Scorose Oneshot#40: Vincent van Gogh
Sie hatten sich gestritten. Es war nicht das erste Mal, dass Rose und Scorpius verschiedener Meinung waren, aber es war das erste Mal, dass sie sich nicht auf einen Mittelweg hatten einigen können, sondern im Streit auseinander gegangen waren. Und sich nicht wieder vertragen hatten.
Der Streit war total unnötig gewesen. Eigentlich. Es war bloß darum gegangen in welchen Shop sie gehen wollten, der Hogsmeade Ausflug war kürzer geplant gewesen, weil sie noch lernen wollten, und somit hatten sie nur für einen Ausflug Zeit. Aber irgendwie waren dann wieder und wieder die verschiedensten Unstimmigkeiten hochgekommen, die sie nicht geklärt hatten, sondern die sie einfach beiseite geschoben hatten, weil sie keine Zeit mit Streiten hatten vergeuden wollen, wo sie ohnehin so viel lernen mussten.
Und jetzt, am Ende des letzten Schuljahres, hatten sie sich so heftig zerstritten, über all den ungeklärten Differenzen, dass sie seit zwei Wochen nicht miteinander gesprochen hatten. Sie wollte nicht den ersten Schritt machen und sich entschuldigen und er auch nicht. Also ignorierten sie sich, und vergruben sich in Büchern und lernten und lernten um den Frust abzubauen. Was darauf hinauslief, dass sie jetzt bei den Prüfungen um den Titel des Klassenbesten konkurrierten. Was die Sache natürlich nicht besser machte.
Rose saß wieder einmal in der Bibliothek, abgegrenzt von allem rund um sich mit zwei hohen Bücherstapeln, links und rechts von sich. Sie lernte schon seit drei Stunden, konzentriert und fokussiert. Links und rechts von ihr gingen Schüler und es kamen wieder neue dazu. Vor den Abschlussprüfungen und vor generell den Prüfungen am Schuljahresende war hier viel los.
Aber plötzlich konnte Rose sich nicht mehr konzentrieren. Sie sah weder links noch rechts etwas, die Bücherstapel hatte sie magisch fixiert, sodass sie nicht plötzlich umfallen konnten. Aber etwas war andes und sie starrte nur blicklos auf das Blatt Pergament vor sich und überlegte, wieso genau sie noch gleich so sehr davon überzeugt war, dass sie sich nicht als Erste entschuldigen würde.
Es fiel ihr wieder ein. Er hatte nach einer ihrer kleinen Meinungsverschiedenheiten meistens so viel um die Ohren, dass sie dann immer diejenige war, die sich zuerst entschuldigte. Das hatte sie bis jetzt nicht gestört, wie oft wirklich Rose etwas zu weit gegangen war, aber dieses mal hatte er sie genauso heftig angeschrien und außerdem hatte er angefangen aus diesem kleinen Streit mehr zu machen, als er die ganzen ungelösten Probleme dazuholte.
Rose konnte sich noch zu gut erinnern, als er sich durch die Haare gefahren waren, die dann in alle Richtungen abgestanden hatten, er hatte sich über das Gesicht gerieben und frustriert gerufen, wieso sie denn so stur war. Seine Augen hatten geblitzt, weil sie ihm spitz geantwortet hatte, dass sie eben so sei wie sie sei, und dass sie sich nicht für ihn ändern würde. Sie waren beinahe eisblau gewesen. Er hatte sie gefragt, ob sie wirklich glaubte, dass er wollte, dass sie sich veränderte.
Mit einem leisen Aufstöhnen vergrub sie ihr Gesicht in ihrer Armbeuge und versuchte tief durchzuatmen. Sie vermisste ihn, und das machte die Sache nicht besser. Sie vermisste ihn schrecklich. So sehr, dass sie sich sogar einbildete seine Anwesenheit zu spüren, sein typisches Aftershave vermischt mit dem Geruch seines Lieblingsmuggelkaugummis zu riechen und....
Sie zuckte zusammen, als etwas kühles an ihrem Ellenbogen entlangstrich. Als Rose'Augen endlich geöffnet waren, bemerkte sie, dass wohl ein Zettel aus einem Buch gefallen sein musste, das jemand gerade eingeräumt hatte. Kurz warf sie einen Blick auf den Zettel, wessen Notizen es wohl waren? Sie wollte nur kurz schauen und.....da stand Scorpius Name. Ganz unten. Und oben ihrer.
Rose riss den Kopf hoch, schnell genug, um zu sehen, dass der Platz neben ihr, der gerade noch besetzt gewesen war nun leer war, und ein dunkelgrüner Pullover gerade hinter dem Ende des Regals verschwand.
Rose,
So geht das nicht weiter.
Bitte komm morgen nachmittag auf den Hügel am See, wir müssen endlich reden.
Viel Glück für Zauberkunst morgen.
