Kapitel 26 - Moran

Sherlock ging die Straße entlang. Alles in seiner Umgebung schien zwar klar, doch auch verschwommen. John hatte es tatsächlich getan. Er, der einzige Mensch, dem Sherlock so sehr vertraut hatte. Er hatte Mary über ihn gewählt, das hatte er jetzt klar gemacht.

Fühlte sich so ein gebrochenes Herz an? Als würde man sich am liebsten irgendwo verstecken und den Tränen freien Lauf geben, bis die Augen trocken waren? Es war ein kaltes Gefühl. Ein schlimmes Gefühl. Man konnte es noch nicht einmal in Worte fassen.

Ob John bereute, was er gesagt hatte? Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich war er jetzt zufrieden damit, endlich den Psychopathen losgeworden zu sein. Sherlock war wütend auf John. Trotzdem wünschte er sich, dass John zu ihm kommen würde und ihn umarmen würde.

Wütend trat Sherlock nach einer Blechdose, die auf dem Boden lag. Wieso war so etwas wieder passiert? Wieso hatten sie Schluss machen müssen? Zumindest glaubte Sherlock, dass das passiert war. John war wütend gewesen. Nur, weil Sherlock ihn hatte überzeugen wollen, dass etwas mit Mary falsch war. Irgendetwas passte nicht ins Bild. Was war es nur?

~

John ging auf die Haus zu, in dem Mary lebte. Er hatte keine Ahnung, was er machen sollte. Hatte Sherlock mit ihm Schluss gemacht? War es vorbei? Er hoffte so sehr, dass es das nicht war. Doch was er gesagt hatte, konnte er sich selbst nicht verzeihen. Wieso also sollte es Sherlock tun?

Angekommen an dem Haus drückte er einmal auf die Klingel. Kurze Zeit später öffnete Mary die Tür.

"Komm rein", sagte sie sofort. John nickte kurz, dann tat er, was sie sagte. Mary führte ihn in ein großes Zimmer, sehr wahrscheinlich das Wohnzimmer, und zeigte mit ihrem Finger auf einen Stuhl. "Sherlock?", fragte sie besorgt. John nickte.

"Wir haben uns zerstritten. Ich glaube, er will mich nie wieder sehen", murmelte er. Mary sah ihn besorgt an.

"Das tut mir leid. Ihr wart immer so ein süßes Paar", sagte sie, während sie John eine Teetasse gab. Dann setzte sie sich ebenfalls mit einer Teetasse in der Hand ihm gegebüber auf einen Stuhl. "Trink am besten etwas."

Doch John starrte nur in die Teetasse. "Wieso habe ich das denn nur sagen müssen? Jetzt denkt er, ich würde über ihn denken, wie jeder andere", murmelte er. Mary sah ihn interessiert an.

"Ist er schon von vielen Leuten betrogen worden?", fragte sie überrascht. John schüttelte den Kopf.

"Nein. Ich war sein erster Freund überhaupt. Und jetzt, wo ich diese Dinge zu ihm gesagt habe, wahrscheinlich auch sein letzter", sagte er. Mary sah ihn verwundert an.

"Oh. Ich dachte, das Audio wäre der Grund gewesen, dass ihr euch trennt?", fragte sie. John sah sie an.

"Oh nein", sagte er. "Er hat nie daran gezweifelt, dass ich eigentlich treu bin. Immer. Aber..." John stoppte und sah Mary verwirrt an. "Woher weißt du von dem Audio?", fragte er langsam. Marys Augen fokussierten ihn.

Dann stellte sie ihre Tasse ab und stand auf. "Weißt du, John, du bist ein sehr netter Mann. Und ich mochte dich wirklich", sagte sie mit einem Bedauern in der Stimme. John starrte sie an.

"Was meinst du damit?", fragte er langsam, etwas Schlechtes ahnend. Mary begann, in der Wohnung unherzulaufen.

