83. Ein Brief
James
„Was wird das schon wieder? Hat dir die Woche nicht gereicht?", lachte meine frisch gebackene Ehefrau unter den Küssen die ich wiedermal in ihrem Nacken verteilte, sobald unsere Wohnungstür hinter uns zugefallen war. Allein schon die Gänsehaut die sich sogleich an ihrem Körper abzeichnete, ließ mich grinsen. Noch immer war es für mich nicht vorstellbar, dass sie wirklich meine Frau war. Desto lieber ließ ich es mir immer wieder auf der Zunge zergehen.
„Von meiner Ehefrau bekomme ich nie genug.", nuschelte ich lächelnd an ihr Ohr, ehe ich dahinter mit den federleichten Küssen fortfuhr und sie glücklich von hinten umarmte. Die letzte Woche war wohl die schönste in meinem Leben gewesen. Nicht nur wegen all den Dingen die man als Eheleute natürlicherweise tat, sondern wegen der gemeinsamen Zeit die ich mit Lily genießen konnte. Es war sozusagen unser erster wirklicher Urlaub gewesen, wo nur wir zwei wichtig waren. Und ich hätte mich nirgendwo anders wohler gefühlt.
„Aber deine Ehefrau muss erstmal diesen Stapel Post hier durchschauen. Und dafür bräuchte ich wenigstens meine Arme und Hände.", erklärte mir die rothaarige grinsend. Naja gut, wenn sie unbedingt all die Briefe durchlesen wollt. Das waren sicher nur all diese Glückwünsche zur Vermählung von denjenigen, die wir auf Grund dieser Zeiten nicht einladen konnten. Allein die Arbeitskollegen meiner Eltern machten eine Menge aus.
„Das heißt aber nicht, dass ich komplett aufhören soll ja?", löste ich meine Arme um sie und fasste zu ihrer geschwungenen Taille. Sie machte mich allein mit ihrer Anwesenheit verrückt. Und der Gedanke, dass sie meine Frau war. Bei Merlin, Lily Potter. Noch nie hatte sich etwas so harmonisch angehört.
Doch als sie in ihrem Tun stockte und zu erstarren schien blickte ich auf den Brief in ihren Händen. Wie eingefroren stand sie vor mir und schien den Adressaten des Briefes nicht wirklich vertrauen zu schenken.
„Von wem ist der? Schickt man zu Glückwünschen nicht einen etwas freundlicheren Briefumschlag?", runzelte ich die Stirn, als ich sah wie Lily den pechschwarzen Umschlag begann zu öffnen. Ich spürte selbst wie mulmig ihr sein musste. Ihr behagte etwas nicht und es machte mich irre, dass sie mir noch immer nicht sagte, von wem dieser Brief stammte.
„Er ist von Petunia.", murmelte sie gedankenverloren, ehe sie den Brief heraus nahm und ihn interessiert musterte. Aber sie war doch da gewesen. Weshalb sollte sie einen Brief schreiben? Das ergab nun wirklich keinen Sinn.
„Sie war doch aber anwesend?", hinterfragte ich leis und gab meine Verwirrung preis. Doch diese Frage erübrigte sich, als ich Lily zitternd in meinen Armen wiederfand. Sofort regte sich jede Sorge in mir. Fragend schaute ich sie an, nahm sie instinktiv näher zu mir, konnte das stärker werdende vibrieren ihrer Brust jedoch nicht verhindern.
„Lily was ist los? Was schreibt sie?", fragte ich Bange, was sie nun antworten würde. Stille Tränen traten aus ihren noch zuvor so freudigen Augen. Doch stattdessen sah man ein trübes Grün, welches zwischen all den Tränen eher weniger zum scheinen kam.
Was konnte denn so schlimm sein, dass sie von ihrer so entspannten Art, zu einem schluchzenden, trauernden und irgendwie mit sich selbst wütenden Mädchen wurde? Sie machte mir regelrecht Angst.
Mit zitterndem, unruhigen Atem drehte sie sich in meinen Armen und vergrub schluchzend ihr Gesicht an meiner Brust. Schmerzend zog sich mein Herz zusammen, während ich nach dem besagten Brief griff. Wenn sie schon nicht im Stande war mir zu sagen, was sie so bewegte, musste ich ihn selbst lesen, um ihr helfen zu können. Ich wollte sie so nicht sehen. Ihre Tränen schienen meine Brust immer enger zu machen und ihr schluchzen ließ mein Herz Stück für Stück weniger Platz zum schlagen.
