Ich kann nicht einschätzen, ob sie noch wegen unserer Sache erbost ist, oder ob es sich auf diese andere Familie bezieht.
Vielleicht ist es auch eine Mischung aus beidem. Jolene ist schwer einzuschätzen, wenn es um Gefühle geht, da sie diese nie wirklich zeigt. Man erkennt maximal, ob sie gut gelaunt ist, oder nicht. Ob sie etwas beschäftigt, oder freut ist selten zu erahnen.
Aber ich bin mir sicher, dass die Sache mit Chester nicht einfach an ihr vorbeiging, und ich mag mir auch nicht vorstellen, wie sie mit Rambos Mutter umgegangen ist. Die hat vermutlich 100% Reid kennenlernen dürfen; und das hoffe ich auch. Nach deren Auftritt im Krankenhaus, gehört sie zu den Menschen, für die ich so gar kein Mitleid empfinde.

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