"Wir werden jetzt einen kleinen Spaziergang machen. Und ich werde dir eine kleine Geschichte über mich erzählen", sagte sie, den Rücken zu ihm gedreht.

"Weißt du, ich gehe lieber nach-", begann John. Doch im selben Moment drehte sich Mary um, mit einer Waffe in der rechten Hand. Sie lächelte.

"Also ist es wahr", flüsterte John. "Sherlock hatte Recht." Mary grinste. John starrte sie ungläubig an. Sherlock hatte Recht gehabt. Mary war nicht das, wofür er sie hielt. Es war tatsächlich keine bloße Eifersuchts - Attacke. Warum hatte John ihm nur nicht zugehört? Wütend verfluchte John alles, was damut zu tun hatte. Er verfluchte seine Dummheit, sich selbst, Mary und was er gesagt hatte.

"Ihr habt es mir tatsächlich sehr einfach gemacht", sagte Mary, während sie John bedeutete, aufzustehen. Dieser gehorchte unfreiwillig. "Ihr streitet euch ja oft. Oder eher, ihr streitet euch um mich. 'Ist Mary unschuldig oder nicht?' Scheint, als wäre das ein großes Thema bei euch." John funkelte sie wütend an. "Umdrehen", sagte Mary kalt.

John drehte sich um und ein paar Sekunden später spürte er den Abdruck der Waffe an seinem Rücken.

"Weitergehen", sagte Mary. John musste zugeben, er hatte in seinem Leben noch nie erlebt, dass ein früheres Date ihn so behandelt hatte.

"Wieso machst du das?", fragte er, während er sich bis zur Haustür führen ließ. "Was habe ich dir je getan?" Mary lachte auf.

"Du? Nichts. Es geht niemals um dich. Ich will an Sherlock herankommen", sagte sie.

"Das haben schon viele durch mich versucht. Und sie sind alle gescheitert. Mary, du machst einen großen Fehler", murmelte John. Mary öffnete die Haustür und führte sie beide hinaus.

"Ich weiß, dass viele es vesucht haben. Doch diesmal ist es so, dass ich das habe, was Sherlock am meisten braucht. Und genau das hat Sherlock von sich weggesrängt. Glaub mir, John, er liebt dich sehr. Auch wenn du ihn verletzt", flüsterte Mary in sein Ohr. Für einen Zuschauer hätte es so ausgesehen, als würden Mary und John nur nah aneinander stehen. "Und das hast du geschafft, meine Güte! Ich meine, ausgerechnet du nennst ihn so, wovon er zum ersten Mal gehofft hatte, diesem Wort zu enkommen? Wow." John biss sich wütend auf die Lippe. Mary hatte Recht, was ihn am meisten ärgerte.

"Aber was bringt dir das?", fragte John müde. Er fühlte sich so schlecht.

"Oh John. Du musst gar nicht erst denken, dass Sherlock so unschuldig ist wie er immer tut. Um genau zu sein, er hat meine beiden Brüder grundlos ermordet", sagte Mary, sodass John kurz zusammenzuckte.

"Was?", fragte er. "Sherlock würde so etwas niemals tun." Mary lachte.

"Oh doch. Tom und Sebastian. Meine beiden Brüder. Zuerst hat er Polizisten auf Tom gehetzt, die ihn dann schließlich getötet haben. Ich dachte, Sebastians Rachegelüste wären unbegründet. Doch dann ist er los, um Sherlock Holmes umzubringen und kam nicht wieder zurück", sagte sie. John starrte sie an. "Jetzt geh weiter!"

Das war unmöglich. Das konnte nicht wahr sein. John drehte sich langsam zu ihr um. "Mary", begann er. Mary starrte ihn wütend an. "Seb ist nicht tot." Marys Augen weiteten sich kurz, dann kehrte der wütende Blick zurück.

"Woher weißt du, wie seine Freunde ihn nannten?", zischte sie. John sah sie an und versuchte, so überzeugend wie möglich zu klingen, was relativ schwierig war, immerhin wurde ihm eine Waffe an den Bauch gehalten.

