Kapitel 12 - Schönheit
An diesem Morgen verbrachten John und Sherlock die meiste Zeit in den Armen des Anderen. Einfach nur gehalten zu werden war für Sherlock das Schönste, was es gab ( solange es auch wirklich nur John tat) und er genoss diese Zeit in vollen Zügen. John schien es ebenfalls zu tun, zumindest sah es so aus, als würde er endlich wieder lächeln. Sherlock liebte dieses Lächeln. Er hätte von sich niemals gedacht, irgendetwas jemals "süß" finden zu können, bis er dann John traf. Und der war so zuckersüß und niedlich.
"Hmm", murmelte John, während er seinen Kopf auf Sherlocks Brust gelegt hatte. Sherlock lächelte. John murmelte oft im Schlaf. Manchmal waren es die Kriegs - Albträume, manchmal aber träumte er auch von etwas Schönem. Oft wusste Sherlock nicht, was das sein sollte, bis John dann aufwachte.
"Johohn", flüsterte Sherlock mit einer Hand auf Johns Schulter. "Wir müssen gleich lohos!", sang er mit einer etwas hohen Stimme. John drehte sich langsam und etwas verschlafen um und blinzelte Sherlock an.
"Was?", murmelte er. Es war klar, dass er noch nicht wieder ganz wach war. "Warum?"
"Wir treffen uns mit meinem Bruder, schon vergessen?", fragte Sherlock mit einem liebevollen Lächeln auf Johns süße Müdigkeit. John gähnte einmal lange, dann kuschelte er sich wieder an Sherlock.
"Können wir nicht einfach absagen?", flüsterte er. Sherlock schüttelte den Kopf.
"Tut mir leid, nein. Mein Bruder würde uns sonst höchstpersöhnlich hier abholen. Das geht leider nicht."
John seufzte und sah Sherlock lange an. "Aber ich will nicht."
"Du bist wie ein müdes kleines Kind. Jetzt-" er hob seine Stimme von leise auf brüllend, "AUFSTEHEN!" Erschrocken setzte sich John kerzengerade auf und starrte Sherlock überrascht an. "Sehr gut", sagte dieser mit einem Grinsen, dann wollte er aufstehen, doch John hielt ihn zurück.
"Kriege ich noch einen Kuss?", fragte er mit aufgesetzten Hundeaugen. Sherlock lächelte und beugte sich sanft zu ihm hinüber. Vorsichtig ließ er seine Lippen mit denen Johns verschmelzen. John lächelte. Sherlock lächelte ebenfalls, dann stand er wieder auf und ging in den Flur ins Badezimmer.
Dort stellte er sich vor den Spiegel. Sherlock war mit seinem Äußeren nie zufrieden gewesen. Er mochte es einfach nicht. Die Wangenknochen ließen ihn aussehen wie ein seltsames Tier. Außerdem war seine Haut so ekelhaft bleich, dass man denken könnte, er wäre eine lebendige Leiche. Doch für ihn war es genug.
Die Badezimmertür öffnete sich und John trat herein. Er griff mit beiden Armen um Sherlocks Ellebogen herum und lehnte seinen Kopf an die Schulter des Detectivs. Als John den kritischen Blick seinem Spiegelbild entgegen sag, lächelte er.
"Du bist wunderschön", flüsterte er. Sherlock drehte sich abrupt zu ihm um und starrte ihn entgeistert an.
"Was hast du gesagt?", fragte er, im Glauben, sich verhört zu haben.
John grinste ihn an. "Ich sagte, du bist wunderschön. Hast du mich nicht gehört?", fragte er. Sherlock sah ihn an, die Augenbrauen hochgezogen.
"Tu nicht so, als wäre ich der erste, der das sagt", sagte John mit einem neugierigen Blick.
"Tue ich nicht. Du bist der Erste", sagte Sherlock mit einem einfachen Lächeln. Das war wahr. John war tatsächlich der erste, der ihn auf diese Weise hübsch genannt hatte. John jedoch warf ihm einen verblüfften Blick zu.
"Im...im Ernst? Ich bin der Erste, der dir so etwas sagt? Noch nicht mal deine Mutter hat dir so etwas gesagt?", stammelte er ungläubig. Sherlock schüttelte den Kopf.
