Jily Oneshot#9: Krone
Lilys lange dunkelrote Feder kratzte über ihr Pergamentblatt während sie sich eifrig Notizen zu McGonagalls Vortrag über die Verwandlung von anorganischen Stoffen zu organischen Kleinstlebewesen machte. Das Mädchen blickte nicht einmal auf als Alice ihr unbemerkt einen Zettel hinüberschob.
„Von James.", flüsterte diese. „Könntet ihr euch mal nebeneinander setzen, dass wird langsam nervig."
„Würden wir doch aber leider ist James anscheinend mehr mit seinem besten Freund zusammen als mit mir.", seufzte Lily leise, ehe sie die Nachricht auseinanderfaltete.
Unser Platz am See, Dämmerung -J
Verwirrt runzelte Lily die Stirn. Sie drehte das Blatt um, doch ansonsten war es leer. Selbst nach einem Entschlüsselungszauber erschienen keine weiteren Worte. Fragend drehte Lily sich nach James um. Zum ersten Mal seit langem erwischte sie ihn jedoch nicht dabei wie er sie anstarrte oder mit Sirius Zauberschnippschnapp spielte, sondern tatsächlich selbst mitschrieb. Irgendetwas war hier definitiv faul!
Da James keine Anstalten machte aufzusehen, zog Lily eine Augenbraue in Richtung Sirius und Remus hoch. Während Letzterer ihren Blick auswich, sah Sirius äußerst missmutig aus und zuckte nur die Schultern.
„Miss Evans.", räusperte sich McGonagall, deren Stimme plötzlich ziemlich nahe zu sein schien. „Sollten Sie in meinem Unterricht nicht etwas anderes zu tun haben als Potter anzuschmachten?" Vereinzeltes Kichern war zu hören.
Zögernd drehte Lily sich um. Vor ihr stand McGonagall die sie mit strengem Blick musterte. Lily versuchte gar nicht erst zu diskutieren sondern sah einfach gelassen zu wie die Hauslehrerin den Zettel in ihrer offenen Hand in Flammen aufgehen ließ und mit dem Unterricht fortfuhr.
Als Lily zwanzig Minuten später rasch ihre Bücher und Tintenfässer in ihre Tasche verstaute, fragte Alice beiläufig: „Hast du vor zu gehen?"
„Es ist eine ziemlich lästige Angewohnheit die Briefe anderer zu lesen."
„Für mich nicht, also leb damit.", gab Alice unbeeindruckt zurück. „Wo wir gerade davon sprechen, wo ist James eigentlich?"
„Gleich hinausgesprintet nachdem es geläutet hat." Lily trat nun ebenfalls hinaus auf den ausgestorbenen Gang und wartete bis Alice aufschloss.
„Also?", fragte ihre Freundin.
,,Ich weiß nicht...war vermutlich ohnehin bloß ein Streich von Sirius."
„Das traut er sich nicht mehr.", grinste Alice. „Nicht nachdem wir seinen neuen Besen für zwei Wochen entführt haben als er und James uns in den eiskalten See geschmissen und unsere Betten mit Algen gefüllt haben."
Lily lächelte zufrieden an die Erinnerung daran. Dann blickte sie aus einem der hohen Fenster hinaus auf die Ländereien welche bereits in ein dunkles Abendrot getaucht waren. Alice folgte ihrem Blick und meinte: „Solltest du gehen, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt. Wer weiß, vielleicht hat er ja ein romantisches Picknick vorbereitet..."
„Genau.", sagte Lily sarkastisch und rollte genervt die Augen.
Dennoch siegte ihre Neugierde.
Vor der großen Halle verabschiedete sie sich von Alice und trat durch das mächtige Tor hinaus in die frische Herbstluft.
