𝟎𝟑 | 𝐒𝐄̂

Egal wie lange ich mich unter der Dusch schrubbe, diese kalte Hände von mir stoße... stoßen zu versuche. Ich... ich spüre sie. Überall.

Ich fühle sie.

Überall.

An mir.

Ich will nicht. Es klappt nicht. Ich kann nicht. Nicht mehr entkommen. Egal wie viele Jahre das erste Mal schon hinter mir liegt. Egal wie viele Tage das zweite Mal her ist.

Ich werde nichts los. Als würde tausenden von Händen...

Ich bin darin gefangen, eingesperrt.

Ich werde niemals entkommen, es raus schaffen.

Und die Tränen entfliehen mir unter der Dusche, genauso wie die Träume vor noch allzu kurzer Zeit. Ich merke, wie sich meine Beine schwächen und ich auf die Knien gehe. Und ich alles bedenke.

W̶a̶r̶ ̶e̶s̶ ̶f̶a̶l̶s̶c̶h̶,̶ ̶m̶i̶c̶h̶ ̶z̶u̶ ̶k̶o̶n̶v̶e̶r̶t̶i̶e̶r̶e̶n̶?̶

I̶s̶t̶ ̶X̶w̶e̶d̶ê̶ ̶e̶n̶t̶t̶ä̶u̶s̶c̶h̶t̶,̶ ̶d̶a̶s̶s̶ ̶i̶c̶h̶ ̶m̶i̶c̶h̶ ̶v̶o̶n̶ ̶s̶e̶i̶n̶e̶r̶ ̶R̶e̶l̶i̶g̶i̶o̶n̶ ̶a̶b̶g̶e̶w̶a̶n̶d̶t̶ ̶h̶a̶b̶e̶?̶

I̶s̶t̶ ̶X̶w̶e̶d̶ê̶ ̶s̶a̶u̶e̶r̶ ̶a̶u̶f̶ ̶m̶i̶c̶h̶,̶ ̶w̶e̶i̶l̶ ̶i̶c̶h̶ ̶s̶e̶i̶n̶e̶ ̶M̶ü̶h̶e̶,̶ ̶m̶i̶c̶h̶ ̶a̶l̶s̶ ̶e̶i̶n̶e̶ ̶Y̶e̶z̶i̶d̶i̶n̶ ̶a̶u̶f̶ ̶d̶i̶e̶ ̶W̶e̶l̶t̶ ̶k̶o̶m̶m̶e̶n̶ ̶z̶u̶ ̶l̶a̶s̶s̶e̶n̶,̶ ̶n̶i̶c̶h̶t̶ ̶w̶e̶r̶t̶g̶e̶s̶c̶h̶ä̶t̶z̶t̶ ̶h̶a̶b̶e̶?̶

S̶i̶n̶d̶ ̶d̶a̶s̶ ̶m̶e̶i̶n̶e̶ ̶S̶t̶r̶a̶f̶e̶n̶ ̶d̶a̶f̶ü̶r̶?̶

أَسْتَغْفِرُ اللّٰهَ
Astaġfiru -llāh;
Ich bitte Allah um Vergebung.]

Ich muss diese Gedanken so schnell wieder loswerden wie sie aufgetaucht sind.

Es tut mir leid.

Nach ungefähr mehr als vier Monaten leben wir immer noch in derselben Routine. Früh am Morgen ist er weg, währenddessen räume ich das ganze Haus auf und nutze die Zeit ohne ihn aus, meine Gebete zu verrichten. Normalerweise kommt er erst nachmittags zurück, da liegt das Essen bereit auf dem gedeckten Tisch. Wenn er viel zu spät auftaucht — mich interessiert es nicht wirklich, was der Grund wohl sein mag — hat er meistens einen Knutschfleck am Hals, rosarote leichte Abdrücke in Form von küssenden Lippen im Gesicht, riecht nach einer Frau oder alles in einem Paket.

Wenn ich Glück habe, kommt er am Tag glücklich, lachend nach Hause und ich bekomme an den Tagen keine Schläge. Das kommt nur selten vor.

In den letzten Wochen ging es mir nicht gut, ich zeigte es nicht und tue es auch nicht. Ich vermisse nun seit Monaten meine regelmäßige Blutung plus ich habe das Gefühl entwickelt, meine Brüste haben sich in der Zeit verändert. Die Müdigkeit grüßt mich nun seit den Monaten, als wäre wir uns gewohnt.

