Kapitel 21 - Gefahren
John saß am Krankenhausbett und seufzte. Ein paar Minuten, nachdem er die Notfallnummer gewählt hatte, waren die Notärzte zu ihnen gekommen. Sie hatten Sherlock auf eine Trage gehoben und in dem Krankenwagen zusammen mit John ins Krankenhaus gefahren. Jetzt saß er hier. Schon wieder.
Gut, er musste zugeben, es war nicht das Gleiche. Wenigstens wusste John ganz sicher, dass Sherlock am Leben war und dass er ihm absolut keine Vorwürfe machte. Und er lag nicht in irgendeinem Koma. Er schlief einfach nur, nachdem die Ärzte seine Wunden behandelt hatten. Bis jetzt war er noch nicht aufgewacht. Doch John gönnte ihm die Ruhe.
"Hey", flüsterte Sherlock plötzlich. John drehte überrascht seinen Kopf in seine Richtung. Sherlock war wieder wach!
"Hey!", sagte John schnell und rückte mit seinem Stuhl etwas weiter zu Sherlock. "Wie geht es dir?"
Sherlock hob seine Augenbrauen. "Besser", murmelte er. "Dir?" John nickte, ohne seinen Blick von Sherlock zu nehmen.
"Gut, danke", murmelte er. Sherlock ließ seine Schultern hängen. Er war noch immer sehr müde, sah John. "Kann ich irgendetwas für dich tun?", fragte er schnell. Sherlock nickte.
"Kannst du...", begann er. Seine Stimme war heiser von dem Geschrei. "...mich...küssen?" Sofort breitete sich ein sanftes Lächeln auf Johns Lippen aus. Er stand auf und ging näher an das Bett heran, dann beugte er sich zu Sherlock hinüber. Vorsichtig drückte er seine Lippen auf die Sherlocks. Es tat gut, wieder diese vollen Lippen auf seinen eigenen zu spüren. Als er den Kuss abbrach, sah Sherlock ihn an, ebenfalls lächelnd. "Danke."
John strich liebevoll durch die lockigen Haare. Er liebte diese Haare. Sherlock legte sich wieder etwas zurück und seufzte glücklich. Plötzlich weiteten sich seine Augen und er setzte sich wieder etwas auf. "Wo ist...?", fragte er besorgt. John drückte ihn sanft wieder auf das Bett zurück.
"Sebastian ist im Gefängnis", beruhigte John ihn. "Die Polizisten haben eben noch kurz mit mir gesprochen. Er wird strengstens überwacht." Sherlock sah ihn noch immer etwas misstrauisch an. "Keine Sorge. Lestrade hat sich mit seinen besten Männern persönlich um den Fall gekümmert." Sherlock zog eine Augenbraue nach oben.
"Also...nicht mit Donovan", sagte er und John grinste kurz. Sherlock hatte den Schmerz seines Lebens erlebt und trotzdem konnte er noch Witze reißen.
"Nein, nicht Donovan", antwortete er. Sherlock grinste ebenfalls kurz. "Sie spricht auch nicht mehr mit mir. Könnte wegen des Videos sein." Sherlock sah John lange an. Nicht nachdenklich oder mit dem Ich-deduziere-Blick. Einfach nur mit einem Lächeln auf den Lippen.
"John?", fragte er nach einer Weile. John, der es wieder geschafft hatte, sich in den blauen Augen seines Gegenübers zu verlieren, schaute auf.
"Ja?", fragte er.
"Ich werde...gleich wieder einschlafen. Morphium. Bleibst du bis dahin...bei mir?", fragte Sherlock mit rauer Stimme. John lächelte ihn warm an.
"Natürlich", sagte er. Sherlock schenkte ihm ebenfalls ein Lächeln, dann schloss er die Augen. John beobachtete ihn, während er die Decke vorsichtig über ihn zog. Sherlock griff kurz nach seiner Hand und küsste kurz auf Johns Knöchel, ohne dabei die Augen zu öffnen. Dann ließ er die Hand los und John strich ihm über den Kopf.
"Du tapferer Mann", flüsterte John. "Du wundervoller, brillianter, tapferer Mann."
Er beobachtete Sherlocknoch weiter, bis dessen Brust sich regelmäßig hob und senkte. John wunderte sich immer noch, wie er früher diese Seiten von Sherlock nicht hatte sehen können. Sherlock hatte niemals in Betracht gezogen, John sterben zu lassen. Er hatte einfach nur den Kopf geschüttelt und die Schmerzen über sich ergehen lassen.
Was war er, John Watson, doch für ein glücklicher Mann.
