Kapitel 8 - Der Code
Sofort bereiteten sich die beiden Männer vor. John zog seine Jacke an und rannte nach die Treppe runter, wo er dann Sherlock traf.
"Bereit?", fragte Sherlock.
"Niemals", antwortete John. Sherlock schenkte ihm ein kurzes Lächeln, dann verließen sie 221B Baker Street.
Als Sherlock und John bei Scotland Yard ankamen, rannte Lestrade bereits auf sie zu.
"Gut, dass ihr gekommen seid", rief er. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen war er sowohl aus der Puste als auch sehr beunruhigt.
Sherlock musterte ihn genau. "Also, was genau ist passiert?", fragte er. "Moriarty hat sich wahrscheinlich gewehr, oder?"
Lestrade schaute ihn an, dann schüttelte er den Kopf. "Ob Sie es mir glauben oder nicht, er hat sich nicht gewehrt. Aber das ist nicht das Wichtigste. Er hat es nicht nur geschafft, ohne weiteres an die Kronjuwelen heranzukommen, sondern auch, den Safe der Bank von England und die Zellen des Pentonville-Gefängnis zu öffnen."
Johns Mund klappte auf.
"Wie bitte? Wie kann er gleichzeitig die best bewachtesten Gebäude Englands einbrechen?"
"Keine Ahnung", sagte Lestrade. "Schon sehr seltsam, oder?"
"Nicht das ist seltsam", entgegnete Sherlock . "Das Seltsame ist, dass er sich sofort festnehmen lassen hat."
"Vielleicht hat er ja gemerkt, dass er nicht mehr fliehen kann?", schlug Lestrade vor. Sherlock seufzte einmal und Lestrade senkte ertappt den Kopf.
"Nein, er hätte auch einfach etwas schneller sein können, dann hätte er jetzt, was er wollte. Er wollte gefasst werden. Natürlich! Der Einbruch des Jahrhunderts. Alle Medien werden sich genau auf so etwas stürzen. Er will im Rampenlicht stehen", sagte Sherlock. John musterte ihn entsetzt. Moriarty wollte im Rampenlicht stehen?
"Aber er wurde doch gefasst. Hätte er nicht mehr Aufmerksamkeit erhalten, wenn er damit durchgekommen wäre?", fragte er. Sherlock sah ihn überrascht an.
"Du hast Recht", sagte er mit einem leichten Lächeln. "Nicht schlecht."
John lächelte zurück, während Lestrade sie etwas kritisch beobachtete.
"Was sollen wir jetzt mit ihm machen?", fragte Lestrade. Sherlock sah ihn verwundert an.
"Sie werden ihn natürlich vor Gericht bringen. Dazu brauchen Sie keinen Consulting - Detectiv!", rief er laut.
Lestrade sah ihn verwirrt an. "Gut, wieso sind Sie dann hergekommen?", fragte er.
"Ich wollte mir die Reaktion der Menschen ansehen. Es sind wahrscheinlich viele überrascht, oder?", fragte Sherlock mit scharfem Blick.
Lestrade lachte auf. "Überrascht? Wahrscheinlich eher durchgedreht! Sie haben Recht, die Medien stürzen sich auf so etwas. Und die Polizisten sehen wieder wie die dümmsten Idioten aus."
"Ganz was neues", murmelte Sherlock leise und erntete einen warnenden Blick von John. "Gut, danke für den Bericht, Graham."
"Greg!"
"Natürlich. Auf Wiedersehen!", sagte Sherlock und wollte wieder weggehen, als er sich noch einmal kurz umdrehte. "Ach, Lestrade?"
"Ja?", fragte Lestrade genervt.
"Der Mörder von Amanda Abbington war ihr Bruder. Hatte den Teil des Erbes haben wollen, was ihre Mutter ihr überlassen hatte", sagte Sherlock schnell. Lestrade zog überrascht die Augenbrauen hoch.
"Oh. Danke", sagte er etwas dumpf. Sherlock zeigte ihm ein falsches großes Lächeln, dann zog er John am Arm weg von dem Gebäude, zurück zu der Straße.
"Schnell. Wie gehen wieder zurück", murmelte er. John betrachtete ihn besorgt.
"Was ist los?", fragte er vorsichtig. Sherlock drehte sich zu ihm um.
