[Einundachtzig] - Ein fieser Schachzug

In der darauffolgenden Woche bleibt mir eine kleine Zusammenkunft mit Freunden und Familie wegen meines Geburtstages nicht erspart. Wobei 'klein' vermutlich ein wenig untertrieben ist, wenn man bedenkt, wie voll unser Garten ist. Achtzehn Erwachsene und elf Kinder. Sogar Jolenes Mutter hat sich zu uns gesellt.
Seit sie sich gegen den Admiral entschieden und sich somit seinem Einfluss entzogen hat, wirkt sie viel entspannter und auch gelassener. Zumindest ist sie zugänglicher und nicht mehr ganz so extrem zugeknöpft. Manche Macken und Eigenarten aber kann sie trotzdem nicht ablegen. Zum Beispiel die Belehrungen, der Reinheitsfimmel und ihr extremer Glaube, wegen dem sie viele Gegebenheiten trotzdem nicht für gut befindet, aber sie meckert weniger darüber. Und wenn meine Mutter in ihrer Umlaufbahn ist, ist sie sowieso um einiges harmloser, weil die Gelassenheit meiner Mutter auf sie überschwappt.
Danielle ist zu meiner Freude auch gekommen und hat ihre drei Kinder dabei. Patrick, Eugene und Sandy.
Mehrmals an diesem Tag muss sie erklären, dass die Namenswahl ihrer Kinder nichts mit Spongebob zu tun hat, sondern zufällig ist; beteuert ebenso, ihre Kinder andere Namen zu geben, wenn sie die Möglichkeit dazu bekäme.
Zu Beginn war ich skeptisch, wie ihre Anwesenheit insbesondere auf Jolene wirkt, da diese ja eigentlich sehr deutlich gewesen ist, was meine Einladung von Danielle angeht.
Zu meiner Überraschung aber scheint das Verhältnis entspannt und Jolene heißt sie sogar willkommen.
Wie mir Danielle berichtet, hat Jolene sie Montags zu einem Einzelgespräch geladen und mit ihr über ihre weitere Zukunft bei HTS gesprochen.
Grinsend bedankt sich Danielle bei mir, weil sie denkt, ich hätte Einfluss auf Jolene ausgeübt. Aber das habe ich tatsächlich nicht. Zumindest nicht direkt, denn unser Streit wegen Danielles Einladung zu meinem Geburtstag ist ein wenig ausgeartet und hat schließlich dazu geführt, dass Jolene das Unternehmen gänzlich übernommen hat und sich deshalb andere Möglichkeiten ergaben, die Danielle dann zugunsten kamen.
Und auch sonst wurde Danielle sehr herzlich in unserem Kreise aufgenommen. Von Naddy wurde sie scherzhaft mit einem »Muss ich jetzt Angst um meinen Rang als beste Freundin haben?« begrüßt.
Natürlich muss sie darum keine Angst haben. Naddy ist einfach unersetzbar für mich; wobei ich feststelle, dass sich die beiden in ihrer Art sehr ähneln. Beide sind offen, aufgeweckt und nicht auf den Mund gefallen. Trotzdem weiß ich nicht, ob Danielle und ich je wieder dahin kommen, wo wir einst gewesen sind, bevor sich unsere Wege getrennt haben.

