Kapitel 23 - Pfannkuchen
Am nächsten Tag wachte Sherlock zweimal auf. Beim ersten Mal lag er in Johns Armen und der Grund das Aufwachens war der Wecker von Johns Handy. Sherlock murrte enttäuscht, als John sich aus seinem Griff löste.
"Bleib doch bei mir", quängelte er. John betrachtete ihn lächelnd.
"Tut mir leid, ich habe es Mary versprochen. Doch die Schicht dauert nicht lange. Mittags komme ich wieder nach Hause", sagte er. Sherlock ließ sich beleidigt zurück auf das Kissen fallen.
"Wie soll ich das aushalten?", murmelte er. "Alles ist so langweilig ohne dich." John grinste, dann gab er Sherlock einen Kuss auf die Stirn.
"Bis nachher!", rief er.
"Hab dich lieb", murmelte Sherlock.
"Ich dich auch." Sie verhielten sich schon fast wie ein Ehepaar. Sie stritten, sie kicherten am Ende von diesen Streiten wie Idioten und morgens musste John zur Arbeit. Perfekt.
Das zweite Mal wachte er alleine auf. Eine schreckliche Situation. Er wollte einen John, an den er sich ankuscheln konnte und den man zur Begrüßung küssen konnte. Genervt drehte er sich zur Seite. Doch irgendwann fasste er dann schließlich den Entschluss, aufzustehen. Müde stapfte er durch die den Flur und in das Wohnzimmer. Er hatte absolut gar keine Lust, zu frühstücken, wenn John nicht da war. Wahrscheinlich würde er mal verhungern, wenn John einmal eine ganze Woche nicht da war.
Als Sherlock auf den Küchentisch schaute, sah er, dass die Zeitung noch nicht geholt wurde. Also ging die Treppe hinunter und öffnete die Haustür, um an den Briefkasten zu kommen. Doch als er gedankenverloren auf die andere Straßenseite schaute, erblickte er plötzlich eine Figur mit blondem Haar und einem roten Mantel.
"Mary?", flüsterte er. Sie hatte doch gesagt, sie könne nicht rechtzeitig zu ihrer Schicht kommen. Was machte sie dann hier in der Baker Street? Verwundert schaute er auf die andere Straßenseite. Dann schüttelte er den Kopf. Was Mary Morstan machte, konnte ihm ja relativ egal sein. Es sei denn, es ging um John. Das wäre etwas ganz anderes. Mit der Zeitung in der Hand schloss er die Haustür und seufzte. Wieso konnte er seine Eifersucht nicht stoppen? John hatte ihm doch gesagt, dass er nur ihn lieben würde. Und John hatte Sherlock noch niemals angelogen. Sherlock war schon vorher eifersüchtig gewesen. Auf Sarah, zum Beispiel.
Sherlock ging nach oben in die Küche und begann, Mittagessen vorzubereiten. John kam bald nach Hause und irgendetwas musste er ja tun. Was mochte John eigentlich gerne? Sherlock überlegte kurz. Er mochte Marmelade. Aber das konnte man ja schlecht als Mittagessen anbieten. Vielleicht Pfannkuchen. Doch Sherlock hatte keine Ahnung, wie man so etwas zubereitete.
Vielleicht sollte er das als Herausforderung ansehen. Oder als Experiment. Sherlock hatte schon ein paar Mal Pfannkuchen gegessen. Da müsste doch eigentlich nicht mehr als Mehl, Ei und Wasser in dem Teig drin sein, oder? Nur wie viel?
Sherlock suchte schnell ein paar Mehlpackungen, Eier und eine Sprudelwasserflasche heraus. Gut, wie viel von was? 1000 Gramm Mehl, acht Eier und eine ganze Flasche Wasser. So schlimm konnte es doch nicht sein.
Wie falsch er doch liegen konnte.
Es war viel zu viel Teig. Und wirklich viel zu viel. Die Schüssel lief über vor Mehl, der Schneebesen war in der Mitte verklebt und eine volle Flasche Wasser ließ das Ergebnis über den ganzen Tisch laufen. Sherlock starrte entsetzt auf das Zwischenergebnis.
