94. Das süße Brennen

Lily

„Evans! Mitkommen!", wurde die Tür aufgerissen. Geblendet und überfordert von dem hellen Licht brannten meine Augen, den Tränen fast nahe. Ob ich nun wegen des Lichts weinte, oder wegen des Adrenalins der Angst, das urplötzlich durch meine Adern strömte, wusste ich nicht ganz. Doch merkte ich ganz genau wie James sich neben mir versteifte. Ich glaubte sogar seinen Arm schützend vor mir zu spüren. Doch blendete mich das Licht und die Überforderung meines Hirn zu sehr, um das genau ausmachen zu können.
Und dann spürte ich schon ein zerren an meinem kalten Oberarm, das zischend durch Mark und Bein schmerzte. Durch die lange Kälte hatte ich gar nicht mehr gemerkt wie ausgekühlt ich war und wie strapaziert meine Haut. Doch umso mehr wurde es mir nun bewusst, als ich meinte, meine Haut würde bald unter den Fängen des Todessern zerreißen.
„Hören Sie auf! Merken Sie nicht, das sie ihr wehtun?", maulte James von der Seite, während mir die Frage durch den Kopf schoss, weshalb er gerade jetzt diesen Todesser Siezte. Und mal wieder eine so dumme und unpassende Frage das ich fast aufgelacht hätte, würde der Todesser mich nicht gewaltsam auf die Beine ziehen. Zischend wollte ich zum stehen kommen, schaffte es jedoch kaum. Es war seltsam was diese Kälte auf Dauer angerichtet hatte. Auch wenn ich nicht ganz wusste wie lang der Zauber nachwirkte, bezweifelte ich das das hier Nebenwirkungen waren. Dafür waren wir zu lang in diesem Kerker eingesperrt.

„Halt du schön deinen Mund, Blutsverräter! Wer weiß wozu uns deine liebe Freundin alles dienlich ist, wenn sie die Schmerzen nicht mehr aushält.", wurde ich unliebsam von der vermummten Gestalt zum Licht gezogen, während ich schmerzhaft auf einen Stein trat. Innerlich fragte ich mich wirklich, weshalb ich keine Schuhe angezogen hatte. Doch wäre das im Bett vielleicht etwas zu vorbereitet auf einen Angriff gewesen.
„Was sagen Sie da?! Wagen Sie es ihr auch nur ein Haar zu krümmen! Wo bringen Sie sie hin?! Sie verfluchter Todesser! Sie gehören in diesen Kerker!", rief James hinter uns, ehe die dicke Tür ins Schloss fiel und ich das erste mal eine angenehme Wärme empfing. Bei Merlin, augenblicklich fühlte ich mich pudelwohl. Wenn da nicht der breitschultrige, groß gewachsen Mann neben mir stehen und grimmig auf mich hinab schauen würde. Bei Merlin, ich hasste es so klein zu sein. So wirkte man nicht im Ansatz konkurrenzfähig.

„Wo sind wir?", fragte ich, während ich die Treppen hinter dem in schwarz gekleideten Mann hinterher stolperte. Auch wenn die Stufen kalt und rutschig waren, fühlten sie sich hundertmal wärmer an, als der Steinboden im Kerker.
„Zu wem bringen Sie mich?", stellte ich die nächste Frage, als ich keine Antwort auf die erste bekam. Doch auch dieses Mal blieb er still und treckte mich stattdessen grober hinter sich her, um die Ecke. Weicher Teppichboden war ausgelegt und führte die nächsten Stufen hinauf. Überrascht von dem sanften Boden schaute ich hinunter und erschreckte mich fast. Das meine Füße vor Kälte so schmerzten war mir bewusst gewesen, doch dass sie sogar blutige Striemen aufwiesen, hatte ich nicht bemerkt. Viel zu eisig war es dort unten gewesen.
„Stell nicht so viele Fragen und beeil dich du dummes Püppchen.", murrte der Maskierte. Püppchen. Also ich wusste ja nicht was der Werte Herr unter Püppchen verstand, doch war ich mit aufgeschürften Füßen und dreckigem Nachtkleid sicher kein Püppchen. Und ganz sicher auch nicht, wenn ich normal aussah. Der konnte was erleben. Wenn ich einen Zauberstab in die Hand bekäme wäre der der erste der weg wäre.