Scorpius.
Und auf der Hinterseite des Zettels war ein rotes Herz, das, wenn man es etwas im Licht drehte, die Farbe zu grün wechselte.
Die Prüfung war eigentlich ziemlich gut verlaufen. Sie war zwar teilweise durch die Tatsache etwas abgelenkt gewesen, dass Scorpius nur zwei Reihen vor ihr gesessen hatte, aber die Tatsache, dass sie gleich auf den Hügel gehen würde, und sie sich hoffentlich aussprechen würden, hatte deutlich dazu beigetragen, dass sie die Prüfung überstand.
Jetzt hängte sie sich ihre Tasche um und lief hinaus Richtung See. Es war einer dieser Frühsommertage, an denen man normalerweise in der Bibliothek sitzen musste, obwohl es draußen wunderschön war. Umso glücklicher war sie, dass sie heute hinaus kam. Es war Freitag, der letzte Tag dieser Woche, sie konnte sich eine kurze Auszeit gönnen, und am Wochenende damit beginnen, für die restlichen letzten Prüfungen zu lernen.
Die Sonne war schon relativ warm, ihr Rücken heizte sich auf, während sie auf die leichte Kuppe stieg. Ab einem bestimmten Punkt sah sie eine Silhouette, die sich gegen die Sonne abhob. Scorpius wartete bereits auf sie, das Gesicht wie ein Sonnenanbeter der Sonne entgegen gestreckt, etwas in den Nacken gelegte. Seine Haare waren genauso unordentlich wie immer.
"Hey.", meinte sie leise, um ihn nicht zu erschrecken, denn er hatte die Augen geschlossen. Nichts destotrotz sah sie ihn leicht zusammenzucken, dann grinste er schief.
"Komm her, wenn du hier so stehen bleibst, dann komme ich mir so klein und unbedeutend vor...."
Also ließ sie sich neben ihn ins Gras fallen. Für einige Momente waren sie beide still, ihre Gesichter beide entspannt, der Sonne zugewandt.
Dann richtete Scorpius sich neben ihr auf und wandte sich ihr zu. "Es tut mir leid."
In seiner Stimme war keine Entnervtheit, kein Zögern, keine Unehrlichkeit. Rose schlug die Augen auf und sah zu ihm.
"Es tut mir leid, dass ich aus der Mücke einen Elefanten gemacht habe, und dass ich die ganzen kleinen Probleme da mithineingezogen habe. Und es tut mir leid, dass ich mir nie wirklich Zeit genommen habe überhaupt über diese Probleme zu reden, weshalb sie sich überhaupt erst angehäuft haben. Ich schätze ich war einfach...."
"Dass sich die Probleme angehäuft haben, anstatt, dass wir sie beseitigt haben, das war nciht nur deine Schuld.", stellte Rose leise fest. "Mir tut es auch leid, dass wir das alles so hinausgeschoben haben...."
Etwa drei Stunden und eine sehr, sehr lange, aber produktive und klärende Konversation später war Rose mit sich, Scorpius und der Welt mehr als zufrieden. Sie hatten nach einigem, kontrollierten Hin und Her für jedes Problem, das ihnen im Laufe der Stunden eingefallen war eine Lösung gefunden, mit der sie beide zufrieden waren, ganz ohne Streit. Sie hatten sich ein Zeichen ausgemacht, ab dem niemand der beiden mehr reden durfte, sollte es wieder zu einem Streit kommen, würden sie beide eine Minute lange Schweigen müssen. Um zu überdenken wieso dieser Streit überhaupt existierte, und wie man vernünftig eine Lösung dafür finden konnte.
Sie waren sich nämlich beide über eine Sache mehr als einig gewesen. Zwei Wochen, die wegen eines Streits absolute Funkstille herrschte, war absolut verschwendete Zeit, die mit viel besseren Dingen hätte gefüllt werden können.
Momentan waren sie gerade damit beschäftigt diese zwei Wochen in rekordzeit wieder aufzuholen.
Als Rose schließlich die Luft ausging und sie sich von Scorpius löste, um sich an seine Brust zu lehnen und einmal durchzuatmen fiel ihr plötzlich ein Zitat von einem Zauberer der Renaissance ein. Scorpius strich durch ihre Haare, die Abendsonne, die sich schon langsam Richtung See senkte, wärmte die Hügelflanke, auf der sie aneinandergekuschelt lagen mit ihren letzten Sonnenstrahlen, sie hatten die dringendsten Probleme ganz einfach aus der Welt schaffen können, und in ein paar Wochen wäre sie mit der Schule fertig und würde eine Ausbildung beginnen, mit Scorpius an ihrer Seite.
"Es ist gut den Glauben zu bewahren, dass alles viel wunderbarer ist, als man es fassen kann, denn das ist die Wahrheit."
Wie Recht Mister Vincent van Gogh damit doch hatte.
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