Vorsichtig wischte er den Tisch sauber und kippte den Teig in den Mülleimer. Wieso gefiel es manchen Leuten so sehr, zu kochen? Das war Sherlocks erstes Experiment, was schiefgegangen war. Vielleicht war es auch falsch gewesen, eine ganze Flasche Wasser zu verwenden. Er müsste realistischer sein. Wie wäre es dann mit...
"500 Gramm Mehl, zwei Eiern und ab und zu schauen, wie viel Wasser man bräuchte", murmelte Sherlock, der sich mittlerweile eine Schutzbrille aufgesetzthatte. Selten war er so frustriert gewesen. Schnell öffnete er eine weitere Mehlpackung.
~
"Taxi!", rief John, als er das große Gebäude verließ. Wenig später fuhr ein schwarzes Auto an die Straße.
"Baker Street", sagte John müde. Der Tag war anstrengend gewesen. Er konnte kaum darauf warten, nach Hause und zu Sherlock zu gelangen.
Außerdem hatte er ja keine Ahnung, ob Sherlock wieder geraucht hatte. Er hoffte sehr, dass der Consulting Detectiv sich halten konnte. Vielleicht hatte er ja auch irgendeine andere Beschäftigung gefunden.
Als John an der Baker Street ankam, bezahlte er schnell den Taxifahrer und stieg aus. Er öffnete die Haustür und sofort bemerkte er den Geruch von Pfannkuchen. Von verbrannten Pfannkuchen.
Sofort stürmte er die Treppe hoch. Als er das Wohnzimmer betrat, entdeckte er in der Küche sofort Sherlock, der ein paar gut gelungene Pfannkuchen auf einem Teller stapelte. Überrascht starrte John auf Sherlock. Dieser trug eine Schutzbrille und seine Haare waren an den Spitzen durch Mehl weiß gefärbt. Als Sherlock ihn bemerkte, lächelte er breit.
"Hallo!", rief er. "Wie war die Arbeit?" John musterte ihn entsetzt von oben nach unten. Dann lächelte er.
"Gut", sagte er. "Brauchst du Hilfe?" Sherlocks Augen weiteten sich und er schluckte.
"Nein, danke", sagte er. "Setz dich am besten auf den Sessel, Essen ist gleich fertig." John nickte langsam. Etwas beunruhigt ließ er sich auf seinem Sessel nieder. Hoffentlich hatte Sherlock noch nicht die Küche in die Luft gejagt. Hoffentlich würde er es nicht noch tun. John wusste, er sollte etwas mehr Vertrauen in seinen Freund legen. Andererseits trug Sherlock eine Schutzbrille, also hatte er ein gutes Recht darauf, misstrauisch zu sein.
"Fertig", rief Sherlock. Jetzt war es John, der schluckte. Dann atmete er durch und stand auf. Das schlimmste, was passieren konnte, war bloß, dass einer von ihnen vergiftet werden würde, oder? Als er in die Küche ging, klappte sein Kiefer nach unten.
Der Tisch war gesäubert und gedeckt worden und in der Mitte war ein Teller mit kleinem Stapel von perfekten, goldbraunen Pfannkuchen. Sherlock lächelte ihm zu.
"Wow", stieß John aus. "Ich wusste gar nicht, dass du das kannst." Sehr gut. Er hatte es nur ein Bisschen so klingen lassen, als hätte er tatsächlich Angst gehabt, nach einem Bissen umzufallen.
"Danke", sagte Sherlock. "Setz dich doch." John setzte sich auf seinen Stuhl, Sherlock setzte sich vor ihn. "Wie geht es dir?"
John lächelte kurz. "Gut, danke. Und dir?", fragte er. Sherlock setzte ein halbes Lächeln auf.
"Ich habe es geschafft, Pfannkuchen zu machen. Ein wenig stolz bin ich schon", sagte er leise. John grinste. "Und ich habe bloß 14 Pfannkuchen anbrennen lassen." John starrte Sherlock lange an, dann brach er in lautes Gelächter aus. Sherlock sah ihn erschrocken an, dann senkte er den Kopf. "Tut mir leid", murmelte er. "Ich wollte dich nur überraschen."