"Meine Eltern und ich...unsere Beziehung ist schwierig. Sie sind ebenfalls klug, zumindest ist es meine Mutter, doch ich war in meiner Kindheit sehr anders als andere Kinder", sagte Sherlock langsam. "Ich wollte beispielsweise niemals meinen ersten Vornamen annehmen. Seitdem nennen mich alle 'Sherlock'."
John musterte ihn neugierig. Seine Augen funkelten nur so von ungestellten Fragen, also holte Sherlock einmal tief Luft.
"Meine Eltern leben noch, ja. Mit schwierig meine ich, dass ich durch brüderlichen Rat alle auf irgendeine Weise auftretende Liebe abgestoßen habe. Und mein voller Name? William Sherlock Scott Holmes", sagte er, was eine niedliche Überraschung auf Johns Gesicht ausbreitete. Dann sahen sie beide wieder in den Spiegel. John war noch immer an Sherlocks Arm angelehnt und hielt diesen fest. Als sich ihre Blicke im Spiegel trafen, lächelten sie kurz.
"Sherlock?", fragte John leise.
"John?", antwortete Sherlock.
"Du bist der schönste Mann auf dieser Erde", sagte John leise. Sherlock drehte seinen Kopf wieder zu John.
"Hör auf!", sagte er.
"Wieso?", fragte John. "Magst du es nicht?" Dann erkannte er es und öffnete seinen Mund in einem breiten Grinsen. "Deine Wangen! Sie werden rosa! Das ist so niedlich!", sagte er angetan.
Sherlock rollte mit den Augen. "Nicht wahr!", protestierte er. "Ich bin nicht niedlich, John. Wehe, du sagst irgendwann nochmal so etwas!"
John grinste. "Du bist sooo niedlich!", rief er laut.
"Hör auf! Das ist mein Gedanke!", rief Sherlock. John sah ihn verwirrt an.
"Was meinst du damit?", fragte er verwundert. Sherlock sah ihn lange an, dann schüttlete er den Kopf.
"Nicht so wichtig."
"Doch! Ich will es wissen. Was meinst du, du hättest das zuerst gedacht?", fragte John neugierig. Sherlock seufzte.
"Du bist wie Zucker, so unglaublich süß", sagte er und Johns Gesichtszüge legten sich sofort. "Du hast diese niedlichen Hamsterwangen, diese liebevollen Augen, und immer, wenn ich etwas dummes anstelle, machst du so etwas niedliches mit deiner Stirn."
Vielleicht hätte er dies nicht wie ein langweiliges Schulreferat aufsagen sollen. So wurde sein Auftritt irgendwie sehr unglaubwürdig.
Doch John beobachtete ihn einfach nur liebevoll. Dann erstarrte er.
"Hamsterwangen?! Was soll das denn heißen?"
Sherlock zuckte mit den Schultern. "Du hast eben schöne Wangen. Wie ein Hamster. Oder ein Igel", sagte er vielsagend.
"Wie kommst du jetzt auf Igel?", frage John ohne Verständnis.
Sherlock senkte den Kopf. "Keine Ahnung. Fans von uns haben sich das ausgedacht. Du seist ein Igel, ich ein Otter. Wie sind sie darauf gekommen?"
John grinste. "Das mit dem Otter ist vielleicht gar nicht so falsch. Du hast diese Wangenknochen-", begann er überlegend.
Sherlock stöhnte auf. "Können wir uns nicht einfach darauf einigen, dass ich nicht hübsch bin? Das würde die Sache so viel erträglicher machen", sagte er mit einem flehenden Tonfall.
John starrte ihn erschrocken an.
"Natürlich bist du hübsch! Wieso solltest du es nicht sein?", fragte er verwundert. Sherlock senkte die Schultern.
