46. Das Ende unserer Reise
Lily
„Oh Man. Kaum zu glauben, dass wir jetzt komplett die Schule verlassen. Das fühlt sich so surreal an.", murmel ich an James Brust gelehnt, in einem der kleinen Boote sitzend, wo wir mit elf Jahren noch zu viert hinein gepasst hatten, und wartetet darauf, dass sie sich in Bewegung setzen würden. Unser gesamter Jahrgang hatte sich wie angeordnet in Hogwarts' kleinem Bootshäuschen eingefunden, um den Kreis zu schließen. Hier saßen wir, als unsere Zeit auf Hogwarts begann. Und nun saßen wir hier, um genießend all das Revue passieren zu lassen. Nur in anderen Konstellationen. Vor sieben Jahren teilte ich mir dieses Boot mit meinen Freundinnen. Und nun saß ich hier in James Armen, während ich meine fröhlich lachenden Freunde beobachtete. Hestia amüsiert mit Sirius kabbelnd und Ann grinsend, dem Werwolf unseres Freundeskreis zuhörend. Und auch wenn erst im letzten Jahr die drei Jungs zu meinen Freuden geworden waren, kam es mir vor, als würden schon Jahre hinter uns liegen. Als würden unsere Freundschaften schon Jahrzehnte bestehen. Und irgendwie war ich mir sicher, dass sie auch weiterhin bestehen würden.
„Auch wenn es eine wunderbare Zeit war, kann man nicht leugnen, dass eine ebenso wunderschöne Zeit vor uns liegen wird.", flüsterte mein Freund mir ins Ohr und hinterließ wiedermal ein Kribbeln auf meiner Haut. Sofort fand das Lächeln den Weg auf meine Lippen, ehe auch schon das Boot unter uns zu wackeln begann und uns nacheinander aus dem Häuschen trieb. Leichte, durch den sachten Wind verursachte Wellen schlugen gegen die dünne, hölzerne Bootswand, würden mich für gewöhnlich aus dem Gleichgewicht bringen. Doch nicht heute. In diesem Moment war ich die Ruhe selbst. Als das Boot die Sicht auf das prachtvolle Schloss frei gab und uns nicht weniger, als noch vor sieben Jahren, staunen ließ. Hoch stiegen die Zinnen empor, bildeten mit dem Himmel und der strahlenden Sonne ein Schauspiel der Welten. Jeder Ziegel, jedes Fenster, jeder Klotz und jeglicher Bruch eines Ziegelsteins war zu sehen, erblickte ich und liebte diese Details wie vor sieben Jahren. Und auch wenn nun die Sonne hell am Himmel stand, das Bild nicht so sehr ins geheimnisvolle tauchte, bezauberte es trotz dessen jeden in diesen kleinen Booten. Hell strahlend lag es vor uns, entschwand immer mehr unseren Augen, ließ immer weniger Details erkennen. Viel zu schnell schien es mir, schipperten die kleinen Boote mit uns darin davon. Zogen uns weg, ließen uns keine andere Wahl als den Lauf der Dinge zu folgen. So sehr man sich nach diesem Anblick, der Zeit und die Freude in diesem Gebäude sehnte, es war einem nicht möglich umzukehren, sich unter einem der Betten zu verkriechen und alles von vorn zu erleben. Es war an der Zeit Hogwarts aus den Augen gehen zu lassen, es immer mehr in die Vergangenheit zu rücken. Nichts und niemand konnte diese Bötchen daran hindern. Sie waren wie der Anker, und doch wie der letzte Abschied. Schenkten uns einen weiteren, unvergesslichen Moment, waren zugleich jedoch die Masse, die uns immer weiter zerrte. Die uns weiter machen ließ. Die mir sogar eine einzelne, einsame Träne vergießen ließ. Einzeln, allein und doch so ausdrucksstark. So viele Emotionen. Mehr, als bei einem Verlust, einem Schmerz oder sonstigem Gefühl. In dieser einen, salzig auf meiner Wange hinunter rinnenden Träne, war so viel Glück, Freude, Spaß, aber zugleich auch so viel Traurigkeit. Und trotz dessen, schien es, als würde mein Lächeln nicht breiter gehen. Dieser Anblick war atemberaubend, keine Zweifel. Doch war dieser im Moment nur zweitrangig. Denn tatsächlich bewirkte diese letzte Fahrt weg von Hogwarts, dass wirklich jeder hier auf diesem See, egal in welchem kleinen Boot, an all die Ereignisse und Geschehen der sieben Jahre zurück dachte. Und wie es mir schien, war der Ausdruck mit einem tränenden Auge und breitem Lächeln im Gesicht, mehr als würdig. Es mochte ein Abschied für immer sein. Und doch eine Schatztruhe aus Erlebnissen und Erinnerungen, die jedem beim zurückdenken ein Lächeln ins Gesicht zauberten.