~
In den nächsten Tagen lief alles hauptsächlich so ähnlich ab, wie es damals bei dem Anschlag des silbernen Autos abgelaufen war. John besuchte Sherlock sehr oft, was diesem jedes Mal ein kleines Lächeln auf die Lippen brachte. Die Wunden an Sherlocks Hüfte, Bauch und Brust waren zwar schmerzhaft, doch Sherlock konnte dank Mycrofts Hilfe trotzdem etwas schneller nach Hause, als es von den Ärzten angesehen war. Außerdem hatte er ja einen eigenen Arzt.
Als Sherlock endlich wieder in der Baker Street ankam, kam sie ihm ungewöhnlich ruhig vor. Mrs Hudson begrüßte sie beide mit einem liebevollen Lächeln auf Sherlock und John, dann gingen sie nach oben in das Wohnzimmer. Vorsichtig zog John Sherlock den Mantel aus, dann führte er ihn auf das Sofa, wo Sherlock sich vorsichtig hinsetzte. Das Sprechen fiel ihm noch immer etwas schwer, da bei jedem Wort seine Brust schmerzte.
Nachdem John die Mäntel weggelegt hatte, setzte er sich neben Sherlock. Dieser bemerkte sofort, dass John Angst hatte, ihm wehtutun, weil er sich extra etwas weiter weggesetzt hatte. Also legte er einfach seinen Arm um John und zog ihn zu sich hinüber.
John schmunzelte und sah ihm in die Augen. Sherlock beobachtete John lange, dann legte er seinen Kopf auf Johns Schulter. Der lächelte. Doch aus irgendeinem Grund schien er nervös. Als müsste er dringend etwas tun, aber hätte es sich noch nicht getraut.
"Sherlock?", fragte er plötzlich. Sherlock sah ihn überrascht an.
"Ja", fragte er. John holte tief Luft.
"Ich weiß, du willst es nicht hören. Aber das ist mir gerade egal. Ich will nur sagen, dass ich mir immer noch wünsche, schneller dort gewesen zu sein und dass es mir leid tut." Sherlock rollte mit den Augen.
"John, du hast... keine Schuld", sagte er mit stechendem Blick. John starrte ihn an.
"Sieh dich doch einmal an! Du kannst kaum sprechen!", rief er. Sherlock sah ihn verwirrt an. "Du hast niemals darüber nachgedacht, zu sagen, dass er aufhören soll." Sherlock warf ihm einen wütenden Blick zu.
"Glaubst du... ich würde dich... umbringen?", stieß er hervor. John sah ihn lange an.
"Ich wünschte, es wäre ich gewesen. Letzten Endes hast du den ganzen Schmerz eingesteckt und uns dann noch herausgeholt. Ich bin so nutzlos auf unseren gemeinsamen Fällen. Hätten die Seile nicht zufällig gerissen, säßen wir wahrscheinlich noch beide dort", flüsterte er. Sherlock schüttelte den Kopf.
"Bitte...sag so etwas...nicht", brachte er hervor. "Du warst...fabelhaft." John schüttelte den Kopf, während er sein Gesicht in seinen Händen vergrub. Sherlock starrte ihn entsetzt an. "Mir ist es... egal, ob du klug... bist, oder nicht", murmelte er. "Du... hast mich gerettet."
John hob seinen Kopf und plazierte einen liebevollen Kuss auf Sherlocks Wange. Dieser wusste, dass er John noch nicht ganz überzeugt hatte.
"John...im Leben gibt es... so viel wichtigere Dinge...als logisches Denken. Du... hast ein starkes... Herz, du weißt immer..., was man in einer... Situation tun sollte. Ich... bin bloß ein... Detectiv. Du... rettest Leben. Ich... kläre die Morde... auf. Siehst du jetzt, warum ich... dich liebe?" John beobachtete ihn mit großen Augen. Sherlock lächelte ihm zu, dann beugte er sich hinunter und küsste sanft Johns Hals. John schloss die Augen und hob seinen Arm, um ihn um Sherlock zu legen. Dann zögerte er jedoch. Sherlock schaute kurz auf, dann legte er Johns Arm um seine Hüfte. Dann fuhr er damit fort, die hauchzarten Küsse auf Johns Hals zu verteilen, was Johns Mund ein kleines Stöhnen entlockte.
Irgendwann ließ sich John etwas nach hinten fallen und sie kuschelten sich gemeinsam auf der Couch aneinander. John seufzte glücklich. "Mein wunderbarer Held", flüsterte er. "Auch du hast mich gerettet. Danke." Sherlock sah ihn liebevoll an, dann schloss er die Augen. John streichelte zärtlich Sherlocks Wange. So sehr Sherlock auch den müden Kuschel - John mochte, diese Seite von ihm liebte er ebenfalls. John ging mit ihm so sachte um, als wäre Sherlock etwas Seltenes und unersetzliches von unschätzbarem Wert.