Wenig später kam sie am großen See an. Nachdem Lily die Hälfte davon umrundet hatte, schlüpfte sie durch eine kaum erkennbare Lücke des dichten Ufergewächses. Auf der anderen Seite erstreckte sich eine kleine sichtgeschützte Lichtung. Sie sah aus wie immer, ohne Picknick oder sonst etwas das darauf hindeuten könnte das James hier war. Bis auf das leise Plätschern des Sees durchbrach kein Geräusch die Stille welche Lily nicht wirklich geheuer war.
Die Sonne verschwand schon beinahe vollständig hinter den Bergen. Fröstelnd schnürte Lily ihren Umhang enger.
Mit einem Mal raschelte es kaum hörbar hinter ihr. Erschrocken fuhr Lily herum, konnte jedoch nichts erkennen. Ihre kalten Finger umklammerten ihren Zauberstab. Vermutlich war es doch nur ein blöder Streich gewesen. Egal ob von den Rumtreibern oder ein paar gelangweilter Slytherins, Lily wollte zurück ins warme Schloss wo James vermutlich in der großen Halle beim Abendessen saß und nach ihr Ausschau hielt.
Erneut schien sich hinter Lily etwas zu bewegen.
„James?", rief sie leise ins Nichts. Ihr schneller werdender Atem bildete kleine Wolken vor ihrem Gesicht.
Plötzlich hörte es sich an als würden kleine Ästen unter schweren Füßen zerbrechen. Erleichtert drehte Lily sich um. Zwei Augen glühten in der Dunkelheit.
Doch das Wesen welches hervortrat war kein Mensch.
Lily schnappte erschrocken nach Luft und trat hastig zurück. Dabei verhakte sich ihr Fuß in einer Wurzel und sie fiel nach hinten. Schmerz durchfuhr ihren Rücken als sie hart auf den gefrorenen Boden aufschlug.
Währenddessen kam das Tier näher. Noch immer am Boden liegend blickte Lily zu dem mächtigen ausgewachsenem Hirsch mit einem imposanten Geweih hoch und richtete reflexartig ihren Zauberstab auf sein Herz.
Neugierig musterte das Tier die Waffe, zeigte jedoch keine Angst. Dennoch trat der Hirsch einen Schritt zurück. Langsam stand Lily auf. Obwohl er keine Anstalten machte sie anzugreifen ließ sie ihren Zauberstab nur zögernd sinken.
Langsam kam der Hirsch abermals auf sie zu, diesmal bedächtiger. Lilys Wunsch zu fliehen war verschwunden. Gebannt sah sie ihn an. Ihr Herz klopfte nach wie vor schnell aber sie verspürte eine seltsame Ruhe in seiner Gegenwart. Doch seit wann verließen Tiere den verbotenen Wald, seit wann gab es überhaupt Hirsche in einem von Zentauren heimgesuchten Ort?
Nachdenklich musterte Lily ihn. Eines stach ihr besonders ins Auge. Die großen sanften dunkelbraunen Augen die das Mädchen in ihren Bann zogen. Sie sagten ihr stumm dass sie keine Angst haben musste. Zaghaft näherte sie sich dem Tier. Lily streckte leicht die Hand aus und berührte das hellbraune weiche Fell. Darunter spürte sie starke Muskeln die sie sofort überwältigen könnten. Trotzdem streichelte Lily ihn während sie unverwandt in seine Augen blickte und versuchte sich daran zu erinnern warum diese ihr so vertraut vorkamen.
Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag in den Magen. Schlagartig zog Lily ihre Hand zurück.
„James?", wisperte sie erneut und kam sie dabei augenblicklich ziemlich blöd vor.
Der Hirsch schnaubte laut und schüttelte den Kopf. Dann senkte er sein majestätisches Haupt. Lily betrachtete sein ausholendes Geweih. Beinahe hätte sie laut aufgelacht. „Krone.", schlussfolgerte sie schließlich. Sein Spitzname war anscheinend doch nicht aus Eitelkeit gewählt...zumindest nicht gänzlich.
Krone richtete sich wieder auf und nickte.