»Ich habe im übrigen auch wieder Kontakt zu Eli«, erzählt sie mir grinsend. »Er ist tatsächlich Arzt geworden«, erwähnt sie beeindruckt. »Kinderarzt, genauer gesagt, und der Arzt meiner Kinder. So haben wir uns wieder getroffen.«
Manchmal ist selbst eine so große Stadt wie Miami ein Dorf. Dennoch bin ich wenig überrascht. Es war schon immer sein Wunsch gewesen, Arzt zu werden; und dafür hat er immer fleißig gelernt und sich äußerst darum bemüht einen Studienplatz an der Stanford Universität zu ergattern.
»Eli?«, mischt sich Winnie ein, die bei dem Wort Kinderarzt aufmerksam wird. »Eli MacCane?«
»Ja, du kennst ihn?«, fragt Danielle verwundert.
»Er ist sowas wie mein Vorgesetzter.« Winnie schmunzelt und berichtet über ihr Studium der Medizin, dass sie jetzt als Assistenzärztin tätig ist und ebenfalls einmal Kinderärztin werden möchte; sie daher Eli kenne.
»Wer ist Eli?«, fragt Morgan neugierig und sieht mich mit einem Schmunzeln an.
Mein Blick richtet sich zu Jolene, die neben mir sitzt und mir sanft den Nacken krault; aber auch sie sieht mich auffordernd an.
»Er war auf der High School mein Freund«, gebe ich zu und lächle schwach.
»Vier Jahre lang«, plaudert Danielle einfach los. »Und sie waren zweimal in Folge Ballkönig und Ballkönigin.«
Weil es mir unangenehm ist über meine Jugend und insbesondere meine Jugendliebe zu reden, sinke ich ein wenig in den Stuhl hinab und versuche die aufkommende Röte zu verhindern.
Während Naddy einen Schrei vor Überraschung loslässt, sehen mich Jolene und Morgan an, als hätten sie nichts anderes erwartet.
»Diese Beziehung triefte nur so vor High School-Romanzen-Klischee«, plappert Danielle weiter.
»Ouh, warst du etwa die coole Cheerleaderin, die den ebenso coolen Quarterback hatte?«, fragt Morgan und zuckt frech mit den Augenbrauen.
Dieser Blick trägt nicht gerade dazu bei, mich gegen meine Gesichtsröte zu wehren.
»Er war nicht der Quarterback. Er war Wide Receiver«, antworte ich murmelnd.
»Aber er war ein Footballspieler«, gibt Morgan amüsiert von sich.
»Und sie war keine Cheerleaderin«, fügt Danielle hinzu. »Wobei sie aber gut zu uns gepasst hätte.«
»Hätte ich nicht«, weise ich ab und verschränke die Arme vor der Brust. »Ich bin ein Bewegungslegastheniker.« Und Sport war zudem auch nie mein Lieblingsfach in der Schule. Bei Softball konnte ich schon froh sein, wenn ich den Ball in die richtige Richtung geworfen habe, geschweige denn mehr als zwei Meter weit; bei den Dehnübungen bin ich mal so blöd umgefallen, dass ich mir einen Bänderriss zugezogen hatte und einmal habe ich einer Freundin die Nase gebrochen, weil ich ihr den Basketball aus Versehen ins Gesicht geworfen habe, anstatt nach oben zum Korb. Seither habe ich entschieden, mich von Sport fernzuhalten; es ist einfach zu gefährlich - für mich und alle in meiner Nähe.
»Spielt auch keine Rolle«, spricht Jolene und reißt mich aus meinen Gedanken. »Weil du einfach viel zu süß bist, um dich nicht zu wollen«, raunt sie mir dann sinnlich ins Ohr.

Zu meiner Erleichterung ist das Thema dann auch wieder beendet. Winnie und Danielle unterhalten sich jetzt angeregt über Medizin und Winnies Ziel, Kinderärztin zu werden. Morgan und Naddy verfallen in eine Diskussion über Klischees von High Schools; wie nah und fern die Filmindustrie ist.
Ich selbst lasse meinen Blick durch die Runde wandern und verharre mit meiner Aufmerksamkeit bei meinem Bruder, der sich angeregt mit Ian unterhält. Leicht neige ich meinen Kopf, als ich das Funkeln in den Augen beider Männer sehe.
»Du siehst dann wohl auch das, was ich gerade sehe«, flüstert mir Jolene grinsend ins Ohr, die sich dafür ein wenig zu mir lehnt.
Verunsichert sehe ich sie an, weil ich in diesem Thema nicht gerade die Stärkste bin. »Haben die gerade miteinander geflirtet?«, frage ich flüsternd zurück, nur um sicher zu gehen.
»Die ganze Zeit schon«, antwortet sie grinsend.
»Was habe ich verpasst?«, frage ich überrascht.
»Seit der Sache mit dem Trojaner. Sie waren in derselben Schicht und anscheinend hat's gefunkt«, antwortet sie immer noch amüsiert. »Ein Glück ist deine Mutter nicht so zugeschnürt wie meine, denn die hätte vermutlich schon einen Nervenzusammenbruch erlitten, wenn sich all ihre Kinder zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen«, fügt sie frotzelnd hinzu.
»Was ist mit Zac? Ich dachte Ian wäre mit ihm zusammen?«
»Das war nie etwas ernstes«, erklärt sie.
Seufzend nicke ich und sehe wieder zu den beiden Männern hinüber. Trotzdem bin ich überrascht, weil ich bei meinem Bruder nie eine Tendenz erkannt habe. Aber wenn ich die letzten vier Jahre zurückdenke, fällt mir auf, dass er tatsächlich nie eine Freundin gehabt hatte. Zumindest hat er uns nie eine vorgestellt oder von einer erzählt. Von einem Freund aber auch nicht. Ich habe mir aber auch nie Gedanken darüber gemacht, weil er ohnehin nicht den Eindruck erweckte, bereit für Beziehungen zu sein.
Aber irgendwann muss wohl auch er mal erwachsen werden und das Leben ernsthafter angehen.
Ich schmunzle kurz und lasse meinen Blick weiter wandern.