S̶i̶n̶d̶ ̶d̶a̶s̶ ̶d̶i̶e̶ ̶e̶r̶s̶t̶e̶n̶ ̶A̶n̶z̶e̶i̶c̶h̶e̶n̶ ̶e̶i̶n̶e̶r̶ ̶S̶c̶h̶w̶a̶n̶g̶e̶r̶s̶c̶h̶a̶f̶t̶?̶

Nicht von ihm. Ich will nicht, dass mein Kind von ihm erzogen wird. Niemals.

Nein.

Nein.

Nein.

„Herzlichen Glückwunsch! Sie sind schwanger." Diese drei Worte hallen in meinem Kopf immer und immer wieder, dass ich mich nicht einmal konzentrieren kann, welche Worte sie als nächstes ausspricht.

̶S̶i̶e̶ ̶s̶i̶n̶d̶ ̶S̶c̶h̶w̶a̶n̶g̶e̶r̶.

̶S̶i̶e̶ ̶s̶i̶n̶d̶ ̶S̶c̶h̶w̶a̶n̶g̶e̶r̶.

̶S̶i̶e̶ ̶s̶i̶n̶d̶ ̶S̶c̶h̶w̶a̶n̶g̶e̶r̶.

̶S̶i̶e̶ ̶s̶i̶n̶d̶ ̶S̶c̶h̶w̶a̶n̶g̶e̶r̶.

Ich bin schwanger.

Die Ärztin strahlt mit ihren hellen, braunen Augen so eine Energie aus, die einen sofort zum Lächeln bringen könnte. Aber nicht mich, nicht heute, nicht jetzt. Gekonnt, versuche ich meine Tränen zurückhalten und den größten Klos im Hals herunterzuschlucken.

Das Erste, was ich mir denke, nachdem ich dies höre, ist: Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, mir die Seele zu nehmen. Genau jetzt, Ya Rabb', wäre es perfekt den Todesengel nach mir zu schicken, der mir die Seele aus dem Leib zieht. Besser jetzt als später, wenn das Kind zur Welt kommt.

Auch wenn ich es erwartet habe, bricht meine Welt umso mehr zusammen. Ich bin schwanger von einem Vergewaltiger, Betrüger, Schläger.

Ein Vergewaltiger nur gegenüber seiner eigenen Frau.

Ein Betrüger nur gegenüber seiner eigenen Frau.

Ein Schläger, Kämpfer nur vor seiner eigenen Frau.

Mich.

Mein Vergewaltiger.

Mein Betrüger.

Mein Schläger.

Mein.

„Und das auch noch in der 6 Woche. Wow, es ist so schön. Sehen Sie doch" Ich weiß wirklich nicht, wie ich diese Nachricht aufnehmen sollte vor ihr. Denn glücklich bin ich ganz und gar nicht.

Meine Augen wichen kurz zum Monitor, ehe ich sie schnell schließe. Etwas schmerzt in mir. In mir schmerzt etwas so Böses in der Brust. Ich will nicht weinen.

Ich werde nicht weinen.

N̶i̶c̶h̶t̶ ̶j̶e̶t̶z̶t̶,̶ ̶J̶î̶y̶a̶n̶.̶

N̶i̶c̶h̶t̶ ̶j̶e̶t̶z̶t̶,̶ ̶J̶î̶y̶a̶n̶.̶

Nicht.

Jetzt!

Aus der Praxis hält er seine Hand nah an meinem Rücken, sodass ich seine Präsenz spüren kann. Er macht mir klar, dass er ganz dicht hinter mir ist und ich keine Möglichkeit habe nach der Flucht zu ergreifen.

Ich hasse ihn.

Ich hasse ihn und seine Anwesenheit.

Ich hasse ihn, seine Anwesenheit und seine Existenz.

Ich hasse meine Existenz. Ich hasse diese Welt. Sie ist genauso, wie man Menschen einschätzt. Sie ist in facto eine sehr schöne, doch in ihr ist es so hässlich und grausam.

Obwohl, es ist nicht einmal sie. Es ist er. Er ist derjenige, der sie mir so hässlich vorgestellt hat.

Es ist das erste Mal nach Langem, dass ich u̶n̶s̶e̶r̶ sein Haus verlassen habe. Die Stadt hat sich sehr verändert und es sind noch Baustellen vor einige Firmen angebracht.

Nach Jahren sehe ich wieder Tauben auf Bürgersteige, die am Boden Krümel mit ihren spitzen Schnäbeln aufpicken und andere Vögel, die am blauen, hellen Himmel ihre Flügel gleichlaufend wedeln.

