Kapitel 30 - Angst
Am nächsten Morgen wachte Sherlock früh auf. Als er die Augen öffnete, sah er, dass Johns Arme um ihn geschlungen waren. Sofort musste er lächeln. Er liebte es, wenn John ihn so festhielt. Sein John.
Plötzlich weiteten sich Sherlocks Augen, als er sich an den letzten Abend erinnerte. War das Realität gewesen oder ein Traum?! Verwirrt dachte er nach. Es musste ein Traum gewesen sein. Er hätte niemals genug Mut aufgebracht um John zu fragen, ob er ihn heiraten wollte. Egal, wieviele Mörder er hinter Gittern bringen würde. Was das anging, war er nur ein Feigling.
"Guten Morgen, Liebling", flüsterte John plötzlich neben ihm. Sherlock drehte seinen Kopf und lächelte ihm kurz zu. John gähnte kräftig und schmiegte sich an ihn. "Gut geschlafen?"
Sherlock nickte abwesend. John sah ihn fragend an.
"Was ist los?", fragte er. Sherlock sah ihn lange an, blieb jedoch still. "Du kannst es deinem Verlobten ruhig sagen", sagte John mit einem verträumten Blick. Sherlocks Augen weiteten sich. Dann sah er auf seine Hand und begann, zu lachen. John sah ihn verwirrt an.
"Und ich dachte schon, das wäre nur ein Traum gewesen", flüsterte er mit einem Grinsen. Sofort grinste John auch. "Was für ein Glück, dass es keiner ist!"
"Da stimme ich dir zu", sagte John und kuschelte sich an Sherlock heran. "Ich will noch nicht aufstehen", flüsterte er. Sherlock lächelte.
"Wir können gerne noch liegen bleiben", schlug er vor. John nickte. Sherlock betrachtete ihn mit amüsiertem Blick. John war wahrhaftig...süß... wenn er müde war.
Er legte seinen Arm um ihn und küsste John sanft auf die Wange.
Während John offenbar einfach nur bei Sherlock sein wollte, dachte Sherlock nach. Eine Hochzeit. Er würde eine Hochzeit feiern. Mit John. John war sein Bräutigam. Er würde John heiraten. Er würde John als Bräutigam haben und sie würden eine Hochzeit feiern. John würde sein Ehemann werden.
Wow. Was er da nur wieder angestellt hatte. Doch das Wichtigste, was ihre Hochzeit betraf, war: was wäre, wenn?
Sebastian und Mary. Was, wenn sie irgendetwas planten? Wo waren sie überhaupt? Wo könnten sie sein? Es ging hierbei nicht um John. Nun, auch. Es ging immer etwas um John. Aber Sherlock konnte nicht leugnen, dass er vor Sebastian Angst hatte. Er. Hatte. Angst. Was dieser Psychopath alles bereits getan hatte, konnte man nicht so leicht wiederholen.
"Kümmere dich lieber um dich selbst, so wie du es normalerweise sowieso tust."
Sherlock hatte Angst vor diesem Raum seines Gedankenpalastes. Wo der ganze Schmerz hockte, den er dank Sebastian und Moriarty eingenommen hatte. Nicht nur die Stromschläge, auch die tagelange Peitsche des Mannes in Serbien oder Moriartys erster Auftritt im Schwimmbad. All das machte Sherlock Angst. Um John.
Sherlock hatte es immer versucht, zu verheimlichen, doch auch er hatte Angst. Es war ein seltsames Gefühl, was einem nicht wirklich nutzen konnte.
Nein. Stopp! Er war Sherlock Holmes. Er durfte keine Angst haben. Er musste für John stark sein. John erwartete es schließlich von ihm, nicht? Er konnte ihn jetzt nicht enttäuschen. Er musste weiterhin den starken Retter spielen, wenn es das war, was John von ihm dachte. Der Consulting-Detektiv, der keinen Schmerz spürte.