Eigentlich hatte ich meinen Geburtstag gar nicht feiern wollen, weil mir einfach nicht danach war - vor allem nicht nach all dem, was gewesen ist. Aber meine Freunde sind wie sie sind und haben meinen Willen einfach ignoriert.
Jetzt bin ich ihnen dafür dankbar, denn es tut mir unglaublich gut, den schönen, sonnigen Tag in unserem Garten zu verbringen; mit all meinen Lieben.
Die Kinder, die gemeinsam und ohne viele Streitereien zusammen spielen; lustige Gespräche kreuz und quer über die Tische hinweg; ausgelassene und fröhliche Stimmung, begleitet von dem anziehenden Geruch der vom Grill kommend durch die Luft getragen wird.
Immer mal wieder versucht jemand, das Geschlecht unseres Kindes aus mir herauszubekommen, aber bis jetzt konnte ich wirklich jeden Versuch erkennen und rechtzeitig einlenken.
Jolene ist tatsächlich die Einzige, die nicht versucht, aus mir herauszubekommen, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird - und das seit dem Tag unserer Wette.
Ich bin mir deshalb nicht sicher, wie ich das werten soll. Weiß sie es vielleicht schon und sagt deswegen nichts? Oder hat sie einen Plan und wartet nur auf den richtigen Moment? Wartet sie vielleicht auch einfach nur, bis ich mich verplappere?
Es ist zu schwer, sie einzuschätzen und sie lässt auch absolut nicht erkennen, was sie weiß. Immer, wenn es einer meiner Gäste versucht hat, habe ich insbesondere sie angesehen, um ihren Ausdruck zu mustern. Er war abwartend, aber nicht von großer Neugier geprägt, dafür aber mit einem Schmunzeln unterlegt. Also weiß sie es schon? Wenn ja, wie hat sie es herausgefunden, ohne dass ich es gemerkt habe?
Sie darauf anzusprechen und zu fragen wäre aber sinnlos, denn sie wird dazu genauso verschwiegen sein, wie ich es bin, was das Geschlecht unseres Kindes angeht.

Dieser eine Tag hat mir unglaublich viel Energie geliefert. Es war wohltuend und stärkend, all meine Freunde und Familie um mich herum zu haben. Zu sehen und zu spüren, wie eng wir alle miteinander verbunden sind. Dieser Zusammenhalt und die daraus resultierende Zuversicht, diesen schweren Meilenstein bewältigt zu bekommen, geben mir die Kraft, die anhaltend angespannte Situation zu überstehen.
Jolene ist immer noch viel unterwegs, dieses Mal aber, weil sie nicht nur HTS neu strukturieren muss, sondern auch die anderen Unternehmen, die ihre Geschäftsführer verloren haben.
Dies belastet uns jetzt aber weniger als vorher, weshalb ich damit wesentlich besser klar komme. Es liegt aber auch daran, weil sich Jolene jetzt besser terminiert und nicht mehr ständig die Verabredungen mit mir und Chester sausen lässt.
Ich verlasse gerade unser Zimmer, als es an unserer Haustür klingelt, und als ich die Treppen nach unten gehe, öffnet Jolene die Tür und ich erkenne vier Männer dort stehen. Zwei von ihnen in einem schicken Anzug, die anderen beiden tragen eine Polizeiuniform.
Zunächst vermute ich, in unserer Nachbarschaft ist etwas passiert und die Polizei erhofft sich Hinweise durch uns.
Aber als dann konkret nach Jolene Reid gefragt wird, werde ich hellhörig und ein mulmiges Gefühl durchströmt meinen Körper. Chester schicke ich zum Esstisch, damit er seine Schale Cornflakes löffelt und im besten Fall so wenig wie möglich mitbekommt, während ich mich zu Jolene stelle, um zu erfahren, was hier los ist.

