90. So lange wir lebten
Lily
„Einen Schokoladeneisbecher bitte.", gab ich als letzte die Bestellung auf und sah der netten Kellnerin hinterher. Eine freundliche Frau. Und das trotz der vielen Gäste in diesem kleinen aber feinen Café. Ich hatte wirklich jedes Mal Respekt vor Kellnern, die trotz der vielen Gäste und des dadurch entstehenden Stresses freundlich und ruhig blieben. Eine Eigenschaft, die ich als Kellnerin nicht besitzen würde.
„Wieder das übliche Eis, ja?", lächelte mir Ann entgegen. Ja, immer wieder der gleiche Eisbecher. Es gab eben auch keine bessere Eissorte, als diese. Jedenfalls, wenn man mich fragte. Ich brauchte dieses fade Vanille-Eis nicht, geschweige denn das chemisch erzeugte Erdbeereis. Der süße Schoko-Geschmack war doch immer genau das, was man brauchte um glücklich zu sein.
„Du bist ja genauso wie Rem. Der isst auch nichts anders, wenn wir Eis essen gehen.", grinste sie amüsiert, als ich nur genickt hatte. Ja, Remus aß Schokolade ja auch wie kein anderer. Generell immer wieder etwas, was mich bei ihm eifersüchtig machte. Er aß das wie am Fließband und gewann nicht einen Zentimeter mehr um seinen Bauch.
„Ja der isst das Zeug ja auch in jeglicher Form stets und ständig.", bemerkte Hest lachend, was uns nur grinsend nicken ließ. Ja, es war schon seltsam wie jeder seine Vorlieben besaß. Ob der eine sie nun auslebte oder nicht, jeder hatte welche. So wie Quidditch bei meinem Dad.
„Aber jetzt sag mal, wie läufts bei euch?", sprach ich Ann an, in der Hoffnung diesen trüben Gedanken wieder beiseite schieben zu können. Ich war hier um Ablenkung zu finden. Wieder in den Alltag einzusteigen. Jetzt, wo ich schon seit einigen Tagen wieder geringfügige Aufträge annahm und ausführte, wollte ich auch wieder privat woanders sein, als in dem Bunker, welcher sich meine Wohnung nannte. Immer wieder die selben vier Wände zu sehen hatte ich satt, so würde ich nicht wieder Normalität erfahren können.
„Ach sehr gut. Erst letztens hat er mich gefragt ob ich zu ihm ziehen möchte.", erzählte sie heiter. Man konnte ihr ihre Freude nur ansehen. Ein strahlendes Lächeln und glitzernde Augen. Das Leben meiner Freunde drehte sich weiter. Egal wie sehr meines im Stillstand gewesen war.
„Und? Wann ziehst du bei ihm ein?", hakte Hestia sogleich nach und ließ Anna jedoch kurz die Schultern Zucken. Trotz ihrer vorherigen Freude erkannte ich wieder einmal ihre schüchterne Art. Es schien fast so, als hätte sie sich noch nicht einmal dazu entschlossen bei ihm zu wohnen.
„Ich weiß nicht. Sollte ich überhaupt? Ich mein, so lange sind wir nun auch wieder nicht zusammen. Zumal eine Wohnung zu diesem Zeiten auch bedeutet, dass man leichter zu finden ist.", bemerkte sie und schaute uns verunsichert an, während sie nervös den Löffel in ihrem Kaffee umrührte. Ganz unrecht hatte sie nicht. Doch konnte ich ihre Zögern nicht nachvollziehen. Remus war ein herzensguter Mensch. Mich wunderte es, dass sie ihm nicht gleich um den Hals gefallen war. Ihn wollte man doch eigentlich so oft wie möglich um einen haben.
