𝟎𝟑 | 𝐒𝐄̂

Die Tage sind vergangen, und bei jedem Trainingstag ist es nicht nur meine Aufgabe gewesen, auf sie aufzupassen, sondern auch nach dem Training mit den Jungs, ihr Selbstverteidigung zu lehren.

Ich wurde als ihren Privattrainer angestellt. Dies habe ich nicht nur einfach so angenommen. Man hat mir zwar Geld deswegen angeboten, da es nun heißt, ich müsse länger bleiben als üblich, welches ich aber abgelehnt habe.

Der Grund deswegen ist einfach. Sie hat mir leid getan.

Meine Haltung konnte ich nicht mehr unter Kontrolle bringen, als ihr eigener Vater mir berichtete, sie sei in letzter Zeit paranoid geworden und fängt an zu halluzinieren, wie Männer sich ihr übergreifen.

Was sich festgestellt hat, ist, Niemand hat ihr geglaubt, nachdem sie versucht hat alles zu detaillieren, was ihr an dem Tag geschehen ist.

Die eigene Familie des Mädchens denkt, sie würde verrückt werden. Wäre ich der Vater hätte ich den Bastard aufgesucht und getötet, nur um mich dann der Polizei mit dem Blut des Bastards zu übergeben.

„Rojyar, auf was hast du heute Lust zu essen?", fragt sie mich mir ihrer zarten Stimme aus der Küche. Mir ist in den letzten Jahren aufgefallen, dass keiner so eine zart sanfte Art der Stimme mit sich trägt wie Dayê. Doch mit der Zeit wird sie tiefer und doch heller.

Für einen Moment lege ich meinen Stift neben meinem Laptop und Hefte und schenke ihr meine volle Aufmerksamkeit. „Heute ist Babas Geburtstag, wenn er da ist, frag ihn, was er gerne zu Essen möchte.", schlage ich vor.

Doch ihre Augen reißen sich auf und ein Fluch entkommt ihr, weshalb sie sich schnell daraufhin bei mir entschuldigt, und ich lachen muss.

Als ich mich meinen Aufgaben zurück widme, merke ich, dass etwas nicht stimmt. Ruckartige erhebe ich mich vom Stuhl und sofort wird mir schwarz vor Augen. Das Piepsen in meinen Ohren wird stärker und lauter. Ich taste um mich herum, um mich festzuhalten und vor dem Fallen zu bewahren, und spüre gerade noch die Kante des Tisches, an der ich mich erfasse.

Mit aufgerissenen Augen versuche ich mich ̶w̶i̶e̶ ̶e̶i̶n̶ ̶V̶e̶r̶r̶ü̶c̶k̶t̶e̶r̶ ̶ umzusehen, doch meine Sicht wird von Schwarz benebelt.

Ruhe zu bewahren, fällt mir schwer.

Die Luft wird mir entzogen.

Eins, zwei, drei, vier...

„Es ist alles gut, mein Sohn", höre ich ihre Stimme flüsternd, und dann verstärkt sich das Piepsen somit.

Es kennt meinen Schwachpunkt.

...fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn.

Zehn.

„ZEHN!", brülle ich, lande wieder in der Realität und falle brutal unter. Ich falle und spüre den Boden, denn als ich die Augen öffne, sehe ich nicht mehr das, von dem ich umgeben wurde.

Ich spüre nässe an meinen Wangen, sowie Hitze. Ich habe geweint? Sofort fahre ich mir mit kräftiger Bewegung übers Gesicht und versuche Klar zukommen.

Alles ist gut.

Mir geht es gut. Ja, mir geht es gut. Aber—

Mama war nie da.

Langsam atme ich von der Nase ein und vom Mund wieder aus.

̶W̶i̶e̶d̶e̶r̶h̶o̶l̶ ̶e̶s̶.̶ ̶W̶i̶e̶d̶e̶r̶h̶o̶l̶ ̶e̶s̶.̶ ̶W̶i̶e̶d̶e̶r̶h̶o̶l̶ ̶e̶s̶.̶ ̶W̶i̶e̶d̶e̶r̶h̶o̶l̶ ̶e̶s̶.̶ ̶W̶i̶e̶d̶e̶r̶h̶o̶l̶ ̶e̶s̶.̶ ̶W̶i̶e̶d̶e̶r̶h̶o̶l̶ ̶e̶s̶.̶ ̶W̶i̶e̶d̶e̶r̶h̶o̶l̶ ̶e̶s̶.̶ ̶W̶i̶e̶d̶e̶r̶h̶o̶l̶ ̶e̶s̶.̶ ̶W̶i̶e̶d̶e̶r̶h̶o̶l̶ ̶e̶s̶.̶ ̶W̶i̶e̶d̶e̶r̶h̶o̶l̶ ̶e̶s̶.̶ ̶W̶i̶e̶d̶e̶r̶h̶o̶l̶ ̶e̶s̶.̶ ̶W̶i̶e̶d̶e̶r̶h̶o̶l̶ ̶e̶s̶.̶̶̶