„Ah, da ist sie ja die gute Miss Evans. Da hat das ganze Pauken die Jahre auch nichts gebracht was? Jetzt seid ihr trotzdem hier. Tragische Sache, ja. Ich würde dir ja eines meiner Kleider anbieten, aber wie es scheint stehst du eher auf durchsichtig, dreckig.", kam das markante, überhebliche Lachen der einen gewissen Lestrange auf. Korrigiere: sie wäre die erste die weg wäre. Wie sehr ich diese Frau doch hasste. Kein Mensch lachte. Doch ihre hässliche, gekünstelte Lache hallte an den hohen Wänden wider.
„Ach Bella, Ich dachte im Alter würde deine Schönheit auftauchen. Aber stattdessen seh ich nur Falten. Sicher, dass du nur ein Jahr älter bist als ich?", erwiderte ich mit gekräuselten Lippen, während mich der breitschultrige Mann auf einen dieser harten Stühle setzte, und wie im Mittelalter die schnallen schloss. Heute jedoch mit Zauberstab.
Trotzig hob ich mein Kinn, blickte in die pechschwarzen Augen des Mannes und tötete ihn förmlich mit Blicken.  

„Ach und du meine Liebe Lily, wirst immer unlustiger. Ich hatte auf eine deiner schlauen Kommentare zum Lachen gehofft.", trat der Mann beiseite und Bellatrix in mein Blickfeld. Ihre Locken fielen wie immer stylisch über ihre Schulter. Hochgesteckt und mit zaubern stabilisiert. Sie war mir schon immer zu gekünstelt. Allein schon ihr unglaublich auffallendes Make-up war so abstoßend, dass ich mich schon immer gefragt hatte, wie sie so viele männliche ‚Freunde' hatte haben können.
Doch statt etwas zu erwidern blickte ich mich weiter um. Das war der Saal von dem James gesprochen haben musste. Vor mir war die große Fensterfront. Die Sonne musste hoch am Himmel stehen. Mittags war es vielleicht. Nach meinem Hunger zu urteilen sowieso. Meiner trockenen Kehle zu urteilen erst recht. Doch war das jetzt nicht wichtig.

„Was soll ich hier? Was nütze ich euch als Schlammblut denn bitte? Da könnt ihr mich auch gleich wie alle anderen umbringen.", eröffnete ich das Gespräch. Wenn sie selbst nicht anfing zu reden, würde ich meine Fragen ja stellen können. Während ich versuchte die Landschaft hinter Bellatrix auszumachen. Viel Gebüsch, viele Wege. Ich hatte keine Ahnung wo wir uns befanden. Dafür war ich wohl zu selten bei den Reinblut-Familien unterwegs.
„Nun, wenn ich das wüsste, wenn ich das wüsste. Der dunkle Lord findet dich und deinen Verräter-Freund für sehr wertvoll. Ob nun auf unserer Seite oder nicht.", kam sie langsam auf mich zu. Aufmerksam folgte ich ihren Schritten, ihrem Gang der nun um mich herum führte. Spürte ihren langen Fingernagel durch meine verfilzten Haare fahren und wie mir ein angeekelter Schauer über den Rücken lief. Bellatrix war mit jeder Faser ihres Körpers zum anwidern.
„Und was wollt ihr so unbedingt von mir wissen? Ob ich mir vorstellen könnte in eurem aberwitzigen Klub mitzumachen?", lachte ich sarkastisch auf, während ich Ballas Augen bedrohlich auf mir spürte. Mit hochgezogener Augenbraue kam sie vor mir zum stehen. Erhoben und überheblich lag ihr Blick auf mir.

„Und ich dachte immer du wüsstest wo die Grenzen lägen.", murmelte sie, während sie höhnisch den Arm hob und mit dem Zauberstab wedelte. Urplötzlich durchfuhr mich ein Schmerz, der mich unweigerlich an die Wucht im Schloss von damals erinnerte. Brennend durchfuhr es meinen Arm, hinauf zu meinem Hals, hinunter zu meinen blutigen Füßen. Doch ich schrie nicht. Ich nahm es hin, spürte den Schmerz und das verengen meiner Lungen, während ich hastig nach Luft schnappen wollte. Doch schreien würde ich nicht. Nicht, solange der Schmerz noch nicht meinen Willen gebrochen hatte. Nicht so lange ich noch denken konnte.