»Wir haben hier einen Haftbefehl gegen Sie«, offenbart der Mann im Anzug und zeigt uns das Dokument, das von einem Richter unterschrieben ist.
Geschockt sehe ich erst die Männer an, dann Jolene.
Diese aber scheint unbeeindruckt davon zu sein und bleibt absolut entspannt, während sie das Dokument begutachtet.
»Weshalb?«, will ich geschockt wissen.
»Steuerhinterziehung«, antwortet Jolene und gibt das Dokument mit einem gelassenen Schmunzeln an den Mann zurück.
Mein geschockter Blick schießt zu ihr.
»Keine Sorge, dem ist nicht so«, beschwichtigt sie mich direkt und lächelt. »Aber die Herren erklären mir jetzt bestimmt, wie sie darauf kommen.« Ihr auffordernder Blick geht zu den Männern.
»Wir haben ausreichend Hinweise erhalten, denen wir jetzt nachgehen und sie überprüfen müssen«, erklärt ein Mann mittleren Alters; gepflegt gestutzter Bart im selben Braun, wie sein nach hinten gegeltes Haar.
»Hinweise?«, fragt Jolene verwundert. »Ihr habt gerade mal nur Hinweise, nicht aber Beweise?« Skeptisch hebt sich ihre Augenbraue. »Ihr wollt mich also wirklich wegen unbewiesenen Hinweisen verhaften?«
»Es gab auffällige Geldbewegungen seitens Ihres Unternehmens«, erklärt der andere Mann.
»So läuft das, wenn ich ein paar Leute feuere, neue Unternehmen kaufe und in andere investiere«, erwidert Jolene und ihre Stimme verändert sich.
»Mir müssen verhindern, dass Sie Konten bereinigen oder Gelder wegschaffen, falls sich der Verdacht bestätigt.«
Jolene grunzt abfällig, weil sie sich ein Lachen verkneift. »Ihr gebt mir also nicht die Möglichkeit, mich zu diesen ausreichenden Hinweisen vorher zu äußern und euch die notwendigen Belege vorzulegen? So wie es eigentlich sein müsste?«
»Zunächst kommen Sie mit uns mit, dann können Sie sich erklären«, antwortet der dunkelhaarige Mann, »aber wir müssen das eingehend überprüfen und so lange bleiben Sie in Gewahrsam.«
»Wir haben einen Durchsuchungsbeschluss für Ihre Geschäfts- und Privaträume«, fügt der zweite hinzu und hält uns ein weiteres Dokument vor die Nase.
Jolene geht schweigend einen Schritt zur Seite und lässt die Männer herein.
»Wenn ihr mit der Durchsuchung fertig seid, sieht das Haus immer noch so aus wie jetzt«, spricht sie warnend.
Während die Polizisten neben ihr stehen bleiben, beginnen die beiden Beamten damit, sich in unserem Haus umzusehen. Hauptsächlich konzentrieren sie sich auf Jolenes Arbeitsplatz und den Schränken, in denen die Ordner mit den unterschiedlichsten Unterlagen stehen.

