𝟏𝟎 | 𝐃𝐄𝐇
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• C A N A N •
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Er und ich laufen schon eine Weile. Wir sprechen nicht viel, was überraschenderweise nicht unangenehm ist. Im Gegenteil. Ihn nur neben mir zu spüren, reicht mir aus.
Nach einer Zeit lassen wir uns auf einer Bank im Park fallen. Und aus dem nichts unterbricht er die angenehme Ruhe zwischen uns. ,Kannst du sprechen?'
Ich bleibe stumm.
Das kommt nicht unerwartet, sondern plötzlich. Aus dem Nichts.
,Wenn du nicht antworten möchtest, sag es mir.' Er will, dass ich etwas von mir gebe. Irgendein Zeichen. Wenn auch nur ein Kopfschütteln. Das weiß ich. Denn ich fühle es und es genügt.
Soll ich lügen? Ich würde ihm mit meinem Herzen die Wahrheit erzählen. Natürlich gibt es da ein Aber. Aber: ich weiß nicht, ob ich es verkraften kann, mich daran zu erinnern, darüber zu sprechen. Das habe ich noch nie. Ich habe es einfach geschehen lassen. Ließ es eigentlich hinter mir.
Wenn ich jetzt so zurückdenke, mich zurückerinnere, zieht sich mein Herz krampfartig zusammen. Ein Ziehen in meiner Brust. Wirkung: es hinterlässt einen Knoten in meinem Hals.
Weinen will ich nicht. Nicht wieder. Nicht vor ihm.
Ich schüttle den Kopf. Er akzeptiert meine Antwort mit einem einfache Nicken und lässt mich beruhigend ausatmen.
Wird er mir glauben, wenn ich ihm erzähle, dass in jener Nacht der Mann mich hätte töten können — eher gesagt; wollen, wäre er nicht da? Wird er mir glauben, dass ich seit jener Nacht nur Albträume durchlebe, weil mir nicht einmal meine Familie glaubt? Keine Beweise habe, die die Geschehnisse in jener Nacht erweisen? Wird er mir glauben, wenn ich ihm erzähle, dass ich seit jener Nacht kein einziges Gebet verpasst habe? Und vor jener Nacht, mich nach einer Person wie er gesehnt habe, wie lange ich warten musste?
Man sollte auch nicht ein einziges Gebet verpassen, aber vor der Nacht hatte die Traurigkeit sich in mir ein zu Hause gebaut, was dazu führte, dass die Müdigkeit sich angelockt fühlte. Es sollte keine Ausrede sein, auch wenn es wie eine klingen mag.
Er ist der einzige Augenzeuge — nach Allāh — plus Eingreifer. Er war in jener Nacht da. Er war in jener Nacht mein Held.
Würde ich nicht anfangen zu weinen, wenn ich darüber anfange zu sprechen? Das ist gutmöglich.
Ich soll es einfach sein lassen. Aber wenn ich nicht mit ihm nicht spreche, mit wem denn dann?
Nach seinem Schluck vom Espresso drehe ich meinen Kopf zu ihm. Und schon treffen seine Augen meine. Er versucht zu lächeln, ich tu's nicht. Seine Mundwinkeln senken sich nicht.
Rojyar ist braunäugig. Vor ihm habe ich immer gedacht, braune Augen seien langweilig, da sie fast jeder zweiter auf dieser Welt hat genauso wie ich. War mehr fasziniert von blau- oder grünäugigen Menschen.
Aber genau jetzt, wenn ich Rojyars Augen genau begutachte, sehen sie alles andere als langweilig aus. Sie sind mehr. Sie schreien nach mehr. Sie sind fesselnd, faszinierend, die schönsten braunen Augen, die ich jemals erblicken darf. Zaubern tun sie, mich verzaubern sie, saugen mich in sich.
Diese Gedanken lasse ich beiseite und lächele ihn ebenfalls an, nur um dann wieder nach vorn zu Blicken mit meinem Becher in den Händen. Nach vorne zu den kleinen Jungs, die auf dem Feld mit ihrem Ball Fußball spielen. Rojyar tut es mir nach.
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• R O J Y A R •
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Ich verstehe mich selber nicht. Ich verstehe selber nicht, warum ich es wissen will. Aber ich will es. Ich will es so sehr, dass es mir den Kopf noch zerbrechen wird, wenn ich es nicht weiß. Egal wie bescheuert die Antwort auch lauten mag. Denn ich glaube, an dem späten Abend ist nicht genau das passiert, wovon ich dachte, es wäre so, hätte ich sie allein mit ihm gelassen.
Sie traut sich allein nicht aus dem Haus. Nicht ohne jemanden. Da ihr Bruder jetzt ins Ausland gereist ist, kann sie niemand mehr zum Training bringen — deshalb mache ich es mir jetzt zur Aufgabe.