I̶c̶h̶ ̶t̶u̶'̶s̶ ̶j̶a̶.̶ ̶I̶c̶h̶ ̶t̶u̶'̶s̶ ̶j̶a̶.̶ ̶I̶c̶h̶ ̶t̶u̶'̶s̶ ̶j̶a̶.̶ ̶I̶c̶h̶ ̶t̶u̶'̶s̶ ̶j̶a̶.̶ ̶I̶c̶h̶ ̶t̶u̶'̶s̶ ̶j̶a̶.̶ ̶I̶c̶h̶ ̶t̶u̶'̶s̶ ̶j̶a̶.̶ ̶I̶c̶h̶ ̶t̶u̶'̶s̶ ̶j̶a̶.̶ ̶I̶c̶h̶ ̶t̶u̶'̶s̶ ̶j̶a̶.̶ ̶I̶c̶h̶ ̶t̶u̶'̶s̶ ̶j̶a̶.̶ ̶I̶c̶h̶ ̶t̶u̶'̶s̶ ̶j̶a̶.̶ ̶I̶c̶h̶ ̶t̶u̶'̶s̶ ̶j̶a̶.̶ ̶I̶c̶h̶ ̶t̶u̶'̶s̶ j̶a̶.̶

Fuck, ich brauche dringend das verdammte Spray. Kurz vor dem Tod fühle ich mich, bis ich es endlich in meiner Tasche gefunden habe und sofort daraus ziehe.

Scheiße ist das Erste, was mir in den Gehirn geschossen kommt, nachdem ich zu der Wanduhr blicke. Ich werde an der Vorlesung verspäten.

Es ist nicht das erste Mal, dass sowas passiert. Ich habe in letzter schon oft Halluzinationen erleben müssen, vor allem in der Zeit, in der ich meine Mutter nicht besucht habe, aufgrund meiner Angst.

Die Angst, sie würde mir niemals verzeihen oder gar im nächsten Leben hassen.

Denn ich war schuld an ihrem Tod. Und bis heute gebe ich die Verantwortung dafür. Welcher Hund spürt nicht, wie seine eigene Mutter hinter seinem Rücken von seinem eigenen Vater leidet? Richtig, ich.

So verblendet davon, wie er sie vor meinen Augen wie seine Ehefrau behandelt hat — so perfekt, wie er sie geliebt hat — so unsterblich, wie er sie wertgeschätzt hat — so bewundernd. Aber alles war von Anfang an eine Lüge, eine sündhafte Lüge.

Der Anfang ihres Buches — Tagebuches —, wie sie von ihren Eltern — aus dem selben Fleisch und Blut — gezwungen wurde durch traditionellen Endogamie mit ihrem Cousin vermählt, zu dem sie nicht zugestimmt hat, obwohl man dessen Tochter nach ihrer Meinung fragen muss und man sie nicht einfach mit jemanden verheiraten kann, den sie wahrscheinlich nicht als ihren Ehemann haben will. Sowas gilt in unserer Religion als eine Sünde, sowie bei den anderen Religionen ebenso.

Davor schon musste diese Frau die Hölle durchleben. Von Kind auf.

Denn ebenso in der Heimat war es nicht leicht, wenn man bedenkt, was man das ezidische Volk alles angetan hat, dass man eine Terrororganisation bildet, um das Volk in der Tat zu behandeln, wie man will beziehungsweise zu versklaven, wenn sie nicht zu einer anderen Religion wechseln.

Selbst, wenn sie schon nur die arabische Sprache nicht beherrschen konnten. Und das sogar mit Kindern.

Was man hier unter ,Versklaven' versteht, ist, verkaufen, vergewaltigen, foltern, benutzen, gnadenlos ermorden und vieles mehr.

Auch wenn sie für ihre Religion kämpfen. Sind wir aber Gottes Feinde, wenn wir doch gläubig sind?

Und nur weil meine Mutter dies genauso miterleben musste als kleines Mädchen heißt es nicht, das was damals geschah, ist vergangen.

Ihr beschissenes Leben ist hier weiterhin fortgefahren. Ihre Zwangsehe.

Das alles spielt sich in meinem Kopf ab, während ich meine Sachen packe und schließlich das Haus verlasse, nachdem ich die Kapuze meines Pullovers überm Kopf ziehe. Denn es fängt zu prasseln an.

Ich habe nach der Sitzung sehr lange zu Hause gesessen und darüber nachgedacht. Und jetzt bin ich auf dem Weg. Zu ihr.

Auch wenn das Organ in meiner Brust sein Tempo akzeleriert, wenn ich mich immer meinem Ziel nähere, lasse ich nicht zu, dass ich mich verlangsame.

Doch als ich ankomme, sehe ich vom Weiten, sie hat Besuch.

Eine Besucherin, die für sie betet.



































wie würdet ihr euch fühlen, wenn niemand euch nur ein wort glaubt??

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