Euphemia
„Bei Merlin Lily! Ihr lebt.", rief Hestia mit schriller Stimme aus, ehe sie zu ihren beiden Freunden rannte. Noch immer hielt Fleamont Sirius streng am Arm fest, schien wenigstens ihn sicher bei sich wissen zu wollen, während sein Blick starr auf unseren anderen Sohn gerichtet war. Auch wenn Hestia Lily wohl gerade zu erdrücken schien, entging uns beiden keineswegs die zusammengesackte Haltung unseres einzigen, leiblichen Sohnes.
„Natürlich leben wir. So schnell werdet ihr uns nicht los.", ließ James mit ersticktem Lachen eher schwach verlauten, während er versuchte sich etwas aufzurichten. Jedoch ohne Erfolg. Erschöpft sackte er zurück in den nun freien Schoß Lily's und ließ nun jegliche Alarmglocken bei mir schrillen. Zügigen Schrittes und mit aufgebrachtem Herzen ging ich zu meinem Sohn, welcher von seiner Frau verzweifelt gemustert wurde.
„Jamie-Schatz, komm bleib wach ja? Wir bringen dich sofort ins Mungos.", hockte ich mich mütterlich neben meinen so wundervollen Sohn, welcher lediglich durch seine schwache Atmung noch zu leben schien. Kaum merklich schmeckte ich das salzige Wasser in meinem Mund und registrierte neben dem so schmerzlichen zusammenziehen meiner Kehle, die einzelnen, angstvollen Tränen, die meine Wangen hinunter zu laufen schienen.
Es war immer das eine gewesen zu wissen, dass wenn Fleamont und ich nicht von unseren Aufträgen zurückkehren würden, er allein wäre. Unser eigenes Leiden, unser eigener Tod hatte uns nie etwas ausgemacht. Lediglich der Gedanke an diejenigen, die wir zurück ließen.
Doch nun? Nun hockte ich hier, mit verengerter Brust und Sorge um meinen Sohn. Ich hätte so viel dafür geben an seiner Stelle gestanden zu haben. Hier eingesperrt gewesen zu sein. So in dem Schoß meines Mannes gelegen zu haben. Doch stattdessen lag mein einziger Sohn hier und schien kurz vor dem Übergang ins Jenseits zu stehen. Und allein diese Möglichkeit schien aus mir selbst das Leben zu hauchen. Und das, obwohl gerade ich immer die gefasste und klar Denkende in der Familie gewesen war. Gerade das brachte mich so aus der Fassung.
„Ihm ging es bis eben gut. Ich weiß nicht was los ist. Wir hatten eben dank Severus seit Tagen etwas zu trinken und zu essen bekommen. Ich habe von dem selben gegessen. Ich weiß nicht wieso er nicht reagiert! Mia! Hilf ihm doch! Bitte.", nahm ich nun das Flehen meiner so starken Schwiegertochter wahr und blickte von dem blassen Antlitz James' zu dem ihren ebenso aschfahlen Gesicht auf. Glasige Tränen liefen auch aus ihren blutrot unterlaufenen Augen, während ich wie gelähmt vor ihr saß und nicht recht wusste wohin mit uns.
„Geht beiseite, wir apperieren sofort ins Mungos. Bringt ihr Lily dorthin, Hestia?", mischte sich von der Seite die kleine, hagere und meist doch schüchterne Longbottom ein. Auch wenn sie sonst so still und unnahbar wirkte, war sie eine exzellente Kämpferin mit dem starken Drang zur Verbesserung. Vielleicht war auch eben dies der Grund, weshalb mein Mutterherz ihr es gestattete meinen Sohn von mir los zu reißen und fort zu bringen. Hinweg von mir und meinem Schutz. Hinaus aus diesem Saal, dem Manor, dieser Gegend.
Nicht viel später hockte ich schließlich allein vor der dunklen, düsteren Wand und starrte in diese voller Angst Löcher, wo gerade noch Lily und James gesessen hatten. Ich erkannte mich in genau diesem Moment nicht selbst wieder. Alles war so verkehrt. So seltsam, so anders. Mein Kind war betroffen. Er rang wohl gerade um sein Leben. Er hatte die Gefangenschaft bei den Todessern erlebt. Überlebt. Und musste nun kämpfen. Um sein so wertvolles Leben kämpfen. In so jungen Jahren. Er hatte das doch alles gar nicht verdient. Für alles was ich jahrelang gekämpft hatte. Alles was ich ihm ersparen wollte. All das erlebte er nun selbst.