Außerdem dachten Mary und Sebastian vielleicht auch, dass er tot war. Sherlock konnte sich nicht mehr erinnern, was nach dem Schuss passiert war, doch John meinte, dass beide das Gebäude verlassen hätten.
"Sherlock?"
Sofort wachte Sherlock wieder auf. John betrachtete ihn besorgt. Sherlock setzte ein Lächeln auf.
"Ja?", fragte er. John sah auf seinen Arm. Sherlock folgte seinem Blick und sah, dass er mit seiner Hand Johns Arm gepackt hatte. Sofort lockerte er den Griff und zog die Hand zurück. John starrte ihn an.
"Alles in Ordnung?", fragte er. Sherlock schloss die Augen. John wusste immer Bescheid. Doch er konnte ihm nicht sagen, dass er Angst hatte. Das passte nicht zu ihm.
John legte seine Hand an Sherlocks Wange und streichelte diese sanft. Sherlock öffnete die Augen wieder und lächelte sanft.
"Du denkst über ihn nach, nicht wahr? Sebastian?", fragte John. Sherlock starrte ihn erschrocken an.
"Wie um alles in der Welt...?", fragte er. John lächelte und gab ihm einen Kuss. Sherlock seufzte nachdem Johns Lippen die seinen verlassen hatten.
"Ja, tue ich. Ich muss daran denken, John. Wenn wir eine Hochzeit feiern wollen, wird er es bemerken. Es war dumm von mir, dich jetzt zu fragen, ob du mich heiraten willst. Ich habe dich nur in Gefahr gebracht."
John schüttelte den Kopf und schmiegte sich an ihn. Sherlock wusste nicht, warum, aber es beruhigte ihn. Sehr.
"Du bringst mich immer in Gefahr", sagte John. Sherlock sah ihn erschrocken an.
"Ich weiß. Tut mir leid", sagte er und seufzte. John starrte ihn an.
"Nein, Sherlock. Ich liebe dich dafür. Gefahr ist etwas für mich, was ich früher gebraucht habe. Du hast es mir gegeben. Wenn du wüsstest, wie dankbar ich bin, jeden Tag in deinen Armen aufzuwachen, wüsstest du auch, dass ich so oder so 'Ja' gesagt hätte. Auch, wenn Sebastian oder Mary es gesehen hätten", sagte John. Sherlock blinzelte ihn überrascht an.
"Danke", murmelte er. John richtete sich auf. "Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich brauche." Sherlock hoffte sofort, etwas romantisches gesagt zu haben, was schwierig war. Romantisch. Passte eigentlich auch nicht zu ihm.
John legte seinen Kopf auf Sherlocks Brust. Sherlock lächelte und legte seinen Arm um ihn. "Sherlock?", fragte John.
"Hm?", fragte Sherlock. John hob kurz seinen Kopf und sah ihm in die Augen.
"Das mit Mary und Sebastian kriegen wir schon hin", sagte er. Sherlock sah ihn zweifelnd an. So sehr er es genoss, Johns aufheiternde Worte zu hören, überzeugten sie ihn nicht wirklich. Sie würden einen richtigen Plan brauchen. Und eine feste Garantie, dass ihnen beiden nichts zustoßen würde.
Aber jetzt gab es nur eins, worauf er sich konzentrieren müsste. Seine Hochzeit. Mit John. Fantastisch!
Sherlock konnte sich nicht zurückhalten und lachte laut los. "Ist das fantastisch! Wir feiern eine Hochzeit!"
John sah ihn liebevoll an und nickte.
"Allerdings", flüsterte er und näherte sich Sherlocks Lippen. Sherlock kam ihm entgegen und drückte seine Lippen auf die des Arztes.
~
"Ich schwöre Ihnen, etwas stimmt mit meiner Frau nicht!"
John saß in seinem Sessel mit einem Notizbuch und starrte auf das Geschehen. Sherlock, wie immer sehr enthusiastisch während Fällen, schubste den Mann mit leichter Gewalt nach draußen.