»Was machen die da?«, frage Chester verunsichert, der zu uns kommt. Ehrfürchtig betrachtet er die beiden Polizisten, dann die anderen Männer.
»Die suchen etwas«, beantwortet Jolene und streicht ihm durch sein braunes Haar.
»Wieso fragen die uns nicht einfach? Wir können ihnen doch sagen, wo es ist, dann müssen die
nicht suchen.«
»Sie werden nicht finden, was sie suchen, weil es nichts zu finden gibt«, erklärt Jolene.
»Was suchen die denn?«
»Das wissen sie auch nicht.«
Chester verzieht ungläubig das Gesicht. »Dann ist doch klar, dass sie nichts finden werden, wenn sie gar nicht wissen, was sie suchen.« Er verdreht neunmalklug die Augen und schüttelt mit dem Kopf.
Innerlich hoffe ich, dass er seine Gedanken nicht laut aussprechen wird, und uns so vielleicht in eine unangenehme Situation bringt.
Zum Glück aber schweigt er und beobachtet gespannt das Geschehen. Jolene steht neben ihm und hat die Arme vor der Brust verschränkt. Trotzdem wirkt sie immer noch äußerst gelassen und scheint das ganze nicht so ernst zu nehmen, wie ich.
Natürlich sind die Vorwürfe gegen sie unbegründet und sie hat nichts zu befürchten, dennoch wird sie gleich abgeführt und bis dahin in Haft gesetzt werden. Wenigstens das sollte ihr Unbehagen bereiten.
Immerhin respektieren die Männer unser Zuhause und folgen Jolenes Aufforderung, keine Unordnung zu machen. Alles, was sie nicht benötigen oder als Beweis sehen, legen sie artig an seinen Platz zurück. Nur jene Unterlagen, die für sie von Belang zu sein scheinen, klemmen sie sich unter die Arme.

»Könnt ihr im Beisein meiner hochschwangeren Frau und meines Sohnes auf die Acht verzichten, bitte?«, fragt Jolene unterschwellig, als die Beamten ihre Durchsuchung als abgeschlossen erklären und einer der Polizisten die Handschellen zückt.
Auch dieser Bitte wird gefolgt und sie erlauben ihr sogar, sich von uns anständig zu verabschieden.
Ihr Kuss ist kurz, aber bedeutungsvoll.
»Ruf Amber an«, spricht sie und lächelt sanft, während sie mir tief in die Augen sieht. »Sie beendet das ganze schneller, als es angefangen hat.« Zuversichtlich zieht sie mich wieder zu sich und drückt ihre Lippen gegen meine Stirn.
Dann wendet sie sich Chester zu, dem sie versichert, dass er sich keine Sorgen machen soll und sie nicht lange wegbleiben wird.
Zum Schluss legt sie ihre Hand liebevoll auf meinen Bauch und schenkt mir nochmals einen Kuss, der mich besänftigen soll, ehe sie mit den Männern das Haus verlässt.

Chester und ich bleiben in einer erdrückenden Stille zurück. Während er mich mit großen Augen fragend ansieht, versuche ich Haltung zu bewahren und nicht in Emotionen auszubrechen.
»Ist Mama jetzt im Gefängnis?«, fragt er.
Seufzend greife ich mir an die Nasenwurzel und überlege, wie ich ihm das erklären soll. Zumal sein Blick voller Sorge ist. Zwar sagte ihm Jolene, er müsse sich nicht sorgen, aber Chester weiß sehr gut, was Gefängnis bedeutet; immerhin hat er es durch seinen Vater bereits einmal erlebt.
»Mama hat nichts böses gemacht«, versichere ich ihm und zücke mein Handy, um Amber anzurufen, damit sie die Verhaftung so schnell wie möglich wieder rückgängig macht.
Wenn sie erfährt, dass man Jolene nur aufgrund eines Hinweises verhaftet hat, ohne ihr die Chance zu geben, sich dazu vorab zu äußern und gegebenenfalls Missverständnis zu klären und ihre Unschuld zu belegen, wird sie gewiss die gesamte Behörde einmal auf Links drehen.

Aber Amber geht nicht ans Telefon. Es klingelt ewig, bis sich letztlich nur ihre Mailbox meldet. Auch beim zweiten und dritten Mal.
Verzweiflung ereilt mich, und ich weiß auch nicht, wie lange ich vor Chesters Augen noch stark bleiben kann.
In solch einer Situation bin ich noch nie gewesen. Sie ist auch nicht annähernd ähnlich zu damals, denn damals konnte Jolene dank Morgan trotzdem alle Fäden ziehen.
Jetzt aber ist sie vollkommen abgeschottet und kann nichts machen; sie muss sich vollkommen auf uns verlassen.

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