„Euphemia. Lass uns zu James. Ihm wird geholfen, Schätzchen.", legte sich die warme und vertraute Hand auf meine Schulter. Pure Geborgenheit. Genau das empfand ich durch ihn. Fleamont hockte sich neben mich, hielt mich fest, war dort. Mein Anker seit so vielen Jahren.
Intensiv blickten seine braunen Augen in meine, erinnerten mich daran, dass diese Augen zum Zeitpunkt meines Ankommens im Manor geschlossen geblieben waren. Und doch spendete er so viel Mut und Kraft, dass ich glaubte gleich wieder ich selbst zu sein. Euphemia Potter. Die überzeugte Aurorin, Mutter und stake Kämpferin. Keine Zweiflerin, erschöpfte, besiegte. Wenn ich eines war, wenn wir eines waren, dann keinen Falls besiegt.
„Kommst du?", hinterfragte mein Mann ein letztes Mal, mit auch vor Sorge getränktem Augen, ehe ich zaghaft nickte. Der Anker. Wir waren unser gegenseitiger Anker. Und als eben dieser, spendeten wir uns beide so viel Kraft und Mut, um weiter zu machen. Wie die Jahre zuvor. Gemeinsam durch dick und dünn, gegen gut und böse. Gemeinsam für den Sieg. Gemeinsam für unseren Sohn.
Lily
Schmerzend drehte ich mich in dem so weichen Bett in Richtung der Tür. James wurde gerade hinein geschoben, von einer Schwester des Mungos zu mir gebracht. Auch er lag tief in den weichen Polstern des eigentlich harten Krankenhausbettes. Doch war im Vergleich zu dem nasskalten Boden des Kerkers, selbst dieses durchgelegen Bett der Himmel auf Erden. Oder auch die Hölle. Eng drückten die Polstern nämlich gegen meine schmerzenden Glieder und Wunden, während sich mein gesamter Körper zu entspannen, jedoch gleichzeitig anzuspannen schien.
„Er schläft noch? Ist er bisher nicht wieder wach geworden?", hinterfragte ich besorgt und blickte forschend zu der netten Schwester des Mungos, welche mir netterweise schon ein Zimmer ohne Bettnachbarn zugestanden hatte. Doch statt sie fortwährend fragend anzuschauen, blickte ich lieber zu meinem Mann. Fast so als würde er verschwinden sobald ich ihn aus dem Blick ließ, klammerte ich mich an seinen verfilzten schwarzen Haarschopf in dem großen Kissen.
„Nein noch nicht. Ihr Heiler wird sofort kommen. Er wird Ihnen alles erklären, Mrs Potter.", schenkte mir die braunhaarige ein warmes Lächeln, während ich auch in ihren Augen lesen konnte, dass wir ebenfalls für ihren Geschmack zu oft im Mungos waren. Denn meines Wissens, hatten wir ihr nicht unseren Namen verraten.
Einverstanden nickte ich schließlich, ehe sie James' Bett nochmals feststellte und den Raum kurz darauf verließ. Kurzzeitig überkam mich das Gefühl der Sicherheit. Mich überkam allein in diesen wenigen Sekunden der Stille eine erschöpfende Müdigkeit, die ich nicht vermochte zu beschreiben. All meine Glieder fühlten sich so schwer an, so schmerzend. Allein das Wissen, dass uns hier nichts passieren dürfte, ließ mich mich zurücklehnen.
Doch als die Tür erneut aufschwang merkte ich deutlich, dass es wohl noch lange dauern würde, ehe ich mich wirklich wieder richtig sicher fühlen würde. Auch zu Haus wurden James und ich im Schlaf überrumpelt. Dementsprechend alarmiert schreckte ich auf, als der Heiler eintrat. Unterbewusst reagierte ich. Ich hatte mich auch zu Hause sicher gefühlt. Doch man war wohl nirgendwo sicher wie wir gelernt hatten. Weshalb also, sollten wir im Mungos so sicher sein?
„Mrs Potter, entschuldigen Sie die Störung. Sie dürfen gleich schlafen, ich würde Ihnen nur noch unsere Erkenntnisse mitteilen.", sprach der Heiler, der auch mich untersucht hatte, warm zu mir. Nickend gestattete ich ihm das weitersprechen, als er mich fragend anblickte. Ich wollte zwar nichts mehr als zu schlafen, doch weckte in mir James Zustand mehr Interesse.
„Sie haben beide viel abbekommen. Durch den langanhaltenden und öfteren Cruciatus-Fluch verspüren Sie auch diese mentale Müdigkeit und Erschöpfung. Das ist ganz normal. Wir sollten eher froh sein, dass Sie nicht langfristig geschädigt wurden. Hinzu kommt die starke Unterkühlung, die ebenfalls Ihrem Mann zu schaffen macht. Ihre Wunden hat die Schwester ja schon versorgt, ich hoffe dies war genehm? Wenn nicht fragen Sie nochmals nach und es wird neu verbunden.
Aufgrund des langen Wassermangels haben wir Sie beide an den Tropf angeschlossen. Ich hoffe inständig das Sie in den nächsten Stunden gut darauf reagieren. Sonst müssten wir andere Dinge probieren. Da Sie, wie es uns scheint, in den letzten Stunden gut essen konnten, haben wir nun nicht vor Ihnen Nahrung auf andere Weise zuzuführen. Sobald Sie das Gefühl von Hunger oder Appetit verspüren, sollten Sie es bitte sagen. Sie sollten viel zu sich nehmen.
Und nun zu ihrem Mann. Er erleidet Ähnliches. Doch scheint bei ihm eine Art Vergiftung vorzuliegen. Jetzt bitte nicht in Panik verfallen. Es handelt sich dabei um eine leichte Lebensmittelvergiftung. Da Sie, wie Sie sagten, von den selben Nahrungsmitteln gegessen haben, bitte ich Sie bei jeglichem Gefühl des Unwohlseins Bescheid zu geben.
Mister Potter sollte das Bewusstsein in den nächsten 24 Stunden wiedererlangen. Momentan rührt die Bewusstlosigkeit wie gesagt durch die Lebensmittelvergiftung und durch die Strapazen der letzten Tage her. Wir rechnen jetzt den benötigten Schlaf drauf, weshalb wir von rund 12 bis 24 Stunden ausgehen. Bei Ihnen war diese Bewusstlosigkeit ja schon eher eingetreten, weshalb wir bei Ihnen wie gesagt nicht davon ausgehen, dass auch Sie erneut Ihr Bewusstsein verlieren. Ansonsten ist auch Mister Potter stark unterkühlt und leidet unter Wassermangel, weshalb wir auch ihn an den Tropf gehängt und mit vielen Decken zugedeckt haben. Auch wieder zu Ihnen, wenn es Ihnen zu kalt ist, sagen Sie Bescheid, wir kümmern uns drum.
Das wäre es jetzt erstmal von meiner Seite. Haben Sie noch Fragen?", trug der Heiler seine Diagnosen strukturiert und langsam vor, ehe er mich fragend anblickte. Es war nicht wenig was ich in meinem Zustand aufzunehmen hatte, doch hinterließen seine Worte keine wirklich offene Frage bei mir, weshalb ich nur müde den Kopf schüttelte.
„Danke für Ihre Hilfe.", murmelte ich schließlich milde lächelnd zu dem großen, blonden Heiler. Er schien meine Erschöpfung und Müdigkeit zu merken, weshalb er sich kurz angebunden verabschiedete.
„Natürlich Mrs Potter. Schlafen Sie sich aus, wir haben ein Auge auf sie zwei.", nickte mir der gute Mann freundlich zu, ehe er uns den Rücken zu wandte und ging. Als schlussendlich das klappen der geschlossenen Tür zu vernehmen war, konnte auch ich meine Augenlider nicht mehr offen halten. Viel zu sehr sehnte ich mich nach der Ruhe, die mein Körper sich so sehnlich wünschte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top