Mittlerweile merkte Sherlock, dass er sehr müde war, und unterdrückte ein Gähnen. John, klug wie er war, hatte es natürlich mitbekommen.
"Schlafen?", fragte er lächelnd. Sherlock wollte protestieren, doch John hatte ausgesprochen, was sein Körper verlangte. Er nickte nur.
"Kein Grund sich zu schämen", sagte John. "Ich bin es ebenfalls."
Sherlock versuchte, aufzustehen, doch sein Körper wandte sich gegen seinen Willen und er fiel wieder zurück auf das Sofa. John hatte sich bereits aufgesetzt und sah, dass Sherlock es nur schwer schaffte, sich überhaupt aufzuraffen. "Uff", flüsterte Sherlock. John musterte ihn besorgt.
"Bleib kurz hier, ja?", sagte er mit leiser Stimme.
"Ich gehe...bestimmt nicht weg", brummte Sherlock in sein Kissen. Er hörte, dass John kurz weg ging, dann eine Klinke, die heruntergedrückt wurde, dann kam John wieder zu ihm. Plötzlich fühlte Sherlock zwei Hände, die sich unter seinen Rücken schoben. Im nächsten Moment wurde er plötzlich nach oben gehoben. Überrascht öffnete Sherlock seine Augen ein wenig und sah, dass John ihn tatsächlich in sein Zimmer trug. Insgeheim lächelte Sherlock ihn sich hinein. John war stark. John würde ihn heute Nacht beschützen, nicht andersherum.
Nachdem John Sherlock vorsichtig auf dem Bett abgelegt hatte, deckte er ihn vorsichtig zu. Sherlock öffnete noch einmal kurz die Augen und erblickte John, der ihn so liebevoll ansah, dass Sherlock das Gefühl hatte, wegzuschmelzen. Er streckte kurz seinen Arm aus und zog John mit sich auf das Bett drauf.
"Sherlock!", flüsterte John müde. Sherlock lächelte ihm in seinem Halbschlaf zu.
"Gute Nacht, mein Held", murmelte er. John rückte nahe an ihn heran, wie früher, doch er zögerte wieder ein wenig, bevor Sherlock sich an ihn schmiegte. Dann war John bereits eingeschlafen. Sherlock wollte ihm eigentlich noch so viel erzählen. Wie dankbar er ihm für alles war und dass er das beste wäre, was Sherlock je passiert wäre. Doch im nächsten Moment überwältigte ihn die Müdigkeit und er schlief ebenfalls ein.
~
"Deinem Johnny geht's gut . Mach dir mal lieber Sorgen um dich selbst, so wie du es normalerweise sowieso tust", flüsterte eine Stimme in Sherlocks Ohr.
"Ich bin wieder hier?", rief Sherlock. "Nein!" Das konnte nicht wahr sein. Er wollte nicht wieder am diesem schrecklichen Ort mit diesem Schmerz sein. Sebastian beugte sich zu ihm herunter.
"Lass uns etwas Spaß haben, ja?", flüsterte er. Sherlock schüttelte entsetzt den Kopf.
"Lass mich los", schrie er. "Ich will hier nicht sein! Fass mich nicht an!" Sebastian sah ihn überrascht an.
"Habe ich richtig verstanden? Ich soll aufhören, hast du gesagt?", wiederholte er mit einem Grinsen. Sofort überkam Sherlock die blanke Panik.
"Nein, das habe ich nicht. Lass John in Ruhe!", rief Sherlock laut.
"Ups. Zu spät", flüsterte Sebastian und drückte auf einen Knopf. Aus dem Nebenraum hörte Sherlock einem kleinen Schrei.
"Was?! Nein! John!"
"Sei still", zischte Sebastian und legte den Hebel um.
~
Erschrocken wachte Sherlock auf. Schnell sah er sich um. Nein, er war in seinem Zimmer, in seinem Bett. Nicht in dem kaltem, schmerzvollem Zimmer. Sherlock schaute auf seinen Seite.
John war nicht da.
Erschrocken sprang Sherlock auf und humpelte ächzend aus seinem Zimmer in den Flur. "John?", rief er laut. Ohne auf eine Antwort zu warten ging er schnell auf das Wohnzimmer zu und öffnete die Tür mit einem lauten Knall.
John saß auf seinem Sessel. Gegenüber von ihm saß Mycroft.
"Hallo, Bruder mein", sagte er und lächelte ihm kurz zu. John, der mit dem Rücken zu Sherlock saß, drehte sich um und erstarrte.
"Sherlock! Was ist passiert?", fragte er und stand auf. Sherlock starrte ihn nur lange an.