"Sebastian ist nicht tot", wiederholte er. "Er hat versucht, uns auseinander zu bringen. Er hat Sherlock gefoltert, er hat gedroht, mich umzubringen, wenn Sherlock sagen würde, dass er aufhören sollte. Danach ist er ins Gefängnis gekommen." Mary schüttelte den Kopf.

"Er hat eine Nachricht hinterlassen, falls er einmal sterben sollte. Diese Nachricht habe ich bekommen", sagte sie. John schüttelte den Kopf.

"Ich weiß nicht, was es mit dieser Nachricht auf sich hat, aber er ist nicht tot. Wenn er gestorben ist, dann nicht durch meine und ganz bestimmt nicht durch Sherlocks Hand", sagte John. Für einen Moment schien Mary wirklich zu zweifeln. Doch dann zogen sich ihre Augenbrauen wieder nach unten.

"Das alles sagst du doch nur um dein erbärmliches Leben zu retten. Es funktioniert nicht. Jetzt geh weiter!", befahl sie. John drehte sich um und ging weiter.

Er hatte keine Ahnung, wo Mary ihn hinführen wollte, oder was sie mit ihm machen wollte. Es kümmerte ihn gerade auch nicht. Er wünschte sich nur, Sherlock bei sich zu haben. Er wünschte sich, ihm sagen zu können, wie leid ihm alles tat und dass er am liebsten alles tun würde, damit er die Zeit zurückzudrehen könnte. Außerdem wollte er ihm sagen, dass er wie immer Recht gehabt hatte. Mary war nicht die, für die er sie gehalten hatte.

Plötzlich kam ihm eine Idee. Er ging einen Schritt schneller. "Was ist, wenn die Polizei mitkriegt, was du hier machst? Du wirst hinter Gittern landen", sagte er. Mary holte ihn ein. "Vielleicht wirst du in eine Zelle neben deinen Bruder gesteckt." Mary funkelte ihn wütend an.

"Sebastian ist tot!", rief sie. John schüttelte den Kopf. "Hör auf damit!" Ein paar Leute drehten sich zu ihnen um. Sofort lächelte Mary wieder. "Ah, ich verstehe. Du willst, dass ich entdeckt werde", flüsterte sie, während die Leute sich wieder umdrehten. "Vergiss es." John ging weiter, etwas sauer auf sich selbst. Mary führte ihn weiter, bis sie an einem großen Gebäude ankamen.

Als John sah, welches Gebäude es war, schluckte er. St. Barts - Hospital. Nicht hier. Alles, aber nur nicht hier. Sofort kam ihm wieder das schreckliche Bild in den Kopf. Der wehende Mantel, die ausgestreckten Arme. Nein. Nicht hier.

"Was willst du hier?", fragte John mit zitternder Stimme. Diese kicherte, als hätte John ihr gerade einen Witz erzählt.

"Sherlock umbringen, natürlich. Und du wirst mir dabei helfen", murmelte sie. John schüttelte den Kopf.

"Niemals", sagte er. "Ich werde lieber sterben." Mary grinste, der Wahnsinn funkelte in ihren Augen.

"Das lässt sich noch einrichten. Doch zuerst ist Sherlock dran", sagte sie. John hätte sie am liebsten geschlagen. Diese ekelhafte Freude in ihrem Ton war so widerwärtig. Mary drückte sie Waffe an Johns Jacke und John betrat das Gebäude.

~

Sherlock ging am Straßenrand entlang und überlegte. Was wäre, wenn John ihn nie wieder sehen wollte? Sein Herz weinte bei diesem Gedanken. Sherlock seufzte.

Ausgerechnet John. Ausgerechnet ihn hatte Sherlock gewählt. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Gefühle zuzulassen.

Plötzlich klingelte sein Handy in seiner Jackentasche. Überrascht zog er es heraus.

"Hallo?", fragte er. Auf der anderen Leitung war zuerst nichts zu hören.