"Dein Einwand von eben. Du hast Recht. Moriarty hat etwas vor, auch wenn er jetzt gerade noch hinter Gittern ist. Was bedeuten muss..." Sherlock riss die Augen auf. John sah ihn fragend an.
"Ja?"
Ohne zu antworten, ging Sherlock plötzlich los. John rannte ihm hinterher.
"Sherlock, was ist los?", fragte er, langsam etwas ungeduldig.
"Moriarty ist klug. Sehr sogar. Er hat genau zwei Möglichkeiten. Entweder lässt er sich einsperren, was in diesem Fall garantiert einige Jahre wären, oder er bringt es irgendwie fertig, dass man ihn irgendwann freilässt. Oh, das ist genial. Er wird natürlich die zweite Möglichkeit nehmen. Die Medien werden Himmel und Hölle in Bewegung setzen. Und es wird irgendetwas mit meinem Ruf zu tun haben." John warf ihm einen verwirrten Blick zu.
"Warum dein Ruf?"
"Jeder will seinen Feind lieber in Schande sterben lassen. Lieber ein Volk, was über den Tod lacht anstelle den Tod beweint", sagte Sherlock lächelnd.
"Du genießt das richtig, oder?", meinte John.
"Absolut. Es ist wie Weihnachten!", rief Sherlock laut. John starrte ihn lange an, dann musste auch er grinsen. Gott, Sherlock!
"Sherlock...", begann John, dann brach er ab und blieb stehen. Sherlock blieb ebenfalls stehen und sah ihn an.
"Ja?"
"Du... redest die ganze Zeit von deinem Tod und seinem Tod..."
Sherlock sah ihn an. "Und?"
"Bitte hör damit auf. Tu bitte nicht so, als wäre dein Tod bereits entschieden. Das darf er noch nicht sein", sagte John langsam. Sherlocks Gesichtszüge legten sich sofort.
"John... ich wollte dich nicht erschrecken, falls das so gewirkt hat. Sterben? Ich? Bestimmt nicht. Wovon redest du überhaupt?", fragte er lachend, dann ging er weiter. John starrte ihm hinterher, unwissend, ob er glücklich oder wütend sein sollte. Er war vorallem verwirrt. Was war das denn gerade für eine Reaktion?
Als er Sherlock wieder einholte, stammelte er: "Sherlock? Aber du liebst mich, oder?"
Sofort lachte Sherlock wieder auf. "John! Ich bin eine Maschine! Ich kann keine Freundschaft empfinden, wie du es vielleicht erhoffst. Aber es ist nett zu wissen, dass du mir gegenüber eine freundschaftliche Beziehung vorschlägst, danke", sagte er mit einem festen Blick auf John. Dieser war jetzt vollkommen baff. Was sollte das denn jetzt? Um das herauszufinden, gab es nur eine Möglichkeit.
"Sherlock, ist das Wetter nicht schön?", fragte er wie eine beiläufige Frage.
"Es ist grausam", antwortete Sherlock mit einem breiten Grinsen. John schaute nach oben. Die Sonne strahlte und es waren fast keine Wolken zu sehen.
"Gott sei Dank", murmelte er. Wenn man nach dem Wetter fragte und der Andere die Frage beantwortete, nur ganz genau das Gegenteil, dann bedeutete es sozusagen:
"Glaubst du, wir werden beobachtet?"
Wenn die Frage verneint wurde, dann laut, wenn die Antwort jedoch positiv war, dann wurde einfach das falsche Wetter genannt.
Sherlock sah John kurz an. John sah zurück und sah in Sherlocks Augen Vorsicht und eine leichte Warnung. Deshalb blieb er erst einmal still.
Als sie nach etwa 40 Minuten Stille an 221B Baker Street ankamen, war John sehr erleichtert. Er hatte einige Fragen. Sherlock öffnete die Tür, ließ John vorgehen und folgte ihm sofort.
Als gerade die Tür zugefallen war, ging Sherlock auf John zu und umarmte ihn einmal.
"Danke!", flüsterte er.
"Wofür?!", fragte John verwirrt.
Sherlock löste die Umarmung und grinste ihn an.
"Sherlock, bitte. Ich komme nicht mehr mit. Was ist los?", fragte John müde.