"Und das hast du geschafft", versicherte ihm John. "Niemand wird als perfekter Koch geboren. Wenn du willst, kann ich dir ein paar Rezepte beibringen." Sherlocks Miene hellte sich augenblicklich auf.
"Wirklich?", fragte er. John nickte. "Eine famose Idee!", rief Sherlock. "Aber zuerst musst du etwas essen." John nickte und hob mit einer Gabel einen Pfannkuchen auf seinen Teller. Sherlock beobachtete ihn dabei mit einem neugierigen Blick. "Hast du...heute noch irgendetwas besonderes erlebt?"
John, der gerade dabei war, ein köstliches Stück Pfannkuchen zu kauen, erstarrte bei dieser Frage. Dann schüttelte er den Kopf. "Nein, habe ich nicht", sagte er. "Wieso fragst du?" Sherlock sah ihn mit einem seltsamen Blick an.
"Ich dachte, so etwas fragt man bei normalen Beziehungen", murmelte er. John lächelte.
"Wir sind keine normale Beziehung", sagte er. Als er dann den Blick von Sherlock sah, fügte er hinzu: "Das ist auch gut so." Sherlock lächelte kurz, dann wuschelte er sich kurz durch die Haare, was eine kleine Mehlwolke entstehen ließ. John betrachtete ihn amüsiert. Plötzlich nahm Sherlocks Gesicht einen düsteren Ausdruck an.
"Mary...", flüsterte er. John rollte mit den Augen.
"Sherlock, kannst du bitte aufhören, von ihr zu sprechen?", fragte er etwas genervt. "Du weißt, ich habe nur meinen Job gemacht. Es läuft nichts zwischen uns." Sherlock nickte abwesend.
"Weiß sie, dass du hier wohnst?", fragte er. John erstarrte bei dieser Frage und überlegte.
"Ich denke, ja. Warum?", fragte er. Sherlock sah ihn lange an, dann schüttelte er den Kopf.
"Vergiss es. Nicht wichtig", murmelte er. John seufzte.
"Sherlock, ich meine es ernst. Mary und ich, wir sind Freunde. Sie weiß, dass wir beide eine Beziehung führen und sie respektiert das", stellte John klar. Er musste zugeben, Sherlocks Eifersucht begann, ihn zu nerven. Vertraute Sherlock ihm wirklich so wenig, dass er treu war? Er hasste Leute, die ihren Beziehungspartner betrügten. Er selbst war immer treu gewesen und bei Sherlock war es besonders wichtig. Sherlock war der Mann, welcher sein Leben verändert hatte. Die Liebe, die er sich immer gewünscht hatte, hatte er ziemlich unerwartet von ihm erhalten. Und er war glücklich mit ihm. Wieso also musste Sherlock so eifersüchtig denken?
"Ich weiß", sagte Sherlock. John musterte ihn. Sherlock sah tatsächlich nicht so aus, als wäre er neidisch.
"Iss weiter", sagte Sherlock freundlich. John hob kurz die Augenbrauen, dann fuhr er damit fort, seinen Pfannkuchen zu verspeisen.
"Gie sin guk", sagte er mit vollem Mund. Sherlock sah ihn gleichzeitig lächelnd und verwirrt an. John schluckte einmal und sagte jetzt deutlich: "Die sind gut." Sherlock lächelte kurz. "Was beschäftigt dich?", fragte John. Sherlock holte tief Luft.
"John, ich will dich warnen. Irgendetwas wird passieren. Ich weiß nicht, wann oder warum. Aber es wird passieren. Und bis dahin müssen wir uns auf etwas einigen", sagte er. John nickte erwartungsvoll. "Wir müssen uns vollkommen vertrauen", sagte Sherlock mit einem festen Blick auf John. Der starrte ihn verblüfft an.
"Das ist nicht dein Ernst, oder?", fragte er. Sherlock starrte ihn verwirrt an. "Du wirfst mir die ganze Zeit vor, dass ich dich betrügen würde und du verlangst von mir Vertrauen?" Sherlocks Mund öffnete sich einen Spalt breit, dann schluckte er.