Sollte ich mich zu erst öffnen, damit sie sich wohler fühlt und mir dann verraten kann, was wirklich an dem dunklen Abend geschehen ist? Oder würde ich sie nur somit drängen?
Als ich sie jedoch gerade sofort zum Geschehen fragen möchte, schließe ich wieder die Fresse.
Wir sitzen nebeneinander auf einer Band im Park, welcher gleich neben dem Box-Klub ist. Davor habe ich ihr ihren Cappuccino mit extra Zucker und mir einen Espresso besorgt aus einem kleinen Café.
Anfangs hat sie wirklich mit mir gestritten, weil sie nicht wollte, dass ich zahle. Bis sie sich ergeben hat — denn ich habe etwas neues an ihr erfahren. Aber etwas, was mir nicht gefällt. Sie mag es nicht in der Öffentlichkeit mit der Gebärdensprache zu kommunizieren. Der Sprache, mit der sie nur sprechen und verstehen kann. Oder eher gesagt, sie traut sich nicht. Denn wie sie erläutert, Menschen werden anfangen komische Blicke zu werfen, sich über sie lustig machen, da es schon mal vorkam.
Es kam schon mal vor.
Sie tippt mich mit ihrem kleinen Zeigefinger an, ich blicke zu ihr.
,Erzähle mir etwas über dich.' Langsam und leicht bewegt sie ihre Finger vor mich, die ich in meinem Kopf nicht schnell entziffern kann. Sie schaut zu mir auf.
Am Überlegen, wie man die bestimmten Worte aufzeichnet, erhebe ich meine Hand vor ihr. ,Was... willst... du... wissen?' Wie von gesteuert legt sich mein Kopf schief ab und ich erhebe krampfhaft eine Augenbraue.
Mit einem fiesen Grinsen schaut sie mir in die Augen, kurz davor aufzulachen. Habe ich was falsch übersetzt? Will sie mich auslachen? Dann soll sie. Ich bemerke in diesem Moment, dass ich sie nie Lachen sehen habe. Kann mich nicht erinnern, wann sie so richtig vor mir gelacht hat.
Ich schaue von ihren wunderschönen weit gehobenen Mundwinkeln zu ihren braunen Augen. Finde kein passendes Wort, Satz, welches ich jetzt bilden könnte. Halte am Besten die Hände unten und die Fresse zu und beobachte sie beim ihrem stillen Lachen, wobei selbst ihre Zähne zum Vorschein rücken — ihr Lachen hat kein Ton. Welches sie aber dann ruiniert, in dem sie ihr Mundbereich mit der Hand bedeckt.
Erst nachdem sie wieder zur Ruhe kommt, zeichnet sie mir mit ihren dunkel lackierten Fingern: ,Alles'. Ein einfaches Zeichnen und es lässt mich vor mich hin grinsen. Ihre Augen vor Aufregung — aus irgendwelchen Gründen auch immer — aufgerissen, dabei scheint die Sonne im perfekten Winkel in ihre dunkle Farbe, lässt sie erhellen. Und wieder wünsche ich mir den selben Wunsch: Ich wünschte meine Augen könnten jetzt — genau jetzt — ein Bild schießen.
,Mein Leben ist langweilig. Was kann ich dir darüber sagen?' Gerade versuche ich wirklich, mich auf meinen Verstand zu verlassen, denn, wenn sie weiter so auf mich einblickt, vergesse ich noch meinen eigenen Namen. Deswegen schaue ich auf gerade aus und nicht zu ihr.
,Lebst du allein? Oder mit deinem Vater vielleicht?'
,Ich habe keinen Vater.'
Ihre schönen Augen weiten sich mehr auf. ,Tot?'
Nein, eigentlich nicht, aber dennoch nicke ich. Ich lüge nicht wirklich, denn in meinen Augen habe ich keinen Vater. Sollte ich ihn auch mal irgendwann wieder treffen, werde ich ihn wie ein Fremden behandeln.
,Das tut mir leid. Es ist schlimm, beide Eltern nicht mehr an der Seite stehen zu haben.' Ich lächle, sie fummelt so schnell mit ihren Fingern vor mir, dass ich nur paar Wörter daraus entnehmen kann, mit denen ich ihre Sätze löse.
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könnte jetzt so stolz auf mich sein
(bin es auch, hihihi)
ich danke jedem Einzelnen, der diese Geschichte gerade durchzieht zu lesen. würde ich eine autorin wie mir begegnen, würde ich ihre geschichte schon aufgeben, weil ich einfach keine geduld in mir besitze.
jetzt will ich euere gedanken zu dieser geschichte!!!
-btw bin noch nicht offiziell zurück!!! nur mal so nebenbei
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