Also begann ich zu lesen, die wenigen Zeilen die geschrieben standen und selbst mir die Luft zum Atmen nahmen.
Liebe Lily,
Wahrscheinlich wirst du diesen Brief erst spät erhalten, da ich keine Ahnung habe wo und wie lange du und dein Mann sich nach eurer Vermählung aufhalten. Der Grund dieses Schreibens ist jedoch folgender: Mum und Dad sind tot. Und das nur, weil sie unbedingt zu dieser Feier voller Zauberer und Hexen kommen mussten. Auf der Rückfahrt von dort, als du schon längst deinen Spaß hattest, sind sie gestorben. Ein Lkw-Fahrer hatte die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren, weil er eingeschlafen ist. Mum und Dad haben es nicht einmal ins Krankenhaus geschafft.
Und wer darf das wieder ausbaden? Genau, ich! Weil du in deiner abnormalen Welt nicht einmal dafür sorgen konntest, dass deine eigenen Eltern heil nach Hause kommen und stattdessen wieder unzüchtige Dinge tust. Und jetzt bleibt das alles auch noch an mir hängen! Mum und Dad haben es noch nicht geschafft ihr Testament zu vervollständigen. Ich wollte dir nur mitteilen, dass ich das Haus verkaufen werde. Wenn du es schaffst, kannst du bis zum Verkauf nochmal rein schauen und dir das mitnehmen was du möchtest. Der Rest kommt in den Sperrmüll.
Mit freundlichen Grüßen,
Petunia
Nach diesen Zeilen, die schnell und unsauber auf das Pergament gekrakelt wurden, wusste selbst ich nicht was ich tun konnte, um meiner Frau zu helfen. Mittlerweile hing sie regelrecht in meinen Armen, suchte flehend nach einem Anker um nicht zu ertrinken. Ihr Beine gaben schließlich nach und ließen den unhöflichen Brief auf den Boden verschwinden, als ich Lily hoch nahm. Fest drückte ich sie an mich, wollte der helfende Anker sein, wollte sie nicht in die Ferne verschwinden lassen.
Schwer atmete auch ich in ihre Halsbeuge, mich selbst zur Ruhe verpflichtend. Sie brauchte nun jemanden. Ich konnte nun nicht auch Schwäche zeigen. Fest schluckte ich, ging nochmal in mich, lauschte dem schnellen, aufgeregten pochen meines Herzens, welches heute nicht durch Lily's atemberaubende Art so schwer zu schuften hatten.
„Ich bring dich ins Bett mein Engel. Und dann reden wir wenn du möchtest ja? Oder nicht. Oder wir vergraben uns heute einfach im Bett. Aber du bist nicht allein. Wir schaffen das, Okay?", flüsterte ich ihr zu, war mir selbst jedoch nicht ganz sicher, ob sie das alles wahrnahm. Doch hatte es auf mich eine etwas beruhigendere Wirkung, als wir in unser Schlafzimmer liefen.
Mit wild umher wirbelnden Gedanken legte ich sie in die weichen Polster unseres Bettes und wollte mir eigentlich nur schnell Pergament und Feder holen, um Sirius zu informieren, als mich Lily nicht einmal die wenigen Meter zu unserem Schreibtisch laufen ließ.
„Geh nicht.", schluchzte sie und blickte mich nun das erste mal seitdem wir hier angekommen waren aus ihren grünen Augen an. Aus den trüben, vernebelten und rot unterlaufenden Augen, die nichts als Trauer und Schuld ausdrückten. Ohne zu fragen wusste ich, dass sie sich schuldig fühlte. Schuldig dafür, in der letzten Woche ihr Leben gelebt und nicht auf ihre Eltern geachtet zu haben. Schuldig dafür, nicht doch darauf bestanden zu haben, dass sie einer von uns nach Haus apperiert hatte. Schuldig, dass sie nachgegeben und sie mit ihrem Auto hatte fahren lassen. Und allein ihr Anblick zerfraß mein Herz. Wie sie bittend in meine Augen blickte und Angst hatte, dass auch ich aus dem nichts verschwand.