"Du bist toll, du bist genial!", rief Sherlock laut. John starrte ihn entgeistert an. "Wahnsinn! Dank dir weiß ich jetzt ein wenig, was passieren wird."
"Und was?", fragte John erwartungsvoll.
"Ist das Wetter nicht schön? Das ist unser Code. Wenn wir den Anderen fragen, ob wir beobachtet werden."
John nickte.
"Es ist der Code. Er ist die Lösung für alles!"
"Aha!", rief John. "Was?"
"Moriarty hat es geschafft, in das Pentonville-Gefängnis, die Bank von England und in den Tower von London einzudringen. Doch er war nur an einem der drei Punkte wirklich selbst anwesend. Das bedeutet, er muss die beiden Anderen Punkte von sich aus gesteuert haben. Mit einem Code! Er besitzt einen, der das Eindringen in diese hochbewachten Orte möglich macht! Haha!", rief Sherlock atemlos. Dann ging er auf John zu und küsste ihn einmal. Danach drehte er sich um und rannte die Treppe nach oben.
John, der noch völlig verdattert da stand, fasste sich ein wenig schüchtern an seine Lippen. Wieso konnte Sherlock so gut küssen?
Als John ihm folgte und die Treppen hochging, war Sherlock wieder auf der Couch in seinem Gedankenpalast versunken. John lächelte sanft bei dem Anblick des Mannes. Dann ging er auf ihn zu und küsste sanft seine Wange. Sherlocks Augen blieben weiter geschlossen, deshalb ging John einfach in die Küche um Tee zu machen.
Als er mit zwei gefüllten Tassen Tee in das Wohnzimmer zurückkehrte, sah er, dass Sherlock nicht mehr im Schneidersitz saß, sondern auf dem Sofa lag. Er war wohl eingeschlafen.
John stellte vorsichtig Sherlocks Tasse vor ihm ab und setzte sich auf seinen Sessel. Während er an seinem Tee nippte, dachte er darüber nach, was Sherlock gesagt hatte. Er solle an ihn glauben, auch, wenn er tot sei. Was genau hatte das zu bedeuten? Dass Sherlock vorhatte, aus dem Tod wieder aufzuerstehen? Wie das?
Plötzlich regte sich etwas an dem Sofa und Sherlock sah ihn an.
"Bin ich... eingeschlafen?", murmelte er.
John nickte lächelnd. "Ja, bist du, aber das ist gut. Du bist noch immer verletzt. Apropos, den Fall mit Amanda Abbington, den hättest du nicht lösen dürfen. Fallverbot."
Sherlock stöhnte auf. "John! Den habe ich bereits vor meiner Verletzung gelöst. Bevor ich gegangen war, hatte mir Lestrade eine SMS geschickt mit dem Inhalt! Außerdem bin ich nicht müde", sagte er.
"Natürlich", antwortete John scherzhaft. "Du bist hellwach." Er stand auf und setzte sich neben Sherlock. Dieser sah ihn mit halb geschlossen Augen an und nickte.
"Ganz genau."
John legte seine Hand auf die Sherlocks und betrachtete amüsiert das plötzlich rot angelaufene Gesicht des Detectivs. Dann legte Sherlock seinen Kopf auf Johns Schulter.
"Ich weiß, ich sollte so etwas öfter sagen, aber ich liebe dich", flüsterte er. John lächelte einfach.
"Keine Sorge. Wenn du es nicht so oft sagst, dann bleibt der Satz weiter etwas besonderes", antwortete er. Sherlocks Mundwinkel zogen sich hoch. Dann drehte er sich zu John, legte seine Arme auf dessen Schulter und küsste ihn sanft. John küsste ihn sachte zurück. Als Sherlock sich von John löste, seufzte dieser auf.
"Wie viel Uhr ist es?", fragte John müde.
"Gleich ist es 7 Uhr. Sicher, dass nicht du müde bist?", fragte Sherlock grinsend. John gähnte einmal.
"Ich bin hellwach, keine Sorge", flüsterte er. Sherlock lächelte einmal, dann sah er John in die Augen.
"Wie wäre es damit: wir werden beide jetzt schlafen gehen, denn wir sind beide müde. Ich nicht so sehr wie du, aber ich könnte eventuell auch etwas Schlaf gebrauchen", sagte Sherlock.