„Du hast ihm gar keine Antwort gegeben? Bei Merlin Anna. Wir wissen doch alle drei, dass er erstens, davon enttäuscht war und jetzt sicher wieder an sich zweifeln wird und zweitens, dass deine Gründe zwar logisch, jedoch nicht nachvollziehbar sind. Du zögerst nur vor diesem Schritt weil es eine neue Routine bedeutet. Aber warum sollte dieser Schritt denn nicht gerade rechtzeitig in eurer Beziehung sein? Also wenn du mich fragst solltest du ihm schnell versichern, dass du liebend gerne zu ihm ziehen willst.", schaute ich meine Freundin scharf an und merkte wie sie unter meinen Worten vor Scham zusammensackte. Ihr war wohl nun deutlich bewusst, dass ihre Reaktion nicht die beste für Remus gewesen war. Bei Merlin, was er sich wieder für Gedanken machen wird. Ich wollte es gar nicht erst wissen.
„Ist ja gut, ist ja gut. Ich hab's verstanden. Wenn wir uns das nächste mal sehen, hab ich eine neue Wohnung.", meinte sie, noch bevor die nette Lady mit unserem Eis kam. Dankend nahmen wir unsere großen Becher entgegen, entschieden heute mal wieder zu sündigen. Doch für diese Leckerei tat man das gern.
„Aber wie läufts denn bei euch?", wandte sich Hest auch schon an mich, sobald mein erster Löffel des Schokoladeneises meinen Hals hinunter floss. Wie sehr ich diese kühle Erfrischung doch mochte. Es gab wirklich nichts schöneres. Lediglich andere Gesprächsthemen wären angenehm.
„Ja keine Ahnung was ich euch sagen soll. Das mit meinen Eltern ist halt noch präsent und irgendwie hab ich das Gefühl, dass sich keiner von uns irgendwie mehr als einen harmlosen Kuss traut. Aber sonst super. So langsam gehts bergauf mit mir.", beschwichtigte ich lächelnd, in der Hoffnung die kleine Verzweiflung die in meinen Worten steckte zu beseitigen. An sich lief nämlich wirklich alles super. Mir ging es besser, wie lachten nun wieder öfter und ich wurde nicht mehr wie zerbrechliches Glas behandelt. Doch bestand halt noch immer diese Vorsicht bei mehr als einem Kuss.
„Das ist schön zu hören. Nur weil man nach vorn sieht heißt es ja nicht, dass du sie gleich vergisst.", schenkte mir Ann eines ihrer aufbauenden Lächeln, die einen jedes Mal das Herz erwärmten und in seinem Tun bestärkten. Es tat gut sowas zu hören. Ich war froh meine Freunde zu haben. Sie waren nun eben meine Familie.
„Naja dann sprich doch mal mit James. Er möchte nur sicher nichts machen, weil er Angst hat dich auszunutzen.", ignorierte Hestia Annas Worte und brachte das andere Thema auf den Punkt. Doch versuchte sie mir genau das zu raten, was ich ja eben nicht wollte. Eines dieser gezwungenen Gespräche die wieder mega im unangenehmen endeten. Sowas konnte ich nun echt nicht gebrauchen. Denn bei sowas stellte ich mich noch immer wie eine sechzehn jährige an.
„Aber genau das will ich doch eben nicht. Versteht ihr, das endet wieder in so einem unnatürlich aufgezwungen Gespräch, wo danach niemand weiß was er sagen oder tun soll.", meinte ich und schob mir einen Löffel des Sahnebergs hinter. Dieses Eis passte echt zum Frustessen. Ich sollte öfter hierher gehen. Das Eis schmeckte nämlich fabelhaft.
„Ihr seid verheiratet. Da wird es ja wohl nicht so schwer sein miteinander zu schlafen.", bemerkte sie kritisch und schien meinen Standpunkt wohl nicht so ganz zu verstehen. Es mochte zwar stimmen, dass wir verheiratet waren, doch änderte das leider nichts an meinem kindlichen Verhalten, alles was das intime Thema betraf für mich unangenehm werden zu lassen.
„Ja schon. Nur, ach man, ist auch egal.", winkte ich ab. Es war zwecklos es versuchen zu wollen Hestia zu erklären. Sie und Sirius hatten nie Probleme was das Thema anging. Die beiden verstanden sich diesbezüglich blind. Ich wollte gar nicht wissen was die so den lieben langen Tag veranstalteten. Zum Glück waren wir nicht ihre Nachbarn.
