Jily Oneshot#37: Nächtliche Gespräche
Ihre Augen brannten vor Müdigkeit, ihre Hand schmerzte vom Schreiben, ihre Knie protestierten gegen das „Große Lexikon der berühmtesten Zauberer und Hexen von A-Z", welches seit Stunden auf ihrem Schoß lag und den Geschichtstest morgen würde sie sowieso verschlafen. Trotzdem rieb Lily die müden Augen, schüttelte die steife Schreibhand, massierte die geschädigten Knie und überlegte sich ein paar Ausreden für den nutzlosen Test. All das nur, damit sie bis tief in die Nacht hinein Nachrichten mit James austauschen konnte. Vor einer Woche noch hätte ihr nächtliches Gespräch in seinem Zimmer stattfinden können, bis sie dort irgendwann eingeschlafen wäre. Doch seit die beiden es bekannt gemacht hatten, dass sie zusammen waren, hatte McGonagall die, ihrer Meinung nach, dringend notwendige Sicherheitsvorkehrung getroffen, dass es in ihrem Büro einen Alarm auslöst, sobald Lily nachts James' Zimmer betrat oder umgekehrt. Am Anfang war es noch lustig gewesen, da sie ihre Hauslehrerin absichtlich alle zehn Minuten aus dem Schlaf gerissen hatten, aber jetzt war es nur noch nervig. Zum Glück besaßen die beiden sehr treue Eulen, die pflichtbewusst jeden Brief von einem Fenster zum anderen transportierten.
Lily legte ihre Feder beiseite, sendete ihre Eule Snowwhite (ihr Federkleid war leuchtend weiß mit vereinzelten schwarzen Punkten) durch das offene Fenster hinaus in die klare Sternennacht. Schon nach zwei Sätzen von Lilys halbfertigen Zaubertrankaufsatz, mit welchem sie sich die Wartezeit vertrieb, war ein leises Rauschen zu hören und Snowwhites Kopf stupste gegen Lilys Bein u ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu erlangen.
Lily Evans, so sehr ich dich auch mag, ich werde für niemanden nach Glasgow ziehen, meine Großtante Susan wohnt dort und gegen sie ist Bella ein Schoßhündchen. Es bleibt bei Dublin und kein Augenaufschlag wird mich davon abbringen! Übrigens schuldest du mir noch fünf Galleonen, Marlene hat nämlich zu einem Date mit Sirius zugesagt. Oder waren es nur 3 Galleonen? Oder gar 10? Oh Merlin, ich kann nicht mehr denken. Ein bisschen frische Nachtluft würde unsere müden Geister bestimmt wecken, oder? Bevor du mir ein dickes fettes NEIN zurücksenden kannst, ich sitze schon hier. Steig einfach auf den Sims, ich helfe dir hoch – oder stoppe deinen Fall mithilfe eines Zaubers, kommt darauf an wie viel Siruptorte du beim Abendessen hattest.
-J
PS: Beeil dich, es wird kalt.
Was auch immer James Potter in den letzten zwei Monaten mit ihr angestellt hatte, es trug langsam Früchte. Ohne lange zu überlegen legte Lily ihren Aufsatz beiseite, warf sich einen von James' Pullovern über, von denen man stets ein halbes Dutzend in ihrem Zimmer finden konnte und setzte einen Fuß auf das Fensterbrett. Es brauchte ihre gesamte Selbstbeherrschung um keinen Blick nach unten zu riskieren, denn bei ihrer Höhenangst wäre das ein fataler Fehler gewesen. Immerhin befanden sich ihre Schülersprecherzimmer in einem der hoch aufragenden Türme von denen es in Hogwarts scheinbar unzählige gab. Stattdessen folgten Lilys Augen ihrer nach oben ausgestreckten Hand, die sofort von James' langgliedrigen Fingern fest umschlossen wurde. Mit leicht zitternden Beinen stellte Lily ihr zweites Bein auf den dünnen Rand und drehte sich langsam um, bis sie James in die Augen hinter den Brillengläsern sehen konnte. Das abgeflachte Dach befand sich direkt über Lilys Fenster, weshalb sie sich bloß einmal abstoßen musste um endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren.
Sobald sie jedoch dort oben saß, den Kopf auf seiner Schulter, die Augen halb geschlossen und erfüllt von dem Gefühl frei und unbeschwert zu sein, vergaß sie den Abgrund unter ihr augenblicklich. Was sollte ihr neben James schon passieren? Wie sollte sie sich wegen eines kleinen Tests sorgen, wenn die verheißungsvolle Nachtluft ihre Lungen füllte und die Sterne den See unter ihnen zum Funkeln brachten?