"Bitte, Mr Holmes, Sie müssen mir helfen", sagte der Mann. John starrte von einem zum anderen. Sherlock stieß einen genervten Seufzer aus.
"Ihre Frau verhält sich seltsam, weil sie ein geheimes Verhältnis mit dem Gärtner hat. Nun, jetzt nicht mehr geheim", sagte er und drückte den Mann weiter nach draußen.
"Was?!", rief er. Sherlock nutzte die Gelegenheit, schob den Mann aus dem Wohnzimmer und schloss die Tür so schnell wie möglich. John beobachtete amüsiert, wie Sherlock sich hinsetzte und das Gesicht in seinen Händen vergrub.
"Wie können manche Menschen nur so...sein?", fragte er. John stand auf und setzte sich zu ihm. Sherlock legte seinen Kopf auf Johns Schulter. "John?", fragte er leise.
"Ja?", fragte John. Sherlock holte tief Luft und sah ihm in die Augen.
"Bin ich wirklich selbstsüchtig? Das was du vor ein paar Jahren geschrieben hattest, in deinem Blog", murmelte er. John sah ihn erschrocken an. "Ich meine, so sehen mich immer viele und mir war es auch eigentlich egal, aber... ich will dir gegenüber nicht...selbstsüchtig ...wirken", beendete Sherlock den Satz. John legte den Arm um ihn.
"Sherlock, ich habe dich damals anders gesehen. Du warst für mich damals, ja, etwas egoistisch. Aber du hast mir mittlerweile so oft bewiesen, dass ich damit falsch lag. Du bist nicht selbstsüchtig. Ich gebe zu, man muss sich an dich gewöhnen, aber du bist ein fantastischer Mann und ich besitze sehr großen Stolz, dich meinen Verlobten nennen zu können", sagte er. Sherlock starrte ihn lange an. Ohne auf eine Antwort zu warten drückte John Sherlock an sich und küsste ihn sanft. Sherlock fuhr mit den Fingern durch Johns Haare und legte seinen Arm um dessen Hüfte.
"Dein Verlobter", flüsterte Sherlock. "Das hört sich toll an." John grinste ihn an. "Nur noch eine kleine Frage: was gehört zu einer Hochzeit dazu?"
John überlegte. "Also, wir brauchen eine Gastliste", sagte er.
"Lestrade, mein Bruder, Mrs Hudson, Molly", sagte Sherlock auf. Als John ihn verwundert ansah, fügte er schnell hinzu: "Das sind alle von meiner Seite aus."
"Was ist mit deinen Eltern?", fragte John neugierig. Sherlock stöhnte auf.
"Stimmt. Ich habe ja Eltern. Na schön, sie dürfen auch kommen", sagte er. John sah ihn lange an. Sherlock hatte ihn niemals seinen Eltern vorgestellt. Würden sie ihn mögen?
"Gut, ich denke, Anderson und Donovan könnten wir auch einladen", sagte er, was Sherlock dazu brachte, abermals aufzustöhnen.
"Die?", rief er. "Warum?" John legte seine Hand auf die Sherlocks. "Ich dachte, man sollte nur seine Freunde einladen! Und Verwandte!" Gut, John musste zugeben, dass er verstand, dass Sherlock sie nicht dabei haben wollte.
Freak. Psychopath.
"Gut, überleg es dir nochmal", sagte John nickend. "Egal, wofür du dich entscheidest, ich unterstütze dich." Sherlocks Gesichtszüge legten sich und er lächelte John zu. John lächelte zurück. Was er für dieses Lächeln nicht alles tun würde. Er liebte es.
"Was noch? Außer Einladungen, meine ich", sagte Sherlock.
"Nun, wir werden einen Ort brauchen, wo wir die Hochzeit feiern werden. Wir müssen nicht übertreiben, was die Dekoration angeht", sagte John. Sherlock schüttelte den Kopf.
"Vergiss es", sagte er in einem strengen Ton. John sah ihn fragend an.