„Nein. Ich werd sicher nicht gehen, mein Engel. Komm her.", schüttelte ich milde den Kopf und legte mich zu ihr. Und wieder einmal verspürte ich das schmerzende ziehen das durch meine Brust jagte, als sie all ihren Schmerz rausließ und wütend auf sich selbst gegen meine Brust weinte. Wie ihr Wasserfallartig die Tränen über die Wangen liefen und sie all ihren Frust rausließ. Ich hasste es sie so zu sehen. Zu sehen wie sie litt, wie ihr wehgetan wurde, wie alles über sie zusammen brach. Ich hasste es. Und ich hasste es noch viel mehr, dass ich nichts daran ändern konnte. Ich konnte ihre Schmerzen nicht mildern, sie nicht verschwinden lassen. Ich fühlte mich selbst so hilflos und getränkt vor Sorge, was das mit Lily anstellte.
„Wie geht es ihr?", stand Hestia auch kurz nach dem reden mit Tatze über den Zweiwegspiegel vor unserer Haustür und blickte mich betroffen an. Es war keine Minute vergangen, da hatten sie hier geklingelt. Und das obwohl ich es gerade geschafft hatte Lily in den Schlaf zu singen. Bei dieser Wortwahl könnte man denken meine Ehefrau wäre ein Kleinkind. Doch war es nicht im Ansatz so. Ich hatte mich nach zwei Stunden regelrecht daran geklammert, dass ich sie beruhigen konnte, wenn ich ihr immer wieder etwas zu murmelte und vorsang.
„Hestia ich hab keine Ahnung. Sie spricht nicht. Momentan schläft sie. Wenigstens etwas. Ich hab echt keine Ahnung wie ich ihr helfen kann.", schloss ich verzweifelt die Tür hinter meinen Freunden und blickte sie ratlos an. Ich wusste das sie wahrscheinlich ebenso wenig wussten, wie man jemandem half, bei dem gerade die komplette Welt vor den Füßen zerfiel. Doch hoffte ich auf Hestia's Hilfe. Sie kannte Lily schon so viel länger und konnte, auch wenn mir der Gedanke nicht so sehr passte, Lily wahrscheinlich besser helfen, als ich.
„Entschuldigt. Wollt ihr was trinken? Ich war gerade auch dabei Anna zu informieren. Vielleicht weiß sie weiter.", fuhr ich mir überfordert übers Gesicht. Das war gerade wirklich alles etwas viel. Ich kam glücklich von der Flitterwoche zurück und konnte mich nicht fröhlicher und entspannter schätzen, ehe ein Brief alles umdrehte. So hatte ich mir den ersten Monat mit meiner Frau jedenfalls nicht vorgestellt. Ganz zu schweigen von der bestehenden Möglichkeit das es die letzte Woche in Bezug auf unseren Kinderwunsch geklappt haben könnte. Wenn das jetzt auch noch dazu käme wüsste ich nicht wie Lily reagieren würde.
„Hey alles gut. Geh du mit Sirius in die Küche. Ich schau nach Lily. Wir bekommen das hin. Lily ist stark.", nickte mir die braunhaarige zu und blickte bedeutend zu ihrem Freund. So sehr ich Hestia auch vertraute und so verzweifelt ich auch war. Ich wollte Lily einfach nicht allein lassen. Schon der Gedanke einen Raum weiter zu sein bereitete mir Sorge, wenn ich an ihren Zustand dachte. Ich wusste nicht wie es war die Eltern zu verlieren. Und ehrlicherweise war ich darüber auch sehr froh. Doch wusste ich nicht wie ich ihr helfen konnte, was in ihr vorging und wie ich sie besser fühlen lassen konnte. Und trotz dessen wollte ich bei ihr sein. In guten wie in schlechten Zeiten. Ich wollte auf sie acht geben, ihr beistehen.
„Hey alter, jetzt komm mit. Hest ist ihre beste Freundin. Und sie ist nur zwei Räume weiter. Wir gehen jetzt in die Küche und trinken einen Kaffee. Dann erzählst du mir alles, okay? Wenn was ist sagt uns Hestia sicher Bescheid.", griff Pad nach meiner Schulter und riss mich aus meinen kreisenden Gedanken. Noch immer besorgt blickte ich auf und schaute in die vertrauenswürdigen Augen meines besten Freundes. Vielleicht hatte er recht. Ein Kaffee half vielleicht. Zumal Lily momentan schlief. Wenn sie wach wurde konnte ich ihr besser helfen. Sie brauchte nun jedoch etwas Ruhe.
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