„Ja na gut. Ich red mal mit Sirius. Der klärt das sicher mit James.", bot sie an, ließ mich jedoch nur hektisch runter schlucken und den Kopf schütteln. Bloß nicht. Das wurde dann nur noch unangenehmer, wenn das über fünf Ecken geschah. Das würde dann selbst James unangenehm sein. Also davon ging ich einfach mal aus.
„Ne du, danke. Aber dieses über fünf Ecken ist dann doch nicht so cool. Da mach ich das lieber allein.", lehnte ich ab, in der Hoffnung sie würde diese Ablehnung ernst nehmen. Bei Hestia wusste man nie. Und so wie Anna neben mir prustete glaubte sie wohl auch nicht so ganz daran, dass sie es sein lassen würde. Bei Merlins gepunkteter Unterhose, ich hoffte das sie einmal vernünftig sein würde.
„Naja egal, bei euch läuft es sicher prächtig.", lenkte ich das Thema erneut um und schaute meine beste Freundin nun interessiert an, während mein Eis so langsam verschwand. Diese Eisbecher machten aber auch süchtig.
„Ja, so wie immer halt. Das einzige ist, dass Regulus sich bei Sirius gemeldet hat. Wieder so ein Brief von wegen er solle vernünftig sein und sich dem dunklen Lord anschließen. Ich denke jedoch, dass er das nur schreiben soll. Selbst Sirius ist der Meinung, dass Regulus nicht mehr alles an diesem Pack gefällt.", nickte sie, während sie ihr Eisbecherglas auskratzte, um die letzten Reste ihres Joghurteises zu erhaschen. Und wieder einmal stellte ich fest, das Leben meiner Freunde hatte sich weiter gedreht. Meines hatte zwar still gestanden, ihres war jedoch weiter gelaufen. Ob nun gut oder schlecht, ich hatte das Gefühl irgendwo festgesteckt zu haben.
„Meinst du er versucht von innen heraus etwas zu bewirken?", hakte Ann interessiert nach und ließ mich wieder aufmerksamer werden. So unwahrscheinlich war das alles gar nicht. Ich hatte Regulus nie so gesehen, dass er die Ansichten Voldemorts so stark vertrat. Besonders durch Sirius hatte er, denke ich mal, vieles mehr hinterfragt.
„Wir hoffen es. Es wäre sicher hilfreich. Doch hat er sich bisher nicht an Dumbledore gewandt. Man wird es sehen. Bisher kämpft er trotz seiner möglichen Zweifel noch immer auf der Seite dieser Bande. Und Sirius nimmt das mehr mit, als man vielleicht merkt. Es ist immer noch sein kleiner Bruder.", schaute sie schließlich betrübt zu uns auf, als ihr Becher leer war und wir vor unseren letzten Kugeln saßen. Ja, es war wohl wahr. Familie. Regulus war für ihn noch immer Familie. Egal wie kaputt sie auch gewesen sein mochte. Familie blieb Familie.
„Ja das versteh ich. Es ist immer noch sein Bruder. Aber das wird sicher. Ich schätze Regulus jedenfalls nicht so ein, dass er Voldemort blind folgt. Er hinterfragt sicher mehr, als wenn Sirius sich nicht gegen seine Familie gewandt hätte.", stimmte ich ihr zu und leerte nun auch meinen Becher. Es tat gut endlich mal wieder mit ihnen zusammen zu sitzen und zu reden. Einmal andere Themen zu besprechen und sich einfach auszutauschen. Das hatte mir schon irgendwie gefehlt.
„Ja das denke ich auch. Wie gesagt, man wird's sehen. Solange wir noch kampffähig sind, sind wir nicht auf die im inneren angewiesen.", meinte Hest schließen und schnitt damit dieses Gesprächsthema ab. Es waren schon schlimme Zeiten. Doch sie hatte recht. Solange wir noch hier sitzen konnten, war alles in Ordnung. So lange wir uns wehren und für eine bessere Welt kämpfen konnten, würde Voldemort nicht die Oberhand gewinnen. Nicht so lange wir lebten.
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