Nach Jahren scheint die hellstrahlende Sonne mir ins Gesicht, sodass ich meine Augen etwas zusammenkneifen muss, wegen ihrer Helligkeit.

Nach Jahren sehe ich Menschen, die sich gegenseitig nacheinander auf den Straßen vordrängeln und fast schon rennend davon dösen. Wohin sie wohl müssen, frage ich mich. Wie ist es anders zu sein? Wie ist es, wenn man raus darf?

Nach Jahre sehe ich grüne Wiesen, einen dunklen Teich. Hohen Bäumen. Vögel, die von einem Ast zum anderen fliegen. Ein Eichhörnchen. Schreiende, lachende Kinder, die sich gegenseitig hinterherjagen. Sie spielen Fangen.

Aber nur für diesen Arztbesuch.

Was wäre bloß, wenn sie gesagt hätte, ich sei überhaupt nicht schwanger? Was würde er machen?

Wann wird es aufhören? Wann werde ich endlich befreit? Wann werde ich endlich keine Schmerzen erleiden müssen, nur weil meine Augen anfangen Tränen zu vergießen, weil die Schmerzen härter werden, wie, als könnte ich den Tod spüren, oder nur an draußen denke?

Diese Fragen stelle ich bis heute noch meinem Schöpfer, obwohl es eigentlich nur der Anfang ist.

Weshalb ist diese Welt, die von Dir kreiert wurde, so böse, so grausam, so herzlos, so gnadenlos?

Diese Frage stellte ich Ihm auch, bis ich realisierte, dass es nicht die Welt ist, sondern die Menschen in ihr. Die Welt, diese Erde ist so schön. Ihre Berge. Ihre Meere. Ihre Tiere. Ihre Natur. Alles.

Aber dann gibt es die Menschen, die sie zum schrecklichsten Ort des Universums machen.

Es ist erst der Anfang, Jîyan. Erst der Anfang.

Ob ich es überlebe, weiß niemand. Niemand, außer Er. Wie es mit mir enden wird, weiß niemand. Niemand, außer Er.

Wie werden meine Eltern über die Schwangerschaft reagieren?

Werden sie sich darüber freuen o̶d̶e̶r̶ ̶w̶i̶r̶d̶ ̶e̶s̶ ̶s̶i̶e̶ ̶d̶o̶c̶h̶ ̶n̶i̶c̶h̶t̶ ̶i̶n̶t̶e̶r̶e̶s̶s̶i̶e̶r̶e̶n?

Ich werde ein Kind bekommen. Das Kind meines eigenen Vergewaltigers. Das Kind eines gewalttätigen Mannes trage ich in mir. Ist das glaubhaft? Denn ich selbst kann es nicht glauben, dass ich so weit gesunken bin.

All meine Träume wurden in Luft aufgelöst, nach der Nachricht. Die Nachricht, ich solle ihn als Mann haben. Als Ehemann.

Ich konnte mich nie wehren. Nie, denn ich wusste nicht wie. Mir fehlte Mut. Mir fehlt Mut. Furchtlos bin ich nicht. Ich kann es nicht. Wie sollte ich diese haben, wenn ich doch bei meiner Familie aufgewachsen bin?

„Los, steig ein.", sagt er in einem tiefen Ton, in dem man irgendwie auch Fröhlichkeit zu hören scheint. Es klingt so, als wäre er glücklich. Er klingt zufrieden. Zwar bin ich es nicht, aber wenn er es ist, wird mir nichts passieren.

Da ich nun auch schwanger bin, kann er mir gegenüber nicht die Hand heben.

Al-Ḥamdu lillāh.

„Ich hoffe es wird ein Junge, meinst du nicht?" Es soll das werden, was er will. -Amin. Es muss das werden, was er will. „Hm? Was meinst du, es soll ein Junge werden, oder, Jîyan?" Zittrig kommt die von mir noch eingeatmete Luft aus dem Mund ausgestoßen. Ich hasse es, wenn er meinen Namen aus seinem Mund verliert.

Weshalb existiere ich überhaupt? Was ist der Grund für meine Existenz? Warum lebe ich? Warum ich? Damit man mich einfach so nach seinem Willen abgibt? Damit man mich als eine dreckige S̶e̶x̶p̶u̶p̶p̶e̶ benutzt? Damit man seine ganzen Aggressionen an mir rauslässt? Bin ich nur dafür am Leben? Nicht für mich, aber sie?