Unsanft stießen die kleinen Boote am Ende unserer Reise an, rissen jeden hier aus den Gedanken, hinterließ ein Lächeln und doch eine längst verrannte Träne, ließ nur noch die dünne, feuchte Spur auf meiner Wange erahnen, was dort mal war. Ebenso wie die in der Sonne Grün glitzernden Bäume, die Hogwarts vor uns verbargen. Die uns ein letztes Mal signalisierten, hier war Schluss. Ende. Unsere Zeit war gekommen endlich etwas Neues anzupacken. Weiter zu machen. Das zu beginnen, was man längst tun wollte. Kein lernen, Aufsätze schreiben mehr. Und leider auch keine Schneeballschlachten der Häuser, umkämpfte Quidditch-Spiele harter Rivalen oder amüsierte Unterrichtsstunden mehr. Wir waren erwachsen geworden. Es war Zeit aufzustehen. Die helfende Hand James' zu ergreifen und den letzten Schritt hinaus aus diesem Boot der Erinnerungen zu wagen. Auf den grünen Rasen zu treten und sich bewusst zu sein, dass es nun kein Zurück mehr gab. Das diese Zeit prägend, und doch vorbei war.
Und auch wenn man meinen möge, dass es nur ein Schritt war, so verursachte es vieles. Mit diesem Tritt ins Freie, mit diesem Tritt auf die grüne Wiese, war mehr in einem geschehen als man vermutete. Sobald die Ferse den Boden betrat, mein Blick den lächelnden von James erkannte, war nichts mehr wie es schien. Hogwarts war keine Gegenwart mehr. Hogwarts war geschehen. Gehörte einer Vergangenheit, einer äußerst schönen Vergangenheit an.
Einen festen Händedruck und ein aufmunterndes Lächeln schenkten wir uns beide. Es sah nicht nach viel aus, doch wussten wir beide, dass es für den jeweils anderen mehr als vermutet war. So viel mehr. Und auch wenn es einem Angst machen könnte, reichte ein Blick in seine Augen und ich wusste, dass es für mich keine Angst geben wird. Seine Hand in meiner, unsere Blicke verhangen, und alles war gut. Vielleicht nicht immer perfekt, aber gut. Dieser Abschnitt unseres Lebens lag hinter uns, so sollten wir nun gemeinsam am nächsten, außergewöhnlichen Abschnitt unseres Lebens arbeiten. Und wenn ich mir bei einem sicher war, dann, dass wir das auf alle Fälle schafften.
„James, Lily! Kommt! Sonst fährt der Zug noch ohne euch!", ließ nun auch dieser Ruf eines alten Bekannten meine Gedanken zu Ende bringen. Mir zeigen, dass es an der Zeit war nicht mehr zu träumen, sondern zu leben. Weiter zu gehen und den Weg einzuschlagen, den man sich wohl nie getraut hätte zu wagen.