"Was?"
"Das wird unsere Hochzeit. Unsere erste Hochzeit. Das soll etwas besonderes werden. Kosten gehen gerne auf mich, ich habe mit der Zeit einiges zusammen bekommen, glaub mir", sagte er. John betrachtete ihn mit offenem Mund. "Falsch? Eine Hochzeit ist etwas besonderes, oder etwa nicht?"
"Wieso bist du so wundervoll?", fragte John. Sherlock sah ihn lange an.
"Inwiefern?"
"Du rettest mich so oft und machst mir einen Heiratsantrag, bei dessen Folgen du die ganzen Kosten auf dich nehmen willst", wiederholte John kopfschüttelnd. "Wie ich dich verdient habe, ist mir immer noch unklar. Du bist so...perfekt."
Sherlock sah ihn mit einem düsteren Blick an. "Du weißt, John, das bin ich nicht. Ich habe viele Seiten an mir, die ich verabscheue. Die Drogen, die Zigaretten, die Hyperaktivität, all das macht mich nicht gerade perfekt", murmelte er. John starrte ihn lange an.
"Gut, du musst meine Wortwahl entschuldigen. Du bist wundervoll. Nicht perfekt. Niemand ist das. Nicht einmal du", sagte er. Sherlock hob eine Augenbraue an.
"Was ist mit dir?", fragte er.
"Mir?"
"Ja. Du bist gutaussehend, freundlich, verstehst mich, bist klug, etwas klein aber da kann man nichts machen,...", zählte Sherlock auf. John kicherte kurz.
"Du bist gemein", murmelte er. Sherlock grinste ihm zu, dann legte er seinen Kopf auf Johns Schoß.
"Keine Sorge", flüsterte er. "Du bist nicht klein. Nur ein Bisschen." John strich liebevoll durch die lockigen Haare. Sherlock seufzte.
"Und du bist nicht hyperaktiv, Sherlock", murmelte John. sah ihn lange an. Sherlock lächelte ihn an. "Was gehört noch zu einer Hochzeit?", überlegte er. "Ach ja! Der Junggesellen - Abschied."
"Was ist das denn?", fragte Sherlock verwundert. John sah ihn überrascht an. Es war verblüffend, dass Sherlock das nicht wusste.
"Die beiden Menschen, die verheiratet sind, gehen mit ihren Freunden etwas trinken und verabschieden sozusagen ihr Dasein als ein ungebundener Mensch", erklärte er. Sherlock starrte ihn an.
"Aber ich bin doch vollkommen glücklich, dass ich eben nicht mehr ungebunden bin. Wieso sollte ich das verabschieden?", fragte er. John lächelte ihm zu.
"Die meisten machen das eben so", sagte er. "Wie müssten ja auch nicht gerade in einem großen Kreis feiern. Es reicht, wenn jeder von uns eine Person nimmt." Sherlock überlegte.
"Ich nehme...keine Ahnung. Ich würde für so etwas normalerweise immer dich nehmen", sagte er. John schüttelte den Kopf.
"Tut mir sehr leid, wir dürfen nicht zusammen feiern", sagte er. Sherlock zog ein beleidigtes Gesicht. "Nimm doch einfach Lestrade", schlug er vor.
"Gut, es wird seltsam werden", sagte Sherlock. "Aber gerne, Lestrade wäre noch meine eheste Wahl. Und du?"
"Ich könnte Mike fragen. Mike Stammford. Immerhin hat er uns einander vorgestellt. Außerdem habe ich immer noch relativ guten Kontakt zu ihm", sagte John. Sherlock nickte und richtete sich auf.
"Juhu", murmelte er. "Einen Junggesellen - Abschied mit Lestrade. Oh Gott." John lächelte, gab ihm einen Kuss und stand auf.
"Tee?", fragte er. Sherlock nickte dankbar.
"Gerne, mein kleiner Verlobter", flüsterte er in Johns Ohr. John rollte mit den Augen.
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