Ich drehe meinen Kopf nach links in seine Richtung, als er seinen Wagen startet. Als er seinen Blick von der Straße zu mir wendet, nicke ich sofort, z̶i̶t̶t̶e̶r̶i̶g̶. „J─ Ja. Ja, ein Junge."

Er fängt an zu lachen.

Wirr schaue ich ihn nun an. Mein Hals fühlt sich so trocken an, ich kann kaum richtig atmen.

„Hast du solche Angst?"

Was soll ich darauf antworten? Ich habe Angst, ja, doch sage es ihm nicht. Stattdessen blicke ich wieder auf die Straße mit zusammen gekneteten, verschwitzen Fingern.

Diese Welt ist für mich eine brennende, herzschmetternde Hölle. Eine Hölle, in der man mich geschupst hat und in diese fallen ließ. Man half mir nicht. Wer würde es denn auch? Ich bin so nutzlos, dass niemand auf diesem Platen etwas mit mir anfangen und beenden möchte. Niemand.

Es fühlt sich so an, als wäre ich im tiefsten Ozean gesunken, welches aber aus Feuer besteht. Ich bin verbrannt darin, bekomme keine Luft zum Atmen.

Fühlt es sich denn gut an, seine eigene Tochter absichtlich zu verletzen, seine eigene Ehefrau? Habe ich denn Fehler gemacht, dass sie mich damit bestrafen?

„Ich habe dir eine Frage gestellt.", erwidert er drohend und sofort zucke ich zusammen. „Hast du Angst vor mir?"

„Du bist mein Mann.", kommt es nur hauchend fast kaum hörbar von mir, ohne dass ich zu ihm blicke. Mein Kopf ist gesunken und meine Augen starren ängstlich auf meine verschwitzt verknoteten Fingern.

„Ich habe dich nicht gehört." Ich will nicht mehr.

„Du─" Wie konnte ich bloß diese Worte aus meinem Mund fließen lassen? Wie hatte ich es geschafft, aber schaffe es jetzt nicht? „Du bist mein Mann. Ich habe keine Angst. Ich─" Eine Träne rollt über meiner Wange, es kitzeln unangenehm, dass ich sie schnell mit dem Handrücken wegwische.

„Du was?" Ich leide.

„Ich l- liebe." Mir fehlt die Luft zum Atmen. Ich kann nicht atmen. Ich brauche Luft. Ich-

Sterbe ich jetzt? Bitte, sei jetzt der Moment.

„Wen? Wen liebst du, Jîyan?" Er macht es bewusst absichtlich. Er weiß, dass ich es nicht sagen möchte. Er weiß, worauf ich mir diesem Satz hindeuten wollte. Er weiß-

„Dich" Eine reine Lüge, er weiß es selbst. Bei ihm spüre ich nichts außer, dass das Gefühl von Angst in mir steigt.

Das Einzige, was ich jemals in diesem Leben gebraucht habe, ist eine Familie, die dich um mich sorgen macht. Nicht für mich sorgt. Nur Angst davor haben, was mir zustößt und was nicht. Einen Vater, der immer hinter mir steht und auf mich aufpasst, eine Mutter, die mir meine Fehler aufklärt, die dafür sorgt, dass ich den geraden Weg wähle und nicht abgeleckt werde. Einen Ehemann, der mit mir durch dick und dünn geht, der der beste Vater für unsere Kinder wird, mich sowie sie gut behandelt.

Ich hätte nicht einmal was dagegen, wenn wir uns so aufteilen sollten, dass ich auf die Kinder daheim aufpassen soll, Essen mache, von mir aus auch den ganzen Haushalt machen müsste, solange er raus in die Welt geht und arbeitet, nicht betrügt. Solange er nur Geld für uns auf den Tisch bringen kann, würde ich alles andere übernehmen.

Warum kann ich nicht einmal normal leben? Ohne Schläge, Verletzungen, Vergewaltigungen, ohne Angst, dass ich am nächsten Tag wieder erwache wie beim letzten, sondern mit Liebe. Ist das vielleicht zu viel verlangt?

Doch das alles taucht nicht einmal mehr in meinen Träumen auf, wird es auch nicht, unmöglich es sich überhaupt vorzustellen.
































───
Bitte, falls man irgendwo einen Fehler entdeckt, weist mich darauf hin. Vielen Dank!

Frohes Neues, meine Lieben.

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