"Es gibt nicht eine Sache an meinem Aussehen, die ich attraktiv finden sollte. Du hingegen-"
Bevor Sherlock sagen konnte, dass Johns Augen wunderschön waren, hatte der kleine Mann ihn am Kragen hinuntergezogen und seine Lippen auf die Sherlocks gepresst. Sofort legte sich Sherlocks Gereiztheit und sein Körper entspannte sich. Als John den Kuss löste, um etwas zu sagen, ignorierte Sherlock ihn vollkommen und küsste ihn ebenfalls. Als er von John abließ, hatte dieser einen verträumten Blick aufgesetzt, dass Sherlock mal wieder rot wurde.
"Verdammt, kannst du gut küssen", murmelte John lächelnd. Sherlock hob eine Augenbraue.
"D-danke", stammelte er. Wieso stammelte er? Das war absolut nicht seine Art! Er war doch immer sicher gewesen. John hatte dies auf den Kopf gestellt. Dieser Ar-
"Sieh mal an, wer da wieder rot wird", grinste John. Sherlock warf ihm einen gespielt beleidigten Blick zu und ging zur Tür des Badezimmers.
"Wir müssen gleich los, wenn wir noch rechtzeitig da sein wollen", sagte er. Hinter sich stöhnte John auf.
"Na schön", sagte er. "Wie wirst du Lestrade sagen, dass du nicht tot bist?", fragte er etwas neugierig. Sherlock winkte ab.
"Mein Bruder wird ihn vorwarnen. Der Rest wird einfach", sagte er mit knapp. "Wir sollten los."
John sah ebenfalls kurz in den Spiegel, was Sherlock sofort auffiel.
"Du siehst sowieso toll aus! Jetzt komm schon!"
John kicherte. Offenbar mochte er es, gutaussehend genannt zu werden. Sherlock nahm sich in Gedanken vor, ihm das öfter zu sagen.
~
Als sie dann endlich das Haus verließen, war John ein wenig aufgeregt. Nicht, weil er sich mit Mycroft traf. Immerhin hatten sie bereits das ein oder andere Treffen gehabt. Besonders nach Sherlocks 'Tod'. John hatte ihn besucht und ihn für den Tod seines jüngeren Bruders verantwortlich gemacht.
Doch John war aufgeregt, weil er sich die Reaktion von Lestrade kaum vorstellen konnte. Würde er lachen? Würde er Panik bekommen? Wenn er Sherlock schlagen würde, würde John ihn wahrscheinlich zurückhalten. Aber erst nach ein paar Schlägen. Wie Sherlock vorhatte, mit Lestrade zu reden, war John sowieso fremd.
"Wir sind da", sagte der Taxifahrer mit einem leicht französischen Akzent. Sherlock, der die halbe Fahrt nur aus dem Fenster geschaut hatte, schreckte auf. Er bezahlte den Taxifahrer, was John verblüfft hinnahm und stieg dann aus. John folgte ihm.
Das Restaurant, in dem sie sich mit Lestrade und Mycroft trafen, war bildschön und gleichzeitig recht bescheiden eingerichtet. Ein dunkler Teppich führte von der kleinen Eingangshalle zu den Tischen, an dem bereits einige Menschen saßen. Während John seinen Kopf drehte, um die beiden Männer zu suchen, nahm Sherlock seine Hand und zog ihn mit sanfter Hektik quer durch das Restaurant.
Als John seinem Blick folgte, sah schließlich auch er den 4 - er - Tisch in der Ecke, an der bereits Mycroft und Lestrade saßen. Johns Augen wurden größer, als er das Lächeln auf Mycrofts Gesicht sah. Es war weder ein falsches noch ein gequältes Lächeln, kurz: es war kein Lächeln, was John von Mycroft kannte. Lestrade saß mit mit den Augen zu ihm, also mit dem Rücken zu Sherlock und John.
Als Mycroft sie bemerkte, hob er seinen Kopf. Sofort verwandelte sich das eben noch so verträumte Lächeln wieder in den Ich-bin-die-britische-Regierung-Blick. Oh Gott.
"Dr Watson", sagte Mycroft mit einer hochgezogenen Braue. Lestrade drehte sich um und lächelte John an. Dann fiel sein Blick auf Sherlock und er erstarrte.
"Was zum...?!", flüsterte er geschockt. "Sherlock?! A-aber Sie sind... Sie sind tot!"