"Ich habe dir das niemals vorgeworfen!", sagte er ruhig. Offenbar wollte er keinen weiteren Streit anfangen, was verständlich war, trotzdem wurde Johns Laune schlechter.
"Doch, hast du. Wieso fragst du sonst, ob sie wüsste, wo ich wohne? Vergiss es, ich will es noch nicht einmal wissen. Fakt ist, ich darf mich auch mit anderen Frauen unterhalten", sagte John und stand auf. Sherlock sah ihn an, als wäre er bescheuert.
"Ich habe nie gesagt, dass du das nicht dürftest", sagte er ruhig. "Ich will nur, dass-"
"-ich nicht mehr mit Mary rede?", beendete John den Satz. Sherlock schüttelte frustriert den Kopf.
"Nein! Wieso hörst du mir denn nicht zu? Du bist so dickköpfig!", sagte er. John starrte ihn lange an.
"Ich bin derjenige, der dickköpfig ist? Wer von uns beiden hat bitte 14 Pfannkuchen anbrennen lassen?", sagte er. Sherlock sah ihn leicht verletzt an.
"Du weißt, dass ich es für dich machen wollte", sagte er. "Außerdem, ja, du bist ziemlich dickköpfig. Ich habe dir nie vorgeworfen, mich betrogen zu haben. Ich habe immer genug Vertrauen in dich gesetzt, dass du der Vernünftige in dieser Beziehung bist." John starrte ihn verwirrt an.
"Was soll das denn heißen?", fragte er. Sherlock zuckte mit den Schultern und starrre etwas beschämt auf den Küchentisch.
"Du kennst dich mit diesem Beziehungskram aus. Küssen, Händchen halten, für den Mann den man liebt, zu kochen. Mit all dem kennst du dich aus. Darum beneide ich dich auch. Dass du nicht gleich weggerannt bist, als du mich kennengelernt hast", murmelte Sherlock. John musterte ihn. Sherlock hatte niemals jemanden gehabt, wurde es ihm klar. Niemals. Der eigene Bruder hatte ihm abgeraten, Liebe anzunehmen. Und John war offenbar der erste, der anders war. Der ihn liebte, trotz Schüssen auf die Wand und trotz Leichenteilen im Kühlschrank.
John nickte kurz. "Ich vertraue dir, Sherlock", flüsterte er. Sherlock lächelte kurz. "Ich vertraue dir mein Leben an."
"Und ich dir das meine", antwortete Sherlock. John lächelte kurz. Dann setzte er sich wieder hin. Verdammt, er liebte diesen Mann.
"Komm, wir essen weiter", sagte er.
"Du hast noch gar nichts gegessen!", fiel ihm auf. Sherlock schüttelte den Kopf.
"Ich habe keinen Hung-", begann er. John grinste kurz.
"Wie wäre es damit? Wir essen beide etwas, danach unternehmen wir etwas zusammen?", schlug John vor. Er wusste genauso gut wie Sherlock, dass 'ewas unternehmen' eigentlich nur auf def Couch liegen und kuscheln bedeutete. Doch Sherlock schien es zu überzeugen, denn er nahm sich ebenfalls einen Pfannkuchen.
"John?", fragte er.
"Ja?", antwortete John.
"Wir brauchen wieder Mehl", sagte Sherlock. John zog verwundert die Augenbrauen zusammen.
"Ich habe doch gestern erst vier Packungen gekauft!", sagte er. Sherlock nickte.
"Ganz genau. Aber jetzt ist keins mehr da. Und wir brauchen Wasser. Und Eier", sagte er. John starrte ihn lange an.
"Wieviel Teig hast du gemacht?", fragte er langsam. Sherlock starrte ihn lange an.
"Viel. Guten Appetit", sagte Sherlock schnell und machte sich an seinen Pfannkuchen. John musterte ihn entsetzt, dann nickte er.
"In Ordnung. Ich kaufe Mehl."
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Tut mir leid, dass das Kapitel etwas spät kam, ich hatte plötzlich kein Internet!😱
Ich hoffe aber, dass euch das Kapitel trotzdem gefallen hat! Bis bald!
Wiiprinzess ❤
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