Ihre pseudophilosophischen Gedanken wurden von James' leiser Stimme unterbrochen.
„Ich will den Moment ja nicht zerstören, aber ich dachte, wir sollten mal über etwas reden." Lilys Herz setzte einen Schlag aus, ein Stück des neu gewonnenen Friedens zerbarst mit seinen unheilvollen Worten. Ein kaum hörbares Lachen bahnte sich den Weg in Lilys Ohr. „Kein Grund nervös zu werden, ich habe nicht vor mit jemanden Schluss zu machen, der mich regelmäßig beim Duellieren besiegt, während wir auf einem Dach sitzen."
Lilys Puls schlug augenblich wieder regelmäßig unter seinen Fingern. Lächelnd wandte sie sich ihm zu und sah ihn erwartungsvoll an, denn plötzlich schien er derjenige zu sein, dessen Herz etwas schneller schlug. „Also...wir sind erst ein paar Monate zusammen aber wir scherzen ständig herum wo wir hinziehen werden und welche Farbe unser Haus haben wird und ob wir ein oder zwei oder fünfzehn Kinderzimmer brauchen werden. Und ich weiß, dass ich es am Anfang nicht ernst genommen habe, aber je öfter wir darüber sprechen, desto mehr nimmt dieses Haus in meinem Kopf Gestalt an. Ich habe einfach Angst, dass am Ende des Schuljahres dieses perfekte Zuhause in meinen Träumen entstanden ist und es dann zu groß für mich ist, weil ich mich nicht getraut habe dich zu fragen."
Unsicher strich er sich mit seiner freien Hand durch die Locken.
„Mich was zu fragen?", hakte Lily nach, obwohl sie eine ziemlich genaue Vorahnung hatte.
„Achja, ich habe vergessen die Frage zu stellen. Also...sie wäre ob...also meine Familie besitzt ein leerstehendes Haus in Godric's Hollow und ich weiß es ist nicht Glasgow, oder Dublin, oder Paris oder Vancouver, aber ich werde nach dieser, sich zu ende neigende Zeit in Hogwarts, dort einziehen. Bevor du fragst, es ist gelb und hat zwei Kinderzimmer, und ich möchte dich fragen, in dem Bewusstsein, dass wir noch sehr jung sind und sich noch viel ändern kann und du vermutlich andere Pläne hattest, ob du dort mit mir einziehen möchtest."
Ohne eine Sekunde zu zögern, verschränkte Lily seine beiden Hände, die sich schon wieder seinen Haaren näherten, mit ihren und antwortete nach einem tiefen Luftzug:"Ja, wir sind jung, aber genau deswegen sollten wir doch unserem Herz folgen und ins kalte Wasser springen, wenn nicht jetzt, wann dann? Ja, die Welt und wir werden uns verändern, aber das ist doch etwas Gutes! Und ja, ich hatte Pläne, aber dieser hier ist viel besser, weil du darin vorkommst. Also ja, Godric's Hollow klingt sehr gut."
Der Brocken, welcher von James' Herz fiel, wurde durch seinen kurzen Freudenschrei übertönt, während er Lily aufhob, sie herumwirbelte und küsste, bis er sie auf den Boden abstellte, bevor ihr übel werden konnte. Sie hatte tatsächlich sehr viel Siruptorte verspeist. Erste Sonnenstrahlen tauchten hinter dem See auf und ließen die Sterne blasser und den Mond stumpfer erscheinen. Deshalb konnte Lily auch genau sehen wie James einen Schritt nach hinten trat, sein Lächeln mit der Sonne um die Wette strahlte und verschwand, als sein Fuß keinen Halt mehr fand. Lily wusste, dass es sinnlos war, doch sie versuchte dennoch verzweifelt ihn zurückzuhalten. Anstatt seinen Zauberstab aus der Hosentasche zu holen, verschwendete James wertvolle Hundertstel damit Lily von sich stoßen um sie nicht mit in den Abgrund zu reißen. Doch sie wussten beide, dass Lily ihn niemals loslassen würde.
Es hatte beinahe etwas befreiendes an sich über die Kante des Daches zu fallen, als wäre man ein Adler.