"Einverstanden", sagte John und stand auf. Sherlock tat es ihm gleich und gab ihm einen kleinen schüchternen Gute - Nacht - Kuss auf die Wange. Dann ging John in den Flur. Doch als er gerade die Treppen hochgehen wollte, drehte er sich noch einmal zu Sherlock um.
"Sherlock?"
"Ja?"
"Willst du... ich meine, hast du lust, wieder bei... bei mir zu-", begann John und spürte, dass sich seine Wangen rot färbten. Wieso musste er jetzt so eine dumme Frage stellen? Zumindest besser formulieren können?
Sherlock sah ihn lange an, dann nickte er zögerlich. "Wenn ich dir keine Umstände bereite...", sagte er mit einem Blick auf den Boden. John grinste amüsiert und ging nach oben.
Als er in seinem Bett lag, die Augen schon halb geschlossen, öffnete sich die Tür und Sherlock trat ein. Als John ihn betrachtete, fiel ihm sofort auf, dass Sherlock nur seine blauen Boxershorts trug und dadurch sein Oberkörper frei war. John musste sich zusammenreißen, nicht die ganze Zeit auf die helle Haut und die Muskeln zu starren.
"Ist dir nicht etwas kalt?", fragte John. Sherlock schüttelte den Kopf.
"Ich hatte gestern auch nicht mehr an."
Wirklich? War John das wirklich nicht aufgefallen? Wahrscheinlich weil es noch dunkel gewesen war. Doch jetzt war das Licht des Raumes noch eingeschaltet und John konnte dieses wunderschöne Geschöpf so sehen. Sherlock sah aus, als wäre er gerade aus einem Traum in die wirkliche Welt getreten.
Sherlock ging auf das Bett zu und legte sich neben John. Dieser war wie paralysiert. Er konnte sich nicht bewegen, selbst wenn er gewollt hätte. Dann, nach ein paar Minuten Betrachten dieses hübschen Mannes, bemerkte er, dass sie beide noch auf und nicht unter der Decke lagen. Schnell zog er die Decke über sich und dem Detectiv, rollte sich kurz zum Nachttisch und schaltete die einzige Lampe aus.
Es war jetzt stockdunkel. John konnte nicht mehr seine eigene Hand vor Augen sehen. Doch er konnte fühlen, wie Sherlock sich wieder schüchtern ihm näherte. Im nächsten Moment lag ein langer, muskulöser Arm um seine Hüfte und John lächelte heimlich in sich hinein. Wenn jetzt irgendetwas passieren würde, John hätte keine Angst. Die Weise, wie Sherlock ihn hielt, ließ John geschützt fühlen. Als würde er einfach wissen, dass Sherlock ihn immer und überall vor allen Grausamkeiten fernhalten konnte und würde.
Langsam versuchte auch John seinen Arm um Sherlocks Bauch zu legen. Aber nur vorsichtig. Immerhin war Sherlock noch verletzt. Das Problem bestand nur darin, dass John absolut nichts sah und aus dem Grund nicht genau wusste, wo Sherlocks Bauch oder Brust oder Hals oder Kopf anfingen. Dies hatte zur Folge, dass er einfach seinen Arm irgendwo hinlegte. Und irgendwo musste natürlich bedeuten, dass er ihn genau auf Sherlocks Gesicht fallen ließ.
"Autsch", brummte Sherlock amüsiert.
"Oh!", sagte John erschrocken und legte seinen Arm sofort etwas weiter runter. "Tut mir leid", kicherte er.
"Es ist ja nichts schlimmes. Es wäre nur etwas seltsam gewesen, so einzuschlafen", raunte Sherlocks Stimme.
Dann plötzlich spürte John Sherlocks Lippen auf den seinen. Sachte und sanft. Als wäre John aus Porzellan. Ein zweiter Gute-Nacht-Kuss.
"Gute Nacht, John", flüsterte Sherlock neben ihm.
"Gute Nacht, Sherlock", antwortete John zurück.
Während er seine Augen schloss und sich in die Decke einkuschelte, die sich besser und gemütlicher als jemals zuvor anfühlte, war sich John sicher, dass er neben dem sanften Heben und Senken der Brust des Lockenkopfes ein kleines Wispern hörte, dass aus Sherlocks Mund entwich.
"Mein John."
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