"Sherlock!", rief eine Stimme an der anderen Leitung. Sherlocks Augen weiteten sich.

"Mary?", fragte er ungläubig. Woher hatte Mary seine Nummer?

"Ja, ich bins. Du, hör mal. Ich habe vielleicht etwas, was dir am Herzen liegen könnte. Deinen kleinen Freund hier. Oder Ex- Freund. Wie du es lieber willst", sagte Marys Stimme. Sherlock stockte der Atem.

"Was willst du von ihm?", fragte er laut. Mary lachte auf.

"Nichts! Um Gottes Willen, ich verletzte niemandem, mit dem ich ein Date hatte! Aber ich will, dass wir einmal richtig reden. Nur du und ich. Und wenn du dich weigerst, passiert etwas mit ihm." Sherlock stolperte ein paar Schritte nach hinten. Mary hatte John. John war in Gefahr. Sherlock versuchte, so ruhig wie möglich zu klingen.

"Wo?", fragte er mit rauer Stimme.

"St. Barts, auf dem Dach", sagte Mary. "Und beeil dich gefälligst."

Dann legte sie auf. Sherlock starrte auf sein Handy. Nicht John. Warum jetzt? Warum nicht, wenn John und er wieder etwas Zeit gehabt hätten?

Schnell machte er sich auf den Weg zu dem Gebäude. Währenddessen tippte er eine weitere Nummer in sein Handy.

"Lestrade? Ich brauche einen Wagen. Schnell, bitte. John ist in Gefahr. St. Barts Hospital."

~

Als Sherlock das Dach betrat, stand Mary bereits dort. Als sie ihn bemerkte, breitete sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus.

"Sherlock!", rief sie glücklich. "Wie geht's dir? Du siehst gut aus." Sherlock starrte sie an.

"Rosie Moran", sagte er langsam und Marys Lächeln schwand. "Hübscher Name. Warum musstest du ihn aufgeben?" Mary starrte ihn wütend an.

"Woher kennst du meinen richtigen Vornamen?", fragte sie. Sherlock grinste.

"Mary Morstan. Interessant. Wolltest wohl witzig sein. Ich habe einen weiteren Witz für dich. Wenn du mir nicht sofort sagst, wo John ist, werde ich persönlich dafür sorgen, dass man dich und deinen Bruder ins Exil schickt", sagte er. Mary lachte auf.

"Sebastian ist tot", sagte sie. "Und du wirst es auch gleich sein." Sherlock sah sie an.

"Wo. Ist. John?", sagte Sherlock und sprach jedes Wort lauter aus, als er es sich selbst zugetraut hätte. Mary hob eine Augenbraue an.

"In der Pathologie, der einzige Lebende. Noch. Aber keine Sorge, du wirst bald mit ihm vereint sein", sagte sie gehässig. Sherlock starrte sie ungläubig an.

"Warum tust du das?", fragte er. "Warum willst du mich umbringen?" Mary lachte.

"Mal sehen. Wen aus meiner Familie hast du alles umgebracht? Thomas, Sebastian, meinen Schwager", sagte sie. "Reicht das nicht?" Sherlock schüttelte den Kopf.

"Niemanden von denen habe ich umgebracht. Mache nichts Dummes, Mary, oder du wirst es bereuen", sagte Sherlock ruhig. Mary zog eine Waffe aus ihrem roten Mantel. Doch bevor sie irgendetwas weiteres sagen oder tun konnte, öffnete sich plötzlich die Tür hinter ihm.

"Mary!", rief eine Stimme hinter Sherlock. Dieser erstarrte sofort.

Das war unmöglich. Das konnte nicht wahr sein!

Die Stimme hinter ihm bedeutete Gefahr. Sowohl für ihn selbst als auch für John.

~

Na, wie geht's euch?

Wer glaubt ihr, steht hinter Sherlock? Bedeutet es Gefahr? Findet es heraus im nächsten Kapitel!

Danke fürs Lesen!

Wiiprinzess ❤

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