"Nichts", sagte er nach einer Weile. John sah ihn nicht wirklich überzeugt an. "Was machst du hier?", fragte Sherlock jetzt Mycroft und versuchte, so normal wie möglich zu reden. Mycroft sah schnell zu John, dann wieder zu Sherlock.
"Ich bin hauptsächlich hier, um mich über deine Gesundheit zu erkundigen", sagte er. John starrte ihn verwirrt an. Sherlock zog unbeeindruckt eine Augenbraue nach oben.
"Nein. Warum bist du hier?", fragte Sherlock noch einmal. Mycroft sagte nichts.
"Er meinte, ich sollte mit dir Schluss machen", sagte John sauer. Sherlock starrte Mycroft an.
"Was?", stieß er aus. "Warum solltest du? Habe ich... etwas falsch gemacht?" John schüttelte sofort den Kopf. Mycroft musterte sie beide.
"Warum...um alles in der Welt willst du, dass John mich verlässt?", rief Sherlock wütend. Er konnte es nicht fassen. Mycroft war sein Bruder. Wie konnte er nur?
"Ich habe nicht gesagt, dass John dich verlassen soll", stellte Mycroft klar. "Ich meinte einfach nur dass er lediglich ein wenig Abstand von dir halten soll."
"Warum?", fragte John. "Ich verstehe, dass Sie versuchen, ihn vor einem gebrochenen Herzen zu beschützen, aber ich werde Sherlock nicht verletzen. Ich liebe ihn." Sherlock lächelte John kurz zu.
"Sind Sie da ganz sicher?", fragte Mycroft. John nickte. Sherlock ging etwas näher auf John und Mycroft zu.
"Woher weißt du überhaupt von unserer Beziehung?", fragte er. Mycrofts Augen weiteten sich kurz, dann räusperte er sich.
"Greg hat es mir erzählt", sagte er beiläufig. Sherlock starrte ihn an. Dann nickte er.
"Und? Seit ihr mittlerweile zusammen?", fratte er. Mycroft starrte ihn an.
"Wieso glaubst du, ich würde eine romantische Beziehung mit Greg in Erwägung-", begann er und Sherlock rollte mit seinen Augen.
"Oh bitte! Nicht einmal du bist gefühlslos. Ich sehe doch, wie ihr euch gegenseitig anseht. Diese verliebten Blicke. Ihr seid praktisch das Bilderbuch - Klischee!" Mycroft sah ihn unbeeindruckt an.
"Nein, wir sind nicht zusammen", sagte er. "Wir werden sehr wahrscheinlich niemals zusammen sein. Er liebt mich nicht." Sherlock lachte auf.
"Für ein Genie bist du bemerkenswert dumm", sagte er. "Er liebt dich garantiert, aber du musst es ihm sagen und nicht zu lange warten. Dann wird dir dein Herz gebrochen."
John betrachtete Sherlock lächelnd, Mycroft jedoch sah ihn zweifelnd an, dann stand er auf.
Sherlock sah Mycroft erwartungsvoll an, doch John schüttelte den Kopf. "Mycroft?", fragte er. Mycroft sah ihn an.
"Ja, Dr Watson?", sagte er zögernd.
"Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit Lestrade. Doch bitte gehen Sie nicht zwischen die Beziehung zwischen Sherlock und mir. Ich bin vollkommen glücklich mit Ihrem Bruder. Und ich wüsste nicht, wann ich jemals so geliebt wurde wie von ihm. Ich liebe ihn wirklich sehr. Doch wenn Sie weiterhin versuchen werden, ihn und mich auseinander zu bringen, denken Sie daran, dass wir beide genug Gefahren erlebt haben", sagte John mit einem festen Blick. Sherlock beobachtete ihn erstaunt.
"Das ist wahr", sagte er. "Genug Gefahr. Zuviel für zwei Leben. Viel zu viel." John drehte seinen Kopf zu ihm und grinste ihn an.
"Willst du mehr davon?", fragte er. Sherlock zwinkerte ihm zu.
"Unbedingt, ja", flüsterte er. Mycroft rollte mit den Augen und ging auf die Wohnzimmertür zu.
"Gut, ich wünsche dir noch einen schönen Tag. Ich werde mich jetzt mit einem bestimmten Detectiv Inspektor treffen", sagte er. Sherlock grinste ihm kurz zu.
"Auf Wiedersehen!", rief er. Mycroft drehte sich um und ging die Treppe herunter. Sobald er das Haus verlassen hatte, ging Sherlock auf John zu un presste seine Lippen auf die des Kleineren.
"Wofür war das denn?", fragte John neugierig. Sherlock lächelte.
"Auf unsere Gefahren", flüsterte er.
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