Clowns

Diese Nacht wurde lang. Nachdem sie sich wieder und wieder geliebt hatten, lag Anne in Jimmy's Arm und erzählte ihm, dass der Mörder nicht der erste Clown in ihrem Leben gewesen war, der sie fast getötet hätte. 

„Willst du die Geschichte hören?" fragte sie leise.

„Ja, natürlich. Ich will alles über dich wissen, Annemarie." raunte er.

Sie seufzte. Sie war sich nicht wirklich sicher, ob sein „Ich liebe dich" ernst gemeint war...auch wenn sie völlig unbedarft in Liebesdingen war, wußte sie, dass so etwas im Eifer des Gefechtes schnell daher gesagt wurde. Aber ihre Gefühlswelt war völlig auf den Kopf gestellt worden. Nach dem Jimmy das erste Mal mit ihr geschlafen hatte, hatte er kurz etwas zu Trinken geholt und als er wieder zurück kam, war sie immer noch völlig daneben gewesen. Er hatte gelacht und sie gefragt, ob sie nun verstehe, warum die Leute so heiß auf Sex wären. Sie hatte nur genickt. Denn es war nicht nur das. Nein, Sex hatte sie mit Jeff auch gehabt, und es war nicht zu vergleichen gewesen!

„Anne? Schläfst du?" murmelte Jimmy.

Sie öffnete die Augen und schaute ihn wieder an. 

Sie lagen einander zugewandt und er strich zärtlich über ihren Rücken.

„Nein. Ich bin immer noch nicht müde. Hab nur über etwas nachgedacht..."

„Über was?"

Jimmy hob seine Hand und streichelte ihre Wange. Anne wollte ihn nicht fragen, ob er sie wirklich liebte, denn sie würde darauf sowieso keine ehrliche Antwort bekommen.

„Warum ich immer an falsche Clowns gerate." lächelte sie also.

„Das wird nie wieder passieren! Denn ich werde jedem Clown, der es wagt, in deine Nähe zu kommen, den Hals umdrehen." entgegnete er ernst und Anne gab ihm einen sanften Kuss.

„Ich bin glücklich, dass du bei mir bist, Jimmy. Auch wenn ich mich, wie du weißt, auch selbst verteidigen könnte."

„Mag sein, aber eins würdest du nicht so gut alleine hinkriegen..." raunte er heiser. 

Sein Blick wurde weich und sie wußte, an was er dachte. Schon wieder kribbelte es, obwohl sie heute Nacht reichlich auf ihre Kosten gekommen war. Sie küssten sich, er rollte sich auf sie und sie taten es ein weiteres Mal. Danach wollte Jimmy endlich die Geschichte hören. Er saß im Schneidersitz vor Anne und fütterte sie mit Erdbeeren. Sie kicherte, als eine aus Versehen auf ihre Brust fiel und er danach schnappte.

„Okay, bevor wir wieder abgelenkt werden und von vorne anfangen, sollte ich die Chance nutzen..." lachte sie und drückte ihn sanft weg. 

Er schmollte und stopfte sich eine Handvoll Erdbeeren in den Mund. Anne holte tief Luft.

„Also, ich war damals sechs oder sieben Jahre alt. Vater sagte, dass wir in den Zirkus gehen würden und ich hatte mich wie wahnsinnig gefreut. Ich liebte Elefanten, und auf den Plakaten, die überall aufgehängt waren, war einer zu sehen. In der Schlange an der Zirkuskasse war Vater auf einen Angestellten von unserer Zeitung getroffen und sie unterhielten sich, was ich langweilig fand, ich war ja so aufgeregt und konnte es gar nicht erwarten, endlich den Elefanten zu sehen! Ich fragte meine Freundin Liesl, ob sie mitkommen würde, ihn zu suchen. Sie schüttelte ängstlich den Kopf, also bin ich alleine losgezogen. Weißt du, ich war schon immer schon mutiger als die anderen Mädchen gewesen und dachte mir nichts dabei. Vater hatte nicht mitbekommen, dass ich mich abgesetzt hatte und keiner der Zirkusleute hielt mich auf. Ich traf auf einen kleinen, grimmig dreinschauenden Mann, der vor seinem Wohnwagen sass und eine Zigarre rauchte. "Romualdo, der Clown" stand auf dem Wohnwagen. Er hatte mich aus seinen trüben Augen angeschaut und „Was willst du hier?" gebrummt. Ich hatte brav geantwortet, dass ich den Elefanten suchen würde. Er sagte, dass der längst gestorben wäre. Dann sah er mich plötzlich ganz merkwürdig an. Musterte mich von oben bis unten. Er leckte sich über seine aufgesprungenen Lippen und stand auf. „Ich habe was viel Besseres als einen Elefanten", hatte er gesagt, „Es ist in meinem Wagen, komm, ich zeige es dir.""

Jimmy verzog sein Gesicht.

„Perverses Schwein!" zischte er.

„Ja, er war mir plötzlich richtig unheimlich geworden. Er kam auf mich zu, doch zum Glück tauchte Vater auf und schimpfte mit mir. Einen Tag später war meine beste Freundin Liesl verschwunden. Nachdem der Zirkus schon lange abgereist war, fanden sie ihre Leiche im Wald. Was genau mit ihr passiert war, sagte mir niemand, aber die Polizei fand später heraus, dass in jeder Stadt, in dem der Zirkus gewesen war, kleine Mädchen verschwunden wären. Sie nahmen den Clown fest und Papa schrieb darüber in unserer Zeitung. Wir haben aber nie wieder darüber gesprochen, dass er mich beinahe auch erwischt hätte."

„Einen Toast auf deinen Vater! Sonst wärst du jetzt nicht hier und dürftest Erdbeeren aus Ethel's Garten naschen." grinste Jimmy und warf ihr eine zu.

Sie fing sie mit dem Mund auf. Draußen hörte man die Vögel zwitschern, es wurde morgen. Anne verspürte langsam doch Müdigkeit, aber sie mussten bald los, um Jeff abzuholen. Er war bestimmt schon wach und machte sich Sorgen. Natürlich war sie sofort zu ihm gelaufen, nachdem sie den Clown erledigt hatte, aber er hatte nicht reagiert. Sie hatte keinen Herzschlag gehört und ihm unverzüglich auf den Brustkorb geschlagen. Das war schon einmal passiert und sie wußte, dass es helfen konnte, wenn das Herz gerade erst stehengeblieben war. Das tat es auch dieses Mal, sein Puls war wieder gekommen und die Sanitäter hatten Jeff dann weiter stabilisiert. Das alles wirkte nun wie ein schrecklicher Traum, denn sie war völlig übermüdet und ausgelaugt.

„Lass uns noch ein wenig schlafen, ja?" murmelte Jimmy und kuschelte sich an sie.

„Nur noch eine halbe Stunde..." gähnte Anne und schlief ein.

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