„Du verstehst also was ich sage...natürlich, du bist ja auch ein Animagus...ein höchstwahrscheinlich nicht registrierter, illegaler Animagus...mein Freund ist ein Hirsch...oh mein Gott.", stöhnte Lily.
Wie um zu beweisen dass er deutlich besser als seine Artgenossen war, stolzierte Krone mit geschwellter Brust vor ihr auf und ab.
Lachend schüttelte Lily den Kopf. Sie konnte nicht anders als ihn - nachdem der erste Schock verschwunden war - zu bewundern. Ein derartiger Zauber forderte höchstes Können und Beherrschung. Außerdem fühlte sie sich auf seltsame Weise geehrt. Nach James' Freunden war sie vermutlich die einzige Person der er dieses Geheimnis anvertraut hatte. Kein Wunder das Sirius nicht sonderlich begeistert gewesen war...
„Mein Freund ist ein Animagus.", wiederholte Lily, diesmal mit einem Lächeln in ihrer Stimme. Krone bemerkte die veränderte Stimmung anscheinend. Seine Augen funkelten. Er beschloss wohl noch einen Schritt weiter zu gehen. Plötzlich knickten seine Vorderhufe ein und er sank halb zu Boden.
Augenblicklich wich Lily ein wenig zurück.
„Nein! Auf gar keinen Fall! Du hast mich schon dazu gebracht zu fliegen, das war mehr als genug, James...Krone...was auch immer!"
Das Tier musterte Lily bloß abwartend. Er wusste, dass sie nachgeben würde.
Mit einem ergebenen Seufzer ließ Lily ihre Tasche achtlos fallen. Sie ging neben ihn und schwang sich vorsichtig auf seinen Rücken. Kaum saß sie, da richtete Krone sich auch schon in seiner vollen Größe auf, brach durch das Dickicht und lief los. Überrumpelt konnte Lily gerade noch rechtzeitig seine Geweih umfassen und hielt sich daran fest. Er flog regelrecht über die Felder, wurde immer schneller und schneller.
Lilys Haare lösten sich aus ihrem Zopf und flatterten wie Flammen im Wind. Ein lautes glückliches Lachen entwischte ihren Lippen. Noch nie hatte sie sich so frei gefühlt, noch nie waren Lily ihre Sorgen so fern vorgekommen.
Irgendwann breitete sie die Arme aus, wurde jedoch sofort wieder nach vorne geworfen. Daraufhin blieb sie still sitzen, sie wollte nicht riskieren nach hinten geworfen zu werden.
Um sich gegen den peitschenden Wind zu schützen umarmte Lily den warmen Hals des Tieres und schmiegte sich daran. Ihre Augen schlossen und ihr Atem beruhigte sich, bis sie merkte wie ihr ganzer Körper völlig entspannte.
Viel zu schnell kamen die beiden vor den Toren des Schlosses an. Noch etwas wackelig auf den Beinen rutschte Lily von seinem Rücken. Als sie sich wieder umdrehte stand dort ein grinsender James mit abstehenden Haaren und roten Wangen vom Laufen.
„Du bist ein Idiot!", schimpfte Lily halbherzig.
Dennoch verschwand sein selbstgefälliges Lächeln nicht, sondern wurde noch breiter. Also stapfte Lily auf ihn zu, zog ihn am Kragen zu sich hinunter und küsste ihn.
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Es war ehrlich gesagt ein wenig komisch dieses Kapitel zu schreiben...vor allem weil ich nicht genau weiß wie die Animagus-Sache funktioniert oder wie Lily darauf reagieren sollte...aber ich habe mein Bestes gegeben, ok? Ich finde einfach dass es mal erwähnt werden musste und ein wichtiger „Jily-Moment" ist...xD
Naja, ich hör mal auf zu labern und hoffe dass ihr ein Kommentar oder ein Sternchen hierlasst <3
-Ginny
PS: Wenn ihr unsere restlichen Oneshots noch nicht gelesen habt, wird es höchste Zeit das nachzuholen! ;)
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