Bis Lily realisierte, dass sie keine Flügel hatten. Ihr Zauberstab lag noch auf dem Dach und James' fiel aus seiner Jackentasche als er nach hinten kippte. Lily wollte schreien und schluchzen und nach Hilfe rufen, doch sie wusste, es würde zwecklos sein. Stattdessen klammerte sie sich an James, presste ihren Kopf an seine Schulter um den näher kommenden felsigen Boden nicht sehen zu müssen und ließ seine Hand nicht los. Ihr bisheriges, kurzes Leben lief nicht vor ihren Augen ab, wie es oft in Büchern beschrieben wurde, um genau zu sein sah Lily gar nichts. Aber sie roch James' typischen Geruch, hörte sein Herz wild schlagen und spürte seine Hand in ihrer. Es war beinahe lachhaft grotesk, dass es sich perfekt anfühlte. Doch dann nahm ihre Nase den Geruch eines scharfen Herbstwindes wahr, lauschte dem Knistern von starker Magie und verspürte einen warmen, kräftigen Wind in den Haaren, der sich komplett anders anfühlte als die kalte Luft der frühen Morgenstunden. Ehe sie ihre Augen öffnen konnte um den unerklärlichen Einflüssen, die auf ihre Sinne wirkten, auf den Grund zu gehen, wurden diese von kalten Wasser weggespült. Der Aufprall auf die Wasseroberfläche war schmerzhaft, aber nicht so schmerzhaft wie er aus dieser Höhe hätte sein sollen. Und befand sich unter ihrem Turm nicht eigentlich ein abfallender Hang, bestückt mit kantigen Steinen? Noch ehe Lily Antworten finden konnte wurde ihr Arm von einer Hand umklammert und nach oben gezogen. Gierig sog Lily die frische Luft ein und ließ sich widerstandslos von Marlene aus dem See ziehen. Sobald sie jedoch sicher am Ufer war, spuckte sie das ekelhafte Wasser aus, dass sich in ihrem Mund gesammelt hatte, riss sich von ihrer Freundin los und stürmte zu James, der gerade auf Sirius gestützt aus dem aufgewühlten Gewässer stieg. Sofort befreite auch er sich und umarmte Lily fest, noch fester als während des Falls, wenn das überhaupt möglich war. Noch immer nach kostbarer Luft ringend keuchte Lily in Richtung ihrer Freunde, die ebenfalls versuchten sich gegenseitig zu wärmen:"Wir waren beide früh wach und waren auf dem Weg zum Eulenturm weil Marlenes Eule wegen dem Kampf mit dem Geier noch immer nicht fliegen kann, da haben wir euch am Dach gesehen – was habt ihr da eigentlich gemacht – und plötzlich seid ihr gefallen. Wir hatten nicht mehr genug Zeit um euren Fall komplett zu stoppen, aber wir konnten ihn verlangsamen und haben euch abtreiben lassen, damit ihr im See anstatt auf den Felsen landet. Krone, ich bin total für waghalsige Aktionen um ein Mädchen zu beeindrucken, aber BIST DU EIGENTLICH WAHNSINNIG?"
„Es war nicht wirklich so geplant.", widersprach James mit vor Kälte zitternder Stimme. Rasch belegte Marlene sie mit einem Wärmezauber und Sirius fischte James' im Wasser treibenden Zauberstab aus dem See. „Alles in Ordnung?", fragte er mit nun ruhigerer Stimme. Obwohl Lily und James synchron nickten zog Sirius Lily in eine schnelle, brüderliche Umarmung und schlug James auf den Rücken, weil Marlene sich zwischen die beiden warf um James in ihre Arme zu ziehen.
„Ihr werdet uns wohl oft besuchen müssen, denn alleine können wir offensichtlich keine zwei Minuten überleben.", grinste James.
„Sie hat Ja gesagt?", riefen ihre Freunde gleichzeitig. Nun hielt Sirius nichts mehr und so entstand eine Gruppenumarmung bei der Lily die Luft abgeschnürt wurde, doch sie fühlte sich so lebendig wie noch nie.
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Inspiriert wurde der Oneshot übrigens von „Galway Girl" von Ed Sheeran. Also eigentlich überhaupt nicht, weil der Song nichts mit dem Kapitel zu tun hat, aber es ist mein neuer Lieblingssong und deswegen musste ich ihn für die wenigen, die das hier tatsächlich lesen, unterbringen.
Schönen Sonntag noch!
-Ginny
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