Lächelnd bewältigten wir die Hürde und blickten zu Hagrid. Der breit grinste, warm schaute und aufmunternd auf den Zug deutete, welcher in der warmen Sommerluft glänzte und schon kräftig Dampf ausstieß. Und wenn ich meinte, dass ich Hogwarts trotz des Abschließens vermissen würde, dann meinte ich nicht nur die Erlebnisse. Sondern auch die Menschen, die seit sieben Jahren an meiner Seite weilten und nun nicht weiter gehen könnten. Sie hatten ihren Weg gewählt, hatten sich entscheiden zurück zu kehren. Und so mussten wir unseren Weg finden. Gemeinsam.
Und auch wenn der kurze und heitere Plausch mit Hagrid hinüber zum Zug meines Erachtens länger hätte ausfallen müssen, war er es, der uns schließlich in die rote Dampflok drängte, ehe der Zug sich auch schon langsam von Hagrid entfernte. Und grinsend, fröhlich und doch betrübt von alle dem weg zog. Meine Haare im Wind Wehen ließ und James Brille noch schiefer auf die Nase setzte. Und kaum war die rote Dampflok aus Hogsmead raus, schien es nur noch Sekunden zu dauern, ehe wir Kings Cross erreichten, unsere Eltern wiedersehen würden.
So kam es auch, dass mir die neun Stunden Zugfahrt durch die Highlands Schottlands vorkamen, wie dreißig Minuten. Jedem unserer Freunde war bewusst, dass es das letzte mal in diesem Zuge sein würde. Und doch erfüllte jeder das Abteil mit der selben Freude wie jedes Mal. Irgendeiner lachte immer, machte Späße und ließ ja niemanden mehr zurück denken. Es war schön. Mehr als das. Es war perfekt. Und das war es auch noch, als jeder von uns aus diesem Zug ausstieg, sich umarmte und sich gegenseitig versprach in Kontakt zu bleiben. Auch, wenn es vor allem für mich und James hieß, dass wir nicht wie die letzten Monate ein Bett teilten oder geschweige denn eine gesamte Wohnung. Und trotzdem war ich mehr als glücklich. Denn mir war bewusst, dass nichts und niemand mehr etwas an meinen Plänen ändern könnte. Jedenfalls nicht in naher Zukunft.
„Samstag Mittag. Meine Eltern erwarten dich.", murmelte ich grinsend gegen seine Lippen und bekam ein ebenso breites Strahlen zurück. Ein letzter Kuss, für die kommenden vier Tage. Ein letztes Versprechen. Ein letztes Ich liebe dich und schon gingen wir unsere Wege. Es würde nicht das allerletzte sein. Und doch schien es mir im Moment so, als wäre es ein zurück gehen. Ein sich entfernen. Und das, obwohl es nicht so war. Wir wussten was wir wollten. Was wir uns wünschten, was wir in den nächsten Wochen vor hatten. Und doch stand uns eben noch eine Sache im Wege. Beziehungsweise stand mir noch eine Meinung im Wege. Und auch wenn ich wusste, dass es mir egal sein würde, wie diese Meinung ausfallen würde, war es mir wichtig auf diese zu warten. Rein aus Höflichkeit und Respekt. Und das sah nicht nur ich so. Denn von James kam das Drängen einer schnellen und richtigen Vorstellung seinerseits meiner Eltern.
„Na mein Schatz? Wie war Hogwarts? Bist du dolle traurig?", breitete meine Mutter wie jedes Mal die Arme aus und zog mich fest an sich. Lächelnd erwiderte ich diese mütterliche Geste. Ja, Hogwarts war schön und nein, traurig war ich nicht. Nur gedankenverloren in der Vergangenheit und Zukunft. Alles war geschehen und doch wusste niemand was passieren mochte. Und trotzdem schien es mir im Moment egal. Mich aus den Armen meiner Mutter lösend, nun meinen Dad fest umarmend, wusste ich, dass das was die Zukunft bringen mochte, nicht viel schlechter sein konnte, als das was geschehen war. Und auch ein letzter Blick zurück zu James, ehe ich durch die Absperrung lief, ließ mich wissen, dass egal was kommen mochte, diese Zukunft nur ihm und mir gehörte.
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