Sherlock sah ihn verwundert an, dann streckte er zwei Finger aus und legte sie auf sein Handgelenk. Eine Sekunde später schüttelte er den Kopf.
"Tut mir leid Sie enttäuschen zu müssen, aber nein, bin ich nicht", antwortete er gelassen.
Lestrade zeigte auf ihn mit offenem Mund, während er die Worte durch zusammengepresste Zähne stieß.
"Aber Sie sind von einem Gebäude gestürzt. Ich muss verrückt geworden sein!"
"Mycroft, ich dachte, du wolltest ihn vorwarnen?", fragte Sherlock mit einem Blick auf seinen Bruder. Dieser nickte.
"Und dies habe ich getan", antwortete Mycroft. "Gregory, ich habe dir eine Überraschung versprochen. Hier ist sie. Mein Bruder ist noch am Leben, er kann weiterhin Fälle lösen, die Scotland Yard Probleme bereiten könnten."
Lestrade wandte seinen Kopf mit offenem Mund zu Mycroft. Aus dem Augenwinkel sah John, der extra wegschauen wollte, wie sich Wut und Enttäuschung auf seinem Gesicht ausbreiteten. Er konnte es ihm schlecht verdenken.
"Das hast du mit einer Überraschung gemeint? Sherlock spaziert hier einfach rein und ich soll das einfach so akzeptieren, oder was?", rief er etwas laut. Einige Leute im Restaurant drehten sich zu ihnen um und Lestrade senkte seinen Kopf. Als sich die Leute wieder umgedreht hatten, setzten sich John und Sherlock hin. John neben Lestrade, Sherlock neben seinen Bruder.
"Was hattest du bitte sonst erwartet?", fragte Mycroft irritiert. Lestrade sah ihn lange an, dann schüttelte er den Kopf in Frust.
"Nichts", murmelte er. Mycroft zog die Augenbrauen hoch. Dann sah er ihn lange an, bis er zu reden anfing.
"Gregory, es tut mir leid. Es war falsch von mir, dich so hinterhältig reinlegen, bitte verzeih mir." John sah kurz hinüber zu Sherlock, welcher seinen Bruder geschockt anstarrte. Er selbst war nicht weniger überrascht. Mycroft Holmes hatte sich entschuldigt. Das hatte John bisher nur bei Mrs Hudson erlebt. Doch das Interessante war, dass er es von sich aus getan hatte.
Lestrade nickte einfach nur müde. "Klar. Ist schon in Ordnung. Schön, Sie zurückzuhaben, Sherlock. Sie verdammter Bastard. Warum haben Sie es getan?", fragte er.
Sherlock erzählte kurz die Geschichte von Moriartys Scharfschützen und dass Mrs Hudson, John und Lestrade darduch gerettet wurden.
"Wow", schnaufte Lestrade mit einem Nicken. "Das ist ganz schön viel auf einmal. Aber ich denke, ich sollte ihnen danken, nicht wahr?"
"Ich hätte da eine kleine Bitte an Sie, Detectiv Inspektor", sagte Sherlock mit einer leichten Spur von Betteln.
"Sherlock, nur weil Sie tot waren, heißt das nicht, dass ich ihnen Köpfe oder sowas besorgen-"
"Nein, etwas anderes. Könnten Sie Donovan und Anderson vielleicht noch nicht davon erzählen, dass ich am Leben bin? Ich habe sozusagen vor, sie ein wenig zu überraschen", sagte Sherlock. John sah sofort sein verstecktes Grinsen und sah ihn verwundert an. Sherlock zwinkerte ihm kurz zu, während Lestrade einfach nickte.
"Das kann ich gerne tun. Falls Sie mir ebenfalls etwas versprechen", sagte er mit einem ernsten Blick. Sherlock sah ihn erwartungsvoll an und auf Lestrades Blick breitete sich ein Lächeln aus. "Ich will auf jeden Fall dabei sein."
Sherlock nickte. "Das sollten Sie auf keinen Fall verpassen", stimmte er zu. John drehte seinen Kopf zu Sherlock und betrachtete ihn genauer. Sherlock drehte seinen Kopf und grinste John an. Der schüttelte einfach nur den Kopf.
"Na das kann ja heiter werden!"
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top