Und urplötzlich ließ das Brennen und Stechen wieder nach. Gierig sog ich Luft ein, erfüllte meine Lungen mit dem so wichtigen Sauerstoff. Und erkannte die Genugtuung in den Augen Bellatrix. Doch dachte ich gar nicht daran mir noch mehr anmerken zu lassen. Stur und mit erhobenen Kinn versuchte ich mir wenigstens ein wenig stolz zu erhalten.
„Ach Ja, die gute kleine Lily Evans. Stur und trotzig wie ein kleines Kind.", verhöhnte Bella mein Gehabe und suchte mit amüsierter Miene einen Kumpanen im Raum. Sie liebte es eine Show aus allem zu machen. Und das vor allem, wenn sie jemanden triezten und ärgern konnte.
„Also so ganz informiert bist du nicht oder? Und ich dachte immer du würdest den Klatsch und Tratsch vergöttern.", kommentierte ich ihre Worte und blickte ihr kritisch entgegen, während ich ihre neugierige Haltung musterte. Mädchenhaft wie eh und je hielt sie ihren Zauberstab so, als träge sie eine Handtasche. Mit schief stehendem Oberkörper, rausgestreckter Brust und Holzkreuz versuchte sie wohl noch immer jemanden zu beeindrucken. Versuchte sie sich zu verkaufen. Wäre es nicht Bellatrix würde ich ja glatt behaupten, es wäre billig wie sie sich verhielt. Doch war das noch immer Bellatrix. Es war ihre Art. So sehr mich eben diese auch anwiderte.

„Was willst Du andeuteten, Schlammblut?", spuckte sie mir entgegen, während ich das Feuer in ihren Augen auflodern sah. Wie sie nach dem Wissen gehrte, wie sie sich ergötzte. Sie wusste, dass ich nicht auf ihrer Stufe stand. Laut ihr, wahrscheinlich in jeglicher Hinsicht. Doch umso mehr schien es in ihr zu brodeln, dass ich mit ihr spielen wollte.
„Nun Ja, ich heiße schon längst nicht mehr Evans, Bellatrix Black.", kräuselte ich belustigt die Lippen. In dieser Sache war ich ihr einen Schritt voraus. War ich ihr überlegen. Egal wie sie es drehte und wendete. Und diesen Trumpf spielte ich aus, bewirkte ein prasselndes Feuer hinter ihren Augenlidern. Egal wie sehr es mich störte Sirius Nachnamen mit dem Namen von ihr in den Mund zu nehmen.
„Ach hat der gute Potter-Junge Mitleid mit dir gehabt? Wie traurig es doch ist die reine Linie der Potters zu beschmutzen.", überspielte die schwarzhaarige ihren Ärger, während es hinter ihren Lidern blitzte. Genervt und durchaus geärgert von ihrem Unwissen umschritt sie mich nochmals, mit ihrer Zauberstab-Spitz an meiner Kehle entlang fahrend. Wenn sie sich gekränkt fühlte, spielte sie nur zu gern darauf an in der besseren Position zu stehen. Doch ebenso naiv wurde sie.
„Ich finde es viel eher traurig, dass du dich noch nicht aus der Black-Familie lösen konntest. Begehrt dich Voldemort doch nicht so sehr, wie du ihn?", spöttelte ich mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen, während ich ihr Tun interessiert beobachtete. Das funkeln in ihren Augen wurde stärker und der Druck ihres Zauberstabes an meiner Kehle kräftiger. Ich spielte mit dem Feuer, das war mir durchaus bewusst. Doch konnte ich mich nicht als kleines Unschuldslamm darstellen, und ihr geradezu in die Karten spielen. Erst wenn sie richtig in Rage war, macht sie Fehler. Und diese musste ich ausnutzen. Umso mehr noch, ich musste darauf abzielen. In der Hoffnung, dass Snape wirklich hier wäre.

„Was wagst du es dir, seinen Namen in den Mund zu nehmen du unwürdiges Schlammblut!", hallte ihre erboste Stimme durch den Saal, während es so schien, als würde ihre Stimme in den Räumen daneben widerhallen. Doch erfreute mich ihre pochende Ader am Halse gerade zu. Sie würde mich nicht töten. Wenn sie das wollte, oder dürfte, wäre ich schon längst tot.
„Was? Wurdest du wirklich abgewiesen? Übernimmst du deshalb diesen so wichtigen Job für ihn, um ihm zu zeigen, dass du es würdig wärst die dunkle Frau an seiner Seite zu sein?", amüsierte ich mich über ihre Ehre, die sie ärmlich versuchte zu verteidigen. Es schien fast so, als würde all die erzwungene Selbstbeherrschung endlich von ihr abfallen, als ich ihre Hitze durch den Zauberstab an meinem Halse spürte.

„Wie kannst du es auch nur wagen, so über den dunklen Lord zu sprechen!", schrie sie aus tiefster Kehle, ehe auch schon wieder alles brannte. Flammen schienen über meine Haut zu tänzeln, schienen sie zu versenken und meine Lungen im inneren zu verdunsten. Schmerzend verengte sich meine Kehle, nahm mir die Luft zum Atmen und verströmte in meinem gesamten Körper ein glühen, dass mich von innen heraus um den Verstand zu bringen schien. Doch statt zu schreien und mich unter diesen unerträglichen Schmerzen zu winden, vernahm ich meine eigene Stimme, wie sie lachte und zugleich zu weinen schien. Ich nahm den süßen Schmerz herzlich an und lachte Bellatrix zur gleichen Zeit für ihre unbeherrschte Ader aus. Ich fand diese Reaktion meinerseits selbst absurd, doch verspürte ich trotz des gesamten Schmerzes, dem Brennen und Stechen, eine Genugtuung, die mich all das ertragen ließen.

Ich erschrak schon fast, als das süße Brennen nachließ und ich stattdessen eine mir so bekannte Stimme dominant durch den Saal schreien hörte. Mit trockener Kehle, Blut schmeckend und leeren Lungen sog ich die Luft ein, hatte das Gefühl sie würde meine Haut von innen verätzen und doch so gut tun. Mit einem andauernden Lächeln blickte ich mich um, bekam wieder einen klaren Blick und suchte nach der einen Person den Raum ab.
Und dann sah ich ihn tatsächlich. Severus. Severus Snape stand dort. Ohne Maske oder Verhüllung. Hager und mit langer Hakennase schaute er grimmig auf die kräftig, dominante vor ihm stehende Bellatrix. James hatte recht behalten. Er war hier. Und hoffentlich zu unseren Gunsten.

„Verflucht Bella! Du weißt genau was der dunkle Lord gesagt hatte. Wenn ich dich nicht aufgehalten hätte würde sie jetzt tot sein und du in wenigen Minuten ebenfalls!", brummte er, während ihm eine fettige Haarsträhne ins Gesicht fiel und in mir doch tatsächlich Übelkeit auslöste. Ich wusste wirklich nicht woher das kam. Entweder auf Grund meines ausgehungerten Magens oder wegen des Auftretens von Snape. Doch verspürte ich so langsam die Trägheit die mich erfasste. Die Müdigkeit. Es war kräftezehrend gewesen. Alles. Weder Wasser noch essen hatte ich gesehen. Ich hatte keine Ahnung wie lange schon nicht. Ich war unterkühlt, erschöpft und einfach nur fertig.
Und all das prasselte so plötzlich auf mich ein, dass ich fast befürchtete in Ohnmacht zu fallen. Auf diesem Stuhl wegzusacken.
„Und schau nur wie sie aussieht! Ihr und Potter sollte nichts geschehen! Sie blutet und ist kreidebleich. Haben die beiden überhaupt schon was zu essen bekommen? Oder überhaupt Wasser?", drang das Raunen Snapes an mein Ohr, während ich alles andere nur noch halb wahrzunehmen schien. Verschwommen machte ich die Umrisse einiger Personen aus. Sie standen alle daneben. Und einige Meter von mir entfernt Bellatrix und Snape.

„Also jetzt spiel dich mal nicht so auf! Du weißt genau das uns die beiden bei besten Kräften rein gar nichts sagen. Und nur weil du in alle Pläne vom dunklen Lord eingeweiht worden bist, hast du mir noch lange nichts vorzuschreiben! Zumal deine nette Schulfreundin ja wohl noch lebt.", maulte Bellas Stimme und verursachte das wiederkehren meiner andauernden Kopfschmerzen. Stechend durchzog es meinen Kopf, während mich das helle Licht, das in meine Augen fiel überforderte. Und dann, dann wurde aus dem Lärm und der Helligkeit